ADB:Verdelot, Philippe
Verbonet, wo es heißt: „Jo. Ghisling alias Verbonet“. Da wir nun bei V. den Vornamen kennen und Lerithier ein anderer bekannter Componist ist, so trifft hier genau zu, was schon Ambros im 3. Bde. S. 251 sagt, daß die doppelte Anführung von Namen nicht immer bedeutet, daß es ein Nebenname des Autors sei, sondern daß der Herausgeber im Zweifel war, ob der Gesang diesem oder jenem zugehört, so daß hier das Wörtchen alias in anderem als dem gangbaren Sinne gebraucht wurde. V. war ein außerordentlich fruchtbarer Componist und obgleich er Compositionen in jedem damaligen Fache schuf: Messen, Motetten, Psalmen, Officien, Litaneien u. a., so war er doch in der Madrigalen-Composition all seinen Zeitgenossen überlegen und wohl eigentlich derjenige, welcher diese Form erst geschaffen hat, obgleich man nicht übersehen darf, daß Archadelt zu gleicher Zeit lebte und sich ebenfalls als Madrigalist auszeichnete, so daß es bis jetzt noch unbeweisbar ist, wem das Vorrecht gebührt. Eine selbständige Sammlung seiner Madrigale läßt sich bis jetzt noch nicht nachweisen; Willaert gibt zwar 1536 eine Bearbeitung für eine Singstimme mit Laute von 22 Madrigalen Verdelot’s heraus, doch ist uns die Originalausgabe noch nicht bekannt. All seine Compositionen wurden von Gardane und Scotto in Venedig nebst anderen Verlegern in Paris, Antwerpen, Nürnberg und anderen Orten in Sammelwerken herausgegeben, worin V. immer nur ein Theil des Inhaltes zufällt, während sein Name auf dem Titel öfter nur allein genannt wird. In meiner Bibliographie sind 155 Gesänge verschiedenen Inhalts verzeichnet und Emil Vogel in seiner Bibliothek der gedruckten weltlichen Vocalmusik Italiens (Berlin 1892) beschreibt 24 Druckwerke, welche italienische Madrigale von V. enthalten. Verdelot’s Madrigale sind nicht in dem Stile geschrieben, wie man sie bei Archadelt, Willaert, de Rore u. a. findet, daß sie nämlich die Motettenform auf das weltliche Lied übertragen. Verdelot’s Madrigale sind echte Erzeugnisse des südlichen Himmels, und obgleich sie ernster und weicher im Ausdrucke gehalten sind als die Madrigale damals beim Italiener hervorsprudelten, verrathen sie doch in keiner Weise ihre Vorbilder. Die einst den Niederländern so unentbehrliche Contrapunktik ist bei ihm auf ein Minimum beschränkt. Einfache weiche harmonische Folgen herrschen bei ihm vor, mit einem ans Schwärmerische streifenden Ausdrucke. Sie unterscheiden sich so wesentlich [615] durch ihre Einfachheit, ihren Wohlklang, ihre treffliche Charakteristik des Textes von denen seiner Zeitgenossen, daß man sie in Anbetracht der noch so frühen Zeit, als wahre Phänomene betrachten kann. In neuen Ausgaben sind erst vier Gesänge veröffentlicht, drei Madrigale befinden sich in Ott’s Liederbuch von 1544 (neue Ausgabe in Publication Bd. 1–3) und eine Motette in Maldeghem’s Neu-Ausg. (siehe Eitner, Verz.).
Verdelot: Philippe V. (Verdeloth, Verdeloto), ein Niederländer, am Ende des 15. Jahrhunderts geboren, kam jung nach Italien und wurde Sänger an S. Marco zu Venedig (Caffi, Storia della mus. sacra 2. Bd. S. 31,), von da aus kam er an den Hof von Florenz und bekleidete die Capellmeisterstelle. Eine bestimmte Zeit ist nicht feststellbar, doch muß dies in die dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts fallen, vielleicht schon um 1525. Für den Aufenthalt in Florenz haben wir mehrfache Beweise: Canale in seinen Osservazioni p. 5 und Cosmo Bartoli in den Ragionamenti; letzterer führt ihn als seinen Freund in Florenz an. Fétis und Straeten 6, 321 ziehen die betreffende Stelle wörtlich an. Beachtenswerth ist ferner die Erscheinung, daß im Psalmenwerke von Petreius von 1542 Nr. 18 über dem Tonsatze zu lesen ist: „Lerithier alias Verdelot“. Einen ganz ähnlichen Fall findet man bei