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ADB:Wolleben, Heinrich (Schweizer Kriegsmann)

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Artikel „Wolleben, Heini“ von Wilhelm Oechsli in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 142–146, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolleben,_Heinrich_(Schweizer_Kriegsmann)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:06 Uhr UTC)
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Wolleben: Heini W., schweizerischer Kriegsheld, gefallen in der Schlacht bei Frastenz am 20. April 1499. Im Urserenthale am Fuß des Gotthard, das sich in milder Abhängigkeit von Uri durch Rath und Ammann selbst regierte, blühte im 15. Jahrhundert die Familie der Wolleb oder, wie sie in den Urkunden und Acten der Zeit meist genannt wird, Wolleben. Dieselbe gehörte zu den angesehensten des Thales und stellte nicht selten das Haupt der Gemeinde. 1455 wird ein Heini W. zum ersten Mal genannt, der 1467 bei einem Rechtsstreit zwischen Uri und Urseren schon als Altammann erscheint. Dieser Ammann Heinrich W. trieb Handel mit Pferden nach der Lombardei und gerieth mit [143] Mailand in einen langwierigen Streit, in dem ihm und anderen schweizerischen Roßtäuschern zu Varese 1470 oder 1471 ihre Thiere widerrechtlich weggenommen wurden, ohne daß sie bei den Behörden des Herzogthums Schutz gefunden hätten. Die Fruchtlosigkeit der wiederholten Rechtsbegehren des Ammanns W. und der Reclamationen der Tagsatzung in seiner Sache war eine der Ursachen des sogen. Irniser Krieges von 1478, in den die Urner die Eidgenossen wider Willen hineinrissen. Nach dem Siege der Schweizer bei Giornico mußten die Herzöge von Mailand einen Frieden eingehen, der sie unter anderem verpflichtete, den schweizerischen Händlern und sonstigen Privatpersonen, die an sie oder ihre Angehörigen Ansprüche hätten, promptes Recht zu gewähren, und eine Folge dieser Bestimmung war, daß Mailand 1480 die Entschädigungsforderungen der zu Varese beraubten Roßtäuscher endlich anerkannte.

