Zum Inhalt springen

ADB:Vierthaler, Franz Michael

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Vierthaler, Franz Michael“ von Franz Valentin Zillner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 679–682, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vierthaler,_Franz_Michael&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 07:29 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Vierordt, Karl von
Band 39 (1895), S. 679–682 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Franz Michael Vierthaler in der Wikipedia
Franz Michael Vierthaler in Wikidata
GND-Nummer 118835742
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|39|679|682|Vierthaler, Franz Michael|Franz Valentin Zillner|ADB:Vierthaler, Franz Michael}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118835742}}    

Vierthaler: Franz Michael V. war der Sohn des Maurermeisters Jakob Michael V. in dem Salzburg benachbarten oberösterreichischen Marktflecken Mauerkirchen und wurde am 25. September 1758 geboren. Die Vierthaler waren im salzburgischen Gebirge angesessen und wohlbekannt, bevor sie nach Schärding und Mauerkirchen wanderten. Mit 11 Jahren trat Michael als Sängerknabe in das salzburgische Benedictinerstift Michaelbeuern ein und ein [680] Jahr später als Domsängerknabe in das Capellhaus zu Salzburg, wo er zugleich das Gymnasium besuchte. Als seine Stimme sich änderte, fand er zu Burghausen Unterkunft und beendete die Gymnasialstudien bei den Jesuiten daselbst als einer der besten Schüler. Bei dem Besuche des bairischen Commissärs Ostermann wurde V. zur Uebersetzung eines Stückes aus der Aeneide vorgerufen. Am Verse: Quos ego! sed motos praestat componere fluctus, hielt V. inne, und als der Lehrer drängte: Nun, was heißt daß? antwortete V.: Diese Stelle ist schwer zu übersetzen, vielleicht: Ich hätte Lust – und Ostermann belobte ihn.

In den Jahren 1777–78 studirte V. wieder zu Salzburg Logik und Physik an der Universität und vollendete dort auch die juristischen Studien. Er verwendete besondern Fleiß auf die lateinischen und griechischen Classiker, in deren Kenntniß und Verständniß er namhafte Fortschritte machte. Besonders zogen ihn Plato und die Sokratiker an. Das erste Werk, womit er einst als Schriftsteller aufzutreten gedachte, sollte eine Lebensbeschreibung des Sokrates sein. Im J. 1783 wurde er als Hauslehrer an das virgilianische Collegium für Adelige und die damit verbundene Pagenschule berufen. Man rechnete zunächst auf seine classische Bildung. Da es aber in der Anstalt an Geschichtsunterricht völlig gebrach, verfaßte V. im Auftrage einen Abriß der Weltgeschichte für diesen Zweck, den er aber nicht veröffentlichte, „weil Deutschland damals schon mehrere treffliche Werke dieser Art habe“. Indem er sich dabei in das Geschichtsstudium vertiefte, fand er den Muth, ein umfassendes Werk auszuarbeiten, die „Philosophische Geschichte der Menschen und Völker“ (des Alterthums), von der in den Jahren 1787–95 der 1.–5. Band in Salzburg, der 6. und 7. erst 1818 und 19 in Wien erschienen. Dieses Werk, auf umfänglicher Kenntniß der Alten beruhend, lebhaft und in würdiger Sprache geschrieben, verschaffte ihm litterarischen Ruf und man bedauerte, daß die Geschichte der Römer nicht nachfolgte. Im J. 1787 verließ V. seine Stellung am Virgilianum, wie man glaubt, wegen Zurücksetzung, ertheilte Privatunterricht und wendete seine Arbeitskraft dem Geschichtswerke zu.

Durch ganz Deutschland regte sich um diese Zeit ein lebhafter Eifer für die Volksschule. Der Erzbischof von Salzburg fand in den Bischöfen von Bamberg und Würzburg[WS 1], besonders aber in der Kaiserin Maria Theresia Muster zur Nachahmung. Sein besonderer Rathgeber bei diesen Bestrebungen war der Würzburger Geistliche Johann Michael Bönike, der in Salzburg Consistorialkanzler wurde. Man errichtete eine Schulcommission und lud den Abt von Sagan, Helbiger nach Salzburg ein, der den Vorschlag machte, zwei befähigte Lehrer nach Wien an die Normalschule zu senden, um die neue Lehrmethode theoretisch und praktisch kennen zu lernen, was auch geschah. Zurückgekehrt unterrichteten diese die Schulhalter der Stadt und Umgebung durch einige Monate in dem verbesserten Unterrichtssverfahren. Allein der Erfolg entsprach nicht den Erwartungen, es fehlte die eigentliche Lehrerbildung. Der Erzbischof suchte dem Mangel durch ein Lehrerseminar abzuhelfen, eine Anstalt, dergleichen damals so manche in Deutschland entstanden waren, in Oesterreich aber keine Nachahmung fanden. Zum Director konnte kein besserer Mann als V. gewählt werden. Denn er war classisch gebildet, in Philosophie und Geschichte bewandert, seit 11 Jahren im Unterrichtsfache thätig, ein Schriftsteller, der seinen Gedanken den richtigen Ausdruck zu geben wußte, mit Land und Leuten bekannt, aufrichtiger Katholik, von angenehmem Aeußern, mit einer wohlklingenden Stimme, bescheiden, genügsam und unbescholten.

Am 9. November 1790 wurde das Seminar mit vier Zöglingen eröffnet, die mit dem Director auf einer Stube wohnten. V. unterrichtete in Pädagogik und Methodik und leitete die praktischen Uebungen. Eine zweite Lehrkraft [681] übernahm den Unterricht in Schön- und Rechtschreiben, Sprachlehre, Rechnen und Musik. V. erhielt den Auftrag, über Pädagogik und Methodik im Priesterhause, und seit 1791 auch an der Universität Vorträge zu halten. Eine fruchtbare, schriftstellerische Thätigkeit knüpfte sich daran. Es erschienen seine beiden Hauptwerke: Die „Elemente der Methodik und Pädagogik“, die mehrere Auflagen erlebten und der „Entwurf der Schulerziehungskunde“, der 1824 wieder aufgelegt wurde. Im J. 1793 trat auch die reife Frucht seiner vieljährigen Studien: „Der Geist der Sokratik“ ans Licht, mit platonischen Belegstellen und Nutzanwendungen für Katecheten. Vielen wurde der Unterschied zwischen Sokratik und Schulmethodik dadurch erst klar. Aus seiner Feder gingen während dieser Zeit zum Behelfe der Volksschule zahlreiche kleine Schriften hervor: „Franz Traugott, eine lehrreiche Kindergeschichte“, der „goldene Spiegel“, das „Kinderbuch“, eine Art Fibel, der „kleine Abc schüler“, in zehn Auflagen, der „kleine Schreib- und Leseschüler“, der „kleine Schreibschüler“, die „Anleitung zur Rechenkunst“, die „Episteln und Evangelien“, neu übersetzt. Seine freien, mit Wärme gehaltenen Vorträge gewannen ihm den Beifall seiner Zuhörer, er galt als der beste Lehrer der Universität; auf seinen Besuchen der Landschulen, seit 1794, besprach er den Lehrplan, seine religionsfreundliche Gesinnung näherte ihm die Geistlichen und die Eltern, seine aufgeklärte Bildung die Beamten; die Vorurtheile gegen die neue Methode minderten sich, Geldbeiträge für die Schulen gingen ein. Er hielt landeskundige Kenntnisse der Jugend förderlich und verfaßte eine gut geschriebene Schulgeographie des Landes Salzburg 1796 und weil damals Reisen zum Unterricht und Vergnügen aufkamen und Salzburg ein Stelldichein von Naturforschern wurde, entwarf er in den „Reisen durch Salzburg“ 1799 freimüthige geographische, historische und staatswirthschaftliche Schilderungen des von Vielen mißkannten Landes, die in den „Beiträgen zur Geographie und Geschichte“ und 1816 in den „Wanderungen“ fortgesetzt wurden.

Im J. 1796 erhielt der Bücherkenner V. den Auftrag, die Hofbibliothek in Ordnung zu halten und wurde dann Hofbibliothekar. Er übernahm 1800 die Redaction der salzburgischen Litteraturzeitung, 1799–1806 die der salzburgischen Staatszeitung. Die kümmerlichen Subsistenzmittel, die Beschränktheit des Seminariums, die ungewisse Zukunft des Erzstifts, dessen Verweltlichung drohte, trennten das Zusammenleben der Zöglinge und führten die Auflösung der Anstalt herbei, nicht aber die des pädagogischen Unterrichtes. V. beschränkte sich auf den Unterricht in Pädagogik und Methodik, Lehrer der Normalschule übernahmen die übrigen Fächer. Im J. 1802 schloß V. den Ehebund mit der Tochter Josepha des salzburgischen Justizpräsidenten v. Kleinmayrn[WS 2], des Verfassers der Juvavia.

Unter der Regierung des Kurfürsten Ferdinand (1803–6) wurde das Schulwesen unmittelbar der Regierung unterstellt und die Schulcommission aufgelöst. V. erhielt die Direction der beiden Waisenhäuser und ließ die „Geschichte des Schulwesens und der Cultur“ in Salzburg 1804 erscheinen, die aber auf den ersten Band beschränkt blieb. Im J. 1806 wurde Salzburg österreichisch. V., der als Kenner der Kunst- und litterarischen Schätze des Landes galt, von denen die Franzosen bereits sich manches angeeignet und weggeführt hatten, ward ausersehen, die wichtigsten derselben zu sammeln und nach Wien zu bringen, damit sie in der Voraussicht neuer Besitzänderungen in Sicherheit wären. V. blieb nun in Wien und wurde 1818 Director des großen Waisenhauses, in welchem bald ein anderer Geist zu herrschen anfing. Statt der Invaliden, die beaufsichtigten, wurden pädagogisch gebildete Erzieher angestellt, die Anstaltsschule zu einer Hauptschule mit vier Classen erhoben, die öffentlichen Prüfungstage wurden zu Freudenfesten, die austretenden Zöglinge fanden bereitwillige Unterkunft. [682] Viele Lehrer besuchten die Anstalt. Wie es zum guten Tone gehörte, das Philanthropin in Dessau gesehen zu haben, so beehrten hohe und höchste Besuche, besonders zur Zeit des Wiener Congresses, das Waisenhaus. In dieser Zeit erschien die fünfte Auflage der „Elemente“, die, so wie die früheren des Verfassers fortschreitende Kenntniß der zahlreichen Werke über Erziehungskunde darlegten. Viele kleine Schulschriften verfaßte V. zum Behufe der Anstalt, 1816 „Versuch und Prüfung der Lancasterschen Unterrichtsmethode“ und 1824 den „Entwurf zu pädagogischen Vorlesungen“. Er starb am 3. October 1827 und erhielt ein Steindenkmal auf seiner Grabstätte. Die Gesellschaft für salzburger Landeskunde ließ 1885 am Gebäude der alten Universität, der Stätte seiner Wirksamkeit während der 15 Jahre vor seiner Entfernung nach Wien, eine marmorne Gedenktafel anbringen.

Vierthaler, sagt der beste Kenner seiner Wirksamkeit, gab weder der Pädagogik noch Methodik neue Richtungen. Sein Verdienst besteht darin, daß er seinen Schülern klare und richtige Begriffe beibrachte und sie lehrte, die besten Methoden zu wählen. Seine Lehrer waren praktisch vorzüglich gebildet. Er wollte sie aber nicht bloß bilden, sondern auch erziehen. Die Gelehrten achteten ihn wegen seines großen Wissens, die Geistlichen, weil er die Schulverbesserung mit der Religion nicht in Gegensatz brachte, jedermann wegen seines liebenswürdigen Charakters und der Untadelhaftigkeit seines öffentlichen und Privatlebens. Die Männer, welche das von V. begonnene Werk fortsetzten und in den folgenden Jahren unter gewaltigen Stürmen in Salzburg über Wasser hielten, waren Geistliche.

Anthaller, F. M. Vierthaler, der salzburger Pädagog, 1880. – Anthaller, Uebersichtl. Gesch. der Lehrerbildungsanstalt in Salzburg, 1890. – Familienhandschriften.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Müsste eigentlich „Bischof“ heissen, da beide Bistümer in Personalunion waren.
  2. Vorlage: Kleimayrn