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ADB:Zachariae, Karl Heinrich

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Artikel „Zachariae, Karl Heinrich“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 641–646, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zachariae,_Karl_Heinrich&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 11:41 Uhr UTC)
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Zachariae: Karl Heinrich Z., geboren am 2. October 1698 zu Baudach bei Krossen, † zu Parchim am 16. October 1782, Hauptbegründer des Pietismus in Mecklenburg, und seine ersten Mitarbeiter. Als ein Sohn des Pastors Mag. Heinrich Z. besuchte er nach der ersten Vorbereitung im Pfarrhause das Gymnasium zu Guben, dem Herkunftsorte seines Vaters. Seine akademische Ausbildung erhielt er zu Jena, wohin er sich im Sommer 1719 begab. Bei den ernstlich betriebenen grammatischen Studien war Christian Stock sein Lehrer. Den wichtigsten und entscheidenden Einfluß auf sein kirchliches und wissenschaftliches Denken und Wirken hatte aber das Hauptlicht des damaligen theologischen Lehrkörpers der Universität Franz Buddeus. Um das Jahr 1724 lebt er als Candidat des Lehramts in Weimar, 1726 wird er von Dietr. Wilh. v. Witzleben, dem Gatten der Henrica Sib. v. Einsiedel, zu einer Patronatsstelle nach Tauhardt und Kahlwinkel bei Eckartsberge berufen und tritt, am 11. Nov. 1726 zu Leipzig geweiht, im nächsten Jahre das Amt an. Seine Predigt fand empfängliche Hörer. Nach drei Jahren aber berief ihn Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wern., einer der wärmsten Vertreter des Spenerschen und Hallischen Pietismus, der bei der Hofgemeinde bereits allgemein Eingang gefunden hatte, zum Diakonus bei der Oberpfarrkirche der Stadt, damit er ein lebendiges evangelisches [642] Christenthum auch hier erwecke. Der überaus reiche Erfolg, den seine Wirksamkeit hier hatte, tritt in ein um so helleres Licht, als die Gemeinde wegen Nichtberücksichtigung ihres und des städtischen Patronatsrechts bei dieser Bestellung anfangs etwas gegen ihn eingenommen sein mußte. Groß war nun aber das Bedauern des Grafen, als Z. sich auf das unablässige Auffordern der Fürstin Augusta, der jüngsten der neun Töchter Herzog Gustav Adolf’s von Mecklenburg-Güstrow hin, endlich nach längerem Kampfe veranlaßt fand, das Amt eines Hofpredigers in dem fürstlichen Witthum Dargun anzunehmen, welchen Dienst er im November 1735 antrat. So erfolgreich Zachariae’s Wirksamkeit in seinen beiden ersten Stellungen gewesen war, eine viel größere, allerdinges auch schwerere Aufgabe stand ihm nun bevor. In dem ihr zugefallenen Amte Dargun, in welchem sie seit dem Jahre 1720 zu walten begann, nahm sich die Fürstin als dessen persönlich überzeugte eifrige Vertreterin des Pietismus mit größter Entschiedenheit an. Gleich ihrer Schwester Christine, der Stammmutter des Hauses Stolberg-Wernigerode (s. A. D. B. IV, 219–221) machte sie sich anfangs auch die schwärmerischen Ideen von der Wiederbringung der Dinge und dem tausendjährigen Reiche zu eigen und wurde darin von weltlichen und geistlichen Räthen bestärkt. Sie legte auf diese Dinge aber keineswegs einen besonderen Nachdruck, sah sich vielmehr für sich selbst und die ihr Anbefohlenen nach Predigern und Seelsorgern um, die, auf festem evangelischen Bekenntnißgrunde stehend ein lebendiges Buße und Glauben erweckendes Christenthum trieben. Und da sie im Jahre 1733 den sie besuchenden Grafen Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode, ihren Neffen, um geeignete Persönlichkeiten für zwei von ihr zu besetzende Pfarrstellen bat, entsprach dieser dem Wunsche der Tante, und noch im Frühjahr d. J. gingen die beiden Geistlichen an ihren Bestimmungsort. Es war zuerst Jakob Schmidt, geboren am 17. Juni 1701 zu Wasserleben in der Grafschaft Wernigerode. Er hatte in Wittenberg studirt und war zur Zeit seiner