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ADB:Taffin, Johann

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Artikel „Taffin, Johann“ von Jacob Cornelis van Slee in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 348–350, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Taffin,_Johann&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:15 Uhr UTC)
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Taffin: Johann T., reformirter Theolog im 16. Jahrhundert und einflußreicher Hofprediger des Prinzen Wilhelm von Oranien, war 1529 zu Doornick geboren. Von seinem Vater, einem wohlgestellten und geachteten Kaufmanne, erhielt er nebst seinen Brüdern eine treffliche Erziehung und hatte zum Lehrer bei seinen vorbereitenden Studien einen Priester Johann Theodori. Darauf studirte er zu Padua und Rom, wo er 1554 durch Vermittlung des mit ihm befreundeten Stephan Pighius, Granvella’s Secretär, eine Stelle zu Brüssel erhielt als Bibliothekar dieses Prälaten. 1558 treffen wir ihn bei der Verheirathung seiner Schwester zu Doornick; aber bei einem Verhör seines Bruders Nicolas vor den Glaubensinquisitoren 1561, ward es offenbar, daß er sich schon damals, ohne Mitwissen seiner Verwandten, dem neuen Glauben zugewandt hatte. Seine Bibliothekarstelle hatte er aufgegeben und war nach Antwerpen gegangen, wo er sich der wallonischen Gemeinde anschloß und, als deren Prediger 1558 sich der Religionsverfolgung auf deutschem Grunde entzogen hatten, bemühte er sich als Diakon eifrig und mit Erfolg um den freiwilligen Auszug ihrer Glieder nach Aachen, ungeachtet der mehrmals drohenden Gefahr seiner Verhaftung. Bald aber auch von hier vertrieben, suchte er umsonst freundliche Aufnahme bei den Lutherischen zu Worms, fand sie aber glücklich für sich und die Seinigen zu Straßburg. Dort erhielt er auch in Nicole Quinte eine würdige und treue Gattin und zog mit ihr zu Anfang des Jahres 1559 nach Genf, wo er sich den theologischen Doctorgrad erwarb. Unrichtig ist die Behauptung, der man mehrfach begegnet, er habe dort auch unter Calvin studirt. Sein Aufenthalt zu Genf bezweckte nur, ein näheres Verhältniß zwischen den anwachsenden wallonischen Gemeinden in den Niederlanden und dem Genfer Reformator herzustellen. Nach Straßburg zurückgekehrt, ward er wider seinen Willen in die Streitigkeiten mit den lutherischen Theologen hineingezogen und folgte daher 1561 freudig einem Ruf als Hülfsprediger nach Metz, wo er sich nebst seinem Collegen Petrus Colonius des besten Erfolges erfreute. Bald wurde dort das Abendmahl an zehntausend Zuhörer ertheilt. Umsonst trat hier ein [349] redegewandter Mönch, Bernhard Dominici aus Nancy, zur Bekämpfung des neuen Glaubens auf; er mußte sich völlig besiegt zurückziehen. Ebenso fiel eine Disputation mit den Katholischen für T. und seine Glaubensgenossen durchaus vortheilhaft aus, und 1562 erhielt die Gemeinde eine eigene Kirche. T. blieb indessen fortwährend mit den Reformirten zu Antwerpen in schriftlicher Verbindung und trat 1565, nach Beredung mit Guido de Brès, den Absichten des Prinzen von Oranien, eine Union der Lutherischer und Calvinisten herbeizuführen, bei. Im April 1566 ging er nach Antwerpen. Umsonst versuchte die Herzogin von Parma, seine Verhaftung herbeizuführen; ihn schützte seine Popularität beim Volke. Als am 20. August der Bildersturm eintrat, billigte T. diesen Ausbruch nicht nur keineswegs, sondern wußte auch seine Glaubensgenossen von weiterem Muthwillen zurückzuhalten. Vermöge seiner Mäßigung erhielten die Reformirten nun Religionsfreiheit und bauten sich eine Kirche, der „runde Tempel“, welche im November eingeweiht, aber schon am 10. April 1567 wieder geschlossen und bald nachher zerstört wurde, nachdem die Herzogin von Parma die Religionsfreiheit widerrufen und die reformirten Prediger aus der Stadt verbannt hatte. Jetzt kehrte T. nach Metz zurück, wo die Lage der Reformirten sich dennoch alsbald verschlimmerte, bis ihnen am 6. April 1569 die freie Ausübung ihrer Religion vom französischen Könige Karl IX. untersagt wurde. Wiewohl die Mehrzahl der Einwohner auf Seiten der Reformirten stand, leistete doch T. keinen Widerstand. Er wanderte nach Heidelberg aus, wo er bei Friedrich dem Frommen von der Pfalz eine gute Aufnahme fand, die Lutherischen sich ihm aber bald feindselig erwiesen, ungeachtet der Annäherung an die lutherische Abendmahlslehre, welche Guido de Brès und T. schon früher 1561 und 1567 gezeigt hatten. T. suchte daher für die wallonischen Reformirten Unterstützung bei den französischen Calvinisten und bei der Emder Synode von 1570, wo er als Vicepräsident fungirte. Demzufolge traten die vereinigten Reformirten in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, ganz von den Lutherischen getrennt, in eigener Kraft dem Katholicismus gegenüber. 