ADB:Gerlach, Gottlieb Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gerlach, Gottlieb Wilhelm“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 15–16, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerlach,_Gottlieb_Wilhelm&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 10:35 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 9 (1879), S. 15–16 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gottlieb Wilhelm Gerlach in der Wikipedia
Gottlieb Wilhelm Gerlach in Wikidata
GND-Nummer 116586893
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|9|15|16|Gerlach, Gottlieb Wilhelm|Carl von Prantl|ADB:Gerlach, Gottlieb Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116586893}}    

Gerlach: Gottlieb Wilhelm G., geboren am 3. November 1786 in Osterfeld (Regierungsbezirk Merseburg), starb am 1. October 1864 in Halle, machte die Gymnasialstudien an der Domschule in Naumburg a. d. Saale und bezog 1806 die Universität Wittenberg, wo er am 27. August 1809 promovirte und am 6. März 1811 mit einer Dissertation „De discrimine, quod intercedit inter Schellingii et Plotini doctrinam de numine summo“ sich habilitirte, nachdem er schon vorher (1810) eine Abhandlung „Ueber das Verhältniß der Schelling’schen Philosophie zur Religionslehre“ veröffentlicht hatte. Neben den Vorlesungen, welchen er mit Eifer oblag, übernahm er schon 1811 die Stelle eines zweiten und bald darauf (1812) die eines ersten Custos der Universitätsbibliothek, und in dieser Eigenschaft erhielt er 1813 bei der Bedrängniß, in welche Wittenberg durch die feindlichen Heere gerieth, die schwierige Aufgabe, die Bibliothek nach Dresden in Sicherheit zu bringen; die Franzosen hielten allerdings auf der Elbe die mit 333 Kisten beladenen Schiffe bei Seußlitz (in der Nähe von Meißen) an, doch gelang es G., schleunig die Kisten in das nahe gelegene Rittergut des Kaufmannes Clauß zu retten (Näheres hierüber in der Schrift „Die Rettung der Wittenbergischen Universitätsbibliothek durch den ersten Custos G. W. G., Halle 1859), – ein Verdienst, für welches er zum Oberbibliothekar ernannt wurde. Die unfreiwillige Muße, zu welcher in jenen Zeiten die Wittenbergischen Universitätslehrer sich verurtheilt sahen, benützte er zur Abfassung seiner „Anleitung zu einem zweckmäßigen Studium der Philosophie mit Hinsicht auf ihr Verhältniß zu den Facultätswissenschaften“ (1813). Noch ehe die Vereinigung der Universität Wittenberg mit jener zu Halle (April 1817) ins Werk gesetzt wurde, war G. als Privatdocent nach Halle umgesiedelt (1816), wo er am 12. Juli 1817 zum außerordentlichen und, nachdem er einen Ruf nach Heidelberg abgelehnt hatte, am 15. März 1819 zum ordentlichen Professor ernannt wurde. Anfangs hatte er als Lehrer bedeutende Erfolge, aber sowie er sich auch in seinen Schriften dem weiteren Entwicklungsgange der Philosophie verschloß, wurden ebenso seine Vorlesungen allmählich als veraltet von den Studirenden bei Seite gesetzt. Jedenfalls hinterließ er den Ruf eines gutmüthigen und wohlmeinenden alten Herrn, welcher auch mit Wehmuth des früheren Schmuckes einer Perücke gedachte. Den Inhalt der von ihm veröffentlichten sechs „Grundrisse“: [16] der Fundamental-Philosophie (1816), der Logik (1817), der Religions-Philosophie (1818), der philosophischen Tugendlehre (1820), der phisosophischen Rechtslehre (1824), der Metaphysik (1826) nahm er in etwas veränderter Form wieder auf in dem zweibändigen Werke „Lehrbuch der philosophischen Wissenschaften“ (1826), und später machte er hiezu abermals einen erneuten Anlauf mit „System der Philosophie“, 1. Theil (1843, d. h. wieder die Fundamental-Philosophie). Der wesentliche Kern dieser Schriften beruht darin, daß er im Gegensatze gegen die seit Kant verfolgte Richtung eines einseitigen Idealismus den realistischen Lebenselementen den Vorrang einräumen zu müssen meinte, d. h. in Anknüpfung an die Thatsachen des Bewußtseins und des Gefühles dem Inhalte der formlosen Anschauungen Jacobi’s eine speculative Form zu geben beabsichtigte, welch’ letzteres allerdings zuweilen in einer Weise geschieht, welche uns an Christian Wolff erinnert. In dem Systeme, welches sich von der Logik durch die Metaphysik hindurch zur Tugend- und Rechtslehre entwickeln soll, um in der Religionsphilosophie den wahren Abschluß zu finden, vermochte er der Kunst keine Stelle anzuweisen.