Berufung nach Mecklenburg Katechet und seit 1731 Verweser der unbesetzten Stelle seines verstorbenen Vaters an seinem Geburtsorte, gut vorgebildet, maßvoll, besonnen und aufrichtig gläubig. Am 7. Juni wurde er zum Pastor in Levin berufen. Der zweite war Schmidt’s Schwager Henning Christoph Ehrenpfort. Im Jahre 1705, wie es heißt im Hildesheimischen, geboren, aber offenbar verwandt mit der Stolberg’schen Pastorenfamilie dieses Namens, zählte er bei seiner Uebersiedelung ins Mecklenburg’sche erst 28 Jahre und war eine so stattliche Erscheinung, daß Graf Christian Ernst ihn kaum vor den Werbern König Friedrich Wilhelm’s I. von Preußen zu retten wußte. Gerade durch diesen Umstand fühlte sich der Graf bewogen, den geschätzten Mann, einen entschiedenen Anhänger des Hallischen Pietismus, der eine Zeit lang als Hauslehrer in Peine wirkte, zu der Stellung in Mecklenburg zu befördern. E., wol vorgebildet, des Wortes und der Feder mächtig, war eine jugendlich feurige Natur, nicht ohne dichterische Gabe und Sänger verschiedener Lieder, dabei aber etwas hitzig. Er wurde zunächst Pfarradjunct zu Groß-Methling, bald darnach aber als Pastor nach Rökenitz versetzt. Gerade durch seine erweckliche Predigt und Bibelerklärung wurde mit mehreren andern die Fürstin Augusta aufs stärkste angezogen und innerlich umgewandelt. In den Dargun’schen Kreis fanden sich die beiden Wernigeröde’schen Sendlinge, zu denen sich nach etwa einem Jahre als Erstling unter den eingeborenen Geistlichen der Mecklenburger August Hövel herzufand, ziemlich schnell hinein, nahmen freilich auch etwas von den hier vorgefundenen Nebenmeinungen an. Dagegen trat auch in kurzer Zeit, stetig zunehmend, ein feindlicher Gegensatz der mecklenburgischen Geistlichkeit gegen diese ‚Fremdlinge‘ zu Tage, und es verletzte ihre Eitelkeit, daß sie eine bessere Frömmigkeit treiben sollten, als es bisher zu Lande geschehen. Die von jenen [643] nachdrücklich betonte Buße, Erneuerung, Wiedergeburt, Bußkampf wurden gehaßte Stichworte, die eingeführten Erbauungsstunden und erwecklichen Privatversammlungen fanden starken Widerspruch. Im Volke bildeten sich Sagen vom Erweckungspulver und allerlei Hexereien dieser ‚Quäker‘. Der bisherige Hofprediger Stieber, der sich erst in die Lage gefügt hatte, trat immer feindseliger den von der Fürstin Berufenen und dieser selbst so unbotmäßig gegenüber, daß sie sich veranlaßt sah, ihn im Juni 1735 zu entlassen. Bei solcher Lage der Dinge war eine Persönlichkeit von nöthen, die mit demselben lebendigen und erwecklichen Christenthum eine höhere geistige Veranlagung und die Gabe der Kirchenleitung vereinigte. Als den rechten Mann hierzu ersah sie nun den Wernigeröde’schen Diakonus Z., der ihr sowol nach den Mittheilungen Schmidt’s und Ehrenpfort’s als auch denen ihre Schwester Christine und ihres Neffen Christian Ernst bekannt sein mußte. Er folgte also endlich dem an ihn ergangenen Rufe und trat im November 1735 sein Hofpredigeramt an, womit nach der Weise seiner Gesinnungsgenossen Bibelstunden und Privaterbauungen verknüpft waren. Es zeigte sich bald, daß die Fürstin in Z. nicht nur den gewünschten Prediger und Seelsorger, sondern auch den geeigneten Leiter und Mittelpunkt für ihren Kirchenbezirk gefunden hatte. Als Schmidt im Januar 1736 von der theologischen Facultät des Landes wegen angeblicher Irrthümer geprüft werden sollte, ging Z. mit nach Rostock. Man fand bei Schmidt nicht nur keine falsche Lehre, der gemeinsame Aufenthalt von ihm und Z. lenkte auch die Aufmerksamkeit in der Stadt auf den übel beleumundeten. Z. gelang es gleich hier, Einzelne von ihren Nebenmeinungen abzubringen, ein Bestreben, daß er auch später bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Erfolg offenbarte. Die schließlich zu einer gerichtlichen Verfolgung sich zuspitzenden Anfeindungen der einheimischen Geistlichkeit und des Consistoriums verliefen im Sande.

