ADB:Zumsteeg, Johann Rudolf
Karl die Vergünstigung, daß sein Sohn in die Karlsschule aufgenommen wurde, die er nun im J. 1770 bezog. Anfänglich hatte ihn der Herzog zum Bildhauer bestimmt – es ist bekannt, daß sich der Herzog sehr eingehend um jeden Schüler seiner Pflanzschule bekümmerte und ihm den Lebenslauf vorschrieb –, da Z. aber unverkennbare Anlagen zur Musik zeigte, bestimmte ihn der Herzog zum Musiker und ließ ihn von seinem Capellmeister Poli unterrichten. Im September 1781 verließ er die Schule und wurde als Violoncellist und Hofmusikus in das herzogliche Orchester eingereiht. Mit Schiller, der drei Jahre später Karlsschüler geworden, eng befreundet, war er selbstverständlich ein Stammgast im „Ochsen“ in der Hauptstädterstraße und gehörte zu jener tollen Tafelrunde, in der der junge Schiller so oft seine Begeisterung reden und seinen Weltgrimm austoben ließ, wie Sittard sagt. Welch freier Ton damals in jenem Kreise herrschte, davon gibt uns mancher Brief Kunde. So schreibt Z. aus Stuttgart am 15. Januar 1785 an Schiller unter anderem: [485] „Will Dir auch etwas von meinem Schicksal schreiben! Ich bin verheurathet! – verheurathet, sag’ ich Dir – denk nur! verheurathet! – an eine Andraein, die älteste Tochter des verstorbenen D. Andreae. Du kennst sie ja schon, Bruder! S’ist ein herrliches Weib! Den 29. November 1783 hat ein Handlanger des Allmächtigen mich mit ihr verknüpft. Zwar war ich schon vorher so nahe mit ihr bekannt, daß all die Schwierigkeiten, welche ihre Verwandten mir in den Weg legten, gehoben werden mußten. Du weißt, wenn man etwas hinausführen will, braucht man auch … , ich wandte mich also an den Herzog von Würtemberg – und siehe da, es ging. Doch, wie’s gemeiniglich geht, auch ihm wußt’ ich einige Federn auszurupfen. Ich ließ ihm nicht eher Ruhe, biß er mir meine lausige Besoldung von 200 lumpigen Gulden vermehrte. Diß geschah also, aber, hol mich der Teufel! ich hätt’s gemacht wie weiland Schiller (entre nous soit dit) alle Anstalten waren gemacht und das auf eine (ohne mich zu loben) gescheutere Art, als mein Hofcapellan Baumann“. (Siehe Speidel und Wittmann, Bilder aus der Schillerzeit, Stuttg., S. 36.) Z. war ein praktisch und theoretisch tüchtig gebildeter Musiker und zeichnete sich durch zahlreiche Compositionen aus, von denen manche sich die allgemeinste Anerkennung erwarben. Leider fehlt uns jegliche Nachricht über die chronologische Reihenfolge seiner Compositionen; selbst die gedruckten fallen in jene Zeit, in der man die Jahreszahl verheimlichte, doch läßt sich sicher annehmen, daß einige seiner sieben Opern schon vor 1793 in Stuttgart aufgeführt wurden (nur von „Das tartarische Gesetz“ wird die Jahreszahl 1790 verzeichnet), so daß der Herzog mit Genugthuung auf seinen einstigen Zögling sah und ihn, als der Capellmeister Poli seinen Abschied nahm, am 1. Juni 1793 zu dem verantwortlichen Posten erhob und sein Gehalt auf 2300 Gulden festsetzte. Damit war die höchste Stufe eines Tonkünstlers erreicht und Z. hat die Zeit seines Lebens reichlich benützt um sich der Welt nützlich zu machen und fand beim Publicum die genugthuende Anerkennung, daß sich seine Lieder und Balladen noch weit über seinen Tod hinaus auf dem Repertoire aller Sänger und Sängerinnen befanden. Zahlreich sind die Compositionen, die er für Gesang schuf: Lieder, Balladen, Monologe, melodramatische Arbeiten, Elegien, Romanzen, Cantaten, geistliche Gesänge und Einiges für Instrumente, besonders für Violoncell, sein Hauptinstrument. Er ist der Erste, der sich in Deutschland mit Balladencomposition beschäftigte. England besaß sie längst und bildete dafür eine bevorzugte Musikform, in der sich fast jeder Componist im 18. Jahrhundert bewegte. Daß Z. davon Kunde hatte ist kaum anzunehmen, weit eher mögen ihn Schiller’s Balladen zur Composition angeregt haben. Hin und wieder trifft er wol den erzählenden epischen Ton der Ballade, doch war seine Erfindungskraft zu gering, um dem musikalischen Ausdrucke die fesselnde Stimmung zu verleihen. Denselben Mangel an Erfindungskraft findet man auch in seinen übrigen Werken und nur die bescheidenen Ansprüche des unverwöhnten Publicums in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts lassen es begreiflich erscheinen, daß sie so lange ihr Leben gefristet haben. Sein Nachfolger im Balladenfache, Karl Löwe, ist glücklicher gewesen, zwar schreckten die Sänger seiner Zeit vor der Schwierigkeit des Vortrages zurück, doch die spätere Zeit, freilich erst nach dem Tode des Componisten, holte nach, was die Vorgänger versäumt hatten und heute stehen Löwe’s Balladen als Musterwerke da. Zumsteeg’s Tochter, Emilie, geboren am 9. December 1796 zu Stuttgart und † am 1. August 1857 ebendort, zeichnete sich als vortreffliche Clavierspielerin und Liedercomponistin aus.
Zumsteeg: Johann Rudolf Z., geboren am 10. Januar 1760 zu Sachsenflur im Odenwald, † am 27. Januar 1802 in Stuttgart. Sein Vater, ein ehemaliger Kammerdiener des Herzogs von Württemberg, erlangte vom Herzoge- Eine Biographie erschien in I. F. Arnold’s Gallerie, Erfurt 1816 bei J. K. Müller in 8°. Genauere Daten bringt Josef Sittard in seiner: Zur [486] Geschichte der Musik am Württembergischen Hofe II, 168 ff. Zahlreiche Urtheile findet man in der alten Leipziger Allgemeinen Musikztg. Von Bd. 1 ab, dort auch Beil. 9 der Abdruck eines Duetts aus der Oper „Die Geisterinsel“. Eine Beurtheilung seiner Balladen in Mendel-Reißmann’s Lexikon.