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ADB:Franz Ludwig (Bischof von Würzburg und Bamberg)

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Artikel „Franz Ludwig v. Erthal, Fürstbischof von Würzburg und Bamberg“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 310–314, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Franz_Ludwig_(Bischof_von_W%C3%BCrzburg_und_Bamberg)&oldid=- (Version vom 16. Dezember 2024, 13:50 Uhr UTC)
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Franz Ludwig v. Erthal, Fürstbischof von Würzburg und Bamberg (1779–1795), geb. 16. Sept. 1730 zu Lohr am Main, einer damals kurmainzischen, jetzt baierischen Stadt, wo sein Vater, Philipp Christoph v. Erthal, als Oberamtmann lebte. Sein älterer Bruder war jener Friedrich Karl Josef, der im J. 1754 zum Kurfürsten von Mainz gewählt worden und unmittelbar vor dem endgiltigen Zusammensturze dieses wie aller anderen geistlichen Staaten des deutschen Reiches gestorben ist. Wie sein Bruder ist auch F. L. früh für die geistliche Laufbahn bestimmt und bereits im Februar 1740 unter die Domicellare der Würzburger Kirche aufgenommen worden. Seine erste Ausbildung erhielt er im elterlichen Hause, seine höhere auf den Universitäten von Mainz und Würzburg, wo er sich namentlich durch fleißiges und erfolgreiches Studium des kanonischen Rechtes auszeichnete. Daran reihte sich ein längerer Aufenthalt zuerst in Rom, um hier seine theologischen Studien fortzusetzen, dann in Wien, um bei dem Reichshofrath das Rechtswesen praktischer kennen zu lernen. Auf diese Weise mit nicht gewöhnlichen Kenntnissen und Erfahrungen ausgerüstet kehrte er im J. 1763 nach Würzburg zurück und nahm seinen ihm längst vorbehaltenen [311] Platz im Domcapitel ein. Auf Grund einer Reihe ihn auszeichnender Eigenschaften und unverkennbarer Vorzüge des Geistes wie des Charakters konnte es nicht ausbleiben, daß er bald zu hervorragenden Stellungen und ehrenvollen Aufträgen berufen wurde. Noch in dem Jahre seiner Rückkehr nach Würzburg ernannte ihn der Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim zum Präsidenten der weltlichen Regierung des Hochstifts, und F. L. versah dieses Amt mit einer Hingebung und Sorgfalt, die ihm von allen Seiten die höchste Anerkennung eintrugen. Vier Jahre später entsendete ihn derselbe Fürstbischof nach Wien, um in seinem Namen von Kaiser Joseph II. die Belehnung mit den Fürstenthümern Würzburg und Bamberg zu empfangen. Der Eindruck, den der Abgesandte auf den Kaiser machte, war der Art, daß ihn dieser nicht blos zum kaiserlichen wirklichen geheimen Rath ernannte, sondern ihn in seine Dienste zog und zu einem seiner Commissäre bei der von ihm angeordneten Untersuchung des Reichskammergerichtes zu Wetzlar bestimmte. Und als dieser mühevolle Auftrag, der viele Geduld und mehrere Jahre in Anspruch nahm, 1775 mit geringen Ergebnissen zu Ende ging, hielt ihn Joseph fest und übertrug ihm mit Zustimmung des Würzburger Domcapitels das Amt eines österreichischen Commissärs am Reichstage zu Regensburg.

Da starb im Februar 1779 der genannte regierende Fürstbischof von Würzburg und Bamberg, und dieser Todesfall war es, der in F. Ludwigs Laufbahn die große und entscheidende Wendung herbeiführte. Er wurde am 18. März desselben Jahres zu Würzburg und am 12. April zu Bamberg als Nachfolger des Verstorbenen erwählt. Neben seinen berührten und bereits bewährten hervorragenden Eigenschaften und Vorzügen hat vielleicht die Rücksicht auf seine nahen Beziehungen zum kaiserlichen Hofe den Ausschlag gegeben; denn bekanntlich haben die geistlichen Staaten aus Grundsatz ein wohlerwogenes Gewicht auf ein gutes Verhältniß zu demselben und zu dem Hause Oesterreich gelegt. Gewiß ist, daß mit F. L. ein außerordentlicher Mann die Zügel der Herrschaft in beiden Fürstenthümern, die seit einiger Zeit aus Zweckmäßigkeitsgründen gerne durch Personal-Union mit einander verbunden wurden, wenn auch zagend ergriff und durch seine ganze Art zu sein und zu handeln kurz vor dem Untergange derselben einen Glanz um sie verbreitete, der bis auf den heutigen Tag nachgehalten hat. Es ist die Epoche, das Jahrhundert der „Aufklärung“, in deren vorgeschrittenstem Stadium F. L. auftritt, und auch sein gesammtes Regierungssystem ist von dem Geiste derselben durchdrungen und arbeitet er mit vollem Bewußtsein im Dienste derselben. Freilich, Kirchenfürst und weltlicher Fürst zugleich, wie er war, waren ihm bei allem Eifer von vornherein Grenzen gezogen, die eine wesentliche Modification dessen, was man sonst mit jenem Ausdruck zu bezeichnen gewohnt ist, in sich schlossen. Innerhalb dieser Schranken hat er aber, man darf das behaupten, das höchst mögliche geleistet, und sich als ebenso schöpferisch als ausdauernd bewährt. Dieses sein fruchtbares System hat er allerdings nicht schon ganz fertig bereits mit auf den Fürstenstuhl gebracht; wegen seiner Neigung zu strenger, an Ascese streifender Frömmigkeit hat man von gewisser Seite her sogar ein rückwärts strebendes finsteres Regiment von ihm befürchtet: aber diese Befürchtungen hat er rasch zerstreut und vergleichungsweise schnell den Standpunkt gewonnen, dem er dann bis zu seinem Tode ohne wesentliche Schwankungen treu geblieben ist. Bereits sein Vorgänger hatte in die Bahn der Reformen eingelenkt, hatte das aber doch nur stückweise und oft mehr nur als großer Herr und weil es einmal der Geist der Zeit mit sich brachte, so getrieben; er hatte als absoluter Fürst regiert und die Kräfte des Landes nicht geschont, um mit Glanz aufzutreten. Sein und seines Volkes Interesse war ihm nicht schlechterdings zusammengefallen. Das ist aber bei F. L. das Charakteristische [312] daß das bei ihm im eminenten Grade der Fall ist. Den Satz, daß er als Fürst nur der erste Diener des Staates sei, hat er nicht blos ausgesprochen, sondern im ganzen Umfange und ohne Vorbehalt zum Leitstern seines Handelns gemacht. Die Grundsätze, die er bei seiner Regierung befolgte, hat er wiederholt aufgezeichnet; eine der ältesten dieser Aufzeichnungen ist eine sehr umfangreiche Denkschrift über die Pflichten eines geistlichen Fürsten, die er im J. 1782 an seinen Bruder, den Kurfürsten von Mainz richtet, mit dessen Haltung er nicht ganz einverstanden war. Seine Regierung ist freilich auch eine persönliche, aber keine willkürliche, sondern im besten Sinne eine patriarchalische. Ueber diese Linie hat er, wie seine Zeit überhaupt, niemals hinausgestrebt und sie auch niemals durchreißen lassen. Von diesen Vordersätzen aus setzte er unermüdet alle Hebel an, um das Beste seines Volkes zu betreiben, durch zweckmäßige Anstalten die geistigen und materiellen Interessen desselben zu fördern, die noch schlummernden Kräfte zu erwecken, überall Wohlstand und Gedeihen hervorzurufen. Gesetzgebung, Verwaltung, Polizei, Armenwesen, Besteuerung, Volkswirthschaft, niedere und höhere Schulen, kurz alle Richtungen des staatlichen Lebens pflegte er mit gleicher Liebe, meistens mit Verständniß und vielfach mit Erfolg. Das Princip der Humanität, der väterlichen Fürsorge für Alle, leuchtet überall erwärmend durch. In einigen Fällen konnte er an die Wirksamkeit seines Vorgängers anknüpfen, in vielen hat er die Initiative ergriffen. Der Zustand der Finanzen bei seinem Regierungsantritt war nicht der beste. F. L. hat hier aber durchgegriffen, den Staatshaushalt nach Möglichkeit vereinfacht, die Verminderung der Staatsschuld in Angriff genommen, zweckdienliche Besserungen eingeführt, und ist dabei mit seiner eigenen Person und der Vereinfachung seines Hofhaltes mit gutem Beispiele vorangegangen. Allerdings hat die Natur des geistlichen Staates ihm gerade hierin oft Hemmnisse geschaffen, deren wahre Quelle vermöge seines conservativen Sinnes er nicht immer antasten wollte oder konnte. Ein unvergänglicher Ruhm für ihn ist es, daß er das Lotto aufzuheben den Muth hatte und durch seinen Vorgang die Wirkung erzielte, daß es im ganzen fränkischen Kreise abgeschafft wurde. Ein bevorzugter Gegenstand seiner Sorgfalt war die Armenpolizei, die er durch eine Reihe von Verordnungen zu regeln suchte, wobei freilich nicht geläugnet werden kann, daß auch er hierbei den gerade in geistlichen Staaten herrschenden laxen Grundsätzen auf diesem Gebiete noch immer zuviel nachgab. Nicht minder erfreute sich das Gefängnißwesen, weiterhin das Strafrecht überhaupt seiner Fürsorge. Er traf Anstalten, daß die leichten und schweren Verbrecher in den Gefängnissen getrennt wurden; die Folter mit allen Zuthaten und Spielarten hat er gänzlich abgeschafft, ein Todesurtheil nur ein Einziges Mal unterzeichnet. Die Quelle häufiger Verbrechen, eine schlechte Erziehung und unzureichender Unterricht hat er wohl erkannt und gerade auch aus diesem Grunde auf die Hebung der Volksschule besonderen Nachdruck gelegt und in dieser Richtung durchgreifende sachgemäße Maßregeln getroffen. Auch die neuaufgekommenen Industrieschulen hat er eingeführt und auf Knaben und Mädchen ausgedehnt. Zugleich suchte er, um die Landwirthschaft zu heben und die Gemeinden für neuernde Verbesserungen zu gewinnen, den Bauer aufzuklären, und sorgte zu diesem Zwecke für entsprechende Anleitung. Sogar einen „Gesundheitskatechismus“ ließ er an die Schullehrer vertheilen, und eine „Volksgesundheitslehre“ in den Jugendunterricht verflechten. Die Mehrzahl solcher Reformen entlehnte F. L. allerdings von anderswo her; aber es macht ihm darum nicht weniger Ehre, zumal wenn man seine Stellung überhaupt und insbesondere den Widerstand bedenkt, mit dem er hierbei vielfach zu kämpfen hatte. Unter diesen Umständen gleichwohl auf dem betretenen Wege unentwegt auszudauern, dazu gehörte ein hoher Grad von Willensstärke, zumal er viel weniger als ein weltlicher Fürst eine Bürgschaft [313] dafür hatte, daß sein Nachfolger sein System fortsetzen und seine Schöpfungen achten würde. Seine Erfolge sind freilich auch so häufig hinter seinem Willen und seinen Anordnungen zurückgeblieben, theils weil sein Auge nicht überall hinreichte und die ausführenden Werkzeuge ihn oft im Stich ließen, theils weil die ganze Organisation seines Staates seiner Natur nach, wie schon erwähnt, ihm häufig unüberwindliche Hindernisse in den Weg legte. So erklärt es sich wenigstens, daß ein einsichtiger Fürst wie Karl August von Weimar, in Folge der Eindrücke, die er bei einem Besuche in Würzburg empfing, den in diesem Falle sicher zu harten Ausspruch thun konnte, daß ein Land bei aller persönlichen Tugend seines Fürsten sich doch herzlich schlecht befinden könne“. Die gelehrten Mittelschulen und die Universitäten anlangend, wirkte F. L. theils mit geringerer Thatkraft, theils mit weniger Glück. Auf diesem Felde waren die entgegenstehenden Schwierigkeiten freilich besonders groß; doch hat er namentlich seit der (2.) Jubiläumsfeier der Würzburger Universität, die er mit außerordentlicher Pracht beging, für die Hebung seiner Hochschule durch Verbesserung der Anstalten, Vermehrung der Lehrkräfte, Erhöhung der Gehälter, Reform des Studienplanes, Gewährung einer größeren Freiheit der Bewegung der Professoren, Begründung einer gelehrten Zeitschrift u. dgl. mehr, löbliche Anstrengungen gemacht. Für die Vertretung der Kantischen Philosophie wurde sogar ein eigener Lehrstuhl gegründet und in der theologischen Facultät eine wissenschaftlichere Richtung begünstigt. Der Erfolg dieser seiner Anstrengungen hat ihn aber nie völlig befriedigt, ohne daß er sich selbst über die Gründe dieses Mißerfolges vielleicht ganz klar zu werden vermochte.

Als Kirchenfürst hat F. L. eine ähnliche gewissenhafte, überall unmittelbar eingreifende Thätigkeit entfaltet. Es war ihm auch hier nicht blos um die Form, sondern um die Sache zu thun, auch hier ging er aber darauf aus, die freie Mitwirkung seiner geistlichen Untergebenen für sein System zu erwecken. Häufig und gerne hat er die Kanzel selbst bestiegen, die Visitationen seines Sprengels hat er mit aufopferndem Eifer wiederholt persönlich durchgeführt, vernünftige Reformen im Cultus nicht zurückgewiesen und zwischen Theologie und Religion wol zu unterscheiden gewußt. Das Lob der Fanatiker zu verdienen, ist niemals sein Ehrgeiz gewesen und er hat sie darüber nicht in Zweifel gelassen. Seine angeborene Aengstlichkeit und die später hinzutretende Kränklichkeit haben freilich auch in diesem Falle seine guten Absichten oft gelähmt, ohne seinen guten Willen ermüden oder seine Einsicht trüben zu können. Dagegen war ihm die Aufrechthaltung der deutschen Kirchenverfassung eine Herzensangelegenheit; gegen Angriffe auf sie, sei es von Seite Roms, sei es von Seite des Kaisers, hat er zu jeder Zeit entschlossene Verwahrung eingelegt. Und doch scheint er Augenblicke gehabt zu haben, in denen er sich über die Unhaltbarkeit der öffentlichen Zustände und Einrichtungen im deutschen Reiche überhaupt nicht getäuscht hat. Seine politische Correspondenz z. B. mit seinem Gesandten bei dem fränkischen Kreise, die im Kreisarchive zu Würzburg verwahrt wird, enthält die Zeugnisse hierfür. F. L. fühlte sich übrigens als Reichsfürst und trat überall ein für die Wahrung seiner reichsfürstlichen Stellung und die Unantastbarkeit der Reichsverfassung. Ein Bewunderer Friedrichs d. Gr., lehnte er es gleichwol entschieden ab, dem Fürstenbunde beizutreten, weil seiner Meinung nach durch eine aufrichtige Beobachtung der Reichsverfassung der gleiche Zweck erreicht werde. Er stellte sich daher grundsätzlich in dieser Frage auf die Seite Oesterreichs, weil ihm die Solidarität der Interessen des Kaiserhofes und der geistlichen Staaten ein unumstößliches Axiom war. Die Uebernahme der unmittelbaren Herrschaft in den beiden Markgrafschaften von Ansbach und Baireuth durch Preußen berührte ihn um so peinlicher, weil ihr Collisionen mit seinen Interessen oder Rechten auf dem Fuße [314] folgten. Der französischen Revolution gegenüber nahm er eine ziemlich correcte Stellung ein; gegen Einmischung in den Gang der Dinge in Frankreich hat er sich aus Klugheit und Einsicht grundsätzlich erklärt; und als dann die Franzosen die deutsche Reichsgrenze überschritten und Mainz nahmen, hat er seine volle Besonnenheit bewahrt und sich zu keinem unwürdigen Schritte drängen lassen, den ihm die Feigheit und Entmuthigung Anderer nahe legten. Es war vor allem auch sein gutes Gewissen, das ihn angesichts der um sich greifenden Verwirrung und Gefahr ruhig bleiben ließ, denn er durfte sich sagen, daß er seinem Volke gegenüber sich nichts vorzuwerfen habe und sich nicht zu fürchten brauche. Seine Popularität ist auch in der That so außerordentlich groß gewesen, wie sie keinem seiner Vorgänger zu Theil geworden war, und hat seinen Tod auf lange hinaus überdauert. Am 16. Febr. 1795 ist er einer erstlichen Krankheit erlegen, zur rechten Zeit vielleicht für ihn, da es ihm so erspart geblieben ist, den Zusammensturz der Ordnung zu erleben, an welcher wohl oder übel seine Seele hing, wenn er auch über ihre Mängel und Gebrechlichkeit sich nicht getäuscht hat.

Joh. B. Schwab, Franz Berg, geistlicher Rath und Professor der Kirchengeschichte an der Universität Würzburg, Würzburg 1869. – Lebensbilder aus den letzten Jahrzehnten des deutschen Kaiserreiches. Erstes Bändchen: Franz Ludwig von Erthal. Tübingen 1852. – Jäck in der Allgemeinen deutschen Encyclopädie von Ersch und Gruber. Section I. Theil 45, S. 113–116. – G. M. Sprenke, Geschichte Franz Ludwigs, Würzburg 1826. – Acten des Kreisarchivs zu Würzburg.