Adagio
[324] Adagio. (Zu dem Bilde S. 312 und 313.) Ein Lied aus alter Zeit! … Sachte streicht der Bogen über die Saiten und mit dem Erklingen der einfachen Melodie steigt vor des Hörers Seele die Erinnerung auf an ferne glückliche Tage. Wie war dort die Welt so schön! Wie froh wanderte er an der Seite seines jungen Weibes durch den Frühlingswald und horchte zu, wenn sie so recht aus voller Brust ins Weite hinaussang, Lied um Lied, wie es ihr aus der Seele quoll, jubelnd und sehnsüchtig, aber alle von dem Zauber ihrer süßen Stimme erfüllt, unvergeßlich für alle Zeit! Ihr Leben war ein kurzes, hohes Glück, nun liegt sie schon lange unter Blumen draußen in dem stillen Grund, und dem Einsamen blieb die Erinnerung zurück. Er hat sich aus der herben Trauer aufgerafft und in angestrengter Arbeit ein wertvolles Leben geführt, an seiner Seite erwuchs das Vermächtnis der Dahingegangenen, ein ernstes seelenvolles Mädchen, die den Vater mit zärtlicher Liebe umfaßt. Sein Tageslauf läßt ihm keine Zeit zum Wünschen und Sehnen. Aber wenn die Dämmerung hereinbricht und er still in seiner Ecke sitzend dem Violinspiel der Tochter zuhört, da kommt die Erinnerung mit Macht über ihn, und er träumt sich beim Klang der alten Lieder in die alte Zeit zurück …
So erzählt uns der Maler des stimmungsvollen Bildes, dessen schlichte Wahrheit den Beschauer eigentümlich ergreift und fesselt.