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ADB:Walrawe, Gerhard Cornelius von

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Artikel „Walrawe, Gerhard Cornelius von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 2–5, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walrawe,_Gerhard_Cornelius_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 10:29 Uhr UTC)
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Walrawe: Gerhard Cornelius v. W., königlich preußischer Generalmajor, nach den von ihm über seine Herkunft gemachten Angaben im J. 1692 in Westfalen als der Sohn eines holländischen Officiers geboren, welcher 1712 bei der Belagerung von Douai thätig war, stand zuerst sieben Jahre lang als [3] Ingenieur in den Diensten der Generalstaaten und kam 1715 auf die Empfehlungen des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, welcher selbst ein tüchtiger Ingenieur war und dem Fache ein lebhaftes Interesse entgegenbrachte, in preußische, in denen er als Major angestellt ward. Am 7. August 1722 wurde er zum Oberstlieutenant befördert, am 11. October 1724 ward ihm der Adelstand verliehen, am 21. März 1729 übertrug ihm König Friedrich Wilhelm I. das Commando und die besondere Aufsicht über das Corps der Ingenieurs, die damals zuerst zu einem geschlossenen Körper vereinigt wurden. Eine Instruction, welche ihm eine große Machtfülle zugestand, regelte seinen Wirkungskreis. Am 10. Juli 1729 erfolgte die Beförderung zum Obersten. Walrawe’s Ruf und die Stellung, deren er sich erfreute, gründeten sich, außer auf das Ansehen, in welchem er bei seinem Gönner, dem Fürsten Leopold, und beim Könige stand, auf seine Leistungen als Festungsbaumeister in Magdeburg, Stettin und Wesel, wo er einen maßgebenden Einfluß ausübte. Auch außerhalb Preußens hatte man eine hohe Meinung von ihm. Als angesichts der durch die polnische Thronfrage in Aussicht gestellten Kriegsgefahr die verfallene Reichsfestung Philippsburg in einen vertheidigungsfähigen Stand gesetzt werden sollte und dazu außer W. ein kaiserlicher und ein kurmainzischer Officier Vorschläge eingesandt hatten, wurde er auserwählt, die seinen auszuführen. Er erhielt dafür ein Honorar von 1000 Speciesdukaten (nach Bonin 3000) und vom Könige Urlaub. Im August 1733 kam er in der Festung an, traf seine Anordnungen, zu deren Vollziehung ihm österreichische und preußische Ingenieurofficiere unterstellt waren, benahm sich höchst anmaßend und ungebührlich und reiste, als er von dem Nahen der Franzosen Gefahr für seine Sicherheit befürchtete, am 18. October wieder ab, nachdem er verstanden hatte sich bei den Behörden wie bei der Bürgerschaft höchst unbeliebt zu machen. Der bald nachher eintreffende demnächstige tapfere Vertheidiger des Platzes, der kaiserliche Feldmarschalllieutenant von Wutginau, hatte aber an seinen Plänen mancherlei auszusetzen und zu ändern (H. Nopp, Geschichte der Stadt und ehemaligen Reichsfestung Philippsburg, Speyer 1881, S. 359 ff.) Auch zu den Bauten in Kehl und in Mainz ward W. herangezogen.

