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ADB:Zwierlein, Hans Karl Freiherr von

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Artikel „Zwierlein, Hans Karl Freiherr von“ von Wilhelm Sauer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 538–541, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zwierlein,_Hans_Karl_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:05 Uhr UTC)
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Zwierlein: Hans Karl Reichsfreiherr von Z., 1768–1850, Sohn des Reichsfreiherrn Christian Jacob v. Z. (s. o.) und seiner Gattin, der Freiin Christiane Friederike v. Hopfer, geboren zu Wetzlar am 3. Januar 1768, wandte sich nach Abschluß seiner Gymnasial- und Universitätsstudien sowie erlangter Promotion als Dr. J. U. wie seine Vorfahren der Anwaltschaft am Reichskammergerichte zu. Zunächst arbeitete er von 1787 ab auf der Schreibstube seines Vaters, wurde dann als Advocat am 9. November 1789, als Procurator am 28. August 1793 vereidigt. In gleicher Weise wie sein Vater richtete auch [539] er sein nächstes Streben dahin, die Mandate und Anwaltschaften, welche dieser und zum Theil schon der Großvater innegehabt, für sich zu erwerben und zu sichern, keine leichte Aufgabe bei dem eifersüchtigen Wettbewerbe seiner zahlreichen nach Sporteln gierigen Amtsgenossen am Reichskammergerichte. Bei der Bewerbung um die Anwartschaft auf die Procuratur für Nassau-Dillenburg unterstützte ihn sein Vater in einem Gesuche vom 29. März 1790 mit dem empfehlenden Hinweis darauf, daß „er in dem Lütticher Processe gute Relationen gemacht habe“. Er erhielt die Anwartschaft am 26. Juli 1790, dann nach dem Tode seines Vaters die Stelle selbst am 28. Mai 1794; ebenso wurde ihm die Mehrzahl der sonstigen Anwaltschaften seines Vaters zu Theil, die er bis zum Jahre 1798 führte, wo seine Thätigkeit für den Fürstbischof von Lüttich eine Unterbrechung seiner Anwaltspraxis zur Folge hatte. In den Dienst dieses Fürsten war er zunächst als Agent bei dem Reichskammergerichte getreten und hatte als solcher – wol gegen Ende des Jahres 1789 – die „Kurze Uebersicht des Lütticher Aufruhrs“ geschrieben, auf welche Dohm mit seiner bekannten Schrift „Die Lütticher Revolution 1789 und das Benehmen des Königs von Preußen bei derselben, Februar 1790“ replicirte. Die Ernennung zum kurhannoverschen Rath und Agenten bei dem Reichskammergericht erhielt er unter dem 17. September 1793. Unter dem 20. December 1792 ernannte ihn der Fürstbischof zum Substituten seines Vaters Christian Jacob bei dem Reichskammergerichte; die Stelle des Anwalts selbst wird ihm nach dessen am 10. August 1793 erfolgten Tode wol nicht mehr zu Theil geworden sein, hingegen wurde er 1794 zum Geheimen Kriegsrath ernannt. In den folgenden Jahren kann seine Thätigkeit für den Lütticher Fürstbischof nicht mehr von Erheblichkeit gewesen sein, so daß er seine Praxis am Reichskammergerichte wieder aufnehmen konnte. In dem letzten Kalender des Reichskammergerichts, dem des Jahres 1806, wird er in dem Verzeichnisse der Advocaten als der achtundzwanzigste aufgeführt; sodann als anhalt-bernburgischer Wirklicher Geheimer Rath und Procurator, als Procurator für Anhalt-Köthen, als zweiter Agent für Kur-Baden und Pfalz-Baiern, Rath und Anwalt für Kurhannover und das Herzogthum Bremen, Anwalt für Braunschweig-Wolfenbüttel, Rath und dritter Agent für Kur-Württemberg, Anwalt für Nassau-Diez, Dillenburg, Oranien, Siegen, Nassau-Usingen, für kleinere reichsfürstliche Häuser, wie Isenburg und Thurn und Taxis, für die Stadt Bremen, sowie eine Anzahl weiterer Proceßparteien, wie den Reichsgrafen von Metternich-Winneburg u. A.

