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ADB:Tattenbach, Hanns Erasmus Graf von

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Artikel „Tattenbach, Hanns Erasmus Graf von“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 415–418, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tattenbach,_Hanns_Erasmus_Graf_von&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 12:59 Uhr UTC)
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Tattenbach: Hanns Erasmus Graf v. T., geboren am 3. Februar 1631, hingerichtet zu Graz am 1. December 1671. Er stammte aus der steirischen Linie der Tattenbach (Tättenpekh, Tättenbach), deren Stammschloß im bairischen Landgericht Landshut sich erhob. Hanns Tättenpeckh zum Wollimel [416] (Ulimil) in Untersteier wird urkundlich als Pfleger des Bisthums Gurk auf Windisch-Landsberg (Untersteiermark) angeführt (1543). Das Haus stieg rasch empor. Am 10. Februar 1623 erhob Kaiser Ferdinand II. die Vertreter der bairischen und innerösterr. Linie (letztere mit dem Prädicate von Wollimel [Ulimil] und Ganowiz [Gonobitz] in Untersteiermark) in den Reichsfrei- und Panierherrnstand, und 14 Jahre später (8. Juni 1637) folgte die Beförderung des gesammten Hauses zu erbländischen Grafen v. Tattenbach und Reinstein, welche letztere norddeutsche Burgherrschaft 1634 von Erzherzog Leopold Wilhelm als Inhaber des Halberstädter Bisthums seinem Kämmerer Hanns Erasam v. T., Maltheser-Großprior, kaiserlicher Geheimrath und Hofkriegsrath, verliehen worden war und von diesem nach seinem Ableben (1661) an die Bruderssöhne überging. Am 24. Mai 1644 wurde dem Geschlechte die Reichsgrafenwürde von Reinstein-Tattenbach zuerkannt. Erasam’s Bruder war Gottfried Wilhelm (geb. 1607, † 1640), vermählt mit Susanne, Freiin v. Triebeneck, und aus dieser Ehe entsproß als älterer Sohn Hanns Erasmus Graf v. T., vermählt in erster Ehe mit der Gräfin Justina Forgács († 1662), in zweiter (seit 1667) mit Anna Therese, Tochter des Hofkammerraths Schenau. Zu den ererbten Gütern in der Steiermark: Gonobitz, Stettenberg, Windisch-Landsberg, Triebeneck, Galhofen, Hebenstreit und Nieder-Pamstorf, schlesischen Besitzungen, und der oben erwähnten Halberstädter Lehensherrschaft Reinstein im Harzgebiete, fügte er 1669 noch durch Kauf die große Herrschaft Kranichsfeld (Raǐje-polje), welche zuletzt Otto v. Teuffenbach besessen, so daß T. der reichste adelige Großgrundbesitzer im steirischen Unterlande wurde. Auch besaß er in Marburg zwei Häuser und in Graz den Lidlhof. Als „Statthalter“, d. i. Statthaltereirath der Grazer „geheimen Stelle und Kammer“ bekleidete er auch ein Landeshofamt ersten Ranges, und ward durch seine erste Heirath mit einer Forgács in den Kreis der ungarischen Magnaten um so mehr eingeführt, als bereits sein Oheim Wilhelm Leopold 1647 (Diätaldecret art. 155) das Indigenat Ungarns erlangt hatte. Der Leumund Tattenbach’s war ein schlechter. Genußsucht, Eitelkeit und prahlerisches Wesen gingen Hand in Hand mit Scheu vor ernster Berufsarbeit, und ebensowenig verfügte er über die Eigenschaften eines Mannes von Charakterfestigkeit und Muth auch dann, wenn es die eigene Sache galt. Das Verhängniß trat an T. heran, als Banus Peter Zrinyi, sein Bekannter, den selbstgefälligen Schwachkopf für eine Rolle bei der sogenannten „Magnatenverschwörung“ zu gewinnen sich entschloß. So viel sich dem Actenmaterial des späteren Hochverrathsprocesses entnehmen läßt, hatte die erste bezügliche Verständigung zwischen T. und Zrinyi zu Lupschina auf dem Gute des Oberstlieutenants Freiherrn Hanns Locatelli bei Tschakathurn, dem Hauptsitze Zrinyi’s, 1665 im Spätherbste stattgefunden. Der förmliche Eintritt Tattenbach’s in das Bündniß mit Zrinyi und dessen Genossen geschah schriftlich am 9. September 1667, und T. zog nun auch den Görzer Landeshauptmann Karl Grafen