Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H21

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Heft 20 des Erzgebirgischer Kreis Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 21 der Section Erzgebirgischer Kreis
Heft 22 des Erzgebirgischer Kreis
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Tuttendorf
  2. Neubau
  3. Fürstenhof
  4. Niederbobritzsch


[161]
Tuttendorf


liegt nordöstlich ½ Stunde von Freyberg entfernt im gekrümmten, angenehmen, von Fichten und Laubholz beseiteten Thale der sich hindurchschlängelnden Mulde.

Den Namen des Ortes erklären Einige durch Theodonisdorf (woher auch Dietenhofen oder Thionville benannt worden sei), Andre durch Theodotusdorf. Indess kommt schon 1185 der Name Tutendorf vor und deshalb ist wohl an den altdeutschen Namen Tute, Teute, Taute zu denken, von welchem so viele andere Ortsnamen abstammen.

Tuttendorf bildete ursprünglich ein besonderes Erblehngut mit eigenen Gerichten, welches die Schriftsässigkeit erlangte und ist der Ort selbst sehr alt. Ja, man hat die Vermuthung aufgestellt, dass derselbe sammt Christiansdorf als eigentlicher Mutterort der Colonie Freyberg zu betrachten sei. Denn der Bergbau Tuttendorfs, vormals sehr belebt, seit 3 Jahrhunderten aber nicht bedeutend, soll älter sein als der Freyberger, eine Behauptung, die dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt, dass unter andern Tuttendorf, des ergiebigen Bergbaues wegen, von dem Bezirke des durch Otto den Reichen 1162 gestifteten Klosters Altenzelle urkundlich ausgeschlossen blieb.

Mit dem nahe gegenüber, auf dem rechten Muldenufer gelegenen Conradsdorf, durch eine Brücke in Verbindung gesetzt, ist das rücksichtlich seiner Gebäude von der Mulde nach Freyberg zu sich ziehende Tuttendorf, von dem tiefer liegenden Dorfe Halsbrücke nur eine kleine halbe Stunde entfernt.

Das hiesige Herrenhaus zeichnet sich durch seine Grösse und schöne Bauart aus und gewährt für unser Album gewiss ein herrliches Bild.

Die früheren Besitzer des Gutes sind wegen mangelnden Nachrichten nicht mehr mit Bestimmtheit zu ermitteln gewesen. Auf alle Fälle stand es, wie die anderen Orte des Freyberger Bergbaues, in den ersten Jahrhunderten unter einem Advocatus oder Voigt, auch Friedensrichter genannt. Erst nach Beseitigung dieser Voigte mag Tuttendorf ein selbstständiges Gut geworden sein. Denn als erster bekannter Besitzer von 1451 wird uns der Freiberger Bürgermeister Weller von Molsdorf genannt, derselbe, welcher bei der Landestheilung zwischen Friedrich dem Sanftmüthigen und Herzog Wilhelm auf des Ersteren Ansinnen, Wilhelmen die Treue zu versagen, dem Kurfürsten die Wahl stellte, sie sterben oder treu bleiben zu lassen, worauf letzteres der Kurfürst Friedrich vorzog.

Durch den Bürgermeister Weller von Molsdorf kam Tuttendorf an den Stadtrath zu Freyberg, als den Verwalter des Johannishospitales, von welchem es die Scheunert’sche Familie aquirirte, bei welcher solches sich jetzt noch befindet. Herr August Wilhelm Scheunert ist der dermalige Besitzer.

Tuttendorf liegt in einem milden und schon viel Laubholz zeugenden Thale, gegen 900 bis 950 par. Fuss über dem Meere.

Unterwärts vermitteln es einzelne Häuser so ziemlich mit Halsbrücke. Die Mulde hat hier sehr gekrümmten Lauf, weshalb der Ort im Thale nirgends weit zu sehen ist; auch dehnt sich derselbe nicht nach hiesiger [162] Art eben sehr in die Länge aus, sondern ist mehr niederländisch angelegt. Die Pflege gehört zu den volkreichsten in Sachsen, wozu natürlicher Weise der Bergbau die Veranlassung gegeben hat.