Der Ammann Heinrich W., der 1491 als todt erwähnt wird, hatte zwei Söhne, Peter und Heini, auf welche die Zähigkeit, mit der er sein Recht verfolgt hatte, in gesteigertem Maaße überging, so daß die beiden W., namentlich der jüngere Heini, ein schweizerisches Seitenstück zu Kohlhaas bilden. Auch sie trieben Handel nach Italien und erlitten auf ihren Reisen um 1490 trotz ertheilten sicheren Geleites der savoyischen Regierung in Piemont einen gewaltsamen Ueberfall seitens einiger Florentiner, wobei ihnen merklicher Schaden an Leib und Gut zugefügt wurde. Bei den piemontesischen Behörden scheinen sie, trotzdem sich die Tagsatzung für sie verwendete, nicht viel Trost gefunden zu haben, indem jene wohl die Unmöglichkeit vorschützten, der Uebelthäter habhaft zu werden. Deshalb gab die eidgen. Tagsatzung im Juni 1491 den beiden W. ein Empfehlungsschreiben an die Regentin von Savoyen, die Herzogin Blanka, mit, sie möchte ihnen zu gebührendem Schadenersatz verhelfen, bezw. ihnen gestatten, durch Niederwerfen von Florentinern Selbsthülfe zu üben. Wirklich begannen die W., wie sie nachher zu beweisen sich anerboten, mit Erlaubniß des Generalstatthalters der Herzogin, des Grafen Philipp v. Bresse, in Gesellschaft eines savoyischen Edelmannes, der ihnen sein Schloß zum Schlupfwinkel lieh, auf die im Savoyischen reisenden Florentiner Kaufleute Jagd zu machen. Die herzogliche Regierung scheint jedoch rasch andern Sinnes geworden zu sein; da das Treiben der W. im Widerspruch mit den von ihr den Kaufleuten erteilten Geleitszusagen stand, ließ sie die ganze Gesellschaft aufheben und ihr wegen Straßenraubes den Proceß machen. Der adlige Gefährte der W. wurde gegen ein Lösegeld entlassen, aber einer ihrer Gesellen gehängt, und ihnen drohte ein Gleiches, als eine von Bern und Freiburg unterstützte Botschaft der vier Waldstätte ihre Freilassung erzwang. Die W. sannen für die ihnen widerfahrene Unbill auf Rache und planten in der Faschingszeit 1492 einen Freischarenzug gegen das damals noch zu Savoyen gehörige Waadtland, ein Gedanke, der bei der kriegslustigen Jugend der Länder großen Anklang fand und verwirklicht worden wäre, wenn nicht Bern die Ausführung hintertrieben hätte. Durch Berns Vermittlung ließ sich die Herzogin Blanka herbei, ihren Span mit den W. durch einen Schiedsspruch der Tagsatzung austragen zu lassen (8. April 1492). Savoyen mußte die beiden Brüder und ihre Genossen mit 5000 rh. Gl. entschädigen und ihrem adligen Helfershelfer das Lösegeld erlassen. Dabei wurde den W. ihre Ansprache gegen die Florentiner vorbehalten, „daß sie sich derer mögen behelfen, wie bisher“, d. h. die Tagsatzung ertheilte ihnen die förmliche Erlaubniß, die Florentiner zu befehden, wo sie solche fänden. Das Brüderpaar aus Urseren machte davon den ausgiebigsten Gebrauch. Die ehemaligen Kaufleute verwandelten sich in rastlose Wegelagerer und betrieben die Jagd auf reisende Florentiner oder florentinische Waarenballen in oder in der Nähe der Schweiz mit solchem Eifer, daß die Eidgenossen anfingen, bedenklich zu werden, zumal [144] dieser Privatkrieg sie verhinderte, den italienischen Kaufleuten nach altem Herkommen sicheres Geleite zuzusagen, und den Transit von ihren Straßen abzulenken drohte. Im Frühling 1493 überfiel Heini W. einen Florentiner auf österreichischem Boden bei Feldkirch und brachte seinen Raub in das Gebiet des Abtes von St. Gallen in Sicherheit, der dem Geschädigten in aller Form dreimal Rechtstag, Frieden und Geleite verkündete, aber, als niemand erschien, Heini mit seiner Beute ziehen ließ. Infolge dessen machten nun die Florentiner vor Kaiser und Papst Processe gegen den Fürstabt wegen Begünstigung von Straßenraub anhängig, die sich bis 1498 hinzogen. Diese Unannehmlichkeiten ihres Bundesgenossen bewogen die Eidgenossen, 1494 den W. das eidliche Versprechen abzunehmen, daß sie künftig kein Kaufmannsgut, es sei florentinisches oder anderes, mehr innerhalb oder außerhalb der Eidgenossenschaft anfallen würden.

Ueber dieser Lebensweise hatten die beiden Brüder den Sinn für friedlichen Erwerb eingebüßt und befriedigten nun ihren kriegerischen Hang in der Reisläuferei. Im Einverständniß mit ihrer urnerischen Landesobrigkeit betrieben sie für den Herzog Ludwig von Orleans, als dieser im Sommer 1495 das Herzogthum Mailand erobern wollte, Werbungen und führten ihm trotz der Verbote der Tagsatzung zahlreiches Kriegsvolk zu. Heini W. war oberster Hauptmann der Schweizersöldner, mit denen Ludwig von Orleans am 13. Juni 1495 Novara einnahm, und machte die Belagerung dieser Stadt durch die Truppen der heiligen Liga mit. 1497 trat er, vermuthlich wegen Soldstreitigkeiten mit Frankreich entzweit, in die Dienste des Herzogs Ludovico Moro von Mailand über und suchte sich für diesen durch einen Handstreich des Schlosses Misox zu bemächtigen, das dem Trivulzio, dem hervorragendsten Parteigänger Frankreichs im Mailändischen, angehörte. Als das Unternehmen fehlschlug, kehrte Heini W. in die Heimath zurück und versuchte im August oder September 1497 zur Abwechslung seine alte Florentinerfehde wieder aufzunehmen, gerieth aber dadurch mit den eidgenössischen Regierungen in Conflict. Nur durch einstweilige Entfernung aus der Schweiz – vermuthlich trat er wieder in fremde Dienste, ohne daß wir sagen könnten, wo – entging er einem Proceß, den die Tagsatzung gegen ihn sowol wegen der Verletzung seines eidlichen Versprechens als wegen gewisser von ihm gegen den Luzerner Schultheißen Seiler ausgestoßener Injurien anzustrengen beschloß.