Das größte öffentliche Aergerniß bei der Befehdung Zachariae’s und seiner Mitarbeiter ist an den Namen seines innigen Freundes Liekefett geknüpft. Joh. Andreas Liekefett war 1705 zu Hildesheim geboren und in gleichem Sinne wie Z. akademisch vorgebildet. In den Jahren 1730 und 1731, zur Blüthezeit des pietistischen Lebens in der Grafschaft, war er Schloßkatechet in Wernigerode und schloß sich aufs engste an Z. an. Von der mit Wernigerode in naher Verbindung stehenden Wittwe des Erbmarschalls Jobst Karl v. Schwicheldt berufen, war er dann von Ende 1731 bis 1737 Pastor zu Flachstöckheim und Klein Ilsede bei Peine. Seine Predigt wirkte so mächtig, daß sie die Leute von nah und fern anzog, so daß die Kirche die Hörer nicht fassen konnte und sie theilweise draußen auf dem Kirchhofe stehen mußten. Selbst unter den Kindern bis zu 11 Jahren entfaltete sich eine geistliche Bewegung. Es ist ebenso erklärlich, daß die Fürstin Augusta für die erledigte aus nicht weniger als dreizehn Dörfern bestehende Patronatspfarre Jördensdorf einen so tüchtigen Mann zu gewinnen suchte, als die Quelle nicht zweifelhaft sein kann, aus der ihr die genaueste Kunde über ihn zufloß. In Wismar war man im Landesconsistorium bei einer eingehenden Prüfung mit L. überaus zufrieden und von der Landesherrschaft wurde seine Bestellung mit außergewöhnlichem Entgegenkommen gefördert. Als aber am 29. Juli 1736 die Präsentation an Ort und Stelle vorgenommen werden sollte, hatte der hierfür zunächst bestimmte Präpositus von Neukalen sich dieser Pflicht entzogen und sämmtliche zur Aufwartung berufenen Geistlichen waren fern geblieben. Die Bauern, die durch ihren verstorbenen Pastor und die von den Geistlichen genährte Stimmung gegen einen Nachfolger von der Dargunischen Richtung aufgeregt, auch von den eingesessenen Adligen zum mindesten nicht beruhigt waren, erschienen gegen 500–600 Mann stark mit Knütteln bewaffnet und verwundeten, als namens der Fürstin die Einführung [644] vorgenommen werden sollte, sowol den damit betrauten Pastor Berner als einige Leute der Fürstin. L. kehrte nun nach dem Hildesheimischen, erst nach Klein Ilsede zurück und war dann von 1737–1747 zweiter Prediger zu Salzgitter. In dieser nicht nur arbeitsreichen, sondern auch sonst schwierigen Stellung hatte er schließlich außerordentlichen Erfolg. Mit dem 4. Januar 1747 trat er dann in ein neues Amt als Pastor zu St. Jacobi und Consistorialassessor zu Hildesheim ein. Seit Sonntag Exaudi 1761 war er endlich Prediger der ev.-luther. St. Agnusgemeinde in Köthen. Am 12. Febr. 1767 verstarb er.

