ADB:Uhlich, Johann Elias
Joh. Mich. U., der von 1754–1770 vier Schriften in dem von Pretzsch nicht weit entfernten Halle erscheinen ließ, darunter die „Unterweisung eines Vaters an seinen Sohn zu einem fünfjährigen akademischen Leben“. Gottfried U. war ebenfalls Theolog und Pädagog und gab von 1782–1791 ebenfalls vier Schriften heraus, von denen sich aber die drei letzten auf die Kämpfe gegen die Türken bei Wien und bei Belgrad beziehen. Weit bekannter als diese drei wurde jedoch:
Uhlich: Joh. Elias U. (Ulich), geboren am 1. November 1676, † am 27. April 1722, war zuletzt Superintendent in Leisnig und vorher Oberpfarrer zu Pretzsch. Er könnte daher leicht verwandt sein mitLeberecht U., als Führer der protestantischen oder Lichtfreunde, der [172] O’Connell der Provinz Sachsen. Er war geboren zu Cöthen am 27. Februar 1799, studirte seit 1817 in Halle und wurde 1824 zu Diebzig bei Aken Prediger. Sein Dörfchen lag freundlich am Walde, „die Gemeinde wurde bald zutraulich, die Kirche war ansprechend, das Herz war frisch“. Sein Landesherr war der Herzog von Cöthen, dessen Uebertritt zum Katholicismus vielen ein Aergerniß war. Uhlich’s Verhalten dabei machte ihn in Anhalt unmöglich, trug ihm aber 1828 die treffliche preußische Pfarrstelle zu Pömmelte und Felgeleben bei Schönebeck ein. Er genoß auch hier wieder „das gemüthliche Glück, das die Dichter mit Recht dem Stande des Landpredigers vor andern Ständen nachrühmen“. Nicht allein die Lehrer, sondern die Gemeinden selbst waren bildungsfähig. Die Behörden waren freundlich und hatten mitunter für U. ein lobendes Wort. So bildete er sich unter ihren Augen zu dem besten damaligen deutschen Volksredner aus, dessen halbreligiöse, halbsociale Vorträge seine matte Schriftstellerei, auch sein späteres Sonntagsblatt, weit überflügelten. Die litterarische Vertheidigung der Lichtfreunde wurde nur in K. B. Königs „rechtem Standpunkte“ mit Glück geführt. Je mehr U. sich zu fühlen begann, um so weniger konnte er nach dem Tode des Bischofs Westermeier in den Streitigkeiten der Stadt Magdeburg mit dessen Nachfolger Dräseke (s. A. D. B. V, 373) schweigen, welcher noch immer der größte deutsche Kanzelredner war. Damals geschah es vielleicht zum ersten Male, daß aufgeklärte Prediger sich auf ihren Stadtmagistrat stützten (vgl. den Artikel Dräseke A. D. B. V, 373, er enthält das Alles ausführlicher). U. versammelte am 29. Juni 1841 zum ersten Male in Gnadau die Lichtfreunde. Außer den magdeburgischen Predigern hatte sich unter andern Uhlich’s Lehrer Wegscheider aus Halle eingefunden. Seit 1842 wurden regelmäßige Hauptversammlungen zu Pfingsten und zu Michaelis in Cöthen, wie an den meisten Orten, in dem neuen Bahnhofsgebäude, abgehalten. Am 29. Mai 1844 wurde jedoch durch den Vortrag von G. A. Wislicenus (s. d. A.) dort zum ersten Male Uhlich’s Milde und Behutsamkeit verleugnet. Seinen eignen Standpunkt hat U. mehrfach in Thesen ausgesprochen. Ueber der Provinzialsynode zu Magdeburg schwebte in der That der Geist der Uhlich’schen „Bekenntnisse“ (1845). Außer diesen ließ U. 1845 eine Predigtsammlung erscheinen. Die große Wichtigkeit der dann folgenden Generalsynode von 1846 ist unter Anderen auch von Harnack in seiner Schrift über das Apostolicum anerkannt