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ADB:Dräseke, Bernhard

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Artikel „Dräseke, Bernhard“ von Carl Hermann Manchot in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 373–382, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dr%C3%A4seke,_Bernhard&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:07 Uhr UTC)
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Dräseke: Johann Heinrich Bernhard D., einer der größten Kanzelredner Deutschlands, war am 18. Januar 1774 in Braunschweig geboren, wo sein Vater, ein Subalternbeamter, mit zahlreicher Familie in sehr bedrängten Umständen lebte. Der sehr begabte Knabe hing mit besonderer Verehrung an seiner Mutter, welche namentlich sein religiöses Gemüthsleben pflegte. Als Chorschüler, der sein Brot selbst verdienen mußte, arbeitete sich D. bis zum Carolinum in Braunschweig durch. Er besuchte dasselbe von 1781–1792. Nach einer Notiz in Rotermund’s Bremischem Gelehrtenlexikon (I. 103) übten unter seinen dortigen Lehrern Eschenburg, der Litterarhistoriker, und Ebert, der vorzügliche Uebersetzer englischer Dichter, besonderen Einfluß auf seine erste Bildung. Ostern 1792 bezog er die Universität Helmstädt, wo damals unter den Theologen der geistvolle Rationalist H. Ph. Henke, unter den Philosophen der skeptische Kritiker Kant’s G. E. Schulze, hervorragten. Dieselbe oben angeführte Quelle, deren Inhalt auf Dräseke’s eigene Mittheilungen zurückzuführen ist, nennt beide Männer ausdrücklich als seine Lehrer. Was sonst von Henke bekannt ist, daß seine Exegese seinen Schülern besonders werth wurde durch die Anregung, welche ihnen gerade hier durch seine tiefe und innige Verehrung Christi gegeben wurde, hat D. für [374] seine Person ausdrücklich bestätigt. „Henke“, bezeugt er, „wußte uns mächtig zu erschüttern; er hat uns in seinen Vorlesungen über Johannes recht oft die Feder aus der Hand und die Thränen in die Augen dictirt“ (Braunschweig. Magazin 1852. S. 219). Durch Schulze, der 1792 seinen Aenesidemus gegen Kant herausgegeben hatte, scheint D. von aller weiteren Vertiefung in die kritische Philosophie und die daran anschließende Entwicklung abgehalten zu sein. Um so breiteren Raum nahmen ästhetische und humanistische Studien ein, zu denen seine, unter der Anregung der braunschweigischen Lehrer erwachte Begabung ihn hinzog. In leidenschaftlicher Vorliebe für das Theater verfaßte er selbst ein Drama, das in Braunschweig aufgeführt und in der Jenaischen Litteraturzeitung nicht ungünstig beurtheilt wurde. Michaelis 1794 verließ er die Universität, auf der er sich selbst erhalten hatte, und nahm eine Hauslehrerstelle an. Im Mai 1795 wurde er Diakonus in Mölln und erhielt im März 1798 die Hauptpredigerstelle daselbst. Bis 1798 erschienen anonym verschiedene belletristische und liturgische Schriften von ihm, welche er später nicht mehr anerkannte. Außer einigen gelegentlichen Vorlesungen (neu herausgegeben Bremen 1868, „Drei kleine Schriften“) trat er von da an nur noch als religiöser Schriftsteller und zwar wesentlich als Prediger hervor. Seine erste Schrift in dieser seiner Lebensrichtung führt den Titel: „Zur Beförderung wahrer Religiosität“ und war schon 1796 erschienen (Schwerin).

Begeistert wie er war, erfaßte D. die Religion als schöne Verwirklichung des sittlichen Ideals im Leben. Seine Weltanschauung war christlich-teleologisch. Die Weltgeschichte war ihm das große Drama des persönlichen Gottes, in welchem die sittlichen Ideale verwirklicht werden. In der heiligen Geschichte ist die vollkommene Darstellung derselben. Das Leben und Wirken Jesu, „des Edelsten unter den Edelen“, des „angebeteten Meisters“, ist der Mittelpunkt derselben. Was dort vollendet ist, soll, alle Welt von den Banden der Materie zu erlösen, sich stets wiederholen. Darum war ihm die christliche Religion ein vernünftiges Princip, das er „denkenden“ Hörern und Lesern mit der sichern Erwartung ihrer Zustimmung nahebringt und in alles Leben hineintragen will. Die Vortheile, welche eine solche Auffassung dem geistlichen Redner verschaffen mußten, liegen auf der Hand. Diese große Betrachtung der Geschichte ist der mütterliche Boden echtester Begeisterung; sie stellt dem phantasiebegabten Prediger die ganze Welt als Material der Darstellung zur Verfügung; durch ihre künstlerische Auffassung drängt sie zur sorgfältigsten der Würde des Gegenstandes entsprechenden Behandlung der Darstellung, während der Vergleich des Ideals mit der niederen Wirklichkeit das Gemüth des Redenden zur Höhe des Propheten hebt. Nicht minder offenbar sind die Gefahren, mit welchen sie den handelnden Charakter bedroht. Wer sie hegt, wird sich in tiefer Demuth vor den Heiligthümern der Religion beugen, aber, dem vorwiegend ästhetischen Zug seiner Anschauung entsprechend, wird er nach unbedingter Anerkennung verlangen, wenn er das Heilige darstellt. Damit ist den Versuchungen der Eitelkeit die Thür geöffnet, welche den der Sache gebührenden und den der Person zu spendenden Beifall durch einander mischt und dem Zorne Raum gibt, wo das was des Redners Begeisterung ausmacht nicht so aufgenommen wird, wie er erwartet. Wenn die äußere Anerkennung einmal völlig versagt oder in Tadel umschlägt, so wird die Kraft, als Darsteller dieser Ideen vorbildlich zu wirken, aufhören. D. näherte sich in späteren Jahren dem kirchlichen Dogma in vielen Dingen; aber der wesentliche Zug seiner Anschauung ist stets derselbe geblieben. In tragischer Verknüpfung hat sie ihn zu seinen größten Erfolgen, wie zum schmerzlichen Rücktritt von aller amtlichen Thätigkeit geführt.

