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ADB:Tassaert, Jean Antoine

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Artikel „Tassaert, Jean Pierre Antoine“ von Paul Seidel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 407–409, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tassaert,_Jean_Antoine&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 14:20 Uhr UTC)
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Tassaert: Jean Pierre Antoine T. Zu den Schöpfungen Friedrich’s des Großen auf künstlerischem Gebiete, die dauernd befruchtend gewirkt haben, gehört in erster Linie die Einrichtung und Fundirung eines königlichen Bildhauerateliers, in dem unter Leitung eines hervorragenden Künstlers von einer Reihe fest angestellter Gehülfen der Statuenschmuck für die Schlösser und Gartenanlagen des großen Königs geschaffen wurde. Dieser Einrichtung verdanken wir die Thätigkeit einer Anzahl tüchtiger Bildhauer auf diesem Gebiete in Berlin; ja die ganze hohe Blüthe dieser Kunst in Berlin läßt sich auf dieses Atelier zurückführen, denn aus ihm ist Gottfried Schadow hervorgegangen, ihm verdankt dieser Altmeister der Berliner Bildhauerkunst dieses Jahrhunderts die erste Anregung und die künstlerische Ausbildung.

Der erste Inhaber dieses Ateliers war der Pariser François Gaspard Adam, der jüngere Bruder zweier der hervorragendsten Bildhauer Frankreichs, Lambert Sigisbert und Nicolaus Sébastien Adam, in deren Atelier der Bruder als Gehülfe sich eine nicht gewöhnliche technische Geschicklichkeit erworben hatte. Im J. 1747 nach Berlin berufen, entfaltete er eine rührige Thätigkeit, und seine Werke schmücken noch heute das Schloß von Sanssouci und namentlich die Umgebung der großen Fontäne im Park von Sanssouci.

Der siebenjährige Krieg veranlaßte wahrscheinlich die Rückkehr François Gaspard’s nach Paris, wo er am 18. August 1761 gestorben ist. Sein Nachfolger Sigisbert François Michel langte im Anfange des Jahres 1764 in Berlin an. Er war der Neffe der Adam und der Bruder eines der berühmtesten Bildhauer seiner Zeit, Claude Michel, genannt Clodion. In Berlin hat er kein gutes Andenken hinterlassen, da er zur Leitung eines derartigen großen Ateliers mit monumentalen Aufgaben scheinbar gar nicht geeignet war. Bis zu seinem plötzlichen Verschwinden aus Berlin im J. 1770 hat er nichts weiter gearbeitet, als einige von Adam bereits angefangene Arbeiten fertig zu stellen, darunter die Büste Cocceji’s im Kammergericht und die Statue des Feldmarschalls Schwerin, früher auf dem Wilhelmsplatz, jetzt in der Vorhalle der Kirche des Cadettenhauses zu Lichterfelde aufgestellt. Andere Aufträge des Königs hat er gar nicht begonnen, so daß er schließlich aus Furcht vor der Entdeckung seiner Faulheit und Nachlässigkeit vorzog, plötzlich aus Berlin zu verschwinden.

[408] Friedrich der Große hatte an diesem Leiter seines Bildhauer-Ateliers vielen Aerger erlebt, so daß er sich bei dem Suchen nach einem neuen Künstler stets besonders nach den Charaktereigenschaften der Candidaten erkundigte: er wollte lieber einen weniger genialen, dafür aber auch nicht so unbeständigen und unruhigen Geist in seiner Nähe wissen.