Nicht des gleichen Beifalles wie bei den oben genannten beiden Fürsten erfreute er sich bei dem Officiercorps. Die Veranlassung zu einer großen im Kreise desselben gegen ihn bestehenden Mißstimmung gaben sowol die Art und Weise, in der er seine Dienstgewalt verwerthete, wie seine eigene Aufführung. Gegen seine Untergebenen war er herrisch und ungerecht, seine persönlichen Abneigungen übertrug er auf den Dienst, die Gelegenheit sich zu bereichern benützte er in unanständiger Weise, König Friedrich Wilhelm I. mußte mehrmals gegen ihn einschreiten, entzog ihm aber trotzdem seine Gunst nicht, noch im J. 1736 verlieh er ihm eine Stiftsstelle zu Münster in der Eifel, und auch des Königs Nachfolger auf dem Throne wendete ihm die seine zunächst in reichem Maaße zu. Durch ein am 4. Mai 1741 in den gnädigsten Ausdrücken abgefaßtes Patent ernannte er ihn zum Generalmajor und im nächstfolgenden Jahre zum Commandeur des in Neiße errichteten Pionierregimentes, welches nach ihm das Walrawe’sche genannt wurde. Bei den umfassenden Verstärkungsbauten, welche der König nach Abschluß des Breslauer Friedens in den neuerworbenen schlesischen Festungen vornahm, war W. sein vornehmster Gehilfe. Der König machte sich dabei von der in Preußen bis dahin fast allein angewendeten Bastionärbefestigung immer mehr los; ob diese Richtung mehr von ihm selbst ausging, oder ob sie hauptsächlich durch W. gefördert wurde, läßt sich nicht nachweisen; jedenfalls gingen beide dabei Hand in Hand. Während des 2. Schlesischen Krieges war W. anfangs in Böhmen thätig, wo er 1744 Pardubitz zur Vertheidigung einrichten und [4] dann die Festungswerke von Prag herstellen ließ. Hier scheint er unter dem Gouverneur eine Commandantenstellung eingenommen zu haben, er sandte dem Könige Berichte über die Bewegungen der Oesterreicher und verschaffte sich die Erlaubniß den Palast des Grafen Gallas auszurauben, aus welchem er zu großem Aergernisse der preußischen Officiere den reichen Hausrath bis auf die kostbaren Tapeten hinunter, Gemälde und Silberzeug wegführen und nach einem ihm gehörigen Landgute Liliput, 11/2 Meilen unterhalb Magdeburg bei Hohenwarthe an der Elbe gelegen, schaffen ließ. 1745 wurde er nach dem von den Oesterreichern bedrohten Neiße, dann aber, als diese sich gegen Kosel gewandt und die Festung durch Verrath genommen hatten, dorthin geschickt, um die im Herbst zur Wiedereroberung führenden Angriffarbeiten zu leiten.

Nach Abschluß des Dresdener Friedens sank Walrawe’s Stern rasch. Die Abneigung der Officiere und ihr Mißtrauen in seine Ehrlichkeit hatten stetig zugenommen, Fürst Leopold von Anhalt-Dessau, einst sein großer Gönner, hatte sich seit längerer Zeit in solchem Grade von ihm abgewendet, daß er beim Anblick der Raben, welche Walrawe’s auf sein Silberzeug gestochenes Wappen zeigte, diesem sagte „Walrawe, Ihr macht Euch mit den Raben voraus bekannt, damit sie Euch künftig nicht fremd vorkommen“ und daß er dem Könige meldete, Walrawe’s Berichte seien nicht in Ordnung, und Friedrich selbst, dem Walrawe’s Stellung im Heere nicht unbekannt bleiben konnte, entzog ihm nach und nach seine Gunst; auch bei den Festungsbauten war W. jetzt weniger einflußreich als früher. Doch trug der König ihm noch 1747 auf ein „Mémoire sur l’attaque et la défense des places“ (Urschrift im Archive des Großen Generalstabes zu Berlin) zu verfassen, welches, als W. es am 19. November überreichte, des Königs ganzen Beifall fand und bei Bearbeitung der Instructionen für die Festungscommandanten benutzt wurde.

