ADB:Weißel, Ludwig Friedrich

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Artikel „Weißel, Ludwig F.“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 600–601, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9Fel,_Ludwig_Friedrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 06:53 Uhr UTC)
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Weißel: Ludwig F. W.[1], Dichter, Uebersetzer und Nachdichter, am 8. December 1841 zu Wien geboren, besuchte da das Gymnasium, studirte die Rechte und wurde Advocat. Eine weiche Natur, ein feiner Geist, fühlte er früh eine starke Neigung zur Beschäftigung mit schöner Litteratur und hat zeitlebens diesem Hange vollste Freiheit gewährt, zumal nachdem ihn ein dauerndes Herzleiden gezwungen hatte, aus dem juristischen Berufe und sonstiger öffentlicher Thätigkeit – er war u. a. (liberaler) Gemeinderath seiner Vaterstadt – auszuscheiden und in bekömmlicherem Klima Linderung zu suchen. In Genf, Montreux, Reichenhall hat er sich daher die letzten Jahre seines Lebens aufgehalten, meist mit Umguß fremdsprachlicher Dichtwerke befaßt, und am 16. Januar 1886 ist er zu Wiesbaden gestorben.

Abgesehen von „Hanns Freiherr von Schwarzenberg. Ein Bild aus deutscher Rechts- und Culturgeschichte. Vortrag, gehalten im ‘wissenschaftlichen Club’ zu Wien im April 1877“ (1878) – betrifft den Franken Johann Freiherrn zu Schwarzenberg und Hohenlandsberg, den die A. D. B. XXXIII, 305 f. behandelt – hat W. veröffentlicht: „Der Froschmäusekrieg. Aus dem Griechischen übersetzt“ (2. Aufl., Grünberg, o. J. [1871]); „Der Mönch von Montaudon. Eine provençalische Erzählung“ (1882); „Die Lieder des Anakreon. Frei übertragen“ (1886, aus dem Nachlasse). Die erstgenannte Erneuerung der altgriechischen Thierepopöe beruht gemäß der launigen „Einleitung“ auf der Anregung, die W. bei einem heitern Juristen-Rendezvous zu Heidelberg empfangen; sie interpolirt bei Lücken des so arg verstümmelt überlieferten Originals (vgl. dazu jetzt die Vorrede zu A. Ludwich’s großer Ausgabe des Urtexts, 1896) und ist in Sprache und Form (gereimter Knittelvers) mit viel Glück bemüht, ganz deutsch zu sein. Dasselbe ist der Fall, trotzdem hie und da die letzte Feile fehlt, bezüglich der überaus gelungenen Modernisirung der sogenannten Anakreon-Lyrik, die nach Weißel’s Tode Ferd. Lotheissen mit einem pietätvollen Vorworte herausgegeben hat. Es war für W. ein großes Glück, „daß er sich trotz seiner Schmerzen in die lebensfrohe Welt des hellenischen Sängers versetzen konnte“. Der Aufforderung im Eingange „wählet nur für seine Dichtung auch die rechten deutschen Klänge … weil wir deutsche Liebe bringen und für deutsche Räusche schwärmen“ ist er geschickt selbst nachgekommen, und so nehmen sich diese duftigsten Blüthen antiken Frohsinns aus, als wären sie deutschem Strauche entsprossen. „Der [601] Mönch von Montaudon“ endlich ist eine epische Dichtung mittelalterlich-romantischen Colorits in neun Abschnitten, die sich an das Leben und Schaffen eines ungenannten Troubadours aus dem 12. Jahrhunderte anlehnen, wie Fr. Diez’ bekanntes Gesammtwerk und E. Philippson’s Dissertation „Der Mönch von Montaudon“ (1873) es darstellen. W. bekundet darin genaue Kenntniß der einzigartigen Ritter- und Minnewelt, die das Milieu der Troubadourpoesie abgab, sehr gute Belesenheit in deren litterarischen Denkmälern, Fertigkeit in deren wechselreichen Strophenformen. Das Werkchen liest sich glatt und amüsant, trotz der fremden Sphäre wie ein Original; der farbigen, echt künstlerischen poetischen Gestaltung entspricht der Bildschmuck nach alten Holzschnitten, meistens solchen Hans Holbein’s und Niclaes Manuel’s. Proben eigener Lyrik gab W. in den Einleitungen seiner Verdeutschungen, den prächtigen Einlagen im „M. v. M.“, K. E. Franzos’ „Deutschem Dichterbuch aus Oesterreich“ (1883, 3 Kleinigkeiten), Fritz Lemmermeyer’s „Deutscher Lyrik der Gegenwart“ (1884, 3 Nummern): formschön, gedankenvoll, flüssig, wie alle Museäußerungen seiner unfreiwilligen Muße. – Ueber W.’s Leben unterrichten, fast gleichlautend, Franzos a. a. O. S. XXXVIII f., Wurzbach, Biogr. Lexik. d. Kaiserth. Oesterr. 54, 166 f., und Brümmer’s kl. Lexik. d. dtsch. Dicht. u. Pros. des 19. Jhs. II, 467 u. 612, Wurzbach auch über den bedeutenden Juristen Joseph W. (1811–1877), in dem er Ludwig Weißel’s Vater vermuthet. Ueber den auf dem Titel der Batrachomyomachie mit F. abgekürzten Vornamen sowie über die auffällige Thatsache, daß alle Veröffentlichungen Weißel’s außerhalb Oesterreichs, zum Theil zu Grünberg in Schlesien, erschienen, vermochte ich keine Aufklärung zu erlangen.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 600. Z. 23 v. o. Weissel, Ludwig F.: Nach frdl. Mittheilung der Wittwe des Dichters trug dieser den zweiten Vornamen Friedrich. Er verlegte das betreffende Werk in Grünberg, weil es ihre Heimath war, bei ihrem Vater und ist uns durch eine von ihrer Hand veranstaltete, leider nicht in den Buchhandel gelangte Sammlung seiner Lyrik, einen Band „Gedichte aus dem Nachlaß von Ludwig F. Weissel. Als Manuscript gedruckt für Freunde und Verwandte“ (Grünberg. 1891), in seiner sinn-, gemüthvollen und formschönen Kunst näher gebracht worden: über die Hälfte Gelegenheitsgedichte, wiederum vortrefflich gelungen die Uebersetzungen, die wie Urtexte anmuthen. Auch Novellen hinterließ er handschriftlich. [Bd. 44, S. 574]