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ADB:Wirth, Georg August

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Artikel „Wirth, Johann Georg August“ von Max Mendheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 531–533, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wirth,_Georg_August&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 11:01 Uhr UTC)
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Wirth: Johann Georg August W., Politiker und Schriftsteller, wurde am 20. November 1798 als zweiter Sohn des Reichspoststallmeisters W. zu Hof in Baiern geboren. Schon am 3. December 1803 starb der Vater; doch sorgte die Mutter, eine Tochter des Pfarrers Gelbricht in Theuma im Voigtlande, mit größter Gewissenhaftigkeit für eine gute Ausbildung der hinterlassenen vier Kinder. Seit seinem vierten Jahre besuchte der Knabe die Bürgerschule und vom achten an das Gymnasium seiner Vaterstadt, dann, als dieses 1811 aufgehoben wurde, nacheinander die zu Baireuth, zu Plauen und zu Nürnberg, dessen Vorstand damals Hegel war. Im Herbst 1816 bezog W. sodann die Universität Erlangen, um hier die Rechte zu studiren, und trat nach vollendetem Studium 1819 bei dem fürstlich Schönburgischen Patrimonialgericht Schwarzenbach a. d. Saale als Praktikant ein. Nachdem er noch an einigen anderen Aemtern prakticirt hatte, ging W. 1820 nach Hof zurück, vertiefte sich wieder in das Quellenstudium des römischen Rechts und promovirte in Halle. 1821 vermählte er sich mit einer Schwester seines früheren Gerichtsvorstandes, des Amtmanns Werner in Schwarzenbach, zog nach Breslau, um sich hier zu habilitiren, verließ aber die Stadt bald wieder und lebte nun bis 1823 allein von seinen schriftstellerischen Arbeiten, wandte sich dann aber wieder der Praxis zu und wurde Mitarbeiter des Sachwalters Keim in Baireuth. Je mehr er aber bei seiner Thätigkeit als Anwalt des Volkes in die Grundsätze der Verwaltung und den Geist der Rechtspflege eindrang, desto mehr sah er sich auch in seinen Erwartungen getäuscht; denn nach seiner Ansicht vom Staate sollten die obersten Leiter derselben nur nach der Wohlfahrt des ganzen Volkes streben; statt dessen trat ihm aber überall vornehmlich „ein System der Fiscalität“ entgegen, das zu unendlichen Klagen der Rechtsuchenden führte. Da er meinte, er brauche nur die Regierung auf diese Zustände hinzuweisen, um dem Elend abzuhelfen, so [532] schilderte er in einer Schrift „Beiträge zur Revision der bürgerlichen Proceßgesetzgebung“ (1826) die Lage der Dinge in ihrem wahren Lichte. Die Ergebnißlosigkeit, ja Verhöhnung seiner edlen Absicht, setzte die erste Bitterkeit in ihm an und führte ihn dazu, sich näher mit der Geschichte und den Gesetzen des Bildungsganges des Volkes vertraut zu machen. Die Beschäftigung mit diesen Dingen und das Vertiefen in die sich immer weiter verbreitenden liberalen Ideen, drängten W. Ende des Jahres 1830 zum Aufgeben seiner Stellung bei Keim und zu dem Entschlusse, sich gänzlich dem Dienste der Volkssache zu widmen. Er gründete selbst eine Zeitschrift zur Verbreitung seiner freiheitlichen Gedanken, den „Kosmopolit“, der vom 1. Januar 1831 an wöchentlich zweimal in Baireuth erschien, es aber nur „auf sieben Abonnenten und auf sieben Nummern“ brachte; das letztere, weil W. sich der Verordnung vom 28. Januar 1831 nicht fügen wollte, wonach Zeitschriften auch in Ansehung der innern Staatsangelegenheiten der Censur unterworfen wurden.