v. Thurn ins Einverständniß, wie dies das wechselseitige Eidbündniß (Graz, 18. Juli 1668) bezeugt. Zu Weihnachten 1669 war der Banus Tattenbach’s Gast auf dem Kranichsfelder Schlosse, wo es hoch herging und Zrinyi’s Gesundheit in herausfordernder Weise ausgebracht wurde. Der Unterhändler Zrinyi’s, Rudolf v. Lahn, ein deutscher Edelmann aus Köln, der als Stallmeister beim Banus bedienstet war, fand sich am 6. März 1670 in Kranichfeld ein, um die Bereitwilligkeit Tattenbach’s für das gewagte Spiel Zrinyi’s auszuholen. T. bot sich an, die Bauernmassen seiner Güter zu bewaffnen und rieth dem Banus, Pettau und Graz durch Ueberfall einzunehmen. Er schwatzte auch in unüberlegter Weise aus der Schule, ließ Aeußerungen fallen wie, „daß er einsmal ein so großer Herr seie, daß man sich verwundern würde“, hielt seine Herrschaftspfleger an, die Felder nicht zu bestellen [417] oder viel Mühe darauf zu verwenden, „weil sie doch ohnedies verderben müßten“, – und ließ in auffälliger Weise seine Grundholden bewaffnen.

Sicherlich hatte Zrinyi dem eiteln Flachkopf, den er selbst hinter dem Rücken äußerst geringschätzig behandelte, goldene Berge, so das Viertel Cilli im steirischen Unterlande, versprochen. – T. ahnte nicht, daß längst bereits die Regierung von seiner „Conspiration“ Wind bekommen hatte und ihn beobachten ließ, gerade so wie sie von den Anschlägen des Banus und seiner Genossen unterrichtet war. Der eigene Kammerdiener Tattenbach’s, Balthasar Riebel, vor dem sein Herr in unbegreiflicher Sorglosigkeit die compromittirenden Actenstücke nicht verschloß, hatte bereits im November 1669, aus niedriger Gewinnsucht dem Landesprofossen den Bundesbrief vom 9. September 1669 ausgeliefert, und im Januar 1670 als bestellter Aufpasser der Regierung über die Zusammenkünfte Zrinyi’s und Tattenbach’s Bericht erstattet, überdies für 100 Ducaten Schriften ausgeliefert, die er seinem Herrn stahl. Zu spät wurde der Argwohn Tattenbach’s rege; die Entlassung und gefängliche Einziehung des Dieners auf des Herrn Geheiß konnte der Katastrophe nimmer vorbeugen. Die Wiener Hofkanzlei war bereits verständigt, und die Grazer Statthalterei traf Anstalten, die angeblich vorgeschützte Reise Tattenbach’s nach Padua oder Loretto zu verhindern. Er selbst, Schlimmes ahnend, hatte gleich Zrinyi und Frangepani den Rettungsweg loyaler Kundgebungen betreten und von Kranichsfeld aus an den Statthaltereipräses Brenner geschrieben, er und seine Unterthanen wollten von den Anschlägen des Banus nichts wissen. T. begab sich dann selbst nach Graz, um sich rein zu waschen, wurde aber hier verhaftet, auf dem Schloßberger Castell verwahrt und drei Verhören unterzogen. Am 18. April fand die Gefangensetzung Zrinyi’s und Frangepani’s zu Wien statt, und ihr Proceß wurde in Wiener-Neustadt vorgenommen. Durch ihre Aussagen wurde die Vertheidigung Tattenbach’s, die sein Rechtsfreund Dr. Pfeiffer führte, um so erfolgloser, als das ihn belastende Material der schriftlichen Beweise und Zeugenaussagen seine Mitschuld an der Magnatenverschwörung unleugbar darlegte. Zrinyi und Frangepani büßten am 30. April (1670) unter dem Schwerte des Nachrichters für ihr Vorhaben mit Fassung und Muth; das dritte und letzte Verhör Tattenbach’s fand erst am 3. Juli statt. Das Grazer Gericht erster Instanz befand (9. October 1670) auch den Beweis des eigentlichen Hochverrathes nicht vollständig erbracht und T. nur einer außerordentlichen Strafe für schuldig, wogegen die zweite Instanz, der geheime Rath von Innerösterreich (1. April 1671) das Verbrechen des Hoch- und Landesverrathes als erwiesen annahm und auf Todesstrafe und Güterconfiscation antrug. Ein besonderer Gerichtshof zu Wien entschied sich am 23. November 1671 für das zweitrichterliche Urtheil und sandte am 25. November den Hofrath v. Abele als k. Commissär nach Graz ab.

