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ADB:Weber, Karl Otto

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Artikel „Weber, Karl Otto“ von Ernst Gurlt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 343–345, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Karl_Otto&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 05:19 Uhr UTC)
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Weber: Karl Otto W., Chirurg und pathologischer Anatom, geboren am 29. December 1827 zu Frankfurt a. M., erhielt seine Erziehung in Bremen, unter der Aufsicht seines Vaters, der daselbst Gymnasialdirector war. Schon auf dem Gymnasium wandte er sein besonderes Interesse den Naturwissenschaften zu und machte, nachdem er 1846 die Universität Bonn bezogen hatte, gründliche Studien in der Botanik, Geologie und Mineralogie, besonders der paläontologischen Botanik. 1851 wurde er in Bonn Dr. med. et chir. und trat, nach in Berlin zurückgelegtem Staatsexamen, 1852 eine wissenschaftliche Reise an, auf welcher er längere Zeit in Paris verweilte. Im Winter 1852/53 erhielt er die Stelle eines Assistenzarztes in der Bonner chirurgischen Klinik von Wutzer und blieb in derselben volle vier Jahre, in der letzten Zeit sich großer Selbständigkeit erfreuend, da Wutzer infolge zunehmender Sehschwäche seinem Assistenten viel freien Spielraum lassen mußte. Bereits 1853 hatte W. sich als Privatdocent für Chirurgie habilitirt und gewann durch seine streng wissenschaftliche Auffassung der chirurgischen Pathologie bald das ganze Interesse seiner Zuhörer, zumal er sich auch mit großem Eifer pathologisch-anatomischen Forschungen hingab und, außer einigen chirurgischen Arbeiten („Ueber die Amputationen des Fußes“ – „Die Verengerung der Harnröhrenmündung … und Verfahren zu ihrer Beseitigung“), wichtige pathologisch-anatomische Arbeiten, darunter sein Hauptwerk: „Die Knochengeschwülste in anatom. und prakt. Beziehung. I. Die Exostosen und Enchondrome“ (1856) geliefert hatte. Als daher ihm, nach dem Rücktritte Wutzer’s vom Lehramte (1855), die durch Busch 1856 wieder besetzte Professur nicht zu theil wurde, erhielt er von dem Lehrkörper die Aufforderung, sich ganz der bis dahin in Bonn speciell noch nicht vertretenen pathologischen Anatomie zu widmen, und W., der noch ein Jahr lang bei Busch [344] Assistent blieb, ging darauf ein, wurde 1857 zum außerordentlichen und 1862 zum ordentlichen Professor der pathologischen Anatomie ernannt und widmete sich diesem Fache mit ganzem Eifer, während er gleichzeitig die chirurgische Abtheilung des evangelischen Spitals leitete und dadurch auch als Chirurg in einigem Umfange thätig blieb. Seine in den nächsten Jahren, größtentheils in Virchow’s Archiv für patholog. Anatomie veröffentlichten Arbeiten beschäftigten sich theils mit Gegenständen aus letzterer, wie mit Erkrankungen der Knochen (Osteomalacie, Enchondrom), Gelenke, Muskeln, des Auges (Glaskörper), wie auch mit verschiedenen Entwicklungsvorgängen (Eiter, Gefäße, Muskelfasern, Epithelialkrebs) u. s. w., die zusammen einen sehr entschiedenen Fortschritt in der Wissenschaft darstellten, theils betrafen sie seine 1859 publicirten praktischen „Chirurgischen Erfahrungen und Untersuchungen“. Die im Vorstehenden angedeutete außerordentliche Arbeitsleistung fand ihre Fortsetzung, als W. zu Ostern 1865, nach dem Rücktritte von M. J. v. Chelius von der chirurgischen Professur in Heidelberg, diese nebst der dazu gehörigen Klinik übernahm, und es ist kaum zu begreifen, daß er bis dahin und in den seiner Lebenszeit nur noch zugemessenen folgenden zwei Jahren eine solche Fülle der allerbedeutendsten Arbeiten, wie er sie hinterlassen hat, hat leisten können. Vor allem sind daraus die in die Jahre 1865 und 1866 fallenden, ganz vorzüglichen, an Gediegenheit und Vollständigkeit des Inhalts, an Beherrschung der groß angelegten Formen vortrefflichen Abschnitte in Pitha-Billroth’s Handbuch der allgemeinen und speciellen Chirurgie anzuführen: „Die Gewebserkrankungen im Allgemeinen“ u. s. w.; „Krankheiten der Haut, des Zellgewebes, des Lymphgefäßsystems, der Venen, der Arterien und der Nerven“; „Die chirurgischen Krankheiten des Gesichts“. Seine letzte Arbeit betitelte sich „Praktische Miscellen“ (1867). Außerdem hat W. auch bedeutende Veröffentlichungen auf dem Gebiete der Biographie und Geschichte aufzuweisen; so in den Preußischen Jahrbüchern die Aufsätze: „Johannes Müller“; „Alexander von Humboldt und sein Einfluß auf die Naturwissenschaft“; ein Nekrolog auf „Karl Wilhelm Wutzer“; ferner „Ueber die Anfänge der patholog. Anatomie“ und „Die Bedeutung der patholog. Anatomie für die medicinische Wissenschaft und Praxis“. – In Heidelberg gab es vieles zu verbessern, schwere Kämpfe mußten durchgekämpft werden, um auch dort den Fortschritten der Chirurgie der Neuzeit Bahn zu brechen; u. a. wurde die bis dahin mit der chirurgischen Klinik verbundene Augenklinik losgelöst. Während W. sich im rüstigsten Schaffen befand und durch seine anregende Vortragsweise, die durch wahrhaft künstlerisch ausgeführte Tafelzeichnungen unterstützt wurde, die wachsende Zahl seiner Zuhörer an die chirurgischen Hörsäle zu fesseln verstand, und er unausgesetzt bemüht war, die günstigsten Bedingungen für die Wundheilung auch in seiner Klinik zu schaffen, erfolgte im Juni 1867 ein heftiger Ausbruch von Diphtherie im Krankenhause; auch W. wurde von einer diphtherischen Hals- und Lungenentzündung befallen, der er, in Verbindung mit einer, wie die Section nachwies, fettigen Entartung des Herzens, am 11. Juni 1867, im 40. Lebensjahre erlag.