Zunächst freilich lag eine lange Reihe von Jahren voll glänzender Erfolge vor [375] ihm. Schon in den ersten Predigten treten die Vorzüge seiner Darstellung hervor: edles Feuer im Andringen auf den Hörer, dramatischer Aufbau der Gedanken, kräftige poetische Sprache, er ist reich an glücklichen Wendungen, treffenden und witzigen Aussprüchen. Nach seiner eigenen Forderung „richtete er auf die Form alle die Sorgfalt, auf welche sowol der Gegenstand nach seiner Würde Anspruch, als der durch die Meisterwerke unserer Litteratur in Dichtkunst und Redekunst zu großen Maßstäben gewöhnte Leser aus allen Ständen ein Recht hat“. Durchaus original verließ er die Pedanterie der herkömmlichen Predigt und bewegte sich mit wahrhaft rednerischer Kraft in freien, selbstgeschaffenen Formen. Beim Vortrag erzielte er eine um so größere Wirkung, als er mit einer imponirenden Erscheinung eine harmonisch durchgebildete äußere Action verband. Nachdem von ihm „Schilderungen für denkende Christen“ (1803, Lüneburg) erschienen waren, wurde er Michaelis 1804 nach Ratzeburg als Pastor zu St. Georg berufen. Während seiner dortigen Thätigkeit erschienen: „Predigten für denkende Verehrer Jesu“ (5 Bde., Lüneburg 1804–1812, von welchen die ersten Bände bis 1818 die vierte, zwei Bände 1836 die fünfte Auflage erlebten); ferner „Hinweisung auf das Eine was Noth ist“ (Lüneburg 1812); „Glaube, Liebe, Hoffnung, ein Handbuch für junge Freunde und Freundinnen Jesu“ (Lüneburg 1813, sechste Auflage 1834); „Teutschlands Wiedergeburt, verkündigt und gefeiert durch eine Reihe evangelischer Reden im Laufe des Jahres 1813“ (Lübeck 1814, 3 Bde., 2. Aufl. Lüneburg 1818). Im October 1814 wurde er als dritter Prediger an die Ansgariikirche nach Bremen berufen und erschienen noch „Predigten bei der Veränderung seines Wirkungskreises“ (Lüneburg 1814).

Am Unglücke Preußens, der Erniedrigung Deutschlands hatte D. in patriotischem Schmerze Theil genommen. Als 1806 die Franzosen in die Gegend von Ratzeburg vordrangen, wurde eine Abtheilung Soldaten dorthin gesandt, um den gewaltigen Prediger aufzuheben. D. konnte entfliehen; aber sein Haus wurde geplündert und er selbst durfte erst nach dem Abzug der Feinde zurückkehren. Das deutsche Volk und Vaterland wurde einer der vornehmsten Gegenstände, dem er das christliche Interesse zuwandte. Diesem Zwecke dienen die in Lübeck veröffentlichten Predigten: „Teutschlands Wiedergeburt“. Sie faßten alles, was die große Zeit forderte und was gährend durch sie zog, im Lichte der Religion zusammen. Sein offenes Wort, sein edeler Zorn über alles Schlechte, seine Begeisterung für die äußere und innere Befreiung unseres Volkes halfen die patriotische Bewegung zur Begeisterung schüren. In Bremen fuhr er fort in demselben Sinne zu wirken. Die heilige Allianz erschien seinem vertrauens- und hoffnungsvollen Sinn lange Zeit als eine Bürgschaft für die wirkliche Erneuerung des nationalen Lebens aus einer religiösen Erneuerung. Diese in Bremen zu fördern, drang er vor Allem auf die Einführung der Union in seinen „Evangelischen Bedenken und Bitten zu Anfang 1816“ (Lüneburg 1816) und in der Schrift: „Ueber den Confessionsunterschied der beiden protestantischen Kirchen“ (Lüneburg 1817), wie in „Predigten um die Zeit der dritten Jubelfeier der protestantischen Kirche“ (Lüneburg 1818). Aber er erzielte keinen durchschlagenden Erfolg. Locale Ursachen bildeten das Haupthinderniß. Bis zu Anfang dieses Jahrhunderts waren in Bremen die Lutheraner nur unter starken und für sie verletzenden Beschränkungen zugelassen gewesen. Der Dom mit einem großen Kirchenvermögen war ihnen freilich geblieben, aber nur, weil derselbe von der Zeit