Mit dem Beginn des Schwabenkrieges taucht Heini W. wieder in der Heimath auf. Er befand sich als Hauptmann der Mannschaft von Urseren bei dem Contingent, das Uri, zuerst von allen Eidgenossen, auf Hülferufe von Dissentis her Ende Januar 1499 in Bewegung setzte, um den von den Kaiserlichen angegriffenen Graubündnern zu Hülfe zu kommen. Kaum in Cur angelangt, empfingen die Urner die Kunde von dem zwischen den Bünden und den kaiserlichen Feldhauptleuten vereinbarten Glurnser Frieden (2. Febr.) und traten deshalb durch das Sarganserland den Heimmarsch an. Allein die Innsbrucker Regierung verweigerte dem Glurnser Vertrag die Ratificirung, sie wies ihr Kriegsvolk im Etschland und Vorarlberg an, nicht abzuziehen, und der reizbare Heini W. that ihr den Gefallen, ihr den erwünschten Vorwand zur Wiedereröffnung der Feindseligkeiten an die Hand zu geben. Als er am 6. Februar als Anführer der „Freiheit“, d. h. der Abtheilung, die den Sicherheitsdienst zu besorgen hatte, am Rhein abwärts zog, ließ er sich durch die unfläthigen Neckereien der Landsknechte des Schlosses Gutenberg auf dem andern Ufer zum Ueberschreiten des Rheins verlocken und steckte zu Klein-Mels am Fuß des Schlosses ein Haus und eine Scheune in Brand. Diese eigenmächtige That Wolleben’s gab das Signal zum Ausbruch des Schwabenkrieges. Am andern Tag überrumpelten die Oesterreicher und Schwäbischen die Luziensteig und [145] Maienfeld, die Urner stellten ihren Heimmarsch ein, und W. half mit einer kleinen Abtheilung den Bündnern am 11. Februar die Luziensteig wieder erobern und das Dorf Balzers am Nordfuß derselben einnehmen. Hierauf eilte er über den Rhein in das Lager zu Atzmoos, wo sich die eidgenössischen Hülfsvölker sammelten, und führte noch in der Nacht 1000 Mann zur Unterstützung der Bündner über den Fluß, mit denen er am andern Tag im Gefecht bei Trisen in wirksamer Weise eingriff. Nachdem er sich an der Einnahme von Vaduz und wol auch an der Schlacht bei Fußach und Hard, in der sein Vetter Hans Wolleben fiel, betheiligt, unterstützte er mit Erlaubniß der Eidgenossen, begleitet von einer Schar von 20 Freiwilligen, die Graubündner im Kleinkrieg, bis ein größeres Unternehmen den kühnen Haudegen wieder in den Schoß seiner engeren Landsleute rief.