In der Nähe von Tuttendorf giesst ein Hauptstollen Sachsens, der alte tiefe Fürstenstollen nebst dem alten Thurmhöfer Hülfsstollen in die Mulde aus. Von vielen hier sonst betriebenen Zechen ist nur das Ober-Neugeschrei, jedoch ohne sonderliche Bedeutung, noch im Gange; wichtiger war sonst die, jetzt in Frist liegende Grube Gottes Hülfe, das Beilehn von Güte Gottes an der Halsbrücke.

Tuttendorf war, wie oben schon erwähnt, sonst ein dem Stadtrathe zu Freyberg zustehendes Dorf, und deshalb steht auch noch heutigen Tages dem Stadtrathe zu Freyberg das Collaturrecht über die dasige Kirche zu, welche tiefer als das Herrenhaus näher der Mulde steht.

Diese Kirche war früher der heiligen Anna geweiht, also einer Schutzpatronin des Bergbaues, weshalb hieher grosse Wallfahrten unternommen wurden.

Im Jahre 1705 riss man die alte Kirche hinweg und weihete 1710 die neue ein, an deren Thurm auch noch das Bildniss der Anna aufbewahrt wird. Von 1681 bis 1690 existirte hier der Liederdichter Johann Gfr. Hoffmann aus Freyberg, welcher auch das geistliche Grubenlicht und die Rosengedanken und Rosengespräche geschrieben hat.

Eingepfarrt in die hiesige Kirche sind Halsbrücke mit Neubau, Lossnitz, Fürstenhof und Fürstenthal und Lössnitz. – Lossnitz und Lössnitz sind nicht mit einander zu verwechseln. Ersterer Ort ist sehr alt und kommt eher vor, als Freyberg.

Lössnitz dagegen ist erst in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erbaut. Jenes Lossnitz gehörte früher den 3 Brüdern von Mordeisen auf Kleinwalthersdorf, welche den Ort nebst noch 6 andern Dörfern im Jahre 1587 an den damaligen Kurfürsten von Sachsen, Christian I. um 525,000 fl. verkauften.

Lossnitz und Lössnitz haben ihre eigenen Schulen, während Fürstenthal seine Kinder nach Tuttendorf in die Schule schicken muss, in welcher 150 Kinder unterrichtet werden.

Tuttendorf mit seinen 58 bewohnten Gebäuden und seinen 458 Einwohnern gehört jetzt zum Gerichtsamte Freiberg.

M. G.     




Neubau
bei Freiberg.


¾ Stunden von Freyberg gelegen, muss wohl unterschieden werden von Neubau bei Frankenberg und von Neubau bei Frauenstein. Unser Neubau liegt ganz nahe bei Halsbrücke, auch Hals genannt, welches theilweise bis zur neuen Gerichtsorganisation erbgerichtlich unter Neubau gehörte.

Das weit zerstreute Halsbrücke verbreitet sich herab bis zum linken [163] Ufer der Mulde, in deren Thal das Amalgamirwerk, das Schlackenbad, der Flossholzhof, das Kohlenmagazin, die Silberhütte, sowie die Glätte- und Bleiweissfabrik vorzügliche Beachtung verdienen.

Eine hier über das Muldenthal von einem Berge zum andern auf hohen steinernen Bogen geführte, sehr merkwürdige Wasserleitung, wie eine an diese Wasserleitung gelehnte, wieder hohe Muldenbrücke, über welche die alte Meissner-Strasse führt, haben den Namen Halsbrücke veranlasst, wogegen Neubau wohl seine Benennung von den ersten Ansiedelungen der Sachsen im Gegensatze zu den schon zur Wendenzeit entstandenen Dörfern erhalten hat. Denn Neubau ist deshalb immer nicht so neu mehr, sondern ein sehr alter Ort, wo frühzeitig auch Bergbau getrieben wurde.

Soviel steht fest, dass alle die Orte Hals, Neubau u. s. w. von dem hiesigen Bergbau ihre Benennungen erhalten haben. Nach Halsbrücke ist sogar ein Bergamts-Revier benannt, deren es 5 giebt.

Neubau und Halsbrücke gehörten in der frühesten Zeit ebenfalls zum Kloster Zelle und kamen nach Säcularisation des Klosters an den Stadtrath zu Freyberg, wie so viele andere Dörfer der Umgegend.

