Zum Inhalt springen

ADB:Wartislaw I.

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wartislav I., erster christlicher Herzog von Pommern“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 207–209, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wartislaw_I.&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 08:53 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wartinger, Joseph
Band 41 (1896), S. 207–209 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wartislaw I. in der Wikipedia
Wartislaw I. in Wikidata
GND-Nummer 138794510
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|207|209|Wartislav I., erster christlicher Herzog von Pommern|Gottfried von Bülow|ADB:Wartislaw I.}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138794510}}    

Wartislav I., erster christlicher Herzog von Pommern, † 1136. In die Zeit der Kämpfe zwischen den sächsischen Großen und König Heinrich IV. fällt ein Kriegszug der ersteren gegen die slavischen Liutizen, aus welchem jene um das Jahr 1070 den jungen W. als Kriegsgefangenen nach Merseburg brachten, wo er die Taufe erhielt. Ueber die Zeit seiner Rückkehr zu seinen heidnischen Landsleuten sind wir nicht unterrichtet und hören erst wieder von ihm im J. 1121, als er und sein Volk im heldenmüthigen Kampf gegen den König Boleslav von Polen unterlagen. Im kräftigsten Mannesalter stehend, herrschte er damals über das von der Warthe und Persante einerseits und von der Peene andererseits begrenzte Pommern. Wieweit W. innerlich dem Christenthum zugethan war, ist schwer zu sagen, äußerlich verbarg er jedenfalls seine Gesinnung vor seinem heidnischen Volk; doch erlaubt der schnelle Erfolg, den Bischof Otto’s Missionsthätigkeit in Pommern erzielte, vielleicht den Schluß, daß außer dem Herzog schon damals manche heimlich christlich Gesinnte im Lande waren. Die Polen, von der Annahme ausgehend, daß die pommerschen Stammesgenossen zu ihnen in einem von diesen verletzten Unterthanenverhältniß ständen, waren entschlossen, die gebrochene Treue streng zu strafen und Pommern zu vernichten, wenn sich dasselbe nicht beugen und zugleich dem christlichen Glauben zuwenden wolle. Dies Ansinnen weckte die größte Erbitterung auf pommerscher Seite; man traute aber auf die festen Plätze des Landes und rüstete sich zur Vertheidigung. Boleslav ließ sich nicht abschrecken: durch den wilden Grenzwald, der Polen von Pommern trennte, vordringend durchzog er sengend und brennend das Land. Nichts lebendes wurde geschont; bis an die Ostsee, ja über dieselbe bis nach Bornholm scheuchte der Sieger die Fliehenden. Während so der Schrecken auf dem Lande lag und den Widerstand lähmte, näherte sich das polnische Heer zur Winterszeit über die gefrorenen Ströme dem für unbezwinglich geltenden Stettin, eroberte es, hielt sich aber mit der Zerstörung der Stadt nicht auf, sondern eilte weiter bis an die Peene. W. sah nach Bezwingung der Landesfesten keine andere Rettung, als sein Land dem Polen steuerpflichtig zu erklären und mit der Anerkennung der politischen Oberherrlichkeit desselben auch die Annahme des Christenthums zuzusagen. Das Werkzeug, dessen sich Boleslav nunmehr zur Christianisirung Pommerns bediente, war Otto, Bischof von Bamberg (1108–1139), der in jungen Jahren als Lehrer und Caplan am polnischen Hofe sich eine auch in politischer Beziehung hervorragende Stellung erworben hatte. Von Boleslav zur Durchführung des Gott wohlgefälligen Werkes aufgefordert, erfaßte Otto den Gedanken in gläubiger Begeisterung und nicht ohne die stille Hoffnung, in Ausführung des Werkes die Märtyrerkrone zu erlangen. Für die Geschichte des Pommernapostels muß im allgemeinen auf seine Biographie im 24. Bande, S. 654 f. hingewiesen werden; hier kann seiner nur insofern gedacht werden, als W. dabei in Betracht kommt. Dieser erwartete Otto und seine Begleiter an der Grenze, trat ihnen freundlich entgegen und beseitigte glücklich das zwischen den beiderseitigen Gefolgschaften entstandene Mißtrauen. Nachdem Otto bei Pyritz den heidnischen Widerwillen der Pommern zum ersten Mal mit Erfolg überwunden und an 4000 Personen die Taufe vollzogen hatte, wandte er sich nach Camin, dem herzoglichen Sitz Wartislav’s, und nahm von dessen Gesinde bereits früher getaufte, aber unter ihren heidnischen Genossen wieder abgefallene Wenden von neuem in den Schoß der christlichen Kirche auf. W. selbst entließ bei dieser [208] Gelegenheit seine 24 Beischläferinnen und begnügte sich mit einer rechtmäßigen Gemahlin. Auf der Weiterreise jedoch, in Wollin und Stettin, stieß Otto’s Bekehrungseifer auf Widerstand, der sich am letzteren Orte soweit steigerte, daß Boleslav sich seines Sendboten annehmen und den Widerspenstigen mit seinem Zorn drohen mußte. Durch Otto’s Bitten ließ er sich jedoch besänftigen, minderte auch die dem ganzen Lande auferlegte Steuer auf 300 Mark Silber jährlich und verlangte die Heeresfolge nur von dem zehnten Mann. Otto’s Sendung fand ihren Abschluß in einer gemeinsamen Berathung zwischen dem Bischof, W. und den wendischen Großen wegen