Acht und zwanzigste Reihe von Experimental-Untersuchungen über Elektricität
[Bei der Unmöglichkeit diese Abhandlung, die uns, wie die folgende, vom Hrn. Verf. aus dem Philosoph. Transact. f. 1852 zugesandt worden ist, ausführlich mitzutheilen, halten wir es für gut, sie wenigstens durch den Auszug kennen zu lehren, den die im Philosoph. Magazine 1852, T. III. enthaltenen Proceedings der Royal Society von ihr geben. P.]
Der Verf. definirt eine Magnetkraftlinie als diejenige Linie, welche von einer sehr kleinen Magnetnadel beschrieben wird, wenn sie in jeder, ihrer Länge entsprechenden Richtung so bewegt wird, daß sie beständig eine Tangente der Bewegungslinie bleibt; oder als diejenige, längs welcher ein Querdraht in jeder Richtung bewegt werden kann, ohne daß eine Tendenz zur Bildung eines elektrischen Stromes in ihm entsteht, während, wenn er in irgend einer andern Richtung bewegt wird, eine solche Tendenz vorhanden ist. Solche Linien werden durch Eisenfeilicht, welches man auf einen Magnet streut, angezeigt. Diese Linien haben eine bestimmte Richtung; sie besitzen in und an dieser Richtung entgegengesetzte Eigenschaften, und die Kräfte in irgend einem Theile derselben sind für einen gegebenen Magnet bestimmte. Sie können, wie der Verfasser glaubt, mit großem Vortheil angewandt werden an die Magnetkraft, ihrer Natur, Beschaffenheit und relativen Größe nach, vorzustellen, und zwar in vielen Fällen, wo andere Repräsentationen der Kräfte, z. B. Wirkungscentra, nicht anwendbar sind.
Der Ausdruck Kraftlinie, wie er eben definirt ist, soll nichts bezeichnen als die Stärke und Richtung der Kraft an einem bestimmten Ort; und er schließt keine Idee von der Natur der physischen Ursache der Erscheinungen ein. Sollten zugleich Gründe vorhanden seyn zu der Ansicht, daß der physische Zustand der Kraft überhaupt theilnehme an [536] der Natur eines Stroms oder eines Strahls, einer Ansicht, zu welcher der Verfasser hinneigt, so sieht er in jenem Ausdruck kein Hinderniß, kein größeres als in den Ausdrücken Strom und Strahl, wie sie bei Betrachtungen der Elektricität und des Lichts gebraucht werden.
Die Magnetkraftlinien, wie sie eben definirt wurden, lassen sich entweder durch eine Magnetnadel oder durch einen bewegten Draht erkennen; allein die beiden Methoden gründen sich auf sehr verschiedene Zustände und Wirkungen der Magnetkraft, und der bewegte Draht scheint die meiste Anwendung zuzulassen. Das Princip läßt sich anwenden auf Orte, die für die Nadel unzugänglich sind, und es kann, bei jedem Abstand vom Centralmagnet, die Kräfte in einer gegebenen Ebene oder Fläche aufsummen. Es hat keine Beziehung zu den Resultaten der Attraction oder Repulsion, ist ihnen in einigen Fällen entgegengesetzt; allein es giebt, wie der Verfasser glaubt, eine richtige Ansicht von der Anordnung der Magnetkräfte, und führt zu einem genaueren Verständniß der Natur der Kraft. Aus diesen Gründen empfiehlt er dessen Anwendung, nicht mit Ausschluß der Nadel, sondern in Verbindung mit derselben. Er entwickelt dann die experimentellen Methoden und deren Resulate, zunächst bei einem Magnetstab.