Die in der Abbildung befindliche herrschaftliche Wohnung bildet das Erblehngut, dem jedoch Rittergutsgerechtsame ertheilt sind. Seit längerer Zeit befindet sich dieses Gut bei der Familie Heym. Die gegenwärtige Besitzerin ist Frau Johanna Christiane Heym, welche es von ihrem Ehemann überkommen hat. Nicht weit von Neubau bei der Halsbrücker Schmelzhütte steht das grosse Amalgamirwerk, welches jetzt wenig mehr benutzt wird.

Es wurde im Jahre 1787 gegründet und im Jahre 1790 in Umtrieb gesetzt. Im Jahre 1791 besah es der Churfürst Friedrich August, der selbst ein Kunstverständiger und grosser Beförderer des Bergbaues war, mit vielem Beifall und Vergnügen. Das Jahr darauf den 17. Aug. 1792 ging das schöne Gebäude in Feuer auf.

Doch in einigen Tagen darauf kam Friedrich August nach Freyberg und befahl die schnelle Herstellung dieses Werkes.

Es wurde weit schöner, kunstreicher, zweckmässiger und so feuerfest erbaut, dass ein neues gänzliches Abbrennen desselben nicht mehr möglich werden konnte.

Denn ein sehr grosses, vom Wasser in Bewegung gesetztes Feuerspritzendruckwerk kann nöthigenfalls das ganze Gebäude mit Wasser gleichsam überschütten und dasselbe durch Röhren und Schläuche in alle Gemächer und Behältnisse verbreiten. Der Hauptstrahl steigt gegen 40 Ellen.

Mit diesem Amalgamirwerke stehen die Schlackenbäder in Verbindung.

Das mit einer Gastwirthschaft verbundene derartige Bad erfreut sich fleissiger Besuche.

Die Bereitung des Badewassers geschieht so, dass man in reinem Flusswasser glühende Schlacken ablöscht, welche eiserne Karren aus der Schmelzhütte herzubringen.

Zu der hiesigen angenehmen Lebhaftigkeit trägt die Gegenwart vieler hier angestellten Bergbeamten, sowie die Nähe der Stadt Freyberg nicht wenig bei.

Neubau hat ebenso das lebhafte freundliche Ansehen wie Halsbrücke, und beide Orte werden als ein Ganzes betrachtet.

Hier ist die Gegend, welche die erste historisch gewisse Veranlassung zum Erzgebirgischen Bergbaue gab. Fuhrleute, welche Salz und Blei aus Halle und Goslar nach und durch Sachsen schafften, fanden in dasiger Gegend, mitten auf der Strasse einige schöne Erzstufen, die sie für Bleierz erkannten. Dieselben nahmen solche mit nach Hause und liessen sie in Goslar probiren.

Bei der Probe fand man das Erz weit mehr silberhaltig, als das Goslaer.

Das veranlasste einige Harzbergleute zu einem Zuge in das Erzgebirge, wo sie ihre Nahrung fanden.

Einige Jahre darauf 1169 verfeindete sich Herzog Otto von Braunschweig mit seinem Bergvoigte Herrmann von der Gowische. Letzterer [164] zog aus Rache mit seiner ganzen Knappschaft in die ihm wohlbekannte Freyberger Gegend und liess sich mit seinen Colonisten in der hiesigen Gegend nieder, welches den Anbau von Freyberg bewirkte.

Das ganze hiesige Berggebiet gehörte damals dem im Jahn 1162 gestifteten Kloster Altenzelle. Allein der Markgraf Otto traf bald einen Tausch mit dem Abte, und gab ihm für dieses Revier das Städtchen Rosswein.

Der erste sächsische Regent, welcher von dem Bergsegen den besten Gebrauch machte, war der grosse Churfürst August im 16. Jahrhundert. Dieser liess herrliche Schlösser erbauen, kaufte grosse Güter an, richtete viele nützliche Anstalten ein, rief Künstler und Handwerker ins Land. Unter ihm erhielt das Bergwesen auch eine weit bessere Einrichtung, und er ist als der eigentliche Gesetzgeber des Bergwesens zu betrachten.

