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ADB:Wolrad I.

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Artikel „Wolrad I., Graf von Waldeck“ von Wilhelm Christian Lange in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 163–166, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolrad_I.&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 06:46 Uhr UTC)
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Wolrad I. (Walram, Walrabe, Walrawe, Walraffe), Graf von Waldeck. Graf Heinrich (VI.) aus dem Hause Waldeck, welches im 13. Jahrhundert aus dem angesehenen Stamme der Grafen von Schwalenberg hervorging –, wegen seiner vielen Fehden und Kriegszüge der Eiserne genannt, hinterließ bei seinem im J. 1397 erfolgten Tode zwei Söhne, welche nun die Stammväter zweier Linien wurden. Während Adolf (III.) die ältere Landauische Linie begründete, welche mit Otto IV. im J. 1495 wieder ausstarb, wurde der zweite Sohn Graf Heinrich (VII.) der Stifter der neueren Waldeckischen Linie. Er vermählte sich bald nach dem 27. August 1398, an welchem Tage zu Eltvil die Eheverschreibung stattfand, mit Margarete, der Tochter des Grafen Walram († 1393) von Nassau aus der älteren Wiesbadener Linie. Aus dieser Ehe entsprossen, soweit bekannt, drei Kinder: Wolrad I., welcher der Stammvater der Fürsten von Waldeck geworden ist, Elisabeth und Margarete.

Einer im Mittelalter weitverbreiteten Sitte zu Folge, legte man einem Sohne den Namen seines Großvaters mütterlicher Seite bei und so kam denn der Name Wolrad aus dem nassauischen Hause, in welchem er schon lange gebräuchlich war, in die waldecksche Familie. Noch zu Lebzeiten seines Vaters nahm W. an verschiedenen, für das Land sehr wichtigen Regierungshandlungen Theil. So verschrieb er mit seinem Vater im J. 1424 die Hälfte der ihnen gehörigen Grafschaft dem Landgrafen Ludwig von Hessen für 22 000 rheinische Goldgulden wiederlöslich, mit dem Zusatze, daß die Lösung, solange der Landgraf lebe, nicht stattfinden dürfe; ferner, daß im Falle des Aussterbens der Grafen von Waldeck die Grafschaft solange bei Hessen bleiben solle, bis von den Erben 200 000 Goldgulden gezahlt sind. Im Falle des Aussterbens der Leibes-Lehnserben des Landgrafen, solle die Hälfte der Grafschaft frei an die Grafen zurückfallen. [164] Trotz dieser Abmachungen begannen die Waldecker ein doppeltes Spiel. Schon hatte der Landgraf die Huldigung der Burgmannen, Vasallen, Bürger und Bauern entgegengenommen, als eine geheime Zusammenkunft der Gräfin Margarete und ihres Sohnes Wolrad mit den Erzbischöfen Konrad von Mainz und Dietrich von Köln der Angelegenheit eine andere Wendung gab. Die Grafen Heinrich und Wolrad widerriefen einseitig ihren Vertrag mit Hessen, beriefen sich auf ein jetzt plötzlich zum Vorschein kommendes, schon früher dem Erzbischof Konrad gegebenes Versprechen, versetzten ihm die Hälfte ihrer Grafschaft für 18 000 Gulden, öffneten ihm und dem Kölner ihre Schlösser und sprachen beide um Vermittelung bei dem Landgrafen an. Der Erzbischof von Mainz machte hierauf dem Landgrafen das Anerbieten, ihm die Pfandsumme wiederzuerstatten, was jedoch abgelehnt wurde. Bald danach kam es –, es waren noch eine Menge anderer Gründe dabei im Spiele, insbesondere die Verhältnisse im Hochstift Fulda, – zu offenem Kampfe zwischen Hessen und Mainz, in welchem die Waldecker ihre neuen Freunde Mainz und Köln unterstützten. Nach mehreren empfindlichen Niederlagen, welche die Mainzer bei Groß-Englis (Fritzlar) und bei Fulda erlitten hatten (1427), kam es zu einem für die Besiegten höchst nachtheiligen Frieden, in welchen auch Waldeck aufgenommen wurde. Der Landgraf gab jedoch die Pfandschaft gegen Erstattung der Pfandsumme auf. Einige Jahre nach diesen Ereignissen wurde Graf Wolrad (19. Mai 1434) durch Erzbischof Konrad zum obersten Amtmann und Landvogt bestellt über die in Hessen gelegenen mainzischen Besitzungen: Die Städte und Schlösser Amöneburg, Battenberg, Neustadt, Rosenthal, Hausen, Fritzlar, Jesberg, Hofgeismar, Schonenberg, Naumburg, Elnhoch (Melnau), Wetter, Wildungen und Rhoden; für das Amt erhielt Wolrad einen Jahrgehalt von 800 rhein. Goldgulden. Ihm folgte jedoch schon im J. 1438 in dieser Stellung sein Schwager, der Gemahl seiner Schwester Elisabeth, Graf Johann II. von Ziegenhain, der dies Amt im folgenden Jahre wieder an Landgraf Ludwig von Hessen abgab. Aus den Kämpfen des Jahres 1427 mochten übrigens die Grafen von Waldeck die Lehre gezogen haben, daß Mainz nicht mehr die Macht war, auf welche sich kleinere Herren in diesen kriegerischen Zeiten zuverlässig stützen konnten und so entschloß sich denn schon im J. 1431 Graf Otto der Landauischen Linie, sein Gebiet dem Landgrafen Ludwig von Hessen zu Lehen aufzutragen. Diesem Beispiel folgten im J. 1438 (21. Oct.) auch Graf Heinrich und sein Sohn Wolrad mit ihrem Theil der Grafschaft. Die freie Herrschaft Waldeck, damals noch keine Reichsgrafschaft, mit der Anwartschaft ihres Anfalls, sobald der gräfliche Mannesstamm ausstürbe, ward ein hessisches Lehen und der Landgraf übernahm, außer der lehnsherrlichen Vertheidigung, die erbliche Pflicht, die den verheiratheten Gräfinnen zustehenden Rechte auf Leibgedinge zu wahren und im Falle des Heimfalls jede der noch unausgesteuerten Töchter mit 4000 Gulden auszustatten. Am nämlichen Tage wurde noch der Lehnbrief ausgestellt, doch huldigten Mannschaft und Städte der Grafschaft dem Landgrafen Ludwig erst 1441. Zur Regierung kam Graf Wolrad im J. 1442, ob vor oder nach seines Vaters Tode († 1444?) ist noch nicht nachgewiesen. Im J. 1452 löste er das an Mainz verpfändete Rhoden, Schloß und Stadt, von Johann Spiegel zum Desenberg, an welchen es von Mainz verafterpfändet war, mit Bewilligung des Erzbischofs Dietrich für 1100 Gulden wieder an sich und versprach in dem Revers, daß er die Pfandschaft gegen Erlegung dieser Summe jeder Zeit an Mainz zurückgeben wolle. In den folgenden Jahren herrschten in Waldeck, besonders nach der kölnischen Grenze hin, wieder höchst traurige Verhältnisse, die eine Fehde löste die andere ab, und das Uebel wurde zuletzt so arg, daß endlich im J. 1460 Graf Wolrad zu Adorf (in Waldeck nahe Marsberg) mit dem Erzbischof von [165] Köln zusammentraf und ein Landfriedensbündniß schloß, welches einen Monat vor Beginn erneuter Feindseligkeit von beiden Seiten gekündigt werden konnte; dasselbe hatte natürlich das Schicksal aller derartigen Verträge, in kurzer Zeit vergessen zu werden. Im gleichen Jahre belehnte der Graf auch einen Henrich von Immighausen auf dessen Lebenszeit mit dem Dorf Meineringhausen. In Hessen war mit dem Tode des Landgrafen Ludwig des Friedfertigen († 1458) Zwietracht zwischen dessen Söhnen Ludwig II. und Heinrich III. wegen der Landestheilung entstanden und dauerte der Hader bis zum Jahre 1469. Diese Zeit hatte sich Bischof Simon von Paderborn zu Nutzen gemacht. Er fiel in Niederhessen ein (1464) und richtete dort großen Schaden an; der Landgraf vergalt Gleiches mit Gleichem, und erst im Herbst 1466 kamen hessische und paderbornische Bevollmächtigte zu Corbach zusammen, um eine Sühne herbeizuführen. Der Landgraf bat seinen „lieben Ohemen Walrauen Grauen zcu Waldecken“, auch alsdann zu Corbach zu sein, zu helfen und zu rathen, daß die Gebrechen zwischen Paderborn und Hessen vereinet würden. Die Verhandlungen blieben, wie es scheint, einstweilen fruchtlos, die Feindseligkeiten begannen von neuem und erst 1469 fand zu Corbach die wirkliche Aussöhnung statt. Zur selben Zeit hatte W. einen üblen Handel mit dem Kaiser, in den er in seiner Eigenschaft als Stuhlherr des Freistuhls zu Sachsenhausen in Waldeck verwickelt wurde. Das dortige Freigericht hatte nämlich in einer Rechtssache gegen die Stadt Straßburg entschieden, diese aber durch das kaiserliche Kammergericht den Rechtsspruch für unbündig und kraftlos erklären lassen; Graf W. wurde darauf mit den Freigrafen von Kaiser Friedrich in die Acht und Oberacht erklärt, doch nahmen sich jetzt die Freigrafen von Volkmarsen, Warburg und Wünnenberg des