ADB:Stülpnagel, Friedrich von
Adolf Stieler in Gotha zusammen, der geeignete Hülfskräfte für die Fortsetzung und Verbesserung seines in den Jahren 1817–1823 zum ersten Male erschienenen, seitdem öfters wieder aufgelegten und allmählich zu Weltberühmtheit gelangten „Handatlas über alle Theile der Erde“ suchte. Beide Männer fanden rasch Wohlgefallen aneinander, und so trat St., der ein geschickter Zeichner und als ehemaliger Officier im Kartenwesen nicht unbewandert war, 1823 als Mitarbeiter in die Geographische Anstalt von Justus Perthes in Gotha ein, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Stieler’s Karten beschäftigte. 42 Jahre lang bis zu seinem Tode hat er dieser angesehenen Firma seine volle Kraft gewidmet, und neben Stieler, Karl v. Spruner, Emil v. Sydow, Heinrich Berghaus und August Petermann galt er als eine Säule des Geschäfts. Zunächst behielt er seinen Wohnsitz in Wandersleben, entwarf eine Anzahl Ergänzungsblätter zu Stieler’s Handatlas und corrigirte die übrigen auf Grund unausgesetzten Studiums der [631] neuesten Erscheinungen aus der geographischen und Reiselitteratur. Auch vollendete er eine große, von seinem Freunde begonnene Karte von Deutschland, dem Königreich der Niederlande, dem Königreich Belgien und der Schweiz mit den angrenzenden Ländern (25 Bl., Gotha 1829–1834). Als Stieler 1836 gestorben war, siedelte St. endgültig nach Gotha über und führte hier im Verein mit Heinrich Berghaus und Joseph Christoph Bär die Kartenwerke seines Vorgängers unter dessen Namen fort. Von dem Handatlas, zu dem er im Lauf der Jahre mehr als 50 neue Blätter beisteuerte und den er durch Ausscheidung veralteter und Verbesserung der zurückbleibenden Karten immer auf der Höhe der Zeit erhielt, redigirte er die vollständigen Ausgaben von 1847, 1854 und 1864, sowie mehrere Auflagen der mittleren und kleineren Ausgabe. Auch an den zahlreichen Neuauflagen von Stieler’s Schulatlas hat er beträchtlichen Antheil. Von den Kartenwerken, die unter seinem eigenen Namen meist unter Mitwirkung J. C. Bär’s erschienen und die gleichfalls fast sämmtlich wiederholt aufgelegt wurden, sind hauptsächlich folgende zu erwähnen: Karte von Europa und dem Orient (4 Bl., 1841), Palästina (1844), Taschenatlas über alle Theile der Erde nach dem neuesten Zustande in 24 Karten (1845), Eisenbahn-Atlas von Deutschland, Belgien, Elsaß und dem nördlichsten Theile von Italien in 12 Karten (1846), Deutschland, Königreich der Niederlande, Belgien und die Schweiz (1848), Schulwandkarte von Europa mit politischer Begrenzung der einzelnen Staaten (1852), Schulwandkarte von Deutschland (1855), Karte von Spanien und Portugal (1855), Die europäisch-russischen Grenzländer (10 Bl., 1855–1857), Karte von Frankreich (1856). Hervorzuheben ist auch sein bedeutender Antheil an der von Hermann Berghaus bearbeiteten berühmten Chart of the World on Mercator’s Projection (zuerst 1863). Seitdem war er durch zunehmende Altersbeschwerden gezwungen, seine Arbeiten mehr und mehr einzuschränken. Am 18. October 1865 starb er zu Gotha, betrauert von seiner Wittwe und acht überlebenden Kindern.
Stülpnagel: Johann Friedrich von St., Kartograph, entstammte einer dem uckermärkischen Uradel angehörigen Officiersfamilie und wurde am 13. März 1786 als Sohn des preußischen Infanterie-Capitäns Wolf Friedrich Gottlob v. St. zu Anklam geboren. Den Ueberlieferungen seines Hauses getreu widmete er sich der militärischen Laufbahn und trat 1802 als Fahnenjunker in die preußische Armee ein. Er nahm an allen Feldzügen der Jahre 1806–1815 theil, kämpfte auf den Schlachtfeldern Deutschlands, Rußlands, Frankreichs und der Niederlande und zeichnete sich in mehreren Gefechten aus. 1810 verheirathete er sich trotz der unruhigen Zeiten mit Sophie Charlotte Keßler aus Stettin, die ihm in 55jähriger Ehe zehn Kinder schenkte. Nach den Freiheitskriegen lebte er als Hauptmann in verschiedenen westfälischen Garnisonen, bis ihn ein Ohrenleiden befiel, das nahezu völlige Taubheit herbeiführte und ihn zwang, 1822 seinen Abschied zu erbitten. Er zog nun, durch verwandtschaftliche Beziehungen veranlaßt, zunächst nach Erfurt, dann nach dem benachbarten Wandersleben. Da er aber nur wenig Vermögen besaß und eine sehr geringe Pension bezog, gerieth er als Vater einer zahlreichen Familie bald in schwere finanzielle Bedrängniß. Seine Bemühungen, eine lohnende Thätigkeit zu ermitteln, führten ihn mit dem namhaften Kartographen- Justus Perthes in Gotha 1785–1885. Gotha 1885, S. 26 ff. – Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser 1905, S. 787.