Es ist leicht zu erklären, daß bei dem blutigen Tumult in Jördensdorf die Gegner Zachariae’s und seiner Freunde die unterliegenden waren. Der persönlichen Befehdung war die Spitze abgebrochen, dagegen wurde nun noch längere Zeit ein litterarischer Kampf für und wider Dargun fortgeführt, der von 1736 bis über die Mitte des Jahrhunderts dauerte. Von den Dargunern selbst erschien 1739 die letzte Schrift, da sie, im Lande zur Ruhe gelangt, die akademischen Streitfragen anderen überlassen konnten. Am widerwärtigsten für Z., oder wenigstens für seine Darguner Freunde und Mitarbeiter, war ein von dem Dr. med. Hempel in Neubrandenburg verfaßter Bericht über Dargun vom Jahre 1733 bis Ausgang 1735. Da der Verfasser enge Beziehungen zu Dargun hatte, von wo er auch Einnahmen bezog, so war er wol in der Lage, die Prediger zu beobachten. Da er aber, persönlich verletzt, mit Dargun zerfallen war, so verfaßte er eingestandenermaßen die Schrift mit der Absicht zu schaden und konnte diesen Zweck um so leichter erreichen, als er sich so stellte, als ob er den Dargunern theilweise beipflichte. Diesen – angeblich – nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten Bericht theilte der Verfasser dem Prof. Rusmeyer in Greifswald mit, der ihn zur Bekämpfung der Darguner benutzte, angeblich sogar nicht in unveränderter Gestalt. Was aber noch schlimmer war, Rusmeyer spielte ihn dem mit ihm durchaus nicht auf demselben Standpunkt stehenden, von blindem Haß gegen die Pietisten erfüllten Erdmann Neumeister in Hamburg in die Hände, der durch seine einer leichtfertigen Schrift wider die Darguner beigefügte Vorrede sich selbst kein Ehrendenkmal setzte. So sehr solche Verunglimpfung und Bosheit Z. betrübte, wie er sich darüber in seinem Briefwechsel mit Wernigerode erklärt, so suchte er doch so lange wie möglich jedem Kampf mit der Feder auszuweichen und lieber still zu leiden, weil er des endlichen Sieges sicher war. Nur als der Rostocker Professor Bußmann im Jahre 1736 durch eine Schrift de luctu poenitentium der Sache selbst zu schaden schien, fühlte er sich gedrungen, durch eine Schrift vom Bußkampf zu antworten. Als dann aber des Professors Bruder wieder gegen ihn schrieb, unterließ er weiteres Wortgefecht und hat seinen Mitarbeitern, besonders dem eifrigen Ehrenpfort, diesen Streit überlassen. Letzterer, von dem 1735 eine Predigt von der Taufe erschien, hat im Jahre darauf eine Schrift vom Geheimniß der Bekehrung eines Menschen zu Gott veröffentlicht. Auf die „Belehrung der Theolog. Facultät zu Rostock über sechs Fragen und irrige Lehrpunkte in Ehrenpfort’s Schrift“, verfaßte er 1738 eine ‚abgenöthigte Beantwortung einer Antwort auf ein Responsum der Universität Leipzig‘ und endlich 1739 eine ‚Kurtze Abfertigung der so betitelten Theolog. Schutz-Schrift, welche das Ministerium zu Güstrow ohnlängst ediret hat‘.

Obwol Ehrenpfort, der auch sonst schriftstellerisch thätig war, am lebhaftesten an dem Kampfe mit der Feder theilnahm, so sind doch von den etwa sechzig für und gegen die Darguner herausgekommenen Schriften die wenigsten von ihnen selbst verfaßt. Sie erwarben sich im Lande mehr und mehr allgemeine Achtung und Frieden. Und als im Jahre 1756 ihre hohe Gönnerin, die Fürstin Augusta starb und Herzog Friedrich, ihr geistlicher Schüler, die Zügel der Herrschaft ergriff, hatte der Pietismus in Mecklenburg festen Boden gewonnen. Jac. [645] Schmidt wurde 1759 Präpositus in Gnoien, wo er am 5. März 1777 starb. Er ist der Stammvater einer Reihe tüchtiger im Mecklenburgischen segensreich wirkender Männer, besonders Juristen und Theologen, geworden. Ehrenpfort kam 1757 als Präpositus