ADB:Zeller, Christian Heinrich
Karl August Z. (s. u. S. 28) das älteste war, auf der alten Ritterburg, dann siedelte die Familie nach Böblingen und 1787 nach Ludwigsburg über. Mit achtzehn Jahren bezog er die Universität Tübingen und studirte, dem Wunsche des Vaters folgend, die Rechte. Doch wandte seine Neigung sich schon damals dem Erzieher- und Lehrerberufe zu, dem er von 1801 an sich ganz widmete. Zwei Jahre wirkte er zunächst als Hauslehrer in einem Augsburger Patricierhause, dann von 1803–9 in St. Gallen als Leiter einer von mehreren Familien unterhaltenen Privatschule. In den Jahren 1805 und 6 lebte er dort zusammen mit seinem älteren Bruder Karl August. Als dieser die ihm zugedachte Stelle eines Oberlehrers der Lateinschule und Schulinspectors für Stadt und Land zu Zofingen im Aargau ablehnen mußte, weil König Friedrich von Württemberg ihn als Schulinspector nach Heilbronn berief, trat Christian Heinrich für ihn ein und arbeitete in Zofingen über ein Jahrzehnt erfolgreich an der Hebung des Schulwesens. Besonders war er bemüht, nach der in jenen Jahren beliebten Art durch methodologische Vorträge den Standpunkt der ihm anvertrauten Lehrer und Lehrerinnen im Sinne Pestalozzi’s zu heben. Im ersten dieser „Schullehrercurse“, der zwei Jahre dauerte, lernte Z. die Lehrerin der oberen Töchterschule, Jungfrau Sophia Siegfried (geboren am 23. März 1791, † am 27. Juli 1858), kennen und schätzen. Sie war eine Pfarrerwaise und traf mit ihm in der pietistisch angehauchten Frömmigkeit wie im glühenden Eifer für das Werk der Jugenderziehung zusammen. Am 7. October 1811 führte er sie als Gattin heim. Frau Sophia Z. behielt jedoch, obwol sie ihrem Gatten während dieser Jahre fünf Kinder gebar, ihr Lehramt bis zur Uebersiedlung nach Beuggen (1820) bei und führte auch hier, wo die Zahl der Kinder auf zehn wuchs, neben dem eigenen Haushalte noch den der dortigen umfangreichen Anstalt, vielbewundert und verehrt als Muster einer willensstarken, umsichtigen und dabei geistig bedeutenden christlichen Hausfrau. Z. selbst brachten seine Erfahrungen mit dem Schulwesen in Zofingen zu dem Wunsche, eine besondere Armenschule zu begründen, die in methodischer Hinsicht Musterschule werden und mit einem Lehrerseminare verbunden sein sollte. Was ihm im Aargau nicht gelang und sogar vereint mit seiner Thätigkeit für die Bibelgesellschaft unliebsame Aufmerksamkeit der Polizei „wegen seiner bedauerlichen Neigung zum Mysticismus“ zuzog, das setzte unter seiner lebhaften Theilnahme ein Kreis frommgesinnter Männer in Basel durch. Es waren der Hauptsache nach dieselben, die soeben (1816) die Missionsgesellschaft und das Missionshaus begründet hatten; beide Mal an der Spitze Zeller’s Freund und Landsmann, der Kaufmann Spittler. Nachdem in dem ehemaligen, jetzt durch die Kriegsläufte stark mitgenommenen Deutschordensschlosse Beuggen, zwei Meilen rheinaufwärts [26] von Basel ein passendes Heim für die „freiwillige Armenschullehreranstalt“ gefunden und hergerichtet war, übernahm Z. selbst am 20. Juni 1820 das Amt des Hausvaters und Leiters, das er bis zu seinem Tode, beinahe vierzig Jahre, in reichem Segen bekleidete. Seine Gattin, zunächst Gehülfin der verwittweten Frau Professor Fäsch, stand ihm seit deren Tode (1821) darin als selbständige Hausmutter zur Seite. Beuggen war bald Muster und Lehrerseminar für viele ähnliche Anstalten und Wallfahrtsort für ganze Scharen von Besuchern, die sich für christliche Liebesthätigkeit interessirten. Im ersten Jahrzehnt sollen jährlich über tausend Gäste aus- und eingegangen sein. Vor allen berühmt ist Pestalozzi’s Besuch der Anstalt am 21. Juli 1826. Man erzählt, daß er bei der Besichtigung öfter vor sich hin sprach: „Ungeheure Kraft!“ und endlich freudig bewegt ausrief: „Das ist es! Das ist es! Das wollt’ ich!“ Immerhin besteht der wesentliche Unterschied, daß Z. mit seinem Werke nicht wie der große Züricher Pädagog im philanthropischen Rationalismus, sondern im wiedererwachten Pietismus wurzelte und diesen mit allen starken wie schwachen Seiten lebendig und würdig verkörperte. 250 Schullehrlinge und 593 arme Kinder sind unter Z. durch die Beuggener Anstalt gegangen. Außerdem bildeten die jungen, meist württembergischen Theologen, die als Helfer in Beuggen und in Basel ihre praktische Weihe erhielten, eine durch bewußte Eigenart eng verbundene Schule. Mehrere von ihnen wie Ludwig Völter, Pfarrer Werner-Fellbach, Samuel Gobat, später evangelischer Bischof von Jerusalem, und Heinrich Thiersch, später Irvingianer, wurden Zeller’s Schwiegersöhne. Zwei seiner Söhne setzten des Vaters Werk in Beuggen fort. Der dritte leitete eine sog. Gebetsheilanstalt in Männedorf (Zürich). Auch als Schriftsteller war Z. thätig und einflußreich in den für seine Art empfänglichen Kreisen. Sein litterarisches Hauptwerk sind die „Lehren der Erfahrung für christliche Land- und Armenschullehrer“ (zuerst Basel 1827; IV. Auflage durch L. Völter 1866); ferner „Kurze Seelenlehre, gegründet auf Schrift und Erfahrung“ (Calw 1846); „Göttliche Antworten auf menschliche Fragen“ (Basel 1840); „Ueber Kleinkinderpflege“ (II. Aufl., Basel 1842); das 1829–1860 von ihm herausgegebene „Monatsblatt von Beuggen“, das viele kleinere Arbeiten seiner Hand enthält, und die Jahresberichte der Beuggener Anstalt. Endlich war der fromme Mann auch ein nicht unbegabter Dichter; doch hat er dies Charisma wol nur im Dienste seines Berufes ausgeübt. Von 93 „Liedern der freiwilligen Armenschullehreranstalt zu Beuggen, gesammelt von Reinhard Zeller“ (1871) rühren 65 von Vater Z. her.
Zeller: Christian Heinrich Z., schwäbischer Pädagog, Pestalozzischer und noch mehr pietistischer Richtung, geboren am 29. März 1779 auf Burg Hohenentringen, Oberamts Herrenberg im württembergischen Schwarzwaldkreise, † am 18. Mai 1860 in Beuggen, Amts Säckingen im badischen Kreise Waldshut. Nur sechs Jahre weilte Christian Heinrich mit Eltern und Geschwistern, unter denen- Vgl. besonders: Strebel, Chr. H. Zeller in Schmid-Schrader’s Encyklopädie d. Erziehungs- u. Unterrichtswesens (II. Aufl., Bd. X. Leipzig 1887).