W. war eine außerordentlich vielseitige und begabte Persönlichkeit, ein sehr fruchtbarer und glücklicher Schriftsteller von riesiger Arbeitskraft, der von 1851 bis 1867 fast nie aufgehört hat, alles das, was er durch das Experiment, das Mikroscop, die praktische Erfahrung gefunden hatte, litterarisch zu verarbeiten. Seine Arbeiten wurden durch ein hervorragendes Zeichentalent unterstützt, welches ihm gestattete, alle seine mikroscopischen und anderen Zeichnungen nicht nur selbst zu machen, sondern sie auch auf den Stein zu übertragen. Als Operateur zeichnete er sich durch große Vorsicht und Gewissenhaftigkeit bei Stellung der Indicationen und durch Sorgfalt und Präcision bei Ausführung auch der [345] schwierigsten Operationen aus. Als Lehrer war er unübertrefflich und von seinen Schülern, denen er große Opfer an Mühe und Zeit brachte, und unter denen er die talentvolleren zu eigenen Arbeiten anzuregen verstand, hoch verehrt. Als Arzt, als Mensch, als Gelehrter war er von allen, die ihm näher zu treten Gelegenheit hatten, gleich geschätzt. Das aber ist vor allem hervorzuheben, daß er der wissenschaftlichen Chirurgie die größte Förderung hat zu theil werden lassen und daß bei längerem Leben noch Großes von ihm zu erwarten war.

Th. Billroth in v. Langenbeck’s Archiv für klinische Chirurgie. Bd. 9. 1868. S. 545. – C. Heine in F. v. Weech, Badische Biographieen. Thl. II. 1875. S. 427.