Zum Inhalt springen

ADB:Wippel, Wilhelm Jakob

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wippel, Wilhelm Jakob“ von Friedrich Wienecke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 107–108, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wippel,_Wilhelm_Jakob&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 10:21 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Wintzer, Albert
Nächster>>>
Wittichen, Karl
Band 55 (1910), S. 107–108 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm Jakob Wippel in der Wikipedia
Wilhelm Jakob Wippel in Wikidata
GND-Nummer 117411590
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|55|107|108|Wippel, Wilhelm Jakob|Friedrich Wienecke|ADB:Wippel, Wilhelm Jakob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117411590}}    

Wippel: Wilhelm Jakob W. wurde am 3. September 1760 zu Berlin geboren. Sein Vater war Rector des Gymnasiums zum grauen Kloster; er starb im J. 1765 und hinterließ seine zahlreiche Familie in den drückendsten Verhältnissen. Da die Mutter den Unterhalt der Kinder nicht bestreiten konnte, so nahm die älteste Tochter, die mit dem Rector der lateinischen Schule in Neuruppin, Glörfeld, verheirathet war, den Bruder zu sich. W. besuchte die genannte Schule bis 1769 und dann bis 1782 das Gymnasium zum grauen Kloster. 1782–84 studirte er in Halle Theologie; aber das Studium sagte ihm wenig zu, und schon als Student faßte er den Entschluß, sich dem Lehrfach zu widmen. Am 3. August 1784 berief ihn der Gouverneur von Berlin, General v. Möllendorff, zum Rector der Garnisonschule, um die gänzlich in Verfall gerathene Anstalt zeitgemäß zu reorganisiren. Die Aufgabe hat W. mit der ganzen Energie seines Willens gelöst. Um sich für sein Amt praktisch vorzubereiten, und um Wesen und Werth der Rochow’schen Methode kennen zu lernen, besuchte er im Herbst des Jahres die Musterschule zu Reckahn und die Garnisonschule zu Potsdam. Er entwarf für die Berliner Garnisonschule, um den äußeren Schulbetrieb zu regeln, „Gesetze“, die bis zu ihrer Auflösung 1849 mit wenigen Abweichungen in Geltung geblieben sind und vielen Garnison- und Regimentsschulen als Muster gedient haben. Sie [108] sind im philanthropischen Geiste verfaßt, und die darin enthaltenen disciplinarischen Forderungen über Strafen und Belohnen müssen als mustergültig bezeichnet werden. Der von ihm verfaßte Lehrplan ist eine Originalarbeit, in der mit dem Herkömmlichen gebrochen wurde. Da war eine Stunde „zur Verbesserung des Herzens und zur freundschaftlichen Unterhaltung darüber“, eine Stunde „zur Mittheilung der Lebensgeschichten guter Männer“, eine Stunde „zur Mittheilung der wichtigsten Begebenheiten der Jetztzeit“ angesetzt. Später führte W. den „Handwerksunterricht“ ein, in dem er, abweichend von dem Grundsatz des Erwerbs, der in den Industrieschulen zu sehr in den Vordergrund trat, die Kinder zur Erlernung eines Handwerks tüchtig machen wollte. So eigenartig auch jetzt das, was in den genannten Stunden getrieben wurde, in dem Rahmen einer Volksschule klingen mag: W. wollte den modernen (philanthropischen) Forderungen gerecht werden, aufklärend und sittlich veredelnd wirken und dem Princip der Nützlichkeit Rechnung tragen. Es war ihm ernst mit der Sache, und vom idealen Streben geleitet, führte er, um die Leistungen in den einzelnen Dissciplinen zu erhöhen, den Fachunterricht ein, indem er den einzelnen Lehrern, ihren Befähigungen und Neigungen entsprechend, bestimmte Unterrichtsfächer übertrug. Die Vermuthung, daß ein solcher Unterricht in Spielerei ausgeartet sei, trifft nicht zu; Männer von pädagogischem Ruf spendeten seinen Einrichtungen und den von ihm erzielten Erfolgen ungetheiltes Lob, und noch heute beweisen die zahlreichen Glückwünsche, buntseidene Schärpen mit Goldinschrift, welche Liebe und Verehrung er bei seinen Schülern und Schülerinnen genoß.

Wenig erfreulich war Wippel’s Verhältniß zu seinen Collegen und zu seinen Vorgesetzten, den Garnisonpredigern. Erstere waren im Dienst ergraut und konnten sich mit den getroffenen Neuerungen nicht befreunden, und letzteren war sein selbstbewußtes Auftreten und selbständiges Handeln ein Dorn im Auge. Aber die Beschwerden der Geistlichen waren erfolglos, da ihn der Gouverneur schützte und ihm sein volles Vertrauen schenkte. Auf seine Veranlassung wurde W. 1789 zum Professor der schönen Litteratur und Künste am adligen Cadettencorpos in Berlin ernannt; er behielt aber das Rectorat der Garnisonschule bis 1792 bei. Nach der Reorganisation des Militärbildungswesens 1809 und 1810 übertrug man ihm das Amt eines Archivars an der genannten Anstalt. Am 3. August 1834 feierte W. sein 50jähriges Amtsjubiläum, an dem auch die Garnisonschule theilnahm. Er starb am 2. November 1834.

W. ist auch mehrfach litterarisch thätig gewesen. Er verfaßte eine Fibel und ein Lesebuch zum Gebrauch in Garnisonschulen, die in der Allgemeinen Deutschen Bibliothek günstig beurtheilt und mehrfach in Soldatenschulen eingeführt wurden. Ferner finden sich von ihm in den Berliner Zeitschriften (Berlin. Monatsschrift, Denkwürdigkeiten der Mark Brandenburg u. a.) historische und ethnographische Aufsätze. Für die Geschichte des Berliner Schulwesens sind die von ihm verfaßten Programme für die öffentlichen Prüfungen in der Garnisonschule und die von ihm gesammelten Schulschriften, die im Besitz der königlichen Bibliothek sind; eine schätzbare Quelle.

Die Acten der Berliner Garnisonkirche. – Handschriftlicher Nachlaß Wippel’s im Archiv der Garnisonkirche.– Berliner Schulschriften u. Rede des Rectors Wippel z. Einweihung d. Garnisonschule am 22. Juni 1785.