1573 trat der Prinz von Oranien offen zum Calvinismus über. Als dieser dann zur Trennung seiner Ehe mit Anna von Sachsen schritt und seine Verheirathung mit Charlotte de Bourbon ins Auge faßte, trat T. dabei mit gutem Erfolg als Vermittler in Genf auf und kam deshalb 1575 nach Holland, wo ihn der Prinz zum Hofprediger ernannte und am 12. Juni seine Ehe zu Brielle von ihm einsegnen ließ. An Oraniens Dienst gebunden, war er von nun an in mancherlei politische Angelegenheiten verwickelt; besonders aber beschäftigte ihn die Beruhigung der unter sich streitenden strengeren und milderen Calvinisten und die Vertheidigung der durch die Genter Pacification festgestellten Religionsfreiheit, welche von der weit exclusiveren Utrechter Union allmählich zurückgedrängt wurde. Daher führte er 1577 den Vorsitz in der Synode zu Dordrecht und erhielt auch von der wallonischen Synode 1578 verschiedene wichtige Aufträge. Von 1580–1585 finden wir ihn dauernd in Antwerpen, wo er mit Marnix von St. Aldegonde eifrigst bemüht war, den gemäßigten kirchlichen Ansichten des Prinzen Raum zu schaffen. Er war deshalb auch mit der Verurtheilung des Caspar Coolhaes (s. A. D. B. IV, 458) auf der Synode zu Middelburg im J. 1581 keineswegs einverstanden. Als Antwerpen 1585 vom Herzog von Parma eingenommen war, wandte er sich nach Leiden, wo er im September der wallonischen Synode präsidirte. Bald nachher reiste er nach Emden ab, kehrte aber im J. 1587 zurück und wurde dann von der wallonischen Synode zu Amsterdam als Prediger nach Harlem geschickt. 1591 erhielt er die Predigerstelle bei der wallonischen Gemeinde zu Amsterdam und lebte dort ruhig, aber nicht ohne stete Thätigkeit, bis der Tod ihn am 15. Juli 1602 abrief. Das Nähere über seine letzten [350] Lebensjahre ist durchaus unbekannt geblieben; doch wissen wir, daß er sich eifrigst bemühte, den Abfall des Johann Haeren, Hauspredigers des Herzogs Karl von Croy-Chimay zum Katholicismus zu verhüten, und daß er, nachdem er selbst den Ruf der Gemeinde zu Vlissingen 1590 abgelehnt hatte, seinen Neffen Jean Taffin dort als Prediger empfahl. Dabei trat er auch als Schriftsteller auf. Schon 1584 war bei Gillis Romein zu Harlem von seiner Hand ein Büchlein in 12° erschienen: „Des marques des enfants de Dieu et des consolations en leurs afflictions aux fidèles des Pays-Bas“, welches mehrere Ausgaben erlebte, wie zu Harlem 1585, Leiden 1586, Amsterdam 1588 und 1606, Saumur 1616 und Genf 1621. Es war ein wahrhaft schönes und frommes Buch, in das er seine ganze milde, vaterlandsliebende und treue Seele gelegt hat. Es mag darum Wunder nehmen, daß derselbe Mann sich entschließen konnte, 1589 zu Harlem eine Schrift von ganz unähnlichem Geiste herauszugeben: „Instruction contre les erreurs des Anabaptistes en quatre points suivants: de l’incarnation de J. C. vray dieu et vray homme; du baptême des petits enfants des Chrétiens; du devoir, autorité et puissance du magistrat; du jurement ou serment solemnel.“ T. suchte darin nachzuweisen, die Anabaptisten seien schlechte Bürger, indem sie den Eid verweigerten, und sie verdienten daher weder Nachsicht noch Schutz. Es diene T. zur Entschuldigung, daß das 16. Jahrhundert im allgemeinen eine Toleranz, wie Wilhelm von Oranien sie durchzuführen beabsichtigte, als Schwachheit betrachtete. Im selben Geiste ist auch seine letzte Schrift: „Traité de l’amendement de vie, compris en quatre livres“ abgefaßt, welche 1594 zu Amsterdam erschien. Dennoch ist T. unter die bedeutendsten Reformationsprediger der Niederlande, als ein meistens gemäßigter und milder, immer aber frommer Mann zu zählen, dem die wallonischen Reformirten und besonders ihre Gemeinde zu Amsterdam sehr viel zu danken hat. „Erwarte von mir kein gelehrtes Werk; ich arbeite nur für das Volk“, schrieb er eines Tages an seinen Freund Vulcanius, ein Wort, was den ganzen Mann kennzeichnet. Eine vorzügliche Biographie Taffin’s gab Ch. Rahlenbeck in dem Bulletin des églises Wallones II, p. 117–119, wo sich auch ein Porträt Taffin’s findet. Vgl. ferner Glasius, Godgel. Nederl. und van der Aa, Biogr. Woordb.