Zwei Magnetstäbe, jeder 12'' lang, 1'' breit und 0'',4 dick, wurden in einigen Abstand und die gleichnamigen Enden in gleicher Richtung neben einander und parallel an einer Axe befestigt, so daß man sie als einen einzigen Magnetstab nach Belieben um eine gemeinschaftliche Axiallinie rotiren lassen konnte. Ein Draht, welcher in den einen Pol eintrat, wurde längs der Axe dieser magnetischen Vorrichtung fortgeleitet, in der Mitte, an dem aequatorialen Theile, nach außen gebogen und ausseits des Magnets in einiger Entfernung zu dem Orte zurück geführt, von wo er ausging. Zuweilen bestand dieser Draht aus drei Theilen, erstens einem axialen, zweitens einem radialen, der vom Centrum zur Oberfläche des Aequators ging und daselbst mit einem den Magnet einschließenden Kupferring verbunden [537] war, und drittens einem Theil, der von diesem Ring an der Außenseite des Magnets zu dem Ausgangspunkte zurückführte. Jeder dieser Theile konnte entweder für sich oder in Verbindung mit den übrigen rotiren; der elektrische Contact war in allen Fällen vollkommen, während der Draht durch einen seidenen Ueberzug von dem Magnete isolirt war. Die Enden dieser Schlinge (loop), wie sie heißen mag, waren mit einem Galvanometer verbunden, und so konnte die An- oder Abwesenheit eines elektrischen Stromes und dessen Stärke gemessen werden. Es wurden zwei Galvanometer angewandt, ein von Ruhmkorff, mit dünnem Draht und sehr empfindlich, das andere, vom Verfasser construirt, mit 0'',2 dickem Kupferdraht, der nur ein Mal um die Nadel herumging; für starke Ströme von geringer Intensität, wie die in dem rotirenden Draht entstehenden, wurde das letztere viel empfindlicher befunden als das erstere.
Es werden nun die allgemeinen Beziehungen des bewegten Drahts zu den Magnetkraftlinien specificirt und es wird dabei auf die vom Verfasser in der ersten Reihe seiner Experimental-Untersuchungen gemachte Entdeckung und Beschreibung verwiesen; auch wird das Gesetz der Entwicklung der inducirten Ströme angegeben. Um es leicht auszudrücken (Referring to an easy natural standard) kann man sagen, daß wenn unter unsern Breiten, wo die Kraftlinie 69° herunterneigt, wie die Neigungsnadel zeigt, eine Person sich mit ausgestreckten Armen vorwärts bewegte, die Richtung des elektrischen Stroms, der sich in einem durch die Arme vorgestellten Draht zu erzeugen suchte, von der rechten Hand durch die Arme und den Körper zu der linken gehen würde.
Bei einigem Nachdenken ist ersichtlich, daß ein Draht, welcher einen regelmäßigen Magnetstab an einem Ende berührt, dann durch die Luft geht, um wieder an dem Aequator mit ihm zusammen zu kommen, nach einmaliger Herumführung um den Magnet, wobei er in schleifendem Contact mit dem Aequator zuletzt seine anfängliche Lage wieder [538] einnimmt, alle äußeren Kraftlinien des Magnets einmal, und weder mehr noch weniger, durchschnitten haben wird, wie auch seine Bahn durch die Luft oder der Abstand seiner Theile von dem Magnet gewesen seyn möge. Wenn nun der äußere Theil der eben beschriebenen Schlinge in dieser Weise eine gewisse Zahl von Graden um die Axe des Magnets herumgeführt wird, und letzterer stillsteht, so zeigt das Galvanometer einen elektrischen Strom in gegebener Richtung an, und wenn die geeigneten Vorsichtsmaßregeln (welche beschrieben werden) getroffen sind, ist der Strom für eine gleiche Zahl von Graden der Umdrehung, von gleichem Betrage, es mag die Bewegung schneller oder langsamer geschehen, oder der Draht in seinem Laufe einen größern oder geringern Abstand vom Magnet haben.