der Erzbischöfe her noch unter fremder, erst schwedischer, dann hannoverscher Staatshoheit gestanden hatte. Nachdem der Dom mit den dazu gehörigen Häusern unter bremische Staatshoheit gekommen war, mußte er zuerst für seine Prediger das Recht, durch die ganze Stadt zu trauen und zu taufen, um schweres Geld erkaufen, dann hatte er einen lang dauernden Rechtsstreit mit der Staatsbehörde [376] theils um sein Vermögen, theils um seine kirchliche Unterordnung unter den Senat. Die junge „lutherische“ Predigerstelle an der sonst reformirten St. Ansgariikirche, an welche D. berufen war, schien ebenfalls dazu bestimmt zu sein, die erst kürzlich in den vollen Genuß freier Bewegung in Bremen gelangte Domgemeinde zu beeinträchtigen. Sachliche Gründe genug, um der Union, die von St. Ansgarii gepredigt wurde, Mißtrauen entgegen zu stellen, obschon die damalige Domgemeinde, an welcher rationalistische Prediger wirkten, durchaus kein confessionelles Gepräge hatte. Noch schlimmer erging es den patriotischen Hoffnungen Dräseke’s. Wie sehr ihn die Enttäuschung durch die hereinbrechende Reaction empörte und wie ernsthaft er als christlicher Prediger sich verpflichtet hielt, das gegen den fremden Bedrücker erregte Volksgefühl auch jetzt zu vertreten, bezeugt die Herausgabe einer zweiten Auflage seiner Predigten über „Teutschlands Wiedergeburt“, 1818, und die neue Predigtsammlung „Christus an das Geschlecht dieser Zeit“ (Lüneburg 1819, 3. Aufl. 1820), welche in rücksichtsloser Strenge ernsten Tadel aussprachen. Die rasche Folge der Auflagen spiegelt die eine Seite ihrer Wirkung; die andere wurde von Frankfurt dem bremischen Senat bekannt. Vom Bundestag kam die summarische Aufforderung: entweder solche politische Predigten zu unterdrücken oder den Prediger zu entfernen. D. wurde vor den Senat citirt; er verantwortete sich freimüthig, wurde aber zu dem Versprechen genöthigt, künftig von politischen Dingen zu schweigen. Diesen Entschluß verkündigte er seiner Gemeinde in einer männlichen Predigt über Ps. 39, 11 „Ich will schweigen und meinen Mund nicht aufthun, Gott wirds wohl machen.“ Die damalige Censur verstümmelte diese Predigt beim Druck.

Erst 1851 sind die charakteristischen Stellen (Bl. für litterar. Unterhaltung Nr. 133. S. 1214 ff.) mitgetheilt worden. Das Streben des deutschen Volkes nach Recht, nach Freiheit, nach Einigung, nach Kraft und Stärke läßt er prüfend vor seinem Auge vorüberziehen. Aber der Blick in die Zeit verwandelt die Hoffnungen des Patrioten in Traurigkeit. Vor zwei Abwegen soll der Christ sich hüten, vor Verzweiflung und Rebellion. Darum hat er geredet. Jetzt kann er auf die Frage, warum alle jene Dinge nicht gefördert werden, nur noch antworten: ich will schweigen. Seine Kritik der Reaction ist offen, sachlich und einschneidend. „Willkür macht Sklaven, Recht macht Freie.“ „Das sind freie Menschen, die keinen Willen begehren als den des Gesetzes, die keiner Macht weichen wollen als der des Gesetzes. In einer Verfassung, die solchen Geist athmet, wird die Menschheit mündig, d. h. fähig, ihre Würde unter dem Gesetz zu erkennen, und geneigt, ihr Heil im Gesetz zu suchen. Eine solche Verfassung schließt aus, was an der Ausübung unveräußerlicher Menschenrechte, was an der Erstrebung unaufgebbarer Menschheitszwecke hindern könnte. Da ist freie Betriebsamkeit, freier Handel, freier Kunstfleiß, freie Rede, freie Schrift, freier Briefwechsel, freie Druckerpresse, freie Regung der Wissenschaft und des wissenschaftlichen Lebens in Schulen und auf Universitäten. Daß die Freiheit von Einzelnen mißverstanden und mißbraucht werde, macht Niemanden irre. Am Straucheln wird Gehen gelernt. Dies hat