Zum Inhalt springen

ADB:Wirri, Heinrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Wirri, Heinrich“ von Eduard Hoffmann-Krayer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 385–387, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wirri,_Heinrich&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:50 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Wirri, Ulrich
Band 55 (1910), S. 385–387 (Quelle).
Heinrich Wirri bei Wikisource
Heinrich Wirri in der Wikipedia
Heinrich Wirri in Wikidata
GND-Nummer 124537154
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|55|385|387|Wirri, Heinrich|Eduard Hoffmann-Krayer|ADB:Wirri, Heinrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=124537154}}    

Wirri *): Heinrich W. (auch Wirry, Wir[r]e, Wirrich, Werry), Spruchdichter, wurde geboren im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts zu Aarau in der Schweiz und erlernte daselbst das Weberhandwerk, wie aus dem Solothurner Rathsprotokoll hervorgeht (Bächtold Anm. S. 131), obschon er sich im J. 1552 selbst einen „Schneider gut“ nennt. 1544 wurde er in Solothurn als Bürger aufgenommen, blieb aber nur bis gegen die Mitte der fünfziger Jahre dort, denn in seinem Spruch auf das Lauinger Schießen (1555) gibt er sich bereits als „wonhafft zu Zürich“ an. Von da an führt W. ein unstetes Wanderleben. Namentlich ziehen ihn die damals so beliebten und mit großem Kostenaufwand inscenirten Schützenfeste Südwestdeutschlands, Oesterreichs und der Schweiz an, auf denen er als „Pritschenmeister“, d. h. als Festordner, Spaßmacher und Festpoet functionirte und offenbar auch ein stets gern gesehener Gast war. Daneben besuchte und besang er pomphafte Hochzeits- und Hoffeste oder betheiligte sich bei dramatischen Aufführungen. So finden wir ihn 1555 an dem Schießen von Lauingen (bair. Schwaben), Schwaz (Tirol) und Passau, 1556 beschreibt er eine Hochzeit in Wädenswil am Zürichsee, 1558 tritt er als Schauspieler in Köln auf, wohin er gute Zeugnisse, namentlich für Rollen aus der Passionsgeschichte, mitgebracht hatte, 1562 in Freiburg (Schweiz) mit einer Empfehlung aus Solothurn und im März 1563 in Schaffhausen, wo ihm gestattet wird, „sin Spil zehalten, doch soll er nit mehr dann 1 Pfennig von einer Person nemmen“ (Harder). Noch im selben Jahr schildert er „als öbrister Britschen meyster in Schweytz“ die Krönung Maximilian’s II. zum König von Ungarn. Im Januar 1568 muß er dem Schießen zu Wien, das er „in Reimen gestelt“, beigewohnt haben, und schon wieder einen Monat später treffen wir ihn bei der Hochzeit des Pfalzgrafen Wilhelm bei Rhein mit Renata von Lothringen. In den beiden letzten Sprüchen schreibt er sich „Bürger auff der Zell bey Waidthofen an der Ips (heute Ybbs, in N.-Oesterreich), und in dem Hochzeitscarmen gar „teütscher Poet und Obrister Prütschenmeister inn Osterrich“. 1570 ist er am Reichstag zu Speyer, 1571 an der Hochzeit des Erzherzogs Karl zu Oesterreich mit Maria, Herzogin zu Baiern, die er auch wieder „in Teutsche Carmina“ gestelt“, und auf die sich eine Notiz in den Znaimer Stadtrechnungsbüchern vom 8. März 1572 bezieht, welche folgenden Posten bucht: „Umb verehrte Abcontrafactur des Turniers Platz vnd andere Geschichten, so bei gehaltener Hochzeit des Ertzhertzogen Kharls beschehen Ihr. M(ajestä)t. Pritschenmaister entgegenverehrt 1 Fl.“. Viel aufgesteckt hat also der Sänger bei seinen Carmina nicht, und so darf er denn am Schlusse seines Wiener Schützenspruches mit Recht von sich sagen „Hainrich Wirre, das Edle Blut | das wenig gewint und viel verthut“. Er wird auch wohl bei dem unstäten und kaum sehr mäßigen Leben kein hohes Alter erreicht haben. Nach 1572 vernehmen wir nichts mehr von ihm; er ist also vielleicht um diese Zeit in seiner zweiten Heimath Oesterreich gestorben.

[386] Eine hohe Bedeutung als Spruchdichter kommt W. gewiß nicht zu, doch sind seine Verse nicht ungeschickt und lassen sogar, wenn es der spröde Stoff gestattet, einen gewissen wackeren Humor durchblicken. Seine Prosa erhebt sich nicht über die übliche Norm der sensationellen Jahrmarktslitteratur seiner Zeit. Das einzige Nicht-Gelegenheitsgedicht behandelt einen biblischen Stoff. Wir haben den bisher unbekannt gebliebenen Druck an den Schluß des nun folgenden Verzeichnisses von Wirri’s Werken gestellt.