Anfangs April 1499 sammelte sich, veranlaßt durch einen Einfall, den die Kaiserlichen in der Charwoche ins Rheinthal gemacht hatten, ein ansehnliches eidgenössisches Heer bei Atzmoos und Werdenberg, das aber in Verlegenheit war, wie es dem Feinde beikommen sollte. Die Kaiserlichen lagerten bei Frastenz hinter einer gewaltigen Letzi (Verschanzung), die sich von der Illklamm bei Feldkirch bis an den „Lanzengast“, den jetzigen Tisnerberg, hinauf zog und den Walgau in eine Festung verwandelte, aus der sie nach Belieben vorbrechen konnten. Um den Feind aus seiner Höhle hervorzulocken, verlegten die Schweizer ihr Lager auf feindliches Erdreich nach Vaduz und Schan und ließen durch die Bündner das Schloß Gutenberg belagern, in der Erwartung, die Kaiserlichen würden einen Versuch machen, dasselbe zu entsetzen. Als aber diese ruhig in ihrem Schlupfwinkel blieben, entschlossen sich die Schweizer nach einer Woche, sie dort aufzusuchen. Die Seele des Unternehmens war Heini W., der die feindliche Stellung persönlich auskundschaftete und sich anheischig machte, sie zu nehmen. Am 20. April brach das eidgenössische Heer vor Tag von Vaduz und Schan auf. Ein Frontalangriff auf die mit Basteien, Bollwerken und Geschütz wohl versehene feindliche Verschanzung erschien als zu gewagt; man beschloß daher auf Wolleben’s Rath, dieselbe auf der südlichen Flanke am Abhang des Tisnerberges zu umgehen. Zu diesem Zweck mußte aber vorerst die Höhe des Lanzengast, die von 300 Büchsenschützen und etwas weiter unten von einer Kerntruppe von 1500 Schwazer Erzknappen, dem sogen. „stählernen Haufen“, besetzt war, gesäubert werden. In aller Stille klomm W. mit 2000 Mann, die das Banner seiner Heimath Urseren begleitete, die Felsen hinan, zuletzt unter den Kugeln der feindlichen Handschützen, und nöthigte die 300 auf der Höhe, sich auf die stählerne Schar zurückzuziehen. Dann sprengte er diese in viertelstündigem Kampfe aus einander und jagte sie dem eidgenössischen Gewalthaufen, der inzwischen die Letze am Abhang des Tisnerberges überhöht hatte, in die Spieße. Vereinigt drangen nun Wolleben’s Colonne und der Gewalthaufen über die Verhaue im Walde in das Gelände hinter der umgangenen Letzi vor. Hier wartete ihrer aber erst die eigentliche Schlacht. Die rechte Flanke an die Verschanzung, die linke an das Dorf Frastenz gelehnt, die Ill im Rücken, stand die Masse des kaiserlichen Heeres unerschüttert in voller Schlachtordnung. 600 Büchsenschützen auf dem einen Flügel gaben sammt der Artillerie auf die anrückenden Eidgenossen ihr Feuer ab, das aber diesen, da sie sich zur Erde duckten, keinen Schaden that. Schon wollten sie sich erheben, da rief Hauptmann W.: „Nichts da, es ist noch nicht Zeit!“ Im gleichen Augenblick krachte eine zweite Salve vom andern Flügel her. Jetzt gab W. das Zeichen zum Angriff und die Eidgenossen eilten an den Feind. Aber dieser leistete tapfern Widerstand. Zwei Stunden lang kreuzten die beiden Schlachtreihen ihre Spieße und rangen mit [146] Aufbietung aller Kräfte um den Sieg. Schließlich traten W. und ein zweiter Schweizer aus der Ordnung hervor und drückten mit quer gegen einander gehaltenen Speeren den Königlichen die Spieße im ersten Glied nieder, so daß sie dieselben weder aufheben noch brauchen konnten. Heini W. bezahlte seine muthige That alsbald mit dem Leben, von einem Büchsenschützen durch den Hals geschossen und von Spießen durchbohrt, sank er zu Boden, aber die Phalanx der Kaiserlichen wurde durchbrochen und zum Weichen gebracht. Gegen 3000 wurden erschlagen oder in die Ill gejagt, wo sie ertranken und am Rechen von Feldkirch ein schauerliches Leichenfloß bildeten.

Die meisten gleichzeitigen schweizerischen Quellen berichten einfach, daß Heini W. in der Schlacht erschossen worden sei, ohne der näheren Umstände seines Todes zu gedenken. Anshelm, der den gewöhnlichen Schilderungen zu Grunde liegt, verlegt den tödtlichen Schuß in den Anfang der Schlacht, indem er W., während er aufrecht stehend die Schlacht leitete, von der zweiten Salve der kaiserlichen Schützen getroffen werden und die Eidgenossen sterbend zum Angriff ermuntern läßt. Allein dies ist ohne Zweifel bloße Combination Anshelm’s. Die Darstellung Pirckheimer’s, der früher der allein bekannte Gewährsmann für die Winkelriedthat Wolleben’s war, hat in einer der bestunterrichteten Quellen, den noch während des Krieges zu Cur niedergeschriebenen „Acta des Tyrolerkriegs“ ihre Bestätigung gefunden.

Müller, Heini Wolleb (Urner Neujahrsblatt auf 1898). – Wilhelm Meyer, Die Schlacht bei Frastenz (Archiv für schweiz. Geschichte, Bd. XIV). – Eidgenössische Abschiede, Bd. II und III, 1. – Geschichtsfreund der V Orte, Bd. 43. – Schreiben der Luzerner Hauptleute (bei Glutz-Blotzheim), Gesch. der Eidgenossen, S. 522. – Acten im Staatsarchiv Zürich. – Kind, Correspondenzen aus dem Schwabenkrieg (Rätia II). – Acta des Tyrolerkriegs (Rätia IV). – Lenz, Reimchronik über den Schwabenkrieg. – Ludwig Feers Luzerner Chronik (Geschichtsfreund Bd. II). – Chronik des Felix Brennwald (irrthümlich als Fortsetzung der Chronik Tschudi’s publicirt in Balthasar’s Helvetia, Bd. 4). – Diebald Schillings (des Luzerners) Schweizer Chronik. – Pirckheimer, bellum Suitense. – Die Berner Chronik des Valerius Anshelm, Bd. I u. II.