nach Sternberg, wo er am 1. December 1782, nachdem er sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum gefeiert, im 78. Lebensjahre verstarb. Am wichtigsten war Zachariae’s im Jahre 1756 erfolgte Berufung als Superintendent und Oberprediger zu St. Georgii nach Parchim. Bürgermeister und Rath wünschten sich Glück zur Ankunft des Mannes, ‚dem der Ruf ungefärbter Gottesfurcht, besonderer Leutseligkeit und erbaulichen Vortrags vorausging‘. Am 11. November 1776 beging er bei rüstiger Körperkraft die Jubelfeier seiner 50jährigen Amtsführung. An der Schwelle des 85. Lebensjahres schied er aus der Zeitlichkeit. Z. war ein echter, hochachtbarer Vertreter des Hallischen Pietismus in der Gestalt, wie sie sein Lehrer Buddeus vertrat. Gleich bei seiner im Jahre 1724 erschienenen Erstlingsschrift tritt seine religiös-kirchliche Grundanschauung keimartig hervor. Er geht davon aus, daß die himmlische, jenseitige Seligkeit zwar sehr dem Grade, nicht aber ihrem Wesen nach von der diesseitigen verschieden sei. Da nun aber diese Seligkeit nicht von dem natürlichen Menschen, sondern erst durch dessen mittels des Glaubens bewirkte Neugeburt und Sinnesänderung empfunden werden kann, so muß diese Neugeburt erst überall, und zwar auf dem ordnungsmäßigen Heilswege durch Buße und Reue, bewirkt werden. Nicht durch die Taufe, durch die nur von Seiten Gottes der feste Bund mit dem Menschen begründet wird, nicht durch das mündliche Beichtbekenntniß, zu Kirche- und Abendmahl-Gehen wird diese völlige Sinnesänderung, das Durchdringen bis zu Christo, erreicht, sondern durch ernste andauernde Buße. Ist aber diese Umwandlung und Neugeburt erreicht, so bedarf es zwar steter Wachsamkeit, täglicher Erneuerung und immerwährenden Wachsthums bis zu den Pforten der Ewigkeit, aber die Sünde hat doch ihre Herrschaft verloren, die Seele hat sich ihrer Knechtschaft entrungen. Der rechtschaffene Prediger weiß, daß er noch stumpfe neben erweckten, ringenden und bereits umgewandelten Hörern vor sich hat und muß auch auf diese verschiedenen Stufen des geistlichen Lebens Rücksicht nehmen, die Berufung und die Predigt ergeht aber an alle. Das heilige Abendmahl wird auch von denen, die Reue empfinden, als Gnadenmittel genossen. Den besonderen Bedürfnissen der Erweckten dienen die Privaterbauungen. Z. hält aufs gewissenhafteste nicht nur am Worte heiliger Schrift, er zeigt eine große Vertrautheit mit den Schriften Luther’s, auf dessen Zeugnisse er sich vielfach bezieht. Aufs sorgfältigste vermeidet er jede Abweichung vom evangelisch-lutherischen Bekenntnisse. Wenn die Rede ging, Z. treibe den Bußkampf noch stärker, als seine Mitarbeiter in Dargun, so konnte er der Wahrheit gemäß bezeugen, daß er hierin nicht von der Richtschnur heiliger Schrift und der Bekenntnisse sich entferne. Wol erinnert er daran, daß die Lüste, wenn wir ihnen beharrlich fröhnen, unsere Henker in der Hölle sein werden und warnt ernstlich davor, sich mit Rührungen zu begnügen, die uns nur als heilsames Mittel zum Hindurchdringen bis zur Erneuerung des Herzens dienen können, aber niemals verweilt er bei den Bildern des Schreckens. Umgekehrt redet er den Hörern öfters zu, sie möchten ihm sein ernstes Bußwort nicht verargen, er wolle ihnen nicht gern wehe thun, es sei aber seine Gewissenspflicht und geschehe um ihres Heils willen. Auch redet er mit gleich rückhaltslosem Ernste dem erlauchten Herrn und Gönner wie dem ärmsten Gemeindegliede ins Gewissen. Ueberblicken wir die meisten von ihm gedruckt, vereinzelt auch handschriftlich erhaltenen Zeugnisse, so preist er weit häufiger das in Christo erschienene Gute und ladet die Hörer zu