unser Volk in der Knechtschaft eingesehen. Die Herrlichkeit, die Nothwendigkeit, die Seligkeit eines edelfreien Daseins ist ihm aufgegangen. Warum wird denn diese Losung bemißtraut, als tauge sie nicht? Warum werden ihre Vertheidiger als Feinde des Gemeinwesens verrufen? Warum fällt jedes kühne Wort, das für die Freiheit ficht, wie ein Stein des Anstoßes auf? Warum hält es so schwer, die verhaßten Ueberreste ausländischen Druckes zu entfernen? Warum sollen eben nun wieder Lehrer und Schriftsteller unter Vormundschaft treten, so doch von Gottes- und Rechtswegen eben sie die Vormünder der Zeit sind? Gibt das Censoramt die Schlüssel der Weisheit? Bläst man die Sonne damit aus, daß man den Leuten die Augen [377] verbindet? Ist mehr Ruhm und mehr Ruhe beim Herrschen als beim Regieren? Ist es seliger, ist es sicherer, von Knechten gefürchtet, als von Kindern geliebt zu sein? Fragt Ihr danach, so seid ihr am Ende. Und nichts bleibt übrig als das Bekenntniß: „Ich will schweigen und meinen Mund nicht aufthun.“ Was will er? „Ich will nicht gegen die Maßregeln der Regierungen Verdacht erregen; dann hätte ich den Geist Christi nicht; aber zusammen wollen wir wach werden und helle Augen gewinnen für jedes bedenkliche Zeichen der Zeit und erkennen, daß verderbenvoller als selbst die Rückkehr des von Gott geächteten Tyrannen der Rückfall unseres Volkes sein würde in die alte Schläfrigkeit und Schlaffheit. Brennt es, so muß „Feuer“ rufen wer kann; und wo noch Kleinode zu erjagen sind, darf Keiner sprechen: Liebe Seele, da ist Vorrath auf viele Jahre. Alles steht herrlich bei Euch zu. Habt nun Ruhe und esset und trinket und seid gutes Muths! Wehe denen, die Böses gut und Gutes böse heißen, die aus der Finsterniß Licht und aus Licht Finsterniß machen, die aus Sauer Süß und aus Süß Sauer machen. Sie trösten das Volk in der Gefahr, daß es sie gering achte, und rufen: Friede! Friede und ist doch kein Friede! Darum werden sie mit Schanden bestehen, daß sie solche Gräuel treiben, spricht der Herr Herr.“ Voll herrlicher Kraft ist die Vertheidigung seines Rechtes, von diesen Dingen auf der Kanzel zu sprechen. „Was hat die Religion mit der Politik und die Kirche mit dem Weltzustand? so fragen die Leute. Und damit wähnen sie das Recht auf ihre Seite zu wenden. Das ist das Unglück, Christen, daß die Leute so fragen und wähnen, daß sie ein todtes Evangelium lieber wollen als ein lebendiges, und daß unser Predigen in diesen Mauern verhallend auf das Thun und Treiben da draußen ohne Einfluß bleiben soll. Ich kenne solch’ Predigen nicht. Ich habe es nicht gekannt. Ich will es nicht kennen. Christus der hochgelobte Meister hat es auch nicht gekannt. Soll durchaus die Menschheit versinken und verkommen in alten Mißbräuchen, so sehe ich nicht, wozu der Sohn ihr gesandt sei. Soll sie dagegen durchs Evangelium erhoben werden zur Wahrheit, Weisheit, Glückseligkeit, so ist nöthig, daß wir bei jeder Zusammenkunft im Heiligthum an des Sohnes Maßen sie messen.“

In dieser ersten Periode seines bremischen Aufenthaltes entwickelte D. eine großartige Thätigkeit. Auch das engere Gebiet des religiösen Lebens beleuchtet er mit gleichem Eifer in verschiedenen Predigtsammlungen: „Predigtentwürfe über freie Texte“, 2 Bde. (Lüneburg 1815 und 1816); „Predigten über die letzten Schicksale unseres Herrn“, 2 Bde. (I. Bd. Lüneburg 1816, 4. Aufl. 1818; II. Bd. 1818, 3. Aufl. 1826); „Predigten über freigewählte Abschnitte der heiligen Schrift“, 4 Bde. (Lüneburg 1817–18). Auch gab er mit dem Bischof Eylers das „Magazin von Fest- und Gelegenheitspredigten“ heraus (4 Bde. 1816–1820). Zunächst schlossen sich diesen noch an „Blicke in die letzten