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ADB:Wilcke, Ernst Ludwig von

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Artikel „Wilcke, Ernst Ludwig von“ von Carl von Stamford in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 477–479, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilcke,_Ernst_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 22:58 Uhr UTC)
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Wilcke: Ernst Ludwig v. W., kurfürstlich sächsischer und königlich polnischer General der Infanterie. Auf dem Stammgute seiner Familie, Wolkramshausen im Schwarzburgischen unweit Sondershausen, wurde er im J. 1653 geboren. Wie so viele junge Edelleute der damaligen Zeit zog es ihn in den Kriegsdienst und er trat 1672 als Fähndrich in das Heer der Niederlande. Für einen jungen, thatenlustigen Mann waren hier glänzende Aussichten eröffnet, König Ludwig XIV. hatte im Frühjahre die Republik überfallen, sie kämpfte um ihre Existenz. W. nahm an vielen Feldzügen, Schlachten, Gefechten und Belagerungen theil, welche den größeren Theil des Restes des 17. Jahrhunderts ausfüllten, und stieg bis zum Brigadier auf. Beim Ausbruche des spanischen Erbfolgekrieges hatte Landgraf Karl von Hessen-Kassel mit den Generalstaaten ein Bündniß geschlossen, gemäß welchem er ein Truppencorps in ihren Sold stellte. Der niederländische Brigadier trat 1704 aus seinem seitherigen Dienste in den des Landgrafen über, der ihn zum Generalmajor im Fußvolke beförderte. Das hessische Corps marschirte unter dem Erbprinzen Friedrich von den Niederlanden gegen die Donau, wo am 13. August unter Prinz Eugen’s Oberbefehl die hessischen Truppen großen Antheil an dem glänzenden Siege bei Höchstädt hatten. W. unternahm hierbei mit seinen Regimentern den Angriff auf Blindheim mit Auszeichnung, infolgedessen der Landgraf ihm ein Regiment als Inhaber verlieh. Im folgenden Jahre kämpfte der General wieder mit in den Niederlanden, marschirte aber 1706 mit den hessischen Truppen, welche Erbprinz [478] Friedrich befehligte, über die Alpen nach Italien. In der Schlacht bei Castiglione, 9. September, wurde General W. schwer verwundet und verlor zwei Pferde unter dem Leibe. Landgraf Karl wohnte dem verlustreichen Treffen persönlich bei und erkannte das tapfere und tüchtige Verhalten Wilcke’s noch auf dem Schlachtfelde durch die Ernennung zum Generallieutenant an. Seine Verwundungen hielten ihn nicht ab, den Feldzug in Italien in diesem Jahre wie den von 1707 gegen Toulon mitzumachen. Sein ältester Sohn, Heinrich Gottfried, diente im kaiserlichen Heere, war bis zum Hauptmann aufgerückt und folgte 1705 dem Vater in den hessischen Dienst; er zog mit nach Italien und Frankreich. Zu Anfang des Jahres 1708 überstiegen die Hessen noch einmal die Alpen und marschirten an den Rhein, dann in die Niederlande. Die Belagerung von Lille war hier 1708 die erste Kriegshandlung, W. hatte die Laufgräben zu eröffnen. Später führte er den Angriff auf das Hauptravelin, wobei der größte Theil der Sturmcolonne Hessen waren, 2. October, in dem Kampfgetümmel erhielt er einen Flintenschuß in den Nacken; auch von dieser schweren Verwundung wurde der tapfere General hergestellt.

Zur Deckung der Belagerung von Tournay 1709 war W. ein Corps von 16 Bataillonen und 18 Schwadronen mit Geschütz anvertraut, mit dem er seine Aufgabe trefflich löste. Den Feldzug von 1710 machte er noch im hessischen Dienste mit, im J. 1711 verließ er ihn, ohne daß ein bestimmter Grund dafür anzugeben wäre, sein Sohn verblieb in demselben und stieg später darin zum Generallieutenant auf. Der König von Polen, Kurfürst August II. von Sachsen, nahm W. mit dem Range als Generallieutenant in seinen Dienst im Frühjahre 1711.