Hier ist der Bergmann so eigentlich zu Hause, und obschon viele verunglücken und viele durch die böse Bergluft von der frühesten Jugend auf kränkeln, so zieht es doch stets den Sohn, die Beschäftigung des Vaters zu wählen und bei der einfachsten Lebensweise findet man Frohsinn und Heiterkeit unter der zahlreichen Familie.

Möge ferner Sachsens Bergbau blühen und grünen und ein gesegneter sein!

Halsbrücke mit Neubau ist mehrstentheils von Berg- und Hüttenleuten bewohnt und fasst in seinen 150 bewohnten Gebäuden die enorme Zahl von 1428 Einwohnern.

Die Schule zu Halsbrücke, wohin die Kinder von Neubau ebenfalls mit gehen, wird von 250 schulpflichtigen Kindern besucht.

Bei Halsbrücke fällt die Bobritzsch in die Freyberger Mulde, welche beim Dorfe Mulda in Böhmen entspringt.

Neubau mit Halsbrücke gehört jetzt zum Gerichtsamte Freyberg, während es früher theils seine eignen Gerichte hatte, theils unter den Stadtrath von Freyberg gehörte, welcher auch in früheren Zeiten Lehnsherr über diese Orte war.

M. G.     




Fürstenhof


eigentlich blos Vorwerk Fürstenhof zwischen Lossnitz und Grossschirma, welches in der frühesten Zeit eigentlich das Hauptgut von dem Königl. Kammergute Grossschirma war und sehr häufig mit Fürstenthal verwechselt worden ist.

Der Fürstenhof liegt zu Ende des berühmten ¼ Stunde von Freyberg entfernten Dorfes Lossnitz, welches die Churfürstin Magdalena Sybilla, Gemahlin Georg I. den 22. Juni 1636 von dem damaligen Besitzer desselben, Abraham Martini erkaufte.

[165] Die Entstehung der Gebäude des Fürstenhofes, als des Hauptgutes von Grossschirma, kann man schon in das 11. Jahrhundert zurückversetzen, wo die Anbauungen hier an der Lossnitz und dem Schirmbache begannen.

Zu Anfang des 10. Jahrhunderts war die ganze hiesige Gegend noch von dem böhmischen Riesengebirge bis an den Zellerwald mit Schwarzholz besetzt, rings herum aber von Slaven, insbesondere von Wenden, und hier namentlich von Lusitzern bewohnt. In hiesiger Gegend wohnten vorzüglich die Lusitzer an dem von ihnen genannten Bach Lusitz und verehrten wahrscheinlich auf der südlichen Anhöhe von Schirma in einem Birkenhaine einen Götzen. Noch bis vor einigen 20 Jahren stand ein Theil dieses Busches, welcher Lausebusch genannt wurde, auf einer Anhöhe, die eine schöne Aussicht gewährt; jetzt ist solcher gerodet und in Ackerland verwandelt, welches zum Kammergute oder zum jetzigen Staatsgute gehört.

Nach Verdrängung dieser Völker durch Heinrich und durch seinen Nachfolger Otto mit Hilfe der Sachsen über die Elbe bis an die Spree, bekam das neue Land von ihnen den Namen Lausitz, das verlassene wurde aber von Sachsen behauptet. Die grossen Schwarzwälder wurden gelichtet und Burgen und Dörfer angelegt. Der sumpfige Boden wurde urbar gemacht und von grünenden Fluren umgeben, reiheten Gehöfte sich an Gehöfte.

Bei der Gründung des Klosters Altenzelle bei Nossen wurden die meisten hiesigen Orte, auch Grossschirma mit den Vorwerken oder vielmehr die Gebäude, woraus später der Fürstenhof gebildet wurde, sammt Grossschirma im Jahre 1162 von Otto, dem Reichen unter die Gerichtsbarkeit dieses Klosters gestellt und demselben selbst einverleibt. Erst nach Säcularisirung des Klosters Altenzelle wurde mit diesen Orten 1545 der Kanzler des Herzogs Moriz, Dr. Mordeisen beschenkt, dessen Sohn einen grossen Theil davon 1587 an Kurfürst Christian wieder abtrat.