Lebenstage Jesu“ (Lüneburg 1821). Dann folgten in längeren Pausen „Gemälde aus der heiligen Schrift“, 4 Sammlungen (Lüneburg 1821–1828). Hier zeigt sich seine homiletische Kunst in ihrer Vollendung. Seine Sprache ist noch einfacher und volksmäßiger geworden. Abgewandt von der Betrachtung des Volkslebens der Gegenwart, wendet er alle Kraft an eine erbauende Reproduction biblischer Geschichtsbilder. Der Gefahr, welche alles Predigen mehr oder weniger bedroht, entging er freilich nicht ganz. Die Begeisterung auf der Kanzel machte nicht überall sichere Unterschiede zwischen der Wichtigkeit der Dinge, welche sie ins Licht der Religion stellte. Aber sein Ruhm als Prediger wuchs von Jahr zu Jahr und breitete sich weit über Bremen aus. In Bremen selbst wurde ihm von seiner Gemeinde eine verwöhnende Verehrung zu Theil (Bl. für litterarische Unterhaltung a. a. O. S. 1216), welche er, selbst nach dem Zeugnisse eines warmen Verehrers, des ihm persönlich nahestehenden Tholuck, nicht ohne Eitelkeit hinnahm [378] (Herzog, Real-Encyklop, III, 497). Dennoch fühlte er sich mit den Jahren weniger behaglich in Bremen. Er sehnte sich nach einem thätigen Einfluß in der Welt, vielleicht um so mehr als er während der Ausarbeitung der biblischen Gemälde diese Seite seines Wesens gewaltsam zurückgedrängt hatte. Auch das gesellige Leben, in das er mit einer heiteren Genußfähigkeit (Tholuck a. a. O. S. 498) eingetreten war, zog ihn weniger an. Die tragische Verwicklung seines Lebens zog sich zusammen. Er hatte aus dem Glauben an eine neue große sichtbare Verwirklichung des Reiches Gottes seine Begeisterung genährt; aber solche Wirkungen blieben ihm aus. Seine Kirche war allsonntäglich gefüllt, aber die Union machte keine Fortschritte, noch weniger sah er in Bremen eine andere größere Aufgabe vor sich. In den bremischen, kleinen, festgefügten Verhältnissen, in welchen den Predigern zwar viel Ehre, aber wenig praktischer Einfluß beschieden war, fand er wenig Anregung. Noch einmal vertiefte er sich in den Gedanken des „Reiches Gottes“ und ließ darüber drei Bände Predigten (Bremen 1830) erscheinen. Dieselben sind sein gedankenreichstes Werk, er selbst hielt sie immer für sein bestes Buch. Den hemmenden, bösen Einflüssen geht er in ganz anderem Umfange als früher nach, er faßt den sittlichen Proceß tiefer und eignete sich darüber in freier und eigenthümlicher Weise wesentliche Züge der alten kirchlichen Dogmen an. Dabei doch über jede Parteistellung erhaben, erschien er Fernerstehenden als eine vorbildliche Darstellung eines einheitlichen christlichen Lebens. Sein Wirken in Bremen aber wurde ihm nicht leichter; hier schien ihm die neue Vertiefung seiner Ideen keine neue Aufgaben zu stellen; er wurde in sich unruhig und fühlte, wie es scheint, häufiges und regelmäßiges Predigen vor demselben alten Kreise als eine Last. So begreift es sich, daß er auf an ihn gelangende Anerbietungen in Unterhandlungen wegen Uebernahme bedeutender Stellen eintrat; Coburg, Hannover, Oldenburg, Hamburg werden genannt. Aber kein Anerbieten schien so sehr alles was er ersehnte in Aussicht zu stellen, als dasenige, welches ihm der König von Preußen, den seine Predigten über das „Reich Gottes“ persönlich sehr angesprochen hatten, 1832 machen ließ. Es galt der Uebernahme der Generalsuperintendentur in der Provinz Sachsen, deren Inhaber den Titel Bischof führte und zugleich erster Domprediger in Magdeburg war. D. begeisterte sich für die von Friedrich Wilhelm III. beabsichtigte und durch den Titel Bischof bezeichnete Wirksamkeit, nahm die Stelle an und trat mit dem Eifer und der Arbeitskraft seiner ersten bremischen Jahre in das neue Amt ein.