Als General Graf von der Schulenburg im Mai 1711 den Dienst des Königs-Kurfürsten verließ, übertrug dieser den Oberbefehl seiner bei der Armee der Verbündeten stehenden Truppen, 10 Bataillone und 12 Schwadronen, dem General von W. Obwol die großen Heere sich im Felde gegenüberstanden und Prinz Eugen die Schlacht suchte, vermied doch Marschall Villars den Zusammenstoß mit dem gefürchteten großen Feldherrn, und weder 1711 noch 1712 kam es zu einer Schlacht. Im J. 1712 befanden sich 7 Bataillone und 12 Schwadronen unter W. beim verbündeten Heere, Prinz Eugen hatte eine Stellung eingenommen, in welcher ihm ein Sieg wahrscheinlich gewesen sein würde, wie im ganzen Kriege bis dahin noch nicht, Juni 1712, da hatte Marlborough’s Nachfolger, der Herzog von Ormond, von seinem Cabinet den Befehl erhalten, mit dem englischen Heere an einer Schlacht oder Belagerung nicht sich zu betheiligen. England unterhandelte mit Frankreich über einen Waffenstillstand und verlangte, daß alle in seinem Solde stehenden Truppen jener Weisung folgten, die übrigens von Ormond geheim zu halten war. Damit war die Kriegführung Eugen’s lahm gelegt. Entrüstet über des Bundesgenossen Verfahren, das er alsbald erfuhr, veranlaßte er die Befehlshaber der in Englands Sold stehenden Preußen, Hannoveraner, Hessen, Sachsen und Dänen, an ihre Landesherren sich um Entscheidung in diesem Falle zu wenden. Dem englischen Feldherrn ließ er bittere Vorwürfe über eine „solche Infamie und Negociation“ überbringen. Endlich besprach Eugen, nachdem Leopold von Dessau, der preußische General, baldig das Beharren seines Königs bei dem Bündnisse gemeldet hatte, am 25. Juni 1712 mit den übrigen Generalen die Lage; er stellte ihnen vor, daß sie durch ihr Verbleiben bei der Armee, auch wenn Ormond mit den Engländern abmarschire, nicht nur der gemeinen Sache, sondern auch dem Interesse ihrer Fürsten dienen würden. Sie hatten noch keine Anweisung ihrer Landesherren, allein der Eindruck der Darstellung Eugen’s war so mächtig, daß alle ihre fernere Kampfgenossenschaft zusagten, damit auch unser W. In dieser Stunde [479] bewährte er sich als Mann, der in hochernster Lage eine Entscheidung auf seinen Kopf nimmt, wenn sie gefordert wird. Sein Kurfürst ließ ihn auch an der Spitze der sächsischen Truppen, denen erhebliche Thaten in dem Erbfolgekriege nicht mehr beschieden waren.

Im Sommer 1713 führte W. sein Truppencorps aus den Niederlanden über den Rhein und in die Heimath. Er wurde im J. 1714 zum General der Infanterie befördert und ihm der Befehl über das ganze kursächsische Fußvolk übertragen. Der nordische Krieg war in dieser Zeit durch die Rückkehr Karl’s XII. aus der Türkei neu entflammt worden, die Könige von Dänemark, Preußen und Polen hatten ein Bündniß geschlossen, infolgedessen General von W. 8000 Mann Sachsen nach Pommern führte. Sie vereinigten sich hier mit den preußischen und dänischen Truppen, um den König von Schweden aus Stralsund und Rügen zu vertreiben, die er vertheidigte. Gegen die Insel führte eine Transportflotte 24 Bataillone Fußvolk und einige Reiterei unter dem Oberbefehle des Fürsten Leopold von Dessau, W. befehligte das Fußvolk. Die beiden Generale waren unter den ersten, welche am 16. November 1715 an der Küste von Rügen Fuß faßten, während ihre Truppen gelandet wurden. Sie erkundeten sogleich das Gelände und trafen ihre Maßregeln. König Karl unterschätzte die Stärke der auf Rügen gelandeten Truppen, griff sie mit unzureichenden Kräften ungestüm an, wurde aber zurückgeworfen und dabei verwundet; er vermochte die Insel nicht zu halten, zog sich mit Verlust zurück und die Verbündeten nahmen sie in Besitz. General W. hatte auch in dieser eigenartigen Unternehmung die in langer Kriegführung erlangte Umsicht und die gewohnte Tapferkeit bewiesen. Nach dem Ende dieses Feldzuges führte er sein Truppencorps nach Sachsen zurück.

Dies war das letzte Mal gewesen, daß er den Kriegspfad betreten hatte, fürderhin waren es nur Friedensdienste, die er seinem Fürsten zu widmen hatte. Zu Droitsch im Voigtlande besaß er ein Landgut, auf welchem er die letzten Jahre seines zum größeren Theile von Krieg und Feldzügen erfüllten Lebens in Ruhe verlebte. In diesem friedlichen, schönen Erdenwinkel überraschte der Tod den alten Krieger nach kurzem Kranksein am 29. Juli 1725.