Werke: 1. „Ein wunderbarliche warhafftige seltzame geschicht, von einem Pfaffen vnd seiner Kellerin, wie sie jm der Teufel angesicht [!] seiner augen hinweg fürt. Ordenlich beschriben in reimens weiß, vnd zu einer warnung allen frommen Mägdten oder töchteren“, o. O. u. J. [c. 1550]; unterz.: H. W. V. S. (Heinrich Wirri von Solothurn); Stadtbibl. Zürich (Weller, Ann. I, 227). 2. „Ein wunderbarliche seltzame geschicht, so geschehen ist in dem Appenzeller land, dardurch ein großer Rechtshandel entstanden, vnd ist die vrthel noch nit außgesprochen …“, o. O. u. J. [c. 1550); unterz.: H. W.; Stadtbibl. Zürich (Weller, Ann. I, 228). 3. „Ein hüpsch Neüw Lied, Wie der Künig von Franckreich inn das Teütschland mit höres macht ist gezogen. Im thon wie Dieterich von Bern“, o. O. u. J. [1552]; Bürgerbibl. Luzern (Weller, Ann. I, 59). 4. „Ein schön new lied von der stat Metz, wie sie ist betrogen worden von dem könig auß Frankreich“, unterz.: Heinrich Wirre, o. O. u. J. [1552]; Frankf. Bibl., handschriftl. in Bern, Mülinen’sche Liederhandschr. S. 148 (Liliencron, Hist. Volkslieder IV [1869], 583 ff.). 5. „Ein wunderbarliche erschrockenliche geschicht, so geschehen ist in … Rychenwyler von einem Burger, der sich selbs, vnnd sein weib auch kind, inn Mutterleib ermördt hat … In truck gegeben durch Heinrich Wirri burger von Soloturn im 1.5.5.3.“, Stadtbibl. Zürich (Anz. f. Knde. d. dtsch. Vorz., N. F. 7, 398). 6. „Ein wunderbarlich … geschicht so geschehen ist … by einer statt heist Willisow …, von dryen gesellen die mit einandren gespilt habend, da der Tüfel den einen … genomen … In truckt[!] gegeben durch Heinrich Wirri Burger zu Soloturn im 1553. Getruckt zu Straßburg by Augustin Frieß“, Prosa; Stadtbibl. Zürich (Anz. f. Knd. d. dtsch. Vorz., N. F. 7, 398, wo noch weitere Ausgaben). 7. „Ordenliche beschreybung des ordenlichen Stahel schießens, das da gehalten ist worden durch die Fürstlich Stadt Lauging, in Reimen gestellt durch Heinrich Wirry, bürtig von Araw, wonhafft zu Zürich. Anno M.D.lv [1555]“, o. O. u. J. [Zürich 1555]; Bürgerbibl. Luzern u. A. (Weller, Ann. I, 319). 8. „Ordenliche beschreibung des großen püchsen schießens, durch die Schmeltzherrn vnnd Gwerckhen, des Edlen Berckwerchs zu Schwatz, im Monat Augusti, des M.D.Lv [1555]. Jars gehalten worden. Gedicht durch Heinrich Wirry von Zürich, geweßner Pritschenmaister zu Schwatz auff dem Schießen“, o. O. u. J. [Zürich 1555]; in Zürich (Weller, Ann. I, 319). 9. „Gründliche berichtung des großen schießens zu Passaw, das da gehalten ist worden im Jar 1555. in Reimen gestellt durch Heinrich Wirry, bürtig von Araw, wonhafft zu Zürich“, o. O. u. J. [Zürich 1555]; Stadtbibl. Zürich (Anz. f. Knd. d. dtsch. Vorz., N. F. 7, 439). 10. „Ein erschrockenlich grausam vnerhört mordt, so geschehen ist zu Obernehen … in dem Elsas … Alda hat ein Burger Adam Stägmann genant, drei seiner … Kinden, mit einem beimesser … erstochen … Getruckt zu Straßburg bey Augustin Frieß, 1556“, Prosa, Stadtbibl. Zürich (Anz. f. Kde. d. dtsch. Vorz., N. F. 7, 439). 11. „Ein schöner Spruch von der verrümbten Hochzeit zu Wädischwil, einstheils zwüschent Jkr [Junker] Jacoben von Chaam … anderstheils zwüschent Jungfraw Verena Wirzin … Durch Heinrich Wirri, einen Spillmann von Arau. Dies [387] Hochzeit ward ghalten Anno 1556 den 2. Augusti“; Zürich, Stadtbibliothek (Wick’sche Sammlung 28, 175); (Titel nach Zschokke S. 24.) 12, „Warhafftige Beschreibung von der Kron in Hungarn; wann vnd wo … Maximilian … dieselbig empfangen hat … in vers weiß gestelt durch Heinrich Wire, öbristen Britschen meyster in Schweytz. Wienn, bei Michael Zimmermann. 1563“; in Pest (Serapeum 25, 296, wo zwei weitere Drucke). 13. „Von dem Kayserlichen Schießen, das gehalten ist worden bei Wienn … auff Mittwoch nach der Heyligen drey Künig tag, im 1568. jar, in Reimen gestellt durch Hainrich Wirre Pritschenmaister vnd Bürger auf der Zell bey Waydthofen an der Ips. Gedruckt zu Wienn … Durch Hans Widtman … 1568“; Hofbibl. Wien u. A. (Serapeum 25, 297). 14. „Ordenliche Beschreybung der … Hochzeyt … durch Wilhelm Pfalzgraf beim Rheyn … mit dem … Frawlein Renatta, geborne Herzogin aus Luttringen, den 21 tag February, des 1568. Jars … in teütsche Carmina gestellt, durch Hainrichen Wirre, teütscher Poet, und Obrister Prütschenmeister inn Osterrich, vnd Burger auff der Zell, in der Herrschaft Gleyß an der Yps gelegen … Getruckt in … Augspurg, durch Philip Vlhart. Anno M.D.LXVIII“, [1568]; Germ. Mus. Nürnberg (Meusel’s Magazin II, 231 ff.). 15. „Audientz Des Großmechtigsten … Römischen Keysers Maximilian des Andern … zu Speyr auff dem Reychstag … Im Jar 1570.“ Am Schluß: „Das er mög bleiben lang gesund Wünscht Heinrich Wirrich von hertzen grund. Gedruckt zu Straßburg, durch Bernhardt Jobin Formschneider Anno M.D.Lxxı“ [1571); Germ. Mus. in Nürnberg (Wendeler in Schnorr’s Archiv 7, 363). 16. „Ordenliche Beschreibung des … Beylags oder Hochzeit … gehalten … durch … Herrn Carolen, Ertzherzog zu Osterreich … mit … Fräwlein Maria, geborne Hertzogin zu Bayrn, den XXVI. Augusti … in Teutsche Carmina gestelt … Durch Heinrichen Wirrich, Obrister Pritschenmeister in Osterreich, Burger auff der Zell, in der Herrschafft Gleyß, an der Yps gelegen. Gedruckt zu Wienn … durch Blasium Eberum. Anno MDLXXI“ [1571]; Hofbibl. Wien (Serapeum 25, 298). 17. „Ein Geystlich schön new gemacht Lied von erschaffung der Welt, Vnd wie Adam vnd Eva von der schlangen betrogen waren … Im thon | Da dz glöcklein neune schlüg …“ Am Schluß: „Der vns diß lied hat neuw gemacht Der hats gedichtet bei der Nacht Man thût jhn weit erkennen Dann er ist Heinrich Wirre genannt Also thût man jhn nennen“, o. O. u. J. (Univ.-Bibl. Basel).