dessen Genuß ein, als er von dem Schrecken und Fluch der Sünde und des Unglaubens redet. [646] So geschieht es auch in den sieben von ihm erhaltenen geistlichen Liedern, die sich theils in der 1752 erschienenen Neuen Sammlung geistlicher Lieder, theils als Anhänge zu Predigten niedergelegt finden. In eigenthümlicher Weise hat er zum Begräbniß des frommen Wernigeröde’schen Kanzlers Schumann von Lobenthal den Heilsweg eines evangelischen Christen in Versen dargelegt. Nicht nur unmittelbar durch Predigt und Seelsorge, sowie durch seinen Briefwechsel, sondern auch durch zahlreiche Schriften hat Z. einen weitreichenden Einfluß geübt. Außer den schon gelegentlich erwähnten, sind es allermeist Predigten. Diese sind alle auf besonderes Ersuchen und Verlangen seiner dankbaren und eifrigen Hörer der Oeffentlichkeit übergeben. Sie erlebten theilweise mehrere Auflagen und waren, da Z. selbst nicht daran gedacht hatte, sie aufzuheben, so schnell vergriffen. daß, als sein Sohn Gotth. Traugott sie 1761 im ersten Theile der erbaulichen Schriften des Vaters sammeln wollte, manche nicht mehr herbeizuschaffen waren. Er hat auch als inniger Freund von Steinmetz in Magdeburg Abhandlungen von dem Verhalten eines Lehrers in Absicht auf die heil. Taufe, den Vortrag der Lehre, die Schlüssel des Himmelreichs und über die Führung des geistlichen Amts und die Verwaltung der Sacramente in dessen Sammlung der theologia pastoralis practica, Bd. III, IV, VI und IX erscheinen lassen, von denen wenigstens die letztere in Bd. IX Magdeburg 1752 unter seinem Namen gedruckt ist. Von der eben erwähnten Ausgabe seiner Schriften ist nur der erste Theil erschienen. Der zweite, der Abhandlungen enthalten sollte, welche zum Theil besonders gedruckt, theils in die theologia practica von Steinmetz eingerückt waren, ist nicht erschienen, doch wurden seine Beyträge zu der Steinmetz’schen Sammlung nebst 2 Predigten in Rostock 1745 gedruckt.

Der lebendige Mittelpunkt von Zachariae’s Wirksamkeit war seine gesalbte würdevolle Persönlichkeit und sein musterhaftes Familienleben. Von den Kindern, die mit inniger Liebe und Verehrung an dem Vater hingen, gehörte sein Sohn August Ernst Friedrich, der am 15. October 1746 starb, zu den besonders früh erweckten und vollendeten Seelen, wie sie der Pietismus öfter zeitigte. Zachariae’s äußere Erscheinung führt ein Kupferstich (Brustbild) vor dem 1. (einzigen) Theile seiner erbaulichen Schriften vor Augen. Ganz im Geiste des Vaters wirkte sein Sohn Gotthilf Traugott (s. o. S. 617) als Professor in Bützow, Göttingen und Kiel. Nur ein Sohn Friedr. Gottlob Siegfried, der eine Zeit lang neben dem Vater als Pastor zu St. Marien in Parchim wirkte, überlebte denselben.

Hauptquellen sind neben Zachariae’s und seiner Mitarbeiter eigenen Schriften der von Zachariae, Liekefett, Jac. Schmidt, Rudolph mit dem gräfl. Hause Stolberg-Wernigerode geführte Briefwechsel, auch die Bestellungsacten im F. H.-Arch. zu Wernigerode, ferner J. J. Moser, Beyträge zu einem Lexico etc. 1740/41 S. 174–197 u. Suppl. Wie Moser besonders auf Walch fußt, so auch die ziemlich ausführl. Darstellung im großen Zedlerschen Univ.-Lex. LX, Sp. 1008–1013 (1749). – Acta historico-ecclesiastica IV, S. 314–334, 483–497. Weimar 1740 – (Heinsius) Kurze Fragen a. d. Kirchen-Historia d. N. Testam. 2. Forts. S. 500–535. Jena 1744. – Cleemann, Repertorium universale. Parchim 1809, S. 12 u. s. f. – Heinrich Wilhelmi, Augusta, Prinzessin v. Mecklenb.-Güstrow u. d. Dargun’schen Pietisten im 48. Jg. d. Jahrbücher d. Ver. f. Meckl. Gesch. u. Alt. 1883, S. 89–284. – Vgl. auch A. Ritschl, Gesch. d. Pietismus 2, S. 459–462.