Wenn der äußere Theil der Schlinge, so wie auch der axiale Theil derselben, festgehalten wird, und man setzt den Magnet mit dem kurzen radialen Theil des Drahts in Rotation, so wird ebenfalls ein elektrischer Strom erzeugt, von genau gleicher Stärke mit dem früheren, für eine gleiche Zahl von Graden der Umdrehung; allein seine Richtung ist die umgekehrte von der des früheren Stroms, wenn die Richtung der Rotation dieselbe ist. In jedem Fall findet bei Umkehrung der Rotationsrichtung auch eine Umkehrung des erzeugten Stromes statt. Der sich bewegende radiale Theil des Drahts war in diesem Fall isolirt vom Magnet; und viele andere Versuche, z. B. mit Scheiben an den Enden des Magnets, zeigten, daß die Bewegung des Magnetes selber gleichgültig ist, und daß, er mag rotiren oder stillstehen, wenn nur der Draht sich bewegt, das Resultat dasselbe ist.
Die Rotation des axialen Theils der Schlinge erzeugt keinen Effect; ob dieser Theil rotire oder nicht, hat nicht den geringsten Einfluß auf die schon beschriebenen Resultate; er wirkt bloß als Leiter und ist in jeder anderen Beziehung indifferent. Dieser axiale Draht kann durch den Magnet selber ersetzt werden; denn wenn er nur vom Pole [539] ab nach Außen da ist, und der radiale Draht den Magnet in der Mitte berührt, so daß die Leitung geschlossen ist, sind alle Resultate genau wie zuvor. Der axiale Draht kann auch zur Mitte gehen und dort den Magnet berühren und der radiale Draht entfernt werden: es treten dieselben Resultate auf. Endlich können beide Theile, der axiale und der radiale fortgenommen, und der Magnet sowohl als Leiter wie als bewegter Draht benutzt werden, und doch bleiben die Resultate unverändert.
Aus Resultaten wie diese, zieht der Verfasser in Bezug auf die anfangs definirten Magnetkraftlinien folgende Schlüsse. Der Betrag der Magnetkraft (wie es der entwickelte elektrische Strom zeigt) ist ein bestimmter, und für dieselben Kraftlinien gleich, welch einen Abstand der Punkt oder die Ebene, wo die Kraft ausgeübt wird, vom Magnet auch haben möge. Ein Verlust oder Zerstören oder Verschwinden oder Latentwerden der Magnetkraft giebt es nicht, Convergenz oder Divergenz der Kraftlinien macht keinen Unterschied im Betrage ihrer Kraft. Schiefe der Durchschneidung hat auch keinen Einfluß. In einem gleichmäßigen Felde der Magnetkraft ist die Elektricitätsentwicklung proportional der Zeit der Bewegung oder der Geschwindigkeit oder dem Betrage der durchschnittenen Kraftlinien.
Hierauf wurde der innere Zustand des Magnets untersucht, mittelst der Resultate, die mit dem radialen Draht oder dem rotirenden Magnet, wenn dieser einen Theil der Schließung ausmachte, erhalten wurden. Der Schluß daraus war: daß innerhalb des Magnets ebenso bestimmte Magnetkraftlinien von gleichem Betrage vorhanden sind wie außerhalb desselben, daß diese die Fortsetzung von jenen sind, und daß jede Magnetkraftlinie, wie weit sie sich auch vom Magnet ab erstrecken möge, (principiell ins Unbestimmte) eine geschlossene Curve ist, welche in gewissem Theile ihrer Bahn durch den Magnet geht, übereinstimmend mit dem, was man Polarität nennt.
Da in einem geschlossenen Draht, wenn er quer durch [540] Magnetkraftlinien geht, ein elektrischer Strom inducirt wird, so wurde zunächst der Einfluß einer Veränderung der Masse oder des Durchmessers des Drahtes untersucht, und eine andere Form von Apparat angewandt, in welchem die Drahtschlinge einen gegebenen Betrag von Linien durchschneiden konnte. Jede Schlinge bestand aus einem Draht von gleicher Länge, aber verschiedenem Durchmesser, oder aus einem oder mehren Drähten von gleichem Durchmesser. Es ergab sich, daß der entwickelte Strom oder Betrag von Elektricität sich nicht einfach verhält wie der Raum, eingenommen von der Breite des Drahts, welche der Kraftlinie, die Relation zu der Polarität der Kraft hat, entspricht auch nicht wie der, eingenommen von der Dicke oder derjenigen Dimension des Drahts, welche die Anzahl der durchschnittenen Kraftlinien einschließt und, entsprechend der Bewegungsrichtung, Relation zu der aequatorialen Beschaffenheit der Linien hat, sondern sich wie beide vereint oder wie die Masse des Drahts verhält.