Ende Februar zog W. nun nach München, um sich hier womöglich eine öffentliche Wirksamkeit zu verschaffen. Nach vergeblichen Bemühungen wieder selbst ein Blatt zu gründen, erhielt er von Cotta den Auftrag, die oberste Leitung der Zeitschrift „Das Inland“ zu übernehmen. Anfangs gemäßigt liberal, gerieth er bald in heftigste Opposition zur Regierung, deren halbofficielles Organ „Das Inland“ war, und wurde in mehrfache Zwistigkeiten mit der Censur verwickelt, so daß die Zeitschrift nach kurzem ihr Erscheinen einstellen mußte. Noch kräftiger aber trat W. in der „Deutschen Tribüne“ auf, die er seit 1. Juli 1831 in München herausgab, sowie in der Zeitschrift „Das liberale Deutschland“, die vom August bis December ebenda unter seiner Leitung erschien. Er wurde daher neuerdings von der Censur beschränkt und siedelte deshalb Anfang 1832 mit der „Deutschen Tribüne“ nach Homburg (Pfalz) über, wo das Blatt jedoch bereits im März desselben Jahres vom Bundestage verboten wurde, weil darin mit großem Nachdruck Nationaleinheit gefordert und zur Förderung der nationalen Sache Gründung eines vaterländischen Vereins für den Schutz der freien Erörterung durch die Presse gegenüber den Gewaltthätigkeiten der Regierungen empfohlen worden war. Es wurde auch ein Proceß gegen W. als Verfasser und Verbreiter dieses Aufsatzes angestrengt und ein Verhaftsbefehl wider ihn erlassen, nach vier Wochen aber die Haft wieder aufgehoben und vom Appellationsgericht zu Zweibrücken die Grundlosigkeit des Verfahrens anerkannt. Als dann die Ideen dieses Vereins von den Freunden der Sache in einer großen Volksversammlung zu Hambach weiter verbreitet werden sollten, nahm auch W. an dem „Nationalfest der Deutschen“ daselbst theil; er hielt eine von begeisterter Freiheits- und Vaterlandsliebe durchdrungene Rede, in der er auch die Zerfahrenhett der Opposition kritisirte und aus Zweckmäßigkeitsgründen vor einem Bunde mit den herrschenden Parteien Frankreichs warnte, deren Hülfe nur um den Preis des linken Rheinufers zu erlangen sein würde, aber unter solchen Umständen zu verwerfen sei, weil daraus nur ein neuer Zustand wie zu Zeiten des Rheinbundes und eine weitere Zerstückelung Deutschlands hervorgehen würde (vgl. hierüber seine Schrift „Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach“ [Neustadt a. H. 1832]). Infolge dieses Auftretens wurde W. im Juni 1832 verhaftet und nach Zweibrücken gebracht, 1833 von dem Schwurgerichte zu Landau von der Anklage auf Hochverrath zwar freigesprochen, aber vom Zuchtpolizeigericht wegen Beleidigung in- und ausländischer Behörden im November zu zweijähriger Haft verurtheilt und im April 1834 in das Gefängniß zu Kaiserslautern gebracht, von wo er im December 1835 nach Passau in mildere Haft kam. Später erlaubte man ihm, unter polizeilicher Aufsicht in Hof zu leben. Am 30. December 1836 floh W. von hier, zuerst nach Weißenburg, dann nach Nancy; 1838 siedelte er nach Straßburg über und gab mit mehreren Freunden die Zeitschrift für Wissenschaft und [533] Kunst „Braga“ (in Heidelberg erscheinend) heraus. Im Herbst 1839 übernahm er die Redaction der von Vanotti in Constanz gegründeten Zeitschrift „Der Leuchtthurm“, die nun den Namen „Die deutsche Volkshalle“ erhielt, aber Ostern 1841 wieder einging. Als Thiers mit den Führern der Demokraten wegen einer Verbündung für den Fall eines Krieges Frankreichs gegen die