In unseren Augen war es ein tragisches Schicksal, daß der Mann, welcher die aufs Handeln in der Gegenwart gerichteten Neigungen seines ersten Mannesalters in stillen Studien und einer lediglich lehrenden Wirksamkeit bewältigt hatte; daß der aller praktischen öffentlichen Thätigkeit entwöhnte bremische Pastor, der niemals dem Kirchenvorstand präsidirt und noch weniger irgend welche Bureaugeschäfte besorgt hatte; daß der Prediger, der in Bremen keine Inspection seiner amtlichen Thätigkeit erfahren, sondern sich in einer Stellung befunden hatte, die keine andere Controle als das eigene Gewissen und die Verehrung seiner Anhänger kannte, nun im 58. Lebensjahre die Fähigkeit in sich zu entdecken glaubte, in einem Amte, welches lange geübte Verwaltungs- und Regententugenden verlangt, durch praktisches Handeln größeres als bisher zu leisten, und mit diesem Anspruch an sich selbst eine amtliche Thätigkeit übernahm, über deren Wirkung ihm die eigene Erfahrung völlig fehlte, ja, welche er in Bremen als einen unwürdigen Zwang weit von sich gewiesen hätte. Und als ob nichts fehlen sollte, was eine Katastrophe vorbereiten mußte, brachte er dazu eine theologische Bildung mit, welche wie der speculativen Entwicklung der Theologie so den kritischen Studien fern geblieben war, und einen Charakter, dessen naiver [379] Subjectivismus seine schönen Ideale von den realen kirchenpolitischen Bestrebungen nicht zu unterscheiden vermochte. Zunächst freilich ging alles nach Dräseke’s Wunsch. Er wurde mit der größten Auszeichnung aufgenommen; seiner ersten Predigt wohnte der König selbst mit dem Hofe bei. Bald schien seine Wirksamkeit für Magdeburg und die Provinz Sachsen von epochemachender Bedeutung zu werden. Das, wie auch Tholuck a. a. O. bemerkt, „nicht ganz ohne Absicht und Studium hervorgehobene Imponirende seiner Erscheinung“, die Gewalt seiner Beredsamkeit, die eigenthümliche Art seines Christenthums, das so weltförmig und doch für das Evangelium so begeistert war, die Freiheit von jeder Parteistellung und sein gewinnendes persönliches Wesen, das alles trug dazu bei, Stadt und Land für ihn zu begeistern und seine Visitationsreisen zu wahren Triumphzügen zu gestalten. Er selbst wurde von dieser Anerkennung getragen und zu einer unermüdlichen Thätigkeit angespornt. Auf der Höhe dieses Wirkens hielt er, Tausende mit sich fortreißend, die Weiherede bei der Enthüllung des Gustav-Adolph-Denkmals auf dem Schlachtfelde bei Lützen am 6. November 1837 (Magdeburg, Wilh. Heinrichshofen 1837), die auf Antrag der schwedischen Akademie ins Schwedische übersetzt wurde, und dem gefeierten Redner u. a. auch durch ein eigenhändiges Schreiben des schwedischen Königs, mit dem er den Nordsternorden übersandte, gedankt wurde. Es schien als werde Dräseke’s Wirksamkeit die ganze Provinz Sachsen zu einer neuen religiösen Begeisterung erheben. Augenzeugen berichten, daß man in der Provinz Sachsen seit Jahrhunderten keiner ähnlichen Theilnahme und Bewunderung für einen Kirchenfürsten zu gedenken hatte. Da brachte das Jahr 1840 einen Conflict und eine bittere öffentliche Kritik der Amtsthätigkeit des Bischofs und das ganze Selbstvertrauen Dräseke’s brach in sich zusammen.

Aus Anlaß eines in Magdeburg ausgestellten Bildes, welches darstellte wie eine vor einem Christusbilde betende Frau sehend wird, erschien in der „Magdeburger Zeitung“ ein Gedicht, das Christus als „den Erretter von allem Uebel, den Erbarmer in jeglicher Noth“ feierte. Dies Gedicht kritisirte der Prediger Sintenis in einem sehr scharfen Artikel als Abgötterei. Alsbald antwortete D., der sich in einem seiner Lieblingsgedanken, der Anbetung Christi, persönlich verletzt fühlte, in einer heftigen Predigt, die mit den getadelten Worten begann. Es brach ein heftiger Kanzelstreit aus, denn Prediger Sintenis, hinter dem die starke rationalistische Partei der Provinz Sachsen stand, antwortete auf der Kanzel. Als Prediger Sintenis bei seiner Ansicht beharrte, bedrohte ihn der Bischof, im Widerspruch mit den eigenen früher ausgesprochenen Grundsätzen (König, 30 Fragen an die Facultäten, 1841), mit der Autorität der Bekenntnißschriften und sprach ihm die Fähigkeit, evangelischer Geistlicher zu sein, ab. In einem leidenschaftlichen Gutachten, in welchem er Sintenis einen Judas und Giftmischer nannte, forderte und beantragte er beim Ministerium die Absetzung seines Gegners. Aber für diesen ergriff ein großer Theil der Bürgerschaft Partei; der Kirchenvorstand protestirte beim Consistorium, der Magistrat