Errichtung eines eigenen Bisthums in dem für das Christenthum neu gewonnenen Lande, als dessen Sitz Wollin bestimmt wurde, während alle weiteren darauf zielenden Anordnungen einer späteren Zeit überlassen blieben. Ehe der Bischof jedoch den Heimweg antrat, bereiste er nochmals die neugestifteten Gemeinden, weihte die im Bau begriffenen oder nothdürftig vollendeten Kirchen und verabschiedete sich von dem wol weniger durch ein inneres Erfassen der neuen Lehre als durch die persönliche Liebenswürdigkeit ihres Verkündigers gewonnenen Volke. Am Ostertage 1125 betrat nach elfmonatlicher Abwesenheit Otto wieder den Dom seines heimathlichen Sprengels. W. hatte sich zwar für seine Person dem Christenthum in Treue zugewendet, den davon zu erwartenden Zuwachs an weltlicher Macht verspürte er aber nicht; im Gegentheil entfremdete er sich dadurch einen großen Theil seiner Unterthanen und täuschte sich auch darin, durch Annahme des Christenthums für sich und sein Volk von dem widerwillig getragenen polnischen Joch loskommen zu können. Die bald nach Otto’s Abreise zunächst in Stettin, dann auch in Wollin von heidnischer Seite geschehenden Ausschreitungen konnte W. nicht nachdrücklich hemmen, und so war Gefahr vorhanden, daß die junge Saat des Christenthums unter den Dornen des alten Heidenthums ersticken, und zugleich Land und Fürst in einen nochmaligen Krieg mit Polen gerathen würden. Da entschloß sich Otto, durch die in Pommern zurückgelassenen Priester von der Sachlage unterrichtet, zu einer zweiten Missionsreise im Frühjahr 1128. Er wählte diesmal den Weg über Merseburg, wo er mit König Lothar zusammentraf, durch Sachsen und traf in Demmin mit dem auf einem Kriegszug gegen die liutizischen Stämme an der Tollense und weiter nördlich in das circipanische Gebiet begriffenen W. zusammen. Auf Otto’s Antrieb berief W. zu Pfingsten eine Versammlung der nach der wendischen Castellaneiverfassung dazu befugten Großen des westlichen Landesgebietes nach Usedom, um die einmüthige Annahme des Christenthums durchzusetzen, was den vereinten Bemühungen der beiden Männer trotz des Gegenwirkens der heidnischen Priester gelang. Namentlich der Herzog wies auf die im Falle der Weigerung immer von neuem von Polen her drohende Gefahr hin. Die Letzteren ließen sich freilich durch dies Alles nicht täuschen; Herzog Boleslav durchschaute Wartislav’s Absicht, durch die Verbindung mit den Deutschen sich von Polen loszumachen und eine selbständige Stellung zu gewinnen. Der erwähnte Aufstand der Städte genügte ihm, einen zweiten rächenden Einfall in Pommern vorzubereiten. In kurzem stand sein Heer an der Grenze, als Bischof Otto, die Vermittelung zwischen seinem alten Freunde und den neu gewonnenen übernehmend, in das polnische Lager eilte und zum zweiten Male mit Erfolg den Zorn Boleslav’s besänftigte. Ihm folgte W., der in zweitägiger Unterhandlung die Gewährung weiteren Friedens erlangte. Nicht ohne Einfluß auf Boleslav war dabei die Besorgniß gewesen, er könne seine Macht über Pommern gänzlich verlieren, wenn etwa der römische König als Herr der Christenheit oberlehnsherrliche Rechte über das nunmehr christliche Wendenvolk geltend mache. Hatte Otto auch manche trübe Erfahrung mit dem immer wieder hervorbrechenden heidnischen Wesen zu machen, so war diese zweite Missionsreise nach Pommern doch im ganzen von [209] Erfolgen begleitet, und er konnte befriedigt heimkehren. Die politische Lage des Landes änderte sich in den nächsten Jahren insofern, als der von Boleslav gefürchtete deutsche Einfluß in der That eintrat und eine wichtige Veränderung hervorrief. Boleslav hatte in einem Krieg mit Ungarn erhebliche Verluste erlitten, die ihn nöthigten, 1135 die Hülfe des Kaisers Lothar anzurufen, und um sie zu erlangen, demselben den Lehnseid zu leisten. War ihm nun auch in diesem Eide seine Oberlehnsherrlichkeit über Pommern bestätigt, so war das kaum mehr als eine Form und thatsächlich schwand der Einfluß Polens auf das untere Odergebiet und die Länder westlich davon bis zur Peene immer mehr dahin. Ruhe war aber damit namentlich in die letztgenannten nicht eingekehrt; W. hatte gegen die Liutizen noch manchen Kampf zu bestehen, um seine Herrschaft und den christlichen Glauben zu festigen. In einem dieser Kämpfe fand er im J. 1136 seinen Tod durch die Hand eines heidnischen Wenden. Das Ereigniß ist später sagenhaft ausgeschmückt worden, aber von Anfang an hat man es so angesehen, daß W. ein Märtyrer seines Christenglaubens geworden sei. Auf der Stätte, wo der tödtliche Streich ihn traf, ward wenig Jahre danach eine Kirche zu seinem Gedächtniß erbaut, und als diese verfiel, gründete am 3. Mai 1153 der erste Bischof von Pommern, Adalbert (s. A. D. B. I, 66) das Kloster Stolp an der Peene an derselben Stelle. Zur Reformationszeit aufgehoben, verschwand das Kloster mit der Zeit völlig, damit aber die Erinnerung an den ersten christlichen Herrscher Pommerns wach bliebe, ist vor wenig Jahren daselbst eine seinen Namen tragende Kirche erbaut worden.

Barthold, Gesch. von Rügen und Pommern.