Als am 28. November 1671 abends die k. Commission dem seit mehr als anderthalb Jahren im Gefängniß verwahrten T. das harte Urtheil verkündigte, war er ganz vernichtet und versuchte es noch mit einer Bittschrift an den Kaiser, daß seine Todesstrafe in lebenslängliches Gefängniß umgewandelt werden möge. Als er dies für nutzlos erkannte, verfiel er neuerdings in Ohnmachten, Krämpfe und Jammern und ermannte sich erst nach längerem Zuspruche. Er nahm dann Abschied von seinem 14jährigen Sohne aus erster Ehe, traf seine letzten Verfügungen, richtete dann ein Bittgesuch an den Kaiser zu Gunsten seines unschuldigen, verwaisten Sohnes und wurde am 1. December 1671 auf dem Grazer Rathhause, aber erst mit vier Schwertstreichen, vom Leben zum Tode befördert. Sein Name ward aus der steiermärkischen Adelsmatrikel gestrichen, seine steirischen und schlesischen Güter und alle bewegliche Habe fielen dem Fiscus anheim; die [418] Herrschaft Reinstein brachte dann das Kurhaus Brandenburg an sich. Die Wittwe des Hingerichteten, welche wegen der Beschlagnahme von ihrem Heirathsgute gegen den Fiscus die Rechtsklage anstrengte, erhielt 2000 fl. Jahrespension ausgeworfen. Sein Sohn Anton trat 1677 in das Reiner Cistercienserkloster und starb (1718) als Propst von Straßengel. Zwei Töchter lebten in Graz unverehelicht und abgeschieden noch geraume Zeit.

Genealogie über die Familie T. bei Kneschke, Neues allgem. Adelslexikon IX (1870), 137–139 und in der neuesten Ausgabe d. steierm. Wappenbuchs von Bartsch, bearb. von J. v. Zahn u. A. v. Anthony-Siegenfeld S. 137–138. Graz 1893. – Beschreibung, wie es mit den Criminalprocessen und Execution wider Joh. Erasm. v. Tattenbach hergegangen (Wien 1672). – Wagner, hist. Leopoldi, magni Caesaris Augusti (1719, I, 225 f.). – (Rinck) Leopold’s des Gr. röm. K. wunderwürdiges Leben und Thaten … I, 566 (1718). – (Frhr. v. Hammer-Purgstall) Die Gallerin auf der Riegersburg, histor. Roman. 1845. II, 266–278 u. Anhang S. 310 ff. (actenmäßiges Material). – Puff, Berichtigung einiger geschichtlicher Irrthümer, die Verschwörung des Grafen Tattenbach in der Steiermark betreffend, Oesterr. Bl. für Litt. u. Kunst, herausg. von Schmidl. 1848. S. 29. und: Beiträge zur Kenntniß des Verschwörungsprocesses des Grafen Tattenbach u. s. w. Marburger Taschenbuch 1859. S. 168–205. – Krones, actenmäßige Beiträge zur Geschichte des Tattenbach’schen Processes v. J. 1670. (Mitth. des hist. Ver. f. Steierm. XII. J. (1863) S. 83–112.) A. Wolf, Fürst Wenzel Lobkowitz (S. 236 bis 330). Wien 1869. – Hauptwerk für den Criminalproceß Tattenbach’s: Rački, Acta coniurationem Bani Petri a Zrinio et com. Fr. Frangepani illustr. (Agram 1873, eine Reihe einschl. Corresp. und Acten). – Die magyarisch geschriebene Monographie von Pauler über die Magnatenverschwörung. Budapest 1876.