beim Ministerium. Die Regierung entschied im Sinne einer Beilegung des Streites; beide Männer sollten aufhören über den Streitpunkt zu predigen. Dieser unerwartete Ausgang war für D. der schwerste Schlag, der ihn jemals getroffen hatte. Nachdem ihm die unbedingte Anerkennung in einem Falle, in dem er seine ganze Autorität eingesetzt hatte, versagt war, entfiel ihm das Vertrauen, das er zur Erfüllung seiner Arbeit nöthig hatte. Es kam dazu, daß in demselben Jahre eine anonyme Schrift „Der Bischof Dräseke und sein achtjähriges Wirken im preußischen Staate“ (Bergen 1840) seine Persönlichkeit angriff, indem sie mancherlei Versehen der Geschäftsführung, persönliche Schwächen und Taktlosigkeiten einer bitter feindseligen Kritik unterzog. Diese Schrift war der Ausdruck einer namentlich [380] durch die im Streite mit Sintenis erfolgte Verleugnung seiner früheren Schriften weitverbreiteten Mißstimmung gegen D., dem es nach seiner ganzen Art kein Trost sein konnte, daß er nun von der pietistischen Partei allein gepriesen wurde. Sie wurde dem edleren Streben, der Hingabe Dräseke’s an seinen Beruf nicht gerecht, aber sie traf ihn an seiner verwundbarsten Stelle und das um so tiefer, als er diese Kritik selbst nie gelesen hat. „Hier sollte nämlich“, wie Tholuck sagt, „die Schwäche des sonst so verehrungswürdigen Mannes, dem eine ungetrübte Weihrauchssphäre zum Lebensbedürfniß geworden war, ganz offenbar werden.“ Schwache Freunde nahmen ihm das Versprechen ab, diese Schrift nicht zu lesen. Er gab und hielt es. Aber aus dem Schriftenkampf und anderen Wirkungen erfuhr er doch genug, was ihn, der schon gebeugt war, um so mehr niederdrückte, als er dem Feinde selbst nicht ins Angesicht sah. Umsonst sammelte man diöcesenweise „Unterschriften zu einem heilenden Pflaster“, und erschienen „räuchernde und salbungsvolle Vertheidigungsschriften“. D. erkannte, daß die allgemeine und unbedingte Anerkennung, an die er geglaubt hatte, für immer dahin sei, damit sank er in Kleinmuth und verlangte seine Entlassung. Nach langem Zögern willigte der König endlich 1843 ein, sein Gesuch anzunehmen, doch sprach er den Wunsch aus, daß D. seinen Wohnsitz in seiner Nähe nehmen möge. D. zog nach Potsdam und predigte von nun nur noch gelegentlich vor der königlichen Familie. Ein eigenes Wort Dräseke’s (Bl. für litterar. Unterhaltung S. 1220) belege die das menschliche Maß vergessende, phantasievoll großartige Auffassung seines Berufes, welcher er in einer geradezu naiven Selbsttäuschung bis zu jenem Angriff zu entsprechen glaubte. Um ihn im Amte zu halten, wurden ihm längere Ferien angeboten. Damals schrieb er: „Ich wiederhole dagegen, daß mein Posten eine frische, freudige, gewaltige, in dieser Gewalt sich immer gleiche, dabei nie rastende, vor allem aber in jeder Leistung heute wie gestern vorbildliche Kraft brauche, absolut fordere und Ferien zumal in solcher Ausdehnung schlechterdings nicht statuire.“ Ein Amt, das in Wahrheit solche Leistungen absolut fordert, kann kein Mensch ausfüllen. Nur aus der Grundanschauung Dräseke’s und seinen Charaktereigenthümlichkeiten wird es erklärlich, daß seine Begeisterung durch den Beifall, den er fand, zu dem Glauben verführt wurde, er fülle das Amt auch nur annähernd in diesem Sinne aus.

Man hat D. zum Vorwurf gemacht, daß er vor „einem verhältnißmäßig so leichten Lanzenstich“ sich zurückzog. Wir glauben umgekehrt, daß man in dieser Entsagung mehr erblicken muß, als das Zurückziehen verletzter Empfindlichkeit. Es war der Preis, mit dem er den Glauben an sein Ideal bezahlte. Und daß er diesen höher stellte als Glanz, Macht und Einfluß soll man ihm zur Ehre anrechnen. Nachdem die Weihrauchwolke, die ihn so lange umgeben, einmal zerrissen war, erkannte er seine Stellung zu der ihn umgebenden Welt klarer, als die schwachmüthigen Freunde, welche ihn in seinem Amte zurückhalten wollten. Er schrieb damals: „Unsere Zeit verstehe ich nicht mehr; denn ich kann sie in den mannigfaltigen Verzweigungen ihres labyrinthischen Entwicklungsprocesses nicht mehr verfolgen. Das nur verstehe ich: ich passe nicht zu ihr und sie nicht zu mir. Darum und weil das wenn auch nicht den Leuten so doch mir wahrnehmbare Deficit auf der Seite des Könnens gehalten gegen das nach meiner Berufsidee unerläßliche Sollen immer größer wird, werde ich bald ausscheiden.