Historisch-Litterarisch-Bibliographisches Magazin, hrsg. von Joh. Georg Meusel. II. Stück, Zürich 1790, S. 231 ff. – (H. W. Harder,) Chronik der Stadt Schaffhausen. Schaffh. 1844, IV. Buch, S. 232. – E. Weller, Heinrich Wirry, ein Solothurner Dichter; in: Anzgr. f. Kunde d. deutschen Vorzeit, N. F. 7 (1860), 397. 439. – E. Weller, Annalen der Poetischen National-Literatur der Deutschen im XVI. und XVII. Jahrh., I und II. Freiburg i. Br. 1862. 1864. – Serapeum, herausg. von R. Naumann. 25. Jahrg. Leipzig 1864, S. 296 ff. – R. v. Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrh. Leipzig 1865–1869, Bd. IV, 583 ff. – C. Wendeler, Zu Fischarts Bildergedichten; in: Archiv für Litteraturgeschichte hrsg. von Fr. Schnorr v. Carolsfeld VII (1878), 361 ff. – J. Baechtold, Geschichte der Deutschen Literatur in der Schweiz. Frauenfeld 1892. – Ernst Zschokke, Ueber den Aarauer Poeten Heinrich Wirri. Aarau 1895 (31 S.).

[385] *) Zu S. 108.