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ADB:Strattmann, Theodor von

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Artikel „Strattmann, Theodor Heinrich“ von Hanns Schlitter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 518–520, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Strattmann,_Theodor_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 08:50 Uhr UTC)
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Strattmann: Theodor Heinrich St. war der Sprosse eines alten aus dem Herzogthum Cleve stammenden Adelsgeschlechtes, welches bereits von den Kaisern Maximilian I., Karl V. und Mathias in verschiedener Weise ausgezeichnet worden war. Ueber den Ort und das Jahr seiner Geburt ist uns nichts bekannt; ebensowenig wissen wir zu sagen, wo er sich jenen Schatz von Kenntnissen, jene tiefe Bildung erworben hat, welche Kaiser Leopold I. stets bei ihm bewunderte. Anfänglich in den Diensten des Kurfürsten von Brandenburg stehend, finden wir ihn später am Hofe des Kurfürsten Wilhelm von der Pfalz-Neuburg, wo er die Stellung eines Vicekanzlers bekleidete. In dieser that er sich besonders bei Gelegenheit der Streitigkeiten hervor, welche bereits seit längerer Zeit zwischen Kurpfalz und Kurbrandenburg bestanden. Seinem Streben nach einem größeren Wirkungskreis, welches durch seine Fähigkeiten vollends gerechtfertigt war, konnte jedoch der kleine Hof zu Düsseldorf nicht genügen. Deshalb willigte er mit Freuden ein, in kaiserliche Dienste überzutreten, als er von seinem Fürsten bei Leopold I. eingeführt wurde. Dieser Kaiser besaß in ungewöhnlichem [519] Maaße das für einen Herrscher nicht hoch genug anzuschlagende Talent, die tüchtigsten Männer als solche zu erkennen, um sie sodann auf den ihren Fähigkeiten entsprechenden Posten zu stellen. Bei Gelegenheit der Friedensunterhandlungen zu Nimwegen, wohin er als Bevollmächtigter entsendet wurde, verstand es St. seine Kenntnisse in vortheilhaftestem Lichte zu zeigen. Weiter hatte er eifrigst mitgewirkt, daß des Kaisers dritte Vermählung mit der Prinzessin Eleonore von Pfalz-Neuburg zu Stande kam. Dieser Umstand trug nicht wenig dazu bei, seine Stellung bei Hofe mehr als je zu sichern – denn mit Zuversicht konnte er auf die Anhänglichkeit der neuen Kaiserin zählen. Ueber drei Jahre – von 1680–1683 – mußte St. sich gedulden und als österreichischer Principalgesandter in Regensburg verweilen, bis es ihm beschieden wurde, jenes Feld staatsmännischer Thätigkeit zu betreten, auf welchem er seinem zweiten Vaterlande größere Dienste als bisher erweisen konnte. Als infolge des am 1. März 1683 erfolgten Tode Hocher’s die Stelle eines Hofkanzlers erledigt war, erachtete Kaiser Leopold St. als den Tüchtigsten, dieses verantwortungsvolle und wichtige Amt zu versehen. Der Umstand, daß St. kein Oesterreicher war, konnte diesem nur förderlich sein; denn wol mag der Kaiser geglaubt haben, daß sich ein Fremder, welcher einzig und allein der kaiserlichen Gunst seine Erhebung zu danken hätte, von jeder Parteilichkeit fern halten werde. Leopold täuschte sich nicht. Mit Eifer und Hingebung diente St. dem Monarchen, so daß in Bälde keine Stimme im Rathe des Kaisers angesehener war als die seine. Wenn er auch nicht den Namen eines Premierministers führte, so besaß er dennoch, und zwar in ausgedehntem Maaße, den Wirkungskreis eines solchen. Er verstand es weiter, die streitlustige Gesinnung, die ihn beseelte, auch auf den sonst friedliebenden Kaiser zu übertragen und diesen in viele und langandauernde Kriege zu verwickeln. Im J. 1685 vermittelte er in geschickter Weise die Heirath Maria Antonia’s, Tochter Leopold’s aus dessen erster Ehe, mit dem Kurfürsten Max Emanuel von Baiern. Er war es auch, welcher den Zwist zu schlichten verstand, welcher zwischen diesem Fürsten und dem Herzoge von Lothringen wegen des Oberbefehls in Ungarn ausgebrochen war. In Anbetracht seiner Verdienste erhob ihn Leopold I. am 30. September 1685 in den Grafenstand. 1687 war er in der eifrigsten Weise thätig, dem Hause Habsburg die Erbfolge in Ungarn zu sichern und seine Bemühungen wurden belohnt, als 1690 Josef zum Erbkönig gekrönt wurde. Der Kreis seiner Anhänger erweiterte sich von Tag zu Tag und die Ehrenhaftigkeit, mit welcher er seines Amtes waltete, verschaffte ihm die Achtung jener, welche die Stelle, die er einnahm, lieber einem Manne von glänzenderer Abstammung anvertraut gesehen hätten. Offen in seinen Reden und in seiner Handlungsweise war St. ein grundsätzlicher Feind der Anschauung, welche gerade zu jener Zeit sich geltend zu machen begann, daß derjenige der beste Politiker sei, welcher seinen Gegner zu überlisten, wenn nicht zu betrügen verstehe. Mit Geschick führte er in manch wichtigen Fragen das Staatsschiff an Klippen vorbei, an denen es vielleicht unter der ausschließlichen Leitung eines Anderen gescheitert wäre. Aber niemals erweckte er in dem Kaiser den Argwohn, als ob er ihn zu regieren beabsichtige; denn in Allem und Jedem stellte er Leopold die Entscheidung anheim. So verblieb er in der Gunst des Kaisers bis zu seinem am 25. October 1693 erfolgten Tode.

Strattmann’s Name wurde auch viel bei Gelegenheit des Streites genannt, welcher wegen des bekannten politischen Testamentes des Herzogs Karl von Lothringen zu Ende des vergangenen Jahrhunderts entbrannt war und sich bis auf unsere Tage fortsetzte. Fälschlich wies man neben dem der österreichischen Politik stets feindlichen Cardinal-Kurfürsten Wilhelm Egon Fürstenberg von [520] Köln und dem Abbé de Chèvremont auch auf den Grafen St. als den Autor des apokryphen Testamentes hin. Graf St. war in erster Ehe mit Mechtilde v. Mollard, in zweiter mit Eleonore Therese, einer geborenen Gräfin Schellard vermählt. Die Verehrung, welche diese Zeit ihres Lebens dem Prinzen Eugen von Savoyen zollte, welcher wiederum der Tochter Strattmann’s, der schönen Gräfin Batthyany in Freundschaft zugethan war, kam so recht zum Ausdruck in einem Stiftsbriefe vom 23. December 1720, laut dessen die Wittwe des Verstorbenen folgendes bestimmte: Es solle dereinst nach dem Tode des Prinzen bei den Minoriten, d. h. damals in deren Kirche zum heiligen Kreuz, alljährlich ein feierliches Requiem abgehalten werden. Sie widmete für diesen Zweck zweitausend Gulden. So ist die fromme Stiftung der Gräfin St. ein schöne Denkmal der Freundschaft ihres Hauses für den großen Feldherrn und Helden.