Der bewegte Draht wurde darauf mit verschiedenen Medien umgeben, wie Luft, Alkohol, Wasser, Terpenthinöl u. s. w. allein in allen waren die Resultate gleich.
Es wurden auch verschiedene Metalle angewandt, und Resultate erlangt, die mit den in der zweiten Reihe dieser Untersuchungen beschriebenen übereinstimmen. Es ergab sich, daß der erregte Strom sich direct verhält wie die Leitungsfähigkeit der angewandten Substanz. Er steht in keiner Beziehung zum magnetischen Charakter des Körpers; denn Eisen liegt zwischen Zinn und Platin, und zeigt keine andere Verschiedenheit als die vom Leitungsvermögen herrührende, weicht von diesen Metallen viel weniger ab als es nichtmagnetische Metalle thun.
Hierauf kam die magnetische Polarität in Betracht. Der Verfasser versteht mit diesem Worte die entgegengesetzten, und antithetischen Wirkungen, die an den gegenüberliegenden Enden oder gegenüberliegenden Seiten eines begränzten Stücks einer Kraftlinie auftreten. Er ist der Meinung, daß diese Eigenschaften oder Zustände nicht immer mit [541] Sicherheit durch Anziehungen und Abstoßungen angezeigt werden. So wird, wie aus früheren Untersuchungen über diamagnetische und paramagnetische Wirkungen ersichtlich, eine Lösung von Eisenvitriol durch einen Magnetpol angezogen, wenn sie von einer verdünnteren Lösung umgeben ist, aber abgestoßen, wenn sie von einer concentrirten Lösung umgeben ist. Dennoch kann die Richtung der durch sie und die umgebenden Media gehenden Kraftlinien in diesen beiden Fällen nicht umgekehrt seyn, und daher muß die Polarität dieselbe bleiben. Der bewegte Draht zeigt indeß in solchen Fällen die wahre Polarität oder die Richtung der Kräfte an. Zur Anwendung ihrer Principien in dieser Beziehung auf die Metalle wird ein Apparat beschrieben, durch welchen man Scheiben von verschiedenen Metallen zwischen den Polen eines Hufeisenmagnets rotiren lassen, und die entwickelten elektrischen Ströme zu einem Galvanometer führen kann. Mögen nun die Scheiben von paramagnetischen und diamagnetischen Metallen seyn, entweder von Eisen, oder von Wismuth, Kupfer, Zinn oder Blei, so zeigt doch die Richtung des entstandenen Stroms, daß die durch die Metalle gehende magnetische Kraftlinie in allen Fällen dieselbe ist, und folglich wird die Polarität darin auch dieselbe seyn.
In Uebereinstimmung mit der in diesem Aufsatz enthaltenen Definition der Magnetkraftlinie entwickelt der Verfasser nun ausführlicher seine Meinung in Betreff der Ausdrücke, die er in den drei letzten Reihen seiner Untersuchungen gebraucht hat; und auf die früheren, seit dem Jahre 1830 erhaltenen Resultate verweisend, setzt er aus einander, welchen Einfluß die Idee der Kraftlinien gehabt habe auf den Gang seiner Untersuchungen und auf die zu verschiedenen Zeiten erlangten Resultate, deren Ausdehnung er ihr verdankt. Zuletzt empfiehlt er noch aus speciellen Gründen die Untersuchung der Magnetkraftlinien mittelst eines bewegten Leiters.