ADB:Wratislaw II.

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Artikel „Wratislaus II.“ von Berthold Bretholz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 232–234, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wratislaw_II.&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:31 Uhr UTC)
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Wratislaus II. ist der zweitgeborene Sohn H. Břetislaus I. von Böhmen und dessen Gemahlin Judith von Schweinfurt (s. A. D. B. III, 317). Sein älterer Bruder Spitihnev wurde im J. 1031 geboren und folgte seinem Vater († 1055) in der herzoglichen Würde in Böhmen. W. fiel noch zu Lebzeiten seines Vaters die Verwaltung der Osthälfte Mährens zu, in die der Westhälfte theilten sich zunächst die beiden jüngeren Brüder Konrad und Otto; ein fünfter Sohn Břetislaus’, Jaromir, war für den geistlichen Stand bestimmt. Diese Ordnung wurde aber nach Břetislaus’ Tode durch Spitihnev gewaltsam gestört. Mit der Abtrennung Mährens von Böhmen nicht einverstanden, rückte er in dieses Land ein, nahm die, „welche er als die Besten und Edelsten aus allen Städten kannte“ gefangen, beraubte sie ihrer Rosse und Waffen zu Gunsten seiner Gefolgschaft und vertheilte sie in verschiedene Städte Böhmens. W. flüchtete damals zu K. Andreas von Ungarn; die beiden anderen mährischen Fürsten nahm Spitihnev mit sich an seinen Hof. Das traurigste Schicksal aber traf Wratislaus’ Gemahlin, die in die Hände ihres Schwagers fiel und die er wol aus Rache, daß ihm ihr Gatte entkommen war, der rohen Gewalt eines böhmischen Burggrafen preisgab; später freigelassen starb sie auf der Reise zu ihrem Gemahl an den Folgen einer Frühgeburt, – „die schönste der Frauen“. W., der bei K. Andreas die freundlichste Aufnahme gefunden hatte, vermählte sich nun mit dessen Tochter Adleyta und diese innige Verbindung seines Bruders mit dem mächtigen ungarischen Hofe veranlaßte Spitihnev den gespannten Bogen wieder nachzulassen, W. zurückzurufen und ihm seinen väterlichen Besitz von [233] neuem einzuräumen, in dem er in den folgenden Jahren unangefochten lebte. Aus seiner Ehe mit Adleyta († 1062) entsprangen Judith und Ludmilla, Břetislaus und der jung verstorbene Wratislaus. Nach Spitihnev’s frühem Tode († 1061) wurde W. Herzog von Böhmen und überließ Mähren seinen beiden jüngeren Brüdern Konrad und Otto. Seine Regierung begann er mit einer besonders für Mähren in politischer, religiöser und wirthschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollen That: der Gründung des Olmützer Bisthums im J. 1063. Allerdings bildete sie zunächst die Ursache ernster Differenzen mit seinem Bruder Jaromir, der nach manchen Schwierigkeiten im J. 1068, wie es des Vaters Wunsch gewesen, den Prager Bischofsstuhl unter dem Namen Gebhard bestieg und die angebliche Verkürzung des Prager Bisthums bei der Entschädigung für die Abtrennung Mährens zum Anlaß nahm, um eine Wiedervereinigung beider Bisthümer zu erreichen. Gewaltthaten, die er sich in diesem Kampfe gegen den greisen ersten Olmützer Bischof Johannes und andere Personen zu Schulden kommen ließ, brachten die Angelegenheit bis vor den päpstlichen Stuhl, Gebhard wurde mehrmals excommunicirt, dann wieder eingesetzt, es entspann sich ein jahrelanger curialer Proceß, der erst auf der berühmten Fastensynode des Jahres 1075 durch das Urtheil Papst Gregor’s VII. zu einem vorläufigen Abschluß gebracht wurde. An dem Bestande des selbständigen mährischen Bisthums wurde damals nicht gerüttelt. Erst nach dem Tode Bischof Johannes’ († 1085) gelangte Gebhard in dessen Besitz und zwar durch eine Gunstbezeugung K. Heinrich’s IV., dessen Kanzler Gebhard von 1077–1084 war, zu der aber auch Herzog W. seine Zustimmung gab. Doch in kürzester Zeit erhob sich neuer Unfriede zwischen den Brüdern, 1088 ernannte W. in seinem Kanzler Wezlo einen neuen selbständigen Olmützer Bischof und bevor noch Gebhard dazu kam gegen diese Verfügung beim Papste Klage zu führen, starb er auf der Reise dahin in Ungarn am 26. Juni 1089. – Diese inneren Wirren waren für W. umso beunruhigender, als ihm auch ernste Verwicklungen nach außen hin nicht erspart blieben und andererseits seine Regierung in eine der bewegtesten Epochen der allgemeinen und deutschen Geschichte, in die Zeit der Kämpfe zwischen König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. fällt, in denen auch der Böhmenherzog eine sehr entschiedene Parteistellung einnahm. In erster Hinsicht war es besonders das polnische Herzogthum unter Boleslaus II. dem Kühnen, mit dem die Feindseligkeiten kein Ende nahmen. Gleich in den