Fürstenhof war inzwischen an einen gewissen Martini gekommen, von welchem es erst, wie oben schon erwähnt worden ist, solches 1636 die Gemahlin Georg I. Magdalena Sybilla als Wittwensitz gegen das Erbgericht in Langhennersdorf eingetauscht hat, seit jener Zeit ist es mit dem Vorwerk oder Kammergut Grossschirma vereint und wird von dem Pachtinhaber des ersteren zugleich mit verwaltet. Wenn der Fürstenhof bisweilen auch das Klöppel-Vorwerk genannt wird, so darf man darunter eigentlich nicht ein und dasselbe Vorwerk verstehen.

Denn Fürstenthal oder das Klippelvorwerk ist noch ein zweites, zu Schirma gehöriges im sogenannten Fürstenthale d. i. im untersten Thale der Lossnitz oder des Münzbachthales gelegenes Vorwerk. Dieses Klippelvorwerk hat seinen Namen von den Töchtern eines ehemaligen Besitzers, Adam von Meyra erhalten, welche viel geklöppelt haben sollen und sei daher Klöppel genannt worden. Am 22. Juni 1636 kaufte die Kurfürstin Magdalena Sibylla den Klippel vom gedachten Martini, schlug einige Bauergüter dazu und pflegte auf ihren Reisen von Dresden nach Altenburg hier zu verweilen.

Nachher schlug man Klippel zum Fürstenhof. Das gesammte Kammergut wird bald nach dem Fürstenhof, bald nach dem Hauptgute im untersten Theile von Grossschirma genannt.

Die Gebäude des Fürstenhofes sind gross und schön und wahrhaft fürstlich eingerichtet.

Ungefähr ¼ Stunde nördlich von Fürstenhof liegt das königl. Bergwerk, der Churprinz am Gehänge des Muldenthales, welches einen reichen, interessanten Prospect liefert.

Die ganze hiesige Gegend ist wohl eine der belebtesten und volkreichsten vom ganzen Sachsenland. Durch das freundliche Muldenthal werden die Annehmlichkeiten dieser Gegend noch erhöht.

Vorzüglich bietet sich beim Dorfe Rothenfurth, dessen Mittelpunkt dem Fürstenhofe gegenüber liegt, die schönste Ansicht hiesiger Gegend dar.

In mannigfaltigen Gruppen erhebt sich das Dorf mitten durch Saatgefilde an beiden Seiten eines Baches, gleichsam in den Wolken.

Wenn man von hier aus die Anbauungen schärfer beobachtet, so wird man Fahrwege und Fusssteige gewahr, welche von Menschen belebt und in den Abendstunden von den Grubenlichtern der Bergleute magisch beleuchtet werden.

Eine andere schöne Ansicht bekommt man von diesem Dorfe auf dem Wege von Freyberg her, wo sich das Muldenthal unsern Augen immer mehr aufthut, je näher man kommt. Hier bildet Rothenfurth mit seiner langen Reihe von Häusern, welche bald am Ufer der Mulde, bald am Abhange der Felder und Felsen stehen, einen reizenden Hintergrund, [166] der sich des Nachts wie ein immerwährender heiliger Christabend aus dem dunkeln Thale hervorhebt. Nicht minder entzückend ist der Vordergrund, welchen Grossschirma mit seiner Schäferei und Mühle, seinem Kammergute und Berghuthause bildet; diese Gruppe verbindet ein Kanal, welcher sein Wasser aus der Mulde nimmt und dem Bergwerke „Friedrich August“ zuführt.

Mächtig hinreissend ist dieses Thal, wenn die Strahlen der Morgensonne solches beleuchten und die blöckenden Heerden aus dem Schäferhofe ausziehen, in welches Geschrei die Grubenglöckchen harmonisch hinein schallen.

Ein Panorama dieser herrlichen Umgebung findet sich auf dem Lämmerberge über der Schäferei. Hier tritt zur Linken noch eine Wiese mit dem Walthersbache und Bergkanale vor unsere Augen und das Dorf selbst erhebt sich bis über die Kirche hinauf. Der Fuss desselben berührt das Muldenthal und wird vom vereinten Dorfe und Walthersbache bespült.