“ (A. a. O. S. 1220.) Die Gunst des Königs, das Ansehen einer Partei, deren Kriege er hätte führen müssen, hätten ihn in seiner Stellung halten können: aber das war eben nicht die freie Zustimmung aller, welche ein wahrhaft vorbildliches Wirken in seinem Sinne finden sollte. So erzwang er, indem er selbst bereit war, auf Pension zu verzichten, seine Entlassung. „Auf Pension, sie widerstrebt mir, wollte ich verzichten. Begeistert und arm, wie ich gekommen, wollte ich [381] gehen. Das Nothwendige hat mir Gott gegeben. Weiteres verschmähe ich. Ich bin nicht dabei hergekommen.“ (A. a. O. S. 1220.) Und seine Entsagung brachte seinem stillen Alter einen versöhnenden Lohn. Blieb ihm auch der Schmerz, daß man an seiner Gesinnung hatte zweifeln können, so haßte er doch die Welt nicht. Er freute sich der Schönheit der Natur. Das große Landstück um sein Haus, das er fast wüst gekauft hatte, schuf er in einen blühenden Garten um. Und wie es dort grünte, fand er den freudigen Glauben an die Freiheit wieder, den er als Bischof wenigstens praktisch aufgegeben hatte. Als 1845 der Streit gegen die sächsischen Lichtfreunde hoch wogte, unterzeichnete er neben Bischof Eylert die Sydow-Jonas’sche Adresse gegen die Partei Hengstenberg’s, welche die Bekenntnisse zu beengenden Fesseln der christlichen Entwicklung machen wollte. Wir wollen nicht vergessen, daß die Bewegung, deren Verfolgung diesen Protest veranlaßte, aus denselben Kreisen herausgewachsen war, welche D. den größten Schmerz seines Lebens bereitet hatte. Hengstenberg erklärte, D. sei alt geworden. In Wahrheit war er wieder jung geworden; denn der Glaube an die Freiheit lebte in seiner Seele, wie auch Tholuck (a. a. O. S. 500) bezeugt, daß D. ihm noch nach seinem Conflicte geschrieben habe: „Ob wol die Kirche je größeres Unglück erlitten, als durch den Vorwitz der Menschen, der in Concilien und vorgeschriebenen Bekenntnissen unfaßliche Geheimnisse zur festen Satzung habe machen wollen.“ Unter körperlichen Leiden ungebrochenen Geistes erlebte er das Jahr 1848 mit voller Theilnahme. Auch die alte Hoffnung für sein Volk wurde wieder wach. Im April d. J. schrieb er einem Freunde: „Der europäische Weltacker ist aufgerissen, um, Gott gebe es! ein Garten zu werden, mit lauter Pflanzen, die der himmlische Vater gepflanzt. Die Hoffnungen, denen sich ein vertrauendes Herz hingibt, sind schön, wenngleich viel tausend Herzen, durch welche mittenhin die gewaltige Pflugschar gegangen ist, an tiefen Wunden bluten, – oft will der gute Muth schon Ein- und Anderes im Keime sehen. Wir übergeben all diese Hoffnungen Dem, der da mächtig ist, sie zu erfüllen und denen, die ihn lieb haben, das verheißene Erbe zu geben“ (Bl. f. litterar. Unterhaltung S. 1221). Und bei dieser Hoffnung blieb er, als seine orthodoxen Freunde längst wieder zurückschauten und in Dräseke’s Hoffen sich schlechterdings nicht zu finden vermochten. „Er starb mächtig bewegt durch die Geschichte, von persönlichen Verlusten tieferschüttert, am Dec. 1849.“ Nach seinem Wunsche wurde er unter alleinigem Gefolge seiner Familien- und Hausgenossen beerdigt. Auch sollte sein Grab ohne Stein oder Kreuz bleiben. Der Eindruck seines Wesens auf Geister, die ihm innerlich nahe kamen, war wol nie größer als in der Zeit, da er von den Handelnden geschieden in der schwer erkämpften Stille seines Hauses lebte. Ein Zeuge jener Zeit schreibt uns: „In seinem Hause unter den Seinen, im eigenen Gemüth, nahm er mit Jugendfeuer, in der wunderbar großartigen Ganzheit seines Wesens an allem theil, was die Kirche und ihre Entwicklung, was das religiöse Leben der Gesammtheit betraf. So wie ihn hoffen und trauern, habe ich nie einen Menschen gesehen. Es war eine Gewaltigkeit und Größe in seinem Empfinden und ein Ausdruck derselben, daß wir uns nie würdig schienen, sie in der Stille des Familienzimmers als unser Eigenthum zu empfangen und ihn immer wieder hinauswünschten in die größeste würdigste Versammlung. Aber ein Zweifel an der Richtigkeit seines Entschlusses, wortlos nach außen in der schwererkämpften Stille zu bleiben, kam ihm auch in den höchsten Momenten geistiger Hingebung nie ..... Und diese Stimmung blieb die dauernde durch sein langes unsäglich schweres Leiden bis zur Stunde seines Todes. Er athmete nur noch in den höchsten Strebungen seines Lebens, sein Wesen löste sich auf und verklärte sich in der Liebe zu seinem Herrn, der der Geist und dessen Geist Freiheit ist.“ (Eine Studie über ihn als Prediger enthalten die Hallischen Jahrbücher 1838, Nr. 37 f. [382] Nach seinem Tode erschienen noch: „Nachgelassene Schriften, herausgegeben von Th. H. Dräseke“, Magdeburg 1850–51; es sind dies meist Predigten aus der letzten Bremer Zeit.)