Grafen von Waldeck an und forderten im J. 1470 den Kaiser auf, den Ausspruch des Kammergerichts außer Kraft zu setzen und Straßburg anzuhalten, daß es dem oben erwähnten Urtheilsspruch Folge leiste, anderenfalls mit sammt seinem Kanzler und den Beisitzern des Kammergerichts zum 27. April 1471 vor ihnen zu erscheinen. Näheres über diese Angelegenheit ist nicht bekannt, doch mag die Acht den Grafen im Ganzen nicht sehr beschwert habe. Von Regierungshandlungen, welche in die nächsten Jahre fallen, sind einige Belehnungen bekannt: 1471 belehnte er die Brüder Johann und Craft von Grafschaft für eine Schuld von 1100 rhein. Gulden mit dem Schloß und Dorf Obern-Ense, 1472 seinen Rath und Marschall Curd von Viermünden mit dem freien Stuhl zu Fürstenberg und 1473 die Brüder Johann und Reinhard von Dalwig mit Schloß und Amt Lichtenfels, welches deren Nachkommen noch jetzt besitzen und wonach sich dieselben heute noch nennen. Die letztgenannten Belehnungen nahm Graf W. mit seinem Sohn Philipp I. vor; derselbe war auch gegenwärtig, als sein Vater mit dem Grafen Otto und dem Magistrat der Stadt Sachsenhausen ein dort von Johann Röttger (Rynck) gestiftetes Hospital bestätigte und befreite (1472). Die letzten Lebensjahre des Grafen W. standen wieder im Zeichen des Kampfes. In dem Kriege, welchen Erzbischof Ruprecht von Köln, unterstützt von Karl dem Kühnen von Burgund, gegen den von den Städten Köln, Bonn, Neuß etc. aufgestellten Bisthumsverweser Hermann, gebornen Landgrafen von Hessen führte, focht Heinrich III. von Oberhessen auf Seite Hermann’s. Nachdem ein von Heinrich ausgeschickter Haufen von den Kölnischen in der Nähe der Stadt Brilon bei der Burg Scharfenberg eine schwere Niederlage erlitten hatte (Nov. 1473), verband sich Landgraf Heinrich III. am 14. März 1474 mit Graf W. und dessen Sohn Philipp wider das Erzstift Köln und die Stadt Brilon. Im nämlichen Jahre fiel man noch ins Kölnische ein, demüthigte Brilon und zerstörte die Burg Scharfenberg bis auf den Grund. Zur selben Zeit lag auch Graf Otto zu Landau mit Bischof Simon von Paderborn in Fehde, in deren Verlauf die [166] Paderbörner bei Lichtenau von Otto geschlagen wurden. Zu Beginn des folgenden Jahres fielen jedoch die Besiegten in Waldeck ein und belagerten die Stadt Mengeringhausen; während Otto seine Leute sammelte und zum Entsatz heranrückte, war jedoch schon Graf W. erschienen, er begab sich zum Bischof in das Lager und es gelang ihm, den Streit beizulegen (1. Febr. 1475). Er starb wahrscheinlich noch im gleichen Jahre.

W. hatte sich im J. 1440 mit Barbara, der Tochter des Grafen Michael I. von Wertheim vermählt; der Sitte der Zeit folgend, traten Beide in eine der zahlreichen frommen Brüderschaften, die Kalandsbruderschaft zu Corbach. Ihre Kinder waren: Philipp I., geboren 1445, Philipp II., geboren 1453, und Elisabeth. Graf W. hatte vor seinem Ableben die Bestimmung getroffen, daß sein Sohn Philipp I. allein ihm in der Regierung folgen und es ebenso stets in seinem Hause gehalten werden sollte. Diese Verordnung konnte übrigens für einen Erstgeburtsvertrag schon darum nicht gelten, weil sie von dem Reichsoberhaupt nicht bestätigt worden war, und sie theilte denn auch das Schicksal aller derartigen Einrichtungen in damaliger Zeit, daß sie nicht über die Personen hinausdauerte, für die sie zunächst bestimmt war. Philipp I. folgte zwar seinem Vater, doch starb er noch im J. 1475 und sein jüngerer Bruder Philipp II. kam zur Regierung; er wurde der Stifter der älteren Eisenbergischen Linie. Elisabeth wurde mit Albrecht II. von Braunschweig-Grubenhagen vermählt und das Beilager zu Eimbeck am 15. October 1471 gehalten.

Ad. Th. L. Varnhagen, Grundlage der Waldeckischen Landes- und Regentengeschichte. Bd. II. Arolsen 1853. – Chr. Rommel, Geschichte von Hessen. II. Theil. Kassel 1823. – Ad. Th. L. Varnhagen, Sammlungen zu der Waldeckischen Geschichte. I. Theil. Mengeringhausen 1780. – L. Curtze und Fr. v. Rheins, Geschichte der Kirche St. Kilian zu Corbach. Arolsen 1843.