Das Dorf Rothenfurth hat eine Filialkirche von Grossschirma. Die sämmtlichen Kammergutsgebäude von Grossschirma waren aber noch bis zum 18. Jahrhundert nach Tuttendorf gepfarrt, wogegen jetzt nur noch Fürstenhof und Fürstenthal mit Lossnitz zu der Kirche des letzteren Orts gehören. Lossnitz war ohnehin nach Freyberg in die Kirche gewiesen, von welchem auch bekanntlich ein Theil auf der alten Lossnitzer Flur steht; pfarrte sich aber selbst von der Stadt aus, da bei einer Epidemie deren Geistliche es gänzlich vernachlässigt, dagegen der Tuttendorfer Pfarrer es fleissig besucht haben soll.

Noch früher aber stand in Lossnitz selbst eine Kapelle, wo Zellische Mönche Beichte hörten; die Stelle dieser Kapelle wird noch heutigen Tages gezeigt.

Schon 1181, also vor der Erbauung Freybergs, existirte dieses Lossnitz, in dessen Nähe man die ersten gehaltreichen Silbergänge entdeckte. Nach dem letzten Treffen des 7jährigen Krieges, in welchem die Preussen unter Prinz Heinrich siegten, lagerte sich der Prinz von Stollberg mit der Reichsarmee am 29. Oct. 1762 zwischen hier und Brand.

Fürstenhof mit Fürstenthal, Grossschirma und Churprinz hat 158 bewohnte Gebäude mit 1492 Einwohnern, welche alle dem Gerichtsamte Freyberg untergeben sind.

M. G.     




Niederbobritzsch


1½ Stunde südöstlich von Freyberg an der Strasse nach Dippoldiswalde zu gelegen hängt auf seinem südöstlichen Ende mit Oberbobritzsch so genau zusammen, dass beide Dörfer, in dem Bobritzsch-Thale 3 Stunden lang ausgedehnt, dem Unkundigen zusammengehörig erscheinen.

[167] Das niedere, westnördliche Ende ist von Naundorf ¼ Stunde entfernt.

Niederbobritzsch aus der alten grauen Wenden-Zeit stammend, bildet mit seinen Gehöften und Häusern eine 1½ Stunde lange Doppelreihe, durchschnitten von der auf den Reichenauer Fluren bei Frauenstein entspringenden Bobritzsch, über welche im Dorfe 8 steinerne und 3 hölzerne Brücken, nebst vielen Stegen, die Communication sichern. Das prächtige Thal der Bobritzsch ist hier nicht so beengt, wie bei Oberbobritzsch‚ aber allenthalben reizend und anziehend. Allenthalben tragen die in grosser Ordnung gehaltenen Aecker Spuren der fleissigen Hände ihrer Pflüger und froher Sinn der Bewohner, sowie der gute Zustand ihrer Gespanne und Heerden verrathen einen gewissen Wohlstand.

Die hiesige Feldwirthschaft bringt an Sommerkorn, Gerste und Hafer reichliche Ernten, die reichlichsten aber durch Flachsbau, der einem Hüfner im glücklichsten Falle jährlich bis 400 Thlr. rentirt.

Der Hauptgrund des in der ganzen Umgegend bekanntlich ausgezeichneten Flachses ist wohl der, dass man sehr vorsichtig bei der Wahl des Saamens zu Werke geht, und dem anderwärts in die Sömmerung verwiesenen Gewächs vieljährig geruhtes, mit eigensinniger Sorgfalt bearbeitetes Brachfeld, zu dessen Bedüngung man Holz- und Seifensieder-Asche 3 bis 4 Meilen weit herzuholt, einzuräumen pflegt. Zugleich jedoch gründet sich die Feinheit solchen Flachses auf Boden und Klima und dürfte ebenso zu erklären sein, wie das Erscheinen in den Waldungen des Erzgebirges, deren Fichten und Buchen weit dichtere und feinere Jahreswüchse auf dem Abschnitte zeigen, als ähnliche Hölzer in vielen andern Gegenden.

Dem nicht Feldbesitzenden wird zum Säen einiger Metzen Leines ein Stückchen Feld eingeräumt, welches der Benutzende zu bedüngen und dem Grundherrn einige Arbeitstage (gewöhnlich in der Erndte) unentgeldlich zu leisten hat.