Mächte unterhandeln wollte, forderte W. von Thiers einen Revers, daß Frankreich bei einer solchen Erhebung auf jeden Anspruch auf deutsches Territorium verzichte. Darauf wollte Thiers nicht eingehen; nun machte W. auf Frankreichs Absichten aufmerksam und begann eine heftige Opposition gegen den „National“ und den „Niederrheinischen Kurier“. Nachdem W. infolge eines Processes alle seine Habseligkeiten verloren hatte (1844), war er wie umgewandelt, wie auch seine „Geschichte der Deutschen“ (4 Bde. Stuttgart 1842–45; 2. Aufl. 1846–47) zeigt, in der sein früherer radicaler Standpunkt wenig hervortritt; immerhin ist das Werk ein sehr nützliches und brauchbares; es bietet nicht nur einfache Erzählung, sondern wirkliche Belehrung durch klare Schilderung der Zustände wie der Entwicklung des Neuen aus dem Vorhergehenden. Der Kauf eines Bauerngutes brachte ihm in den folgenden Jahren vielfache Sorge und materielle Noth, bis das Gut endlich gerichtlich verkauft wurde und W. 1847 völlig mittellos nach Deutschland zurückkehrte. Er ließ sich in Karlsruhe nieder und begann hier die Herausgabe des „Deutschen Nationalblattes“ in constitutionell-monarchischer Richtung, sowie eine Fortsetzung seiner deutschen Geschichte unter dem Titel „Die Geschichte der deutschen Staaten von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage“ (Karlsruhe 1847 fg.), die nach Wirth’s Tode Wilhelm Zimmermann weiterführte. Damals schlug er einen Vergleich zwischen Fürsten und Volk vor (Kaiser nebst Staaten- und Volkshaus), was ihm viele Anfeindungen zuzog. 1848 aber wurde er plötzlich wieder ganz der alte. Bei den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung bemühte er sich um ein Mandat und wurde für Reuß-Schleiz-Lobenstein zum Abgeordneten gewählt, starb aber bereits am 26. Juli 1848 in Frankfurt.

Von Schriften Wirth’s sind noch anzuführen: „Handbuch der Strafrechts-Wissenschaft und Strafgesetzgebung“ (Breslau 1823), „Die politische Reform Deutschlands“ (Straßb. 1832), „Die Rechte des deutschen Volkes. Eine Vertheidigungsrede vor den Assisen zu Landau“ (ebd. 1838), „Die politisch-reformatorische Richtung der Deutschen im 16. und 19. Jahrh.“ (Bellevue i. Thurgau 1841), ein Werk, das er selbst als den Inbegriff aller seiner bisher gedruckten Schriften bezeichnet. Es enthält eine kritische Betrachtung des Staats- und Verfassungsrechts der Deutschen in seiner Entwicklung, sowie besonders eine Vergleichung der staatsrechtlichen, socialen und politischen Zustände, die zu der reformatorischen Bewegung im 16. und 19. Jahrhundert hindrängten. Als hauptsächlichste Ursache dieser unerquicklichen Zustände sieht W. in beiden Zeitaltern die Vernichtung der Reichsgewalt oder der Nationaleinheit an, deren Wiederherstellung das erste Hauptwerk jener Bewegungen sein sollte; er fordert deshalb auch einmüthiges Zusammenstehen des Volkes zum Kampfe gegen dessen Bedrücker und gegen die Anmaßungen Frankreichs dem zerstückelten Deutschland gegenüber. – 1844 veröffentlichte W. sodann „Denkwürdigkeiten aus meinem Leben“ (bis zu seiner Uebersiedelung nach München im J. 1831 reichend), und nach seinem Tode erschien 1849 noch „Ein Wort an die deutsche Nation. Mit Randglossen von (seinem Sohne) M. Wirth“.

Nach einem mir von Herrn Director Max Wirth gütigst zur Verfügung gestellten Manuscript desselben. – Vgl. auch Neuer Nekrolog der Deutschen (für 1849).