Dann aber brach das Verderben über ihn herein. Im J. 1747 gerieth er in Concurs. Seine verschwenderische Lebensweise, namentlich der glänzende Haushalt, welchen er auf seinem Landsitze Liliput und in seinen Häusern zu Magdeburg und zu Neiße führte, verlangten größere Mittel als sein zu großem Theile aus unlauteren Quellen fließendes Einkommen zur Verfügung stellte, durch den Verkauf seiner Kunstschätze und Kostbarkeiten gedachte er sich neue Geldmittel zu verschaffen. Er knüpfte dazu Verbindungen mit dem sächsischen Gesandten v. Bülow und dem russischen v. Keyserlingk an zum Zwecke des Erwerbes durch die betreffenden Höfe. Der Verkehr machte des Königs Argwohn rege, welcher noch vermehrt wurde als er erfuhr, W. habe für den österreichischen Gesandten Graf Bernes einen Entwurf zur Befestigung von Wien ausgearbeitet und ihm die obengenannte geheim zu haltende Denkschrift über den Angriff und die Vertheidigung fester Plätze mitgetheilt und Friedrich’s Verdacht wuchs als W. sich um den Auftrag bemühte zur Theilnahme an der Belagerung von Mastricht entsendet zu werden, für welche er mit des Königs Genehmigung auf Veranlassung des französischen Gesandten Marquis de Valori einen vom Marschall von Sachsen gebilligten Plan entworfen hatte. Im Januar 1748 erhielt der Generaladjutant General Hans Karl v. Winterfeldt Befehl eine Untersuchung der durch W. geleiteten Festungsbauten vorzunehmen und letzteren in seinem Verkehre mit den fremden Gesandten überwachen zu lassen. Bei dem Verfahren gegen W. scheint dessen Maitresse, die Frau des Quartiermeisters Martini vom Pionierregimente, welchem der König auf Walrawe’s Bitte den Titel „Kriegsrath“ beige1egt hatte, die Angeberin gespielt zu haben, wenigstens schreibt Friedrich am 11. Februar 1748 an seinen Bruder, den Prinzen von Preußen, „die Kriegsräthin ist mein rettender Engel gewesen“. Die durch Winterfeldt geführte Untersuchung stellte Walrawe’s Schuld in Beziehung auf die von ihm begangenen [5] Unterschlagungen bald fest, schon am 29. Januar 1748 berichtete jener dem Könige, daß W. eines Betruges von 41 612 Thalern klar überführt sei und diesen nicht werde leugnen können. Letzterer war inzwischen in dienstlichen Angelegenheiten nach Stettin entsandt gewesen. Am 30. Januar kehrte er nach Berlin zurück; als er am 11. Februar im Begriff stand mit des Königs Erlaubniß in Gesellschaft des russischen und des sächsischen Gesandten zur Besichtigung der zu verkaufenden Kunstgegenstände nach Liliput abzureisen, ward er am 10. verhaftet und sofort nach Magdeburg abgeführt, wo er zuerst in den Kasematten der Sternschanze (früher Fort Berge) dann aber, da der Aufenthalt in denselben ungesund war, in einem für ihn im innersten Hofe der Schanze erbauten ebenerdigen Häuschen mit einem Flur und zwei Kammern, welches er ausstatten durfte, in strenge Haft genommen wurde, namentlich ward Fürsorge getroffen, daß er keinen Verkehr mit der Außenwelt unterhalten konnte; für seinen Unterhalt ward ausreichend gesorgt, indem dazu monatlich 100 Thaler angewiesen waren. Zum Spazierengehen stand ihm ein mit einem 36 Fuß hohen Walle umgebener Hof von 40 Schritt Länge und 30 Schritt Breite zu Gebote. Seine Gattin lehnte ab die Gefangenschaft mit ihm zu theilen, freilich war die betreffende Erlaubniß an die Bedingung geknüpft, daß sie nicht früher als W. selbst herausgelassen werden würde und während des Aufenthaltes mit Niemand, auch nicht mit einem Geistlichen, sprechen dürfe. – Ein gerichtliches Verfahren zur Ermittelung von Walrawe’s Verschulden hat nie stattgefunden. Nachdem er die letzten fünfundzwanzig Jahre seines Lebens in der geschilderten Weise zugebracht hatte, ist er, 81jährig, am 16. Januar 1773 gestorben. – „W. war ein seltsames Gemisch von Bigotterie und Frivolität; obgleich Katholik versäumte er keine Gelegenheit, die heilige Schrift und seine Religion öffentlich zu verhöhnen; er brandschatzte die Klöster und selbst den Papst unter der Drohung der Kirche abtrünnig werden zu wollen. Daneben erbettelte er von demselben Papste Ablaßbriefe, sandte Wachslichte nach der Kirche Unserer Lieben Frau zu Czenstochau und ließ im Kriege verwüstete Heiligenbilder auf seine Kosten heimlich wiederherstellen. Wollüstig und verschwenderisch, umgab er sich mit einem unerhörten Luxus, hielt sich stets mehrere Maitressen und verbrauchte Summen, die er kaum auf rechtliche Weise erwerben konnte, was ihn unvermeidlich in den Ruf brachte sich unerlaubte Mehreinnahmen verschafft zu haben. Seiner maßlosen Eitelkeit schmeichelte der Umgang mit hochstehenden Personen und namentlich mit fremden Gesandten; der intime Verkehr mit einigen der letzteren brachte ihn in den Verdacht verbrecherischer Verbindungen“ (Bonin s. u.).

Aufsätze von J. D. E. Preuß in der Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges, Berlin 1859, 105. Bd., S. 40 ff., S. 175 ff. und 1860, 108. Bd., S. 221. – U. v. Bonin, Geschichte des Ingenieurcorps und der Pioniere in Preußen, 1. Theil, Berlin 1877.