Als die politischen Umgestaltungen in Deutschland dem Reichskammergericht ein Ende gemacht, verließ auch Z. die bisherige Heimath und gründete neuen Wohnsitz an den Ufern des Rheins. Aus der Erbschaft seiner Mutter, einer der fünf Töchter des im J. 1787 verstorbenen Geheimen Raths Frhrn. v. Hopfer, fiel ihm ein Fünftel des diesem gehörigen großen. ehemals v. Vorster’schen Weingutes zu Geisenheim zu; ein zweites Fünftel erwarb er 1801 durch Kauf von dem Erben, dem Lieutenant v. Stolterfoth, dem Vater der Dichterin Adelheid v. Stolterfoth und brachte sodann in kurzer Zeit auch die übrigen Antheile durch Kauf an sich. Durch Ausbau des stattlichen Gutshauses und Schöpfung einer herrlichen Gartenanlage gestaltetete er den Hof zu einem prächtigen Herrensitze, wie es deren in dem damals geschaffenen Herzogthum Nassau, dessen Unterthan er mit dem vormals kurmainzischen Rheingau geworden war, nur wenige gab. Seinen Grundbesitz im Rheingau vergrößerte er durch Ankauf weiterer Güter, unter denen mehrere aufgehobene Klöster, deren Kirchen zu seinen noch zu besprechenden Sammlungen beizusteuern hatten. Seine gesellschaftliche Stellung und hervorragenden geistigen Eigenschaften machten ihn bald zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des neuen Herzogthums, vornehmlich berufen zur [540] thätigen Mitwirkung bei der Ordnung der inneren Verhältnisse des Landes, als die Regierung diese nach Feststellung des territorialen Bestandes des Staates durch die bezüglichen Staatsverträge der Jahre 1815 und 1816 sich zur dringenden Aufgabe stellen mußte. An der Bereitwilligkeit und dem guten Willen, sich und seine ganze Kraft der Regierung bei der seit 1815 in Angriff genommenen Organisirung der Landesverwaltung zur Verfügung zu stellen, hat es Z. an und für sich offenbar nicht gefehlt. Nicht hieran lag es, daß seine Mitwirkung bei der Schöpfung der nassauischen Verfassungsurkunde, bei dem Entwurf und der Feststellung neuer Verwaltungsformen nicht die zu erwartende Ausdehnung erhielt; es waren vielmehr die Grundsätze absoluter Regierungsform, nach welchen damals der Minister v. Marschall mit dem Präsidenten Ibell nach Ueberwindung einer kurzen freiheitlichen Phase die Regierung des Herzogthums zu führen begann, welche ihn, den an Freiheit und Selbständigkeit gewöhnten Bürger einer Reichsstadt, ebensowenig wie seine Standesgenossen, die adligen Grundbesitzer des Landes, geneigt machten, die Regierung des Fürsten, dessen Hoheit seine Besitzungen am Rhein unterstanden, zu unterstützen. Hiernach richtete sich namentlich die Haltung, welche er im Landtage des Herzogthums einnahm. Mit der weitaus größten Zahl der Mitglieder der Herrenbank (ersten Kammer), welcher er als gewähltes Mitglied seit dem ersten Zusammentritt des Landtages im Frühjahr 1818 angehörte, stand er in den wichtigsten Landesangelegenheiten auf dem oppositionellen Standpunkte, der seine Grundlagen wesentlich in den tiefgehenden Beschwerden hatte, welche der durch den Minister v. Marschall aus dem Landtage gedrängte Freiherr vom Stein gegen ersteren erhob. Im Landtage, namentlich in den Commissionen, war der durch sein umfassendes juristisches Wissen seinen Genossen vielfach überlegene Mann sehr erfolgreich thätig. Die Protocolle der nassauischen Ständeversammlung enthalten von ihm als Berichterstatter zahlreiche sehr eingehende und wichtige Rechtsgutachten und Commissionsberichte über die verhandelten, das Land damals mächtig aufregenden Streitfragen, wie die Trennung der Domanialcasse von der Staatscasse und die Domänenfrage. Bei der letzteren, dem bekannten Domänenstreit, betrachtete er es ganz besonders als seine Aufgabe, dem Staate die aus den Besitzungen der aufgehobenen geistlichen Stifter und Klöster herstammenden reichen Domänen des Rheingaues zu erhalten und die Einnahmen aus denselben für die Staatscasse zu retten. Doch mit manchen seiner Genossen von der Herrenbank neigte er sich in Conflicten mit der Regierung gern einer milderen und versöhnlichen Behandlungsweise der einzelnen Streitfälle zu, ohne jedoch grundsätzlich seinen oppositionellen Standpunkt aufzugeben oder bei besonderer Veranlassung es an schärferem Vorgehen fehlen zu lassen.