Der hier erbaute Flachs wird fast ausschliessend gebrochen im rohen Zustande verkauft. Gesponnen wird im Ganzen sehr wenig und nur so viel, als das Haus bedarf. Blos die ärmeren Einwohner beschäftigen sich mit Spinnen und verkaufen das Garn. Leinwand wird nur wenig fabricirt und auf den Markt kommt von hier aus gar keine. Oft bezahlt mit Gespinnst die ärmere Classe den Müller, Bäcker, Krämer u. s. w. Aber mit mehr als 1000 Händen vermögen die fleissigen Spinnerinnen eine Flachserndte nicht zu verarbeiten und lassen den Fuhrleuten der Oberlausitz und Böhmens, welche sich einfinden, auch grosse Quantitäten gebrochenen Flachses zur Ladung übrig.

Auch Hafer, Butter und Leinöl, welche Artikel meist nach Dresden verführt werden, bieten dem Dorfe eine beträchtliche Einnahme.

Das jetzige Kanzlei-, Erb- und Lehngericht war früher mit allen Rechten eines Ritterguts beliehen, weshalb es in unserm Album einen Platz gefunden hat.

Die ersten bekannten Besitzer dieses Rittergutes waren die Herren von Bobritzsch, die von dem Orte den Namen entlehnten. Diese Herren von Bobritzsch waren auch Freyberger Rathsherren. Ein Stephan von Bobritzsch auf Niederbobritzsch war im Rathe zu Freyberg Senator.

Im 18. Jahrhundert besass dieses Gut der Obrist Schöpps von Löbneck, worauf es an den Stadtrath von Freyberg kam.

Die Gebäude des jetzigen Gutes zeichnen sich vortheilhaft aus und sind in vortrefflichem Zustande.

Die Fischerei in der Bobritzsch, welche vorzüglich Forellen und Aale in reichem Masse liefert, gehört zum Gute. Der ganze Gutscomplex besteht aus 8 Hufen und umfasst 5 nicht unbeträchtliche Teiche und nicht unbedeutende Holzungen.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so machte sich hier das Kriegsjahr 1813 durch drei grosse französische Lager und durch viele Durchmärsche der Alliirten sehr fühlbar.

Mit dem Bergbaue sind in neuerer Zeit verschiedene Versuche ohne besonderen Erfolg gemacht worden. Ein in Oberbobritzsch gefasster und über Conradsdorf auf den Gegendrom einst geleiteter Kunstgraben, [168] läuft links der Bobritzsch über die Niederbobritzscher Fluren, welche überhaupt mit denen der Dörfer Colmnitz, Sohra, Oberbobritzsch, Weissenborn, Hilbersdorf und Naundorf gränzen.

Bis zum Jahre 1815 war hier ein Königl. Hegereuter stationirt. Das unter seiner Aufsicht gestandene Holz, der Tänig, ist seitdem vom Rentamte Freyberg hinweg zum Naundorfer Reviere gekommen.

Fast in der Mitte des Ortes steht die Kirche von Niederbobritzsch, über welche das Ministerium des Cultus die Collatur übt.

Im Jahre 1632 wurde sie nebst der Pfarrwohnung bei einem Einfall der Kaiserlichen ein Raub der Flammen und bei einem ähnlichen Einfall im Jahre 1639 wiederfuhr der hiesigen Schule ein gleiches Schicksal.

Jetzt besitzt der Ort zwei Schulhäuser, in welchen an 300 Kinder unterrichtet werden.

Kirche und Schule stehen jetzt unter der Inspection von Freyberg, sonst waren solche in den Freyberger Sprengel der Meissner Domprobstei einverleibt.

Oberbobritzsch hat seine besondere Kirche und gehört zu denjenigen Dörfern, welche dem Rathe zu Freyberg als Verwalter des St. Johannis-Hospitals seit dem 13. Jahrhundert zustehen, und man kann sich daher nicht erklären, wie man so oft das nahe dabeiliegende Sohra als Rittergut Sohra mit Oberbobritzsch aufgeführt findet.

Die alte Burg Sohra stand im Walde nach Pretzschendorf hin, welche erst im Hussittenkriege zu Grunde gegangen ist, also kann dieses Rittergut keine Unterthanen in Sohra gehabt haben. Höchstens können blos einzelne Grundstücke an Oberbobritzscher Einwohner von der Burg Sohra gekommen sein, wodurch eine gewisse Beziