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ADB:Gruber, Johann Gottfried

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Artikel „Gruber, Johann Gottfried“ von Gustav Friedrich Hertzberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 1–4, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gruber,_Johann_Gottfried&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 21:53 Uhr UTC)
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Band 10 (1879), S. 1–4 (Quelle).
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Gruber: Johann Gottfried G., seiner Zeit ein überaus fruchtbarer deutscher Schriftsteller und namhafter Gelehrter, heutzutage in sehr weiten gebildeten Kreisen vorzugsweise noch gekannt als einer der Begründer der großen Leipziger „Allgemeinen Encyklopädie der Wissenschaften und Künste“. G. gehört zu der sehr großen Zahl hochverdienter deutscher Männer der Wissenschaft, die – wie wir das erfreulicherweise noch heute täglich beobachten – mit zäher Ausdauer aus den ärmeren Schichten unserer Nation sich emporgearbeitet und die Bahn zu glücklicher Verwendung ihrer Talente sich durch rastlose Thätigkeit selbst gebrochen haben. Dieser Umstand und die großen geschichtlichen Bewegungen, durch welche während seiner mittleren Jahre sein Lebensgang wiederholt gekreuzt wurde, machten sein Leben auch äußerlich reicher, als das sonst bei deutschen Gelehrten gewöhnlich der Fall zu sein pflegt. – G. ist in der damals kursächsischen Stadt Naumburg an der Saale am 29. November 1774 geboren. [2] Er war der älteste Sohn (neben vier Geschwistern) seines gleichnamigen Vaters, eines wackern aber sehr armen Schneiders, der erst 1814 gestorben ist. Der ebenso strebsame und reichbegabte, als persönlich liebenswürdige Knabe erhielt seine höhere Bildung auf der Naumburger Stadt- oder Rathsschule, wo namentlich der seit 1790 daselbst als Rector fungirende Ch. D. Ilgen auf die spätere Richtung seiner Studien bedeutenden Einfluß ausübte. Schon 1792 konnte G. die Universität Leipzig beziehen, wo er, schon damals von einem starken universellen oder encyklopädischen Zuge geleitet, nicht nur philologische, philosophische und historische, sondern auch theologische Studien betrieb, ja selbst der Mathematik und den Naturwissenschaften nicht fremd blieb. Sein energischer Fleiß machte es ihm möglich, schon am 14. December 1793 die Magisterwürde zu erlangen. Damit aber begannen für den unbemittelten Jüngling schwere Jahre. Gruber’s Versuch, 1797 eine Hofmeisterstelle in Rußland zu gewinnen, scheiterte wider alles Erwarten im letzten Augenblick. So hat er bis 1803 in Leipzig ein hartes Leben als Privatgelehrter geführt. Bei seiner Armuth lediglich auf sein litterarisches Talent und seine Feder angewiesen, vernutzte er seine reiche Kraft längere Jahre hindurch in Diensten verschiedener Buchhändler. Aus dieser Zeit seiner schriftstellerischen Thätigkeit datiren nur wenige Arbeiten von bleibender Bedeutung. Mehrere Romane; zahlreiche Uebersetzungen aus neueren Sprachen; Jugendschriften; beschreibende Texte zu Bilderwerken, dienten vornehmlich der zeitgenössischen buchhändlerischen Industrie. Daneben gingen aber einerseits selbständige Schriften über pädagogische Stoffe und populäre philosophische Arbeiten (wir nennen hier nur das Werk „Ueber die Bestimmung des Menschen“, Leipzig 1799, 2. Aufl. 1809), endlich der „Versuch einer pragmatischen Anthropologie“ (Leipzig 1803); anderseits kunsthistorische, archäologische und ästhetische Studien. – Auf Grund dieser Studien wagte G. endlich den Uebergang zur akademischen Thätigkeit. Er siedelte aus Leipzig, welches ihm allmählich innerlich gar sehr verleidet worden war, 1803 nach Jena über, wo er sich mit der trefflichen Schrift „Aesthetica philosophiae pars“ (12. November) habilitirte, und nun mit gutem Erfolg philosophische und ästhetische Collegia zu halten begann. Hier auch betheiligte er sich mit Eifer an der damals in hoher Blüthe stehenden „Allgemeinen Litteraturzeitung“, siedelte aber schon 1805 nach Weimar über, dem gefeierten Centralsitze deutscher Classicität, um hier sein Schriftstellerleben in neuer Gestalt fortzusetzen. Aber auch hier konnte G. sich auf die Dauer nicht halten, so anregend namentlich der Verkehr mit Wieland auf ihn einwirkte. Die furchtbare Geißel des Krieges 1806 traf auch ihn schwer; er selbst wurde nach der Schlacht bei Jena ausgeplündert, einer seiner Brüder fiel als Soldat im Kampfe, ein anderer kam an den Bettelstab. Die finanziellen Nöthe hörten nachher nicht auf und stellten immer neue Ansprüche an seine Arbeitskraft, die auch hier nur theilweise der strengeren Wissenschaft sich zuwenden konnte. Abgesehen von biographischen und kritischen Arbeiten (1805), über Herder und Schiller, kommen nach dieser Seite in Betracht eine „Geschichte des menschlichen Geschlechtes aus dem Gesichtspunkte der Humanität“ (2 Bde., Riga 1806–7); ferner ein Band eines „Wörterbuches der Aesthetik und Archäologie“ (Weimar 1810), und der erste Band eines „Wörterbuches der altclassischen Mythologie und Religion“, der in Weimar erschien, und dessen dritter Band 1814 vollendet wurde. – Der erste Band dieses Werkes wurde dem Oberhofprediger Reinhard in Dresden gewidmet; dies führte zu der entscheidenden Wendung in Gruber’s Leben. Seine Stellung in Weimar war unhaltbar geworden. Versuche, in Bremen oder Danzig eine neue Stellung zu gewinnen, wollten nicht glücken. Nun gedachte er, auf Reinhard’s Anregung, nach Dresden zu gehen, wandte sich aber zunächst im Sommer 1810 nach seiner Heimath Naumburg, wo er in [3] einem Weinbergshause kümmerlich genug existirte. Da endlich verschaffte ihm Reinhard’s einflußreiches Fürwort (1811) die Berufung zu einer neu errichteten ordentlichen Professur der historischen Hülfswissenschaften in Wittenberg; zugleich übertrug ihm die kursächsische Staatsregierung die Censur über die in Wittenberg erscheinenden Schriften. Allmählich begann sich jetzt sein Schicksal heiterer zu gestalten. Seine Vorlesungen hatten guten Erfolg; bei seinen Collegen war er beliebt, und zugleich ein sehr nützliches Element im Verkehr mit den zahlreichen fremden Truppen, die in jener stürmischen Zeit Wittenberg in Menge berührten. Napoleons I. Katastrophe in Rußland machte aber auch diesen Verhältnissen wieder ein Ende. Als im Frühjahr 1813 Wittenberg durch Russen und Preußen blokirt wurde, flüchtete das Gros der Universität im April nach dem Städtchen Schmiedeberg; einige Professoren wandten sich nach Dresden, G. seinerseits nach Leipzig, wo ihm der kursächsische Kirchenrath das Ephorat über die nach dieser Stadt geflüchteten Wittenberger Studenten und deren finanzielle Unterstützung übertrug. Er blieb hier bis Michaelis 1815, und ward mehrfach mit Aufträgen seiner Collegen betraut. Als die im Sommer 1813 aus Wittenberg auf Befehl der Franzosen entfernte und durch den Custos Dr. Gerlach auf zwei Elbkähnen bis nach Seußlitz bei Meißen und Dresden geführte Universitätsbibliothek nach der Leipziger Schlacht durch die Verbündeten unter Sequester gelegt worden war, wurde G. in das inzwischen bis an den Rhein vorgerückte Blücher’sche Hauptquartier geschickt, um die Freigebung der Bücher zu erwirken. Als er mit gutem Erfolge nach Leipzig zurückkehrte, hatte inzwischen der Freiherr v. Stein als Chef des seit dem 21. October 1813 durch die Verbündeten geschaffenen Centralverwaltungsrathes das Sequester bereits aufgehoben. – Als nun bei der Abtrennung eines erheblichen Theiles von Kursachsen seit Februar 1815 das künftige Schicksal der Universität Wittenberg ernsthaft zur Sprache kam, und in Uebereinstimmung mit den Ansichten der Mehrheit der Professoren preußischer seits durch königliche Cabinetsordre vom 12. April 1815 die Vereinigung derselben mit Halle ausgesprochen war, wurde im Sommer 1815 G. mit Dr. Kletten als Deputirter des Senats nach Berlin geschickt, um die angemessene Regulirung des Ueberganges der Wittenberger nach Halle zu erwirken. G. seinerseits siedelte im October 1815 nach Halle über, wo er im März 1816 zum Mitglied der gemischten Commission ernannt wurde, welche die eigentliche Verschmelzung vorzubereiten hatte. Als endlich am 21. Juni 1817 die Vereinigung in aller Form vollzogen war, wählte das Generalconcil der nunmehrigen Universität „Halle-Wittenberg“ sofort G. (dessen Fortgang nach Königsberg 1816 zeitweise zu befürchten gewesen war) für das nächste Amtsjahr zum Prorector. Er hat diese Stellung auf Grund wiederholter Neuwahl ununterbrochen bis zum 12. Juli 1821 bekleidet. – Mit dem Eintreten in diese Stellung in Halle, wo er nun bis zum Ende seines Lebens geblieben ist, wich allmählich auch der schwere materielle Druck, unter welchem G. während der Kriegsjahre abermals schwer zu leiden gehabt hatte. Dieser Druck hatte theils zur Production neuer Romane, theils aber zu größeren litterarischen Schöpfungen den Anlaß gegeben. G. hat einerseits seit 1812 energisch an dem Brockhausischen Conversationslexikon sich betheiligt, anderseits in zwei Bänden (1815–16) Wieland’s Biographie geschrieben, an die sich nachmals (1818–28) die Ausgabe der sämmtlichen Werke dieses Dichters schloß. Von besonderer Bedeutung aber wurde es, daß G. an des 1816 verstorbenen Justizrathes Hufeland Stelle sich mit dem Professor und Universitätsoberbibliothekar Ersch in Halle zu der Leitung der großen „Allgemeinen Encyklopädie der Wissenschaften und Künste“ verband, von welcher 1818 der erste Band erschien. Als Ersch 1828 starb, mit dem 18. Bde., übernahm G. allein die Leitung und führte die erste Section bis zum 54. Bde. ununterbrochen [4] fort. In diesem Werke selbst (Erste Section Bd. 94, S. 391 ff.) hat ihm der Rector der Leipziger Thomasschule, Professor F. A. Eckstein, 1875 ein biographisches Denkmal gesetzt. G. selbst hatte außer anderen litterarischen Arbeiten und außer seiner regen Theilnahme an der „Allgemeinen Litteraturzeitung“, noch 1831 die von A. Jakobs begonnene Biographie des Kanzlers A. H. Niemeyer vollendet und 1833 auch seines Freundes, des hallischen Romanschriftstellers A. Lafontaine, Lebensbeschreibung verfaßt. – Von den Studirenden, die seinen geschmackvollen Vorlesungen gern folgten, fleißig gehört; trotz einzelner Reibungen, die doch nicht ganz ausblieben, in den besten Verhältnissen zu seinen Collegen; eine milde, wohlwollende, versöhnliche und liebenswürdige Natur, – was sich speciell auch in seiner seit 1837 übernommenen Stellung als königlicher Commissar bei den Abiturientenprüfungen der Gymnasien in den Francke’schen Stiftungen in schönster Weise zeigte; – bei tiefer Humanität, vornehmer Würde und milden Formen ein Mann von sehr bestimmten freisinnigen Principien, ist G., der 1843 noch den Titel als Geheimer Hofrath erhalten hatte, endlich am 7. August 1851 gestorben.

Abgesehen von der schon erwähnten Biographie Gruber’s aus Eckstein’s Feder, finden sich ausgiebige Nachrichten über G. in dem Jahrgang 1852 des Hallischen Wochenblatts, ferner in dem Buche „Christian Gottfried Schütz. Darstellung seines Lebens, von F. K. J. Schütz“; 2 Bde. (Halle 1834), und in G. F. Hertzberg’s Schrift: Zur Geschichte der Vereinigung von Halle und Wittenberg, Halle 1867.