ersten Jahren der Regierung Wratislaus’ (1061 und 1062) kam es zu einem Kriege, der sich auf schlesischem Boden vor der Burg Grätz bei Troppau abspielte; doch muß bald eine Aussöhnung erfolgt sein, da W. nach dem Tode seiner zweiten Gemahlin im J. 1068 Boleslaus’ Schwester Swatawa heirathete, von welcher er vier Söhne erhielt: Boleslaus, Bořivoi, Wladislaus und Sobĕslaus. Allein auch dieses Verwandtschaftsverhältniß hinderte den Polenherzog nicht, das Nachbarland immer wieder mit Kriegs- und Raubzügen zu überfallen, so insbesondere zwischen den Jahren 1070 und 1073, bis König Heinrich’s IV. ernste Einsprache den Böhmenherzog von dieser Gefahr befreite. Der Kaiser mußte sich hiezu umso leichter entschließen, als W. einer seiner treuesten, ausdauerndsten und mächtigsten Bundesgenossen war. Von dem ungarischen Feldzug im Sommer 1074 angefangen fehlt W. mit seinen Kriegern fast bei keiner bedeutenderen Unternehmung K. Heinrich’s IV.; die böhmischen Hülfstruppen waren damals nicht nur wegen ihrer Kühnheit, sondern auch zufolge ihrer Wildheit und Raubsucht in ganz Deutschland gefürchtet. Zum Danke für diese Bundesgenossenschaft und häufige Geldunterstützungen suchte Heinrich den Böhmenherzog durch bedeutende Landschenkungen zu entschädigen: er erhielt 1075 und 1076 die thüringisch-sächsische Mark zugewiesen; nur konnte er sich weder diesmal noch später in [234] ihrem Besitz erhalten, ebenso wenig wie es ihm gelang, sich der Mark Oesterreich zu bemächtigen, deren Eroberung und Erwerbung ihm Heinrich übertragen hatte, als Markgraf Leopold im J. 1081 von ihm abgefallen war. Ein weiteres Zeichen kaiserlicher Gunst bewies ihm Heinrich IV., indem er ihm auf einer Reichssyode in Mainz, im Frühjahre 1086 die Königskrone von Böhmen und Polen verlieh. Am 15. Juni d. J. vollzog der Erzbischof Egilbert von Trier in Prag die Salbung und Krönung Wratislaus’ und seiner Gemahlin Swatawa unter seltenen Festlichkeiten und dem lauten Zuruf der begeisterten Menge: „Langes Leben, Heil und Sieg Wratislaus, dem König von Böhmen und Polen, dem Hochherzigen, Friedfertigen, dem von Gott Gekrönten!“ Daß er sich damals großer Beliebtheit erfreute, beweist eine Bemerkung in einem Schreiben Erzbischof Wezilo’s von Mainz an Papst Clemens anläßlich Wratislaus’ Erhebung zum König, welche lautet: „Darin stimmen alle überein, daß er, wenn man ihm höhere Ehre und Gunst hätte ertheilen können, auch dieser vollauf würdig gewesen wäre“. – Die letzten Jahre seines Lebens verdüstern abermals arge Zwistigkeiten mit seiner Familie, dem ältesten Sohne und Nachfolger Břetislaus, dem Bruder Konrad von Brünn und den Neffen Svatopluk und Otto, Söhnen des Olmützer Fürsten Otto, der im J. 1087 gestorben war. Indem W. diese ihres väterlichen Erbes zu Gunsten seines eigenen Zweitgeborenen Boleslaus beraubte, verwickelte er sich in einen Krieg mit Konrad, der sich der beiden Waisen annahm. Der König lagerte bereits vor der Stadt Brünn, als zwischen seinem Sohne Břetislaus und einem hohen Beamten und königlichen Günstling ein heftiger Streit entstand, der mit der Ermordung des letzteren, Namens Zderad, endete. In dieser Lage gelang es nun der Klugheit der Gemahlin des Fürsten Konrad, Hilburg, einen gefährlichen Kampf Konrad’s und Břetislaus’ gegen W. zu hintertreiben, ja sogar eine offene Versöhnung zwischen den Brüdern und eine scheinbare zwischen Vater und Sohn herbeizuführen. Aber das Mißtrauen zwischen den Letzteren währte fort, um so mehr als W. sich entschloß, Konrad die Nachfolge zu übertragen. Břetislaus verließ darauf mit einem sehr starken Anhang die Heimath und wartete am ungarischen Hofe den Tod seines Vaters ab, der infolge eines Jagdunfalls am 14. Januar 1092 eintrat. Wratislaus’ hervorstechendster Zug ist seine Charakterfestigkeit, die sich sowol in seiner inneren als äußeren Regierungsthätigkeit kundgibt, und sie erklärt es, daß der Chronist Cosmas trotz einer gewissen Abneigung gegen diesen Fürsten von ihm rühmen mußte, daß nicht nur die hervorragenden Männer des Landes ihm ergeben waren, sondern auch das Volk mit großer Liebe an ihm hing. Unter ihm haben die beiden Länder Böhmen und Mähren in politischer Hinsicht einen Aufschwung genommen. Wratislaus’ Name war in Deutschland allgemein bekannt. Eine Anzahl kirchlicher Stiftungen verdankt ihm ihre Entstehung. – Sein Nachfolger im Herzogthum war sein Bruder Konrad, der aber noch im selben Jahre 1092 starb, worauf Wratislaus’ Sohn Břetislaus den Herzogsthron von Böhmen bestieg.

Cosmas, – Palacký, Gesch. von Böhmen. – Dudík, Mährens allgem. Geschichte. – Bretholz, Geschichte Mährens.