Jean Pierre Antoine Tassaert ist im J. 1727 in Antwerpen geboren, begab sich aber schon in jungen Jahren nach London und dann nach Paris, wo er für längere Zeit festen Fuß faßte; wir müssen ihn auch seiner ganzen Kunstthätigkeit nach der französischen Künstlerschaft zuzählen. Ueber seine Thätigkeit in Paris weiß man wenig; erwähnt wird eine Statue Ludwig’s XV. für die Chirurgische Schule in Paris. Im J. 1769 wird er zum Agréé der Akademie ernannt, und auch noch andere Anzeichen sprechen dafür, daß er einen geachteten Namen in der Pariser Kunstwelt besaß. Die Sorge für seine große Familie veranlaßte T., sich nach einer einträglicheren und sicheren Stellung umzusehen, und so bewarb er sich im J. 1774 durch Vermittlung d’Alembert’s um die Berliner Stelle. Seine persönliche Vorstellung beim Könige in Potsdam wurde günstig aufgenommen und ein für den Künstler sehr viel versprechender Contract mit ihm abgeschlossen. Nachdem T. seinen Pariser Haushalt aufgelöst hatte, siedelte er mit seiner ganzen Familie nach Berlin über. Hier begann jetzt eine rege Thätigkeit. Seine erste größere Arbeit sind vier Marmorstatuen eines Bacchus, eines Faun und zweier Bacchantinnen, die in dem großen Saale der Neuen Kammern bei Schloß Sanssouci ihre Aufstellung gefunden haben. Außer vielen kleineren Arbeiten für die königlichen Schlösser hat T. auch im Auftrage des Königs die Statuen des Generals v. Seydlitz und des Feldmarschalls v. Keith für den Wilhelmsplatz in Berlin ausgeführt. Es scheint, daß der Künstler keinen besonderen Dank für diese Arbeiten vom Könige geerntet hat, sie entsprachen auch nicht seiner Begabung und künstlerischen Neigung, die mehr an der anmuthigen Gestaltung nackter Mädchen- und Jünglingsfiguren ihre Leistungsfähigkeit bethätigte. Auch die sonstigen Porträtarbeiten Tassaert’s bieten nichts Anziehendes. Unter König Friedrich Wilhelm II. belebte sich die künstlerische Thätigkeit in Berlin wieder, die in den letzten Jahren des großen Königs allmählich sehr nachgelassen hatte. Um auch bei den architektonischen Zierformen eine mehr künstlerische und einheitliche Gestaltung zu befördern, wurde T. die Aufsicht über sämmtliche „Figuristen und Decorateurs“ an den königlichen Bauten übertragen, und aus dieser Zeit stammen auch eine ganze Reihe decorativer Arbeiten, die sich in den Schlössern erhalten haben. Seine figürlichen Arbeiten aber sind bei weitem anziehender, sie sind sämmtlich in ihren Motiven der antiken Gedankenwelt entlehnt, und in ihnen verbinden sich die weichen Formen des Flamen mit der Grazie des Franzosen. Die letzte Arbeit des Künstlers für den König bestand in dem Entwurf für ein Grabmal des Grafen von der Mark, das nach dem Tode Tassaert’s in anderer Weise von Schadow in der bekannten genialen Form ausgeführt wurde.

Zuerst nach seiner Uebersiedelung nach Berlin hatte T. sein Atelier in dem alten Lusthause im Lustgarten, wo später die Alte Börse stand, gehabt, bis ihm im J. 1779 das vom Könige versprochene eigene Haus und Atelier erbaut wurde, wo sich heute Alexanderstraße 71 befindet. Hier hatte T. auch als akademischer Lehrer eine Art von Meister-Atelier eingerichtet, das für die Kunstgeschichte dadurch von besonderer Bedeutung wurde, daß aus ihm Gottfried Schadow hervorgegangen ist. Hier in seinem Hause ist T. am 21. Januar 1788 gestorben. Seine Kinder brachten es zum Theil zu selbständiger künstlerischer Bedeutung; namentlich seine Tochter Félicité wußte sich einen Namen als Malerin zu machen.

[409] Graf Lippe, Tassaert; Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine, 1881, S. 217–226. – Robert, Gedenkblatt an J. P. A. Tassaert, Berlin 1884. – Schadow, Kunstwerke und Kunstansichten, Berlin 1849. – Friedländer, Gottfried Schadow, Aufsätze und Briefe, Düsseldorf 1864. – Seidel, Das Bildhauer-Atelier Friedrich’s des Großen und seine Inhaber; Jahrbuch der Königl. Preußischen Kunstsammlungen, Bd. XIV, S. 101–126.