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ADB:Thalhofer, Valentin

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Artikel „Thalhofer, Valentin“ von Alois Knöpfler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 646–648, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thalhofer,_Valentin&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:00 Uhr UTC)
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Thalhofer: D. Valentin Th., Dompropst in Eichstädt, wurde am 21. Januar 1825 zu Unterroth, einem Pfarrdorf der Diöcese Augsburg, in der Nähe der alten Reichsstadt Ulm, als drittes von 6 Geschwistern geboren. Der Knabe zeigte in der Volksschule gute Talente und religiösen Sinn, er wurde deßhalb von den gottesfürchtigen Eltern zum geistlichen Stande bestimmt. Freilich zeigten sich schon früh Ansätze einer krankhaften Skrupulosität, die sich in den letzten Lebensjahren bis zur unerträglichen Qual steigern sollte. Mit nothdürftigem Elementarunterricht und einigen Vorkenntnissen im Lateinischen bezog Th. im Herbst 1836 die Lateinschule zu Dillingen, wo er mit rühmlichem Fleiß und gutem Erfolg die gewöhnliche humanistische Studienlaufbahn durchlief und Herbst 1843 das Reifezeugniß erhielt. Nach Absolvirung eines zweijährigen Cursus der Philosophie am Lyceum in Dillingen, bezog er im Herbste 1845 die Universität München, wo er als Zögling des Georgianums mit feuriger Begeisterung und rastlosem Eifer dem Studium der Theologie oblag. Die für 1847 gestellte Preisaufgabe der theologischen Facultät: „Ritus und Wirkung der unblutigen Opfer im alten Bunde“ bearbeitete er mit gutem Erfolg und wurde auf Grund derselben im Juli 1848 zum Doctor der Theologie promovirt. Am 22. August desselben Jahres erhielt er durch Bischof Richarz von Augsburg in der Hauscapelle des Georgianums die Priesterweihe. Die erste Verwendung fand der Neupriester als Präfect am Clericalseminar in Dillingen, wo er von 1848–50 die Alumnen in Liturgik und Ritus zu unterweisen hatte. Schon im Juli 1850 wurde er zum Lycealprofessor daselbst ernannt und hatte als solcher sämmtliche biblischen Fächer zu vertreten. Solch ein Lehrauftrag, soll er ersprießlich verwaltet werden, stellt offenbar zu große Anforderungen an einen Mann; Th. aber bei seiner gewissenhaften Auffassung des Lehrerberufs wollte ihm in allweg gerecht werden. So muthete er sich Anstrengungen im Studium und in der Pastoration, namentlich im Predigtamte zu, die frühzeitig den Keim nervöser Zerrüttung legten. Als darum Th. im Herbste 1863 als Professor für Pastoraltheologie und Director des Georgianums an die Unversität München berufen wurde, stand zu erwarten, daß trotz vorzüglicher geistiger Qualification die körperliche Constitution der Schwere des Doppelamtes nicht auf die Länge Stand halten werde, selbst wenn nicht eine Reihe unliebsamer Vorkommnisse das zart besaitete Gemüth noch mehr verstimmt hätten. Für das Amt eines Directors des Georgianums, eines Leiters und Erziehers von Priesteramtscandidaten, war die gemüthvolle Natur Thalhofer’s geschaffen wie kaum eine andere. Er verstand es, die hierfür richtigen Grundsätze mit feinem Takt herauszufinden: liebevoller persönlicher Verkehr ohne zu große und unwürdige Vertraulichkeit, gute Naturalverpflegung und bei der nöthigen Zucht vernünftige Freiheit. So kam es, daß alle Alumnen ihm wie einem Vater anhingen, ihm vertrauensvoll ihre Herzen öffneten und zeitlebens in Pietät zugethan blieben. Neben der Amtsthätigkeit des Directors oblag Th. wie früher, so auch in dieser Stellung mit Begeisterung seinem Lehrerberuf und wußte seine Vorlesungen über die einzelnen Disciplinen der Pastoraltheologie durch geschichtliche Behandlung derselben nicht nur belehrend, sondern auch anregend zu machen. Zur Förderung des homiletischen Unterrichts gründete er mit Beginn des Sommersemesters 1864 das seitdem segensreich wirkende homiletische Seminar. Daß bei solch angestrengter Berufsthätigkeit als Director und Professor der Universität die schriftstellerische Thätigkeit nicht umfassend sein konnte, ist wohl selbstverständlich; zu wundern ist nur, daß sie nicht ganz stockte.

Zu den anstrengenden Berufsarbeiten kamen noch manche unliebsame äußere [647] Vorkommnisse, die Thalhofer’s Gemüthsleben ungünstig afficiren mußten. Zunächst war infolge des vaticanischen Concils innerhalb der theologischen Facultät an der Universität München eine Spaltung eingetreten, die sich nach außen in den bekannten Majoritäts- und Minoritätsgutachten von 1869 (letzteres von Th. und Alois Schmid unterzeichnet) kundgab. Schwieriger noch wurde Thalhofer’s Stellung als Director des Georgianums, für welch letzteres die Concilsbewegung geradezu verhängnißvoll zu werden drohte. Schon unter dem 9. März 1870 hatte der Bischof von Regensburg seine Theologiecandidaten von der Universität München und damit aus dem Georgianum abgerufen. Trotz aller Gegenvorstellungen Thalhofer’s folgten 1871 diesem Beispiel auch die Bischöfe von Passau, Eichstädt und Speyer. So drohte dem Georgianum unter Thalhofer’s Direction nach fast 400jährigem Bestand jäher Untergang, wenn es den Bemühungen des Directors nicht noch gelungen wäre, die Oberhirten von München-Freising und Augsburg zum Belassen ihrer Alumnen zu vermögen. Eine weitere schlimme Folge brachte dem Georgianum die Weigerung des Pfarramtes von St. Ludwig, in der Ludwigskirche, die zugleich Universitätskirche ist, für den am 30. Juni 1871 verstorbenen Universitätsprofessor Dr. Zenger einen Trauergottesdienst abhalten zu lassen. Da der Senat der Universität infolge dessen den akademischen Gottesdienst mit Predigt und Messe sistirte, blieb den Vorständen des Georgianums nichts anderes übrig, als für die Alumnen, um deren Abberufung zu verhindern, den sonntäglichen Gottesdienst in der Hauscapelle des Institutes abzuhalten. Zu diesen unliebsamen Vorkommnissen kam noch eine andere, Th. persönlich berührende Angelegenheit. Im Februar 1871 hatte Professor v. Döllinger nach der Vorlesung im Corridor der Universität die Collegienmappe verloren, die einem Alumnus des Georgianums in die Hände kam. Da sich in der Mappe statt des erwarteten Döllinger’schen Manuscripts einige gedruckte Bogen der Kirchengeschichte von Kurtz fanden, beschlossen die Alumnen, Döllinger dieselbe in etwas auffälliger Weise zurückzustellen, was aber Th. rechtzeitig verhinderte. Trotzdem wurde er ungeziemender Behandlung der gefundenen Mappe beschuldigt, weshalb er unter dem 14. April 1871 in der Augsb. Allg. Zeitung eine ausführliche Erklärung des ganzen Vorgangs veröffentlichte.

Derartige Vorkommnisse verbunden mit den vielen Berufsarbeiten konnten für eine so gemüthvolle Natur, wie die Thalhofer’s war, nicht ohne Wirkung bleiben, es zeigte sich denn auch schon 1873 eine solche Nervenüberreizung, daß er kaum 3–4 Stunden nächtlicher Ruhe genießen konnte. Th. mußte sich darum nach anderer Stellung umsehen; allein die ersten Gesuche blieben ohne Erfolg, so 1873 um die Dompropstei in Augsburg und 1875 um die Domdecanei in Eichstädt. Erst nach abermaliger Erledigung letzterer Stelle wurde sie unter dem 9. November 1876 Th. übertragen. Er wurde am 13. Januar 1877 als Domdecan in Eichstädt installirt und hielt als solcher bis zu seinem Tode am dortigen bischöflichen Lyceum Vorlesungen über Liturgik. Da ihn hier anderweitige Arbeiten nicht in Anspruch nahmen, konnte er sich mehr als bisher wissenschaftlicher und litterarischer Thätigkeit widmen. Im Januar 1889 wurde er auf Ansuchen zum Dompropst in Eichstädt befördert. Trotz sorglicher Pflege verlor sich die nervöse Ueberreizung auch in der neuen Stellung nicht, vielmehr stellte sich seit 1883 eine bedenkliche Schwermüthigkeit ein, die sich immer mehr steigerte und schließlich zu fast unerträglicher Qual für sich und andere wurde, der erst der längst ersehnte Tod am 17. September 1891 ein Ende machen sollte. Th. starb in seinem Geburtsorte Unterroth, wo er bei seinem Freunde, Pfarrer Keller, Trost und Linderung in seiner Schwermuth suchte und sein Hauptwerk vollenden wollte. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dortigem Friedhof.

Thalhofer’s litterarische Thätigkeit ist angesichts der vielen und zeitraubenden [648] Berufsgeschäfte eine nicht unbedeutende zu nennen. Sie bezog sich fast ausschließlich auf rituelle und liturgische Gegenstände. Die erste Publication war die akademische Preisschrift und Doctordissertation: „Die unblutigen Opfer des mosaischen Cultus“. (Regensburg 1848.) Als Programm erschien „Die Opferlehre des Hebräerbriefs“. (Dillingen 1855.) Im gleichen Jahre trat Th. auch gegen die irvingianische Bewegung im Bisthum Augsburg auf. Im J. 1856 schrieb er gegen Decan Lutz eine Broschüre „in Sachen des schwäbischen Irvingianismus“, und im folgenden Jahre: „Beiträge zur Geschichte des Aftermysticismus und insbesondere des Irvingianismus im Bisthum Augsburg“. (Regensburg 1857.) Im gleichen Jahre erschien die „Erklärung der Psalmen“. (Regensburg 1857), der 1860 eine zweite und 1871 eine dritte Auflage folgte. Im J. 1870 erschien „Das Opfer des a. u. n. Bundes“. (Regensburg 1870.) 1872 übernahm Th. die Oberleitung der deutschen Ausgabe der Kirchenväter. (Kempten 1869–86.) Nach dem Tode Reithmayr’s gab er dessen „Lehrbuch der biblischen Hermeneutik“ heraus. (Kempten 1874.) Als Domdecan von Eichstädt bearbeitete er im Auftrag des Bischofs ein großes und ein kleines Rituale für die Diöcese Eichstädt; letzteres erschien Kempten 1879, ersteres ebendaselbst 1880. Im gleichen Jahre begann Th. die Ausarbeitung seines Hauptwerkes: „Handbuch der Liturgik“, wovon 1887 der I. Band erschien. Vom II. Band konnte er selbst nur noch die 1. Abtheilung besorgen, die zweite erschien erst nach seinem Tode 1893. Außer den genannten Werken verfaßte Th. noch eine Reihe Recensionen und kleinerer Abhandlungen meist liturgischen Inhaltes in verschiedenen Zeitschriften und Sammelwerken, so in: „Katholische Blätter aus Franken“; „Augsburger Pastoralblatt“; „Historisch-politische Blätter“; „Wiener Litteraturzeitung“; „Litterarische Rundschau“; „Tübinger und Linzer Quartalschrift“; „Katholisches Kirchenlexikon“ u. a. Als Frucht seiner rastlosen homiletischen Thätigkeit veröffentlichte nach seinem Tode sein Freund und Amtsnachfolger in München Dr. Andreas Schmid 25 Predigten unter dem Titel: „Die heilige Messe und das Priesterthum der katholischen Kirche“. (Kempten 1893.)

Dr. Valentin Thalhofer, Dompropst in Eichstädt. Lebensskizze von Dr. Andreas Schmid. Kempten 1892.