ADB:Stoliczka, Ferdinand
[400] der Naturwissenschaft gründliche Kenntnisse aneignete. Besonders waren es Geologie und Paläontologie, mit denen er sich unter E. Süß’ Leitung erfolgreich beschäftigte. Nachdem St. sich hier den Doctorgrad erworben hatte, trat er 1860 bei der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien, welche damals unter v. Haidinger rasch aufgeblüht war, als Aufnahmsgeologe ein. Hierbei fand er reichlich Gelegenheit, sich umfassende Kenntnisse zu erwerben. Ueber die Ergebnisse seiner geologischen Forschungen, namentlich in Ungarn und in der Militärgrenze, machte er durch zahlreiche Reiseberichte, welche in den Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt (XII, 16, 48, 78, 84, 114, 160, 217, 239, 240) und deren Jahrbüchern (XII, 526; XIII, 1) veröffentlicht worden sind, Mittheilungen. Besonders erfolgreich beschäftigte sich St. außerdem mit paläontologischen Studien, wie zahlreiche, durch Schärfe der Beobachtungen und kritische Behandlung ausgezeichnete Abhandlungen, welche in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften (math.-naturwiss. Cl. XXXVII–LII) erschienen sind, beweisen. Als die bemerkenswerthesten dieser Arbeiten mögen besonders hervorgehoben werden: „Ueber eine der Kreideformation angehörige Süßwasserbildung in den N.-O.-Alpen“ (das. XXXVII, 121 und XXXVIII, 482); „Ueber die Gastropoden und Acephalen der Hierlatzschichten“ (das. XLI, 561 und XLIII, 157), wobei er die Gleichstellung dieser Schichten mit den tieferen Stufen des Lias nachwies; dann „Ueber oligocäne Bryozoën von Latdorf“ (das. XLIV, 629 und XLV, 71); „Revision der Gastropoden der Gosauschichten“ (das. LII, 101); „Beiträge zur Kenntniß der Molluskenfauna der Cerithienschichten von Inzersdorf“ (Verh. d. zool.-mineral. Gesellsch. in Wien, 1862) u. s. w. Durch diese Arbeiten hatte sich St. bereits den Namen eines tüchtigen Geologen und Paläontologen erworben. Daher kam es, daß er 1863 einen Ruf an die Geological Survey in Ostindien erhielt, in deren Dienst er als Paläontologe eintrat. Hier beschäftigte sich St. voll aufopfernden Eifers hauptsächlich mit der geologischen Erforschung des Himalayagebirges, welches so vielfache Analogien mit den ihm wohlbekannten Alpen darbot. Den weiteren Nachweis dieser vielfachen Beziehungen zwischen den Alpen und dem Himalaya verdankt man zunächst Stoliczka’s erfolgreichen Untersuchungen. Im Sommer 1864 erforschte er hauptsächlich das Spitithal und das Hauptgebirge zwischen dem Sutluz und Indus bis auf Höhen von über 6000 m. Ueberanstrengungen warfen ihn 1864 auf ein hartes Krankenlager. Doch konnte er im Frühjahr 1865 wieder seine Untersuchungsarbeiten aufnehmen. Inzwischen beschäftigte sich St. auch mit der höchst sonderbaren Fauna der obercretacischen Schichten in dem südlichen Theil der Ostküste Indiens bei Pondischeri und Trichinopali, und stellte unter anderem die wichtige Thatsache fest, daß in diesen Ablagerungen noch zahlreiche Ammoniten von älterem jurassischem Typus sich erhalten haben. Eine diesbezügliche Ausarbeitung (Cretaceous Fauna of S. India in den Mem. o. t. geol. Survey of India I–V) ist eine ganz vorzügliche und Stoliczka’s hervorragendste paläontologische Leistung. Außerdem lieferte er zahlreiche Berichte über seine Forschungen in Indien in den Schriften der Survey. Es sei nur erwähnt: „Geol. Sections across the Himalaya Mountains“, „Summary of geol. observ. during a visit t. t. Provinces Ruphu, Karnag etc.“, „On Jurassic deposits in t. NW. Himalaya“ u. s. w. Auch schrieb er Briefe von Simla und Kaschmir an Hofrath v. Haidinger, welche letzterer veröffentlichte (Sitz. d. Akad. d. Wissensch. in Wien L, 379, 411, 664). In seinen Gesundheitsverhältnissen tief erschüttert, stand er 1873 im Begriff nach Europa zurückzukehren, als die Gesandtschaftsexpedition nach Kaschgar unter Forsyth ihn bestimmte, diese für die Erforschung bisher unbekannter Gebiete so günstige Gelegenheit zu benutzen, und der Expedition sich anzuschließen. Schon bei der Ueberschreitung der hohen Gebirgspässe nach [401] Kaschgar erlitt St. infolge von allzugroßen Anstrengungen einen Anfall von Rückenmarksentzündung, erholte sich jedoch wieder, sodaß er seine Beobachtungen fortsetzen konnte, die er bis in die Hochebene der Pamirsteppe ausdehnte. Hier glückte es ihm, nördlich von Kaschgar, im südlichen Theil von Thianschan, den deutlichen Krater eines erloschenen Vulcans zu entdecken und den bis dahin viel bestrittenen Beweis zu liefern, daß im Innern von Asien wirklich Vulcane sich vorfinden. Auf der Rückreise von Kaschgar wiederholte sich bei dem Ueberschreiten des Korakorumpasses der erwähnte Krankheitsansall, dem er auch, erst 36 Jahre alt, am 19. Juni 1874 zu Murghi in Ladak erlag. Er wurde am 23. Juni in der Stadt Leh bestattet. Mit ihm sank ein guter Theil geologischen Wissens und reicher Erfahrungen, welche er in sich angesammelt, aber noch nicht zur Veröffentlichung gebracht hatte, ins Grab. In Anerkennung seiner großen Verdienste um die Erforschung Indiens, ließ die britische Regierung auf seinem Grabe ein würdiges Denkmal setzen.
Stoliczka: Dr. Ferdinand St., erwarb sich, trotzdem er schon in sehr jungen Jahren starb, als Geologe und Paläontologe einen sehr geachteten Namen. Geboren im Mai 1838 zu Hochwald in Mähren, besuchte St. das Gymnasium in Prag in der Absicht, sich später dem geistlichen Stande zu widmen. Ein unwiderstehlicher Drang zog ihn jedoch zu naturwissenschaftlichen Studien. St. bezog deshalb die Universität Wien, wo er sich in den verschiedenen Zweigen- Wurzbach, Biogr. Lexikon XXXIX, 152. – Records o. t. geol. Survey of India 1874.