ADB:Wickenhauser, Franz Adolf
Wickenhauser: Franz Adolf W. war der Nestor der Bukowiner Geschichtsforscher. Zu Wurmbach in Niederösterreich im J. 1809 geboren, war er im J. 1837 als Finanzbeamter in die Bukowina gekommen und starb daselbst zu Czernowitz am 6. April 1891. In seiner amtlichen Thätigkeit lernte er das Land und seine Leute kennen und lieben; von Abkunft ein Fremdling, wurde er dem Herzen und der Gesinnung nach ein Bukowiner. Seine beste Kraft und all sein Wollen hat er fortan seiner Adoptivheimath gewidmet. Nicht allein als Beamter hat er derselben fast durch ein halbes Jahrhundert treu und redlich gedient; er war auch der erste, der die geschichtliche Forschung über die Bukowina mit Erfolg angeregt hat. Während seiner Dienstzeit opferte er diesen Bestrebungen jeden Augenblick seiner Muße, und seit er als Finanzrath in den Ruhestand getreten war, lebte er allein der Forschung.
Was vor W. für die Geschichte der Bukowina geleistet worden war, ist höchst spärlich; nur einige Schriften, welche die Selbständigkeitsbestrebungen der Bukowina und die Sonderstellung des Kimpolunger Bezirkes begründen sollten, verdienen erwähnt zu werden. W. fand also ein völlig ödes Feld vor, das zum ersten Male bestellt werden sollte. Hierzu gesellten sich noch ganz besondere Schwierigkeiten. Abgesehen davon, daß vor einigen Jahrzehnten auch die moldauische Geschichte, mit welcher diejenige der Bukowina in ihren älteren Theilen eng zusammenhängt, noch wenig bearbeitet war, entbehrte das Land in jener Zeit, als W. an seine Forschungen schritt, einer öffentlichen Bibliothek, so daß wissenschaftliche Hülfsmittel nur mit der größten Schwierigkeit zu beschaffen waren. Die Urkunden, welche herbeigezogen werden mußten, lagen nicht nur in den verschiedenen Klöstern und Aemtern zerstreut, sondern sie waren auch zum größten Theile in kirchenslavischer und rumänischer Sprache geschrieben, also in Idiomen, welche dem Deutschen völlig fremd waren. Alle diese Schwierigkeiten schreckten jedoch W. nicht ab. Er erlernte nicht nur Kirchenslavisch und Rumänisch, so daß er die alten moldauischen Urkunden und Chroniken ohne Mühe benutzen konnte, sondern eignete sich auch hinreichende Kenntnisse des Ruthenischen, Polnischen, ja selbst des Armenischen an. So ausgerüstet schritt er an seine Arbeit, die er trotz seines hohen Alters bis unmittelbar vor seinem Tode eifrig fortsetzte.
Die Zahl seiner Werke ist bedeutend. Alle sind wichtige, wenn auch nicht fehlerfreie Vorarbeiten für die Geschichte der Bukowina, und zwar zunächst für die Periode der moldauischen Herrschaft (1350–1774), im geringeren Maaße für die Zeit seit der Vereinigung des Landes mit dem österreichischen Kaiserstaate. Jedes der Werke besteht gewöhnlich aus der geschichtlichen Erzählung und einem urkundlichen Theile. Die Urkunden sind durchgehends in deutscher Sprache abgedruckt und wurden, insofern sie dem Verfasser nicht in derselben vorlagen, von ihm aus dem Kirchenslavischen, Rumänischen, Lateinischen u. s. w. übersetzt. Die Zahl derselben dürfte etwa 800 betragen. Bedauerlich ist es nur, daß W. nicht für die Veröffentlichung des Urtextes Sorge getragen hat. Dieses Unternehmen wäre jedoch an der Kostenfrage und dem geringen Interesse an der landeskundlichen Litteratur gescheitert. Die erste Publication Wickenhauser’s erschien unter dem Titel „Mo1dawa I.“ im J. 1862 (Wien); sie umfaßte [328] die Geschichte und die Urkunden des Klosters Moldawitza. Hierauf folgten: „Bochotin I., Geschichte der Stadt Czernowitz und ihrer Umgebung“ (Wien 1874, dieses Heft handelt nur über die vorösterreichische Zeit); „Moldawa II., Geschichte und Urkunden des Klosters Solka“ (Czernowitz 1877); „Horecza, ein Beitrag zur Geschichte der Stadt Czernowitz“ (ebd. 1880); „Molda I., Geschichte der Klöster Homor, St. Onufri, Horodnik und Petroutz“ (ebd. 1881); „Molda II., 1 und 2, Die deutschen Siedelungen in der Bukowina“ (ebd. 1885 u. 1888, das 3. abschließende Bändchen ist nicht erschienen); „Molda III., 1a und 1b, Geschichte der Klöster Woronetz und Putna“ (ebd. 1886 u. 1888, das Schlußbändchen ist nicht erschienen); „Molda IV., 1 u. 2, Geschichte des Bisthums Radautz und des Klosters Groß-Skit“ (ebd. 1890 u. 1891, das 3. Bändchen sollte die Urkunden von Groß-Skit enthalten); „Molda V, 2, Russisch- und Moldauisch-Kimpolung und die Einwanderung der Lippowaner“ (ebd. 1891, dieses 2. Bändchen enthält Urkunden, Berichte und Erlasse, während das 1. den Text hätte umfassen sollen); „Die ersten Flössungen auf der goldenen Bistritz“ (im Bukowiner Hauskalender 1867); „Die Huldigung der Bukowina am 12. October 1777“ (ebd. 1868); „Die Mark Hotin unter der österreichischen Herrschaft“ (ebd. 1868); „Die Burg Zezin und das Schwert eines Kreuzritters“ (Czernowitzer Zeitung 1890, Nr. 54 u. 56); „Eine Urkunde vom 22. Januar 1507 betreffs der Suczawer Armenier“ (Buk. Rundschau, Nr. 889).
Der litterarische Nachlaß Wickenhauser’s ist ein sehr reicher; er besteht aus Materialien und Vorarbeiten, und zwar nicht allein für die oben als unvollendet bezeichneten Werke, sondern auch für weitere Publicationen. Einen Theil des Nachlasses hat die Wittwe des Verstorbenen dem Unterzeichneten anvertraut. Als erste größere Arbeit daraus hat derselbe die Schrift: „Das Entstehen und die Entwickelung der Lippowaner–Colonien in der Bukowina“ veröffentlicht (Wien 1896). Die Publicirung anderer Arbeiten steht bevor. Außer den angeführten historischen Publicationen besitzen wir von W. auch eine Anzahl recht gelungener Gedichte.
- Franz Adolf Wickenhauser (1809–1891). Gedächtnißblatt zu seinem dritten Todestag gewidmet von R. F. Kaindl. Mit einem Bildnisse Wickenhausers. Czernowitz 1894. – Bukowiner Rundschau (Czernowitz 1891), Nr. 966. – „Im Buchwald“ (ebenda 1891), Nr. 8. – Czernowitzer Ztg. 1891, Nr. 81. – Romänische Revue (Wien 1891), Nr. 6. – Revista noua (Bukarest 1891), Nr. 2 u. 3, mit dem Bildnisse Wickenhauser’s.