In dem reizvollen Landsitze zu Geisenheim hatte Z. für Kunst und Wissenschaft ein Heim geschaffen; alle Zweige des Wissens fanden dort eine Pflegstätte. Kein Gebiet blieb ihm fremd; bis auf die Hebung der Ackerwirthschaft und des Weinbaues – er selbst zählte zu den größten Weingutsbesitzern – erstreckte sich seine emsige Thätigkeit. Gelehrte, Dichter und Schriftsteller fanden herzliche Gastfreundschaft in Geisenheim. Im Mai 1827 hielt Mathisson sich dort mehrere Tage auf. Der im Sommer auf seiner Burg Rheinstein weilende Prinz Friedrich von Preußen unterhielt mit seinem Hofe freundschaftliche Beziehungen mit dem Geisenheimer Gutsherrn. Für die Rheinlande erwarb Z. sich Bedeutung durch seine kunstgeschichtlichen Sammlungen, namentlich von älteren Glasgemälden, für die er besondere Neigung hatte. Bei dem Bestreben, Gegenstände kirchlicher Kunst zu sammeln und zu retten, scheint seine erste Gemahlin ihn unterstützt zu haben. Den Grund zu seinen Sammlungen legte er im Jahre 1820 durch Ankäufe aus der Sammlung des Optikers Düssel zu Köln; in den [541] folgenden Jahren wurde dieselbe durch Erwerbungen aus den gleichfalls Kölner Sammlungen von Geerling und Hirn vergrößert. Werthvolle Beiträge zu seiner Sammlung von Glasgemälden hatten auch die Kirchen- und Klostergebäude des Rheingaues, wie die zu Lorch, Aßmannshausen, Mariahausen u. m. geliefert. Nicht minder barg auch die Sammlung kostbare Gemälde, Möbel, Porzellan u. a., bis diese weithin bekannten Schätze im J. 1887 durch öffentlichen Verkauf in alle Welt zerstreut wurden. Wahrscheinlich von ihm verfaßt ist die Schrift „Vom großen Einfluß der Waldungen auf Kultur und Beglückung der Staaten“ (Würzburg 1806).

Hans Karl v. Z. war zwei Mal vermählt 1) mit Maria Magdalena von Gülich (Tochter des Reichskammergerichtsprocurators v. G., der 1787 auf dem Platze bei Wetzlar, auf welchem Tile Kolup hingerichtet sein soll, ein Denkmal errichten ließ), † zu Geisenheim am 5. Januar 1843; 2) mit seiner Nichte, der Dichterin Adelheid v. Stolterfoth, am 14. Februar 1844 (s. A. D. B. XXXVI, 414).

Archivalien. – Roth, Adelheid von Stolterfoth. – Die Zwierlein’sche Sammlung, in den Bonner Jahrbüchern 1895.