worden. U. richtete 1846 „an die protestantische deutsche Conferenz“ ein Sendschreiben. Da er die Verpflichtung auf das Apostolicum durch die Worte „das apostolische Glaubensbekenntniß lautet“ zu umgehen suchte, forderte ihn Florencourt in einer lichtfreundlichen Versammlung zu Naumburg zum Austritte aus der Kirche auf. Indessen gehörte er ihr bis zum Herbst 1847 an. Seit 1845 war er Prediger an der Katharinenkirche der Stadt Magdeburg, welche ihn schon früher zu seinem reformatorischen Auftreten ermuntert hatte. Am 20. September 1847 wurde er aber suspendirt, worüber sowohl die Behörde als U. öffentlich berichteten. Mit seinem Austritte war im Herbst 1847 die Bildung der freien Gemeinde zu Magdeburg verbunden. Seine Existenz war für Lebenszeit mehr als gesichert, doch wie man glaubte, zum Theil durch solche, die in der alten Kirche zurückblicken. Im J. 1848 wäre sein Wiedereintritt in die Landeskirche und die Beseitigung der Verpflichtung auf das Apostolicum vielleicht zu erreichen gewesen. Daß U. sich nun aber 1848 zum Abgeordneten für die Berliner Constituante wählen ließ, hätte ihm eher auf einige Tage zur Beförderung zum Cultusminister als wieder zum Mitgliede der preußischen Landeskirche dienen können. Die Notabeln der Provinz Sachsen, die sich bis 1848 um U. als Führer geschaart hatten, hatten hauptsächlich dem absolutistischen Staate Opposition machen wollen. Man kann sie vielleicht tadeln für dieses Verhalten: nun aber [173] saßen sie in der Paulskirche unter den Freunden Preußens auf der Rechten, während U. in Berlin mit Jacoby dem Ostpreußen auf der Linken saß. Das war nicht der Weg, um etwas gegen die symbolischen Bücher zu erreichen. In einer 1848 erschienenen Schrift spricht U. über seine Erlebnisse in Berlin und besonders während der Novemberunruhen in Brandenburg. Sofort suchte ein Gegner ihn bloßzustellen, indem er eine zweite Schrift über eben diese Erlebnisse Uhlich’s folgen ließ. 1850 gab U. eine Schrift über seinen Proceß wegen Majestätsbeleidigung heraus. 1851 folgte sein Katechismus, der über sein „Handbüchlein der freien Religion“ vergessen wurde. 1866 folgten seine die Erziehung betreffenden „Abendstunden“, 1871 „Hundert Lieder“. Immer mehr, „bis zum populären Pantheismuß hin“ war er seit 1848 nach links gedrängt worden. Ein sehr eingehendes Bild seines Lebens in dieser späteren Zeit ließe sich nach den freigemeindlichen Zeitschriften entwerfen. Wie herzzerschneidend würde aber z. B. die Geschichte seiner längeren Vertretung durch den unglücklichen Bruder des berühmten Benfey sein! U. starb am 23. März 1872 im Alter von 73 Jahren. Ueber bittere Enttäuschungen, die ihm in Magdeburg zuletzt durch erwachsene Kinder bereitet wurden, suchte er sich auf kleineren Reisen zu seinen Filialgemeinden, z. B. nach Quedlinburg, zu trösten, wo zu seiner Bewirthung ein Schaf geschlachtet und ein Glas Grog gebraut wurde. Die Idylle des Predigerlebens, wie er sie in Pömmelte gekannt hatte, war für ihn dahin.
- H. Pröhle, Feldgarben (1859) und zwar in dieser Sammlung von Aufsätzen der erste S. 1–228, „Protestantische Freunde und freie Gemeinden“, von welchem auf Wunsch des Herrn v. Bethmann-Hollweg, jedoch ohne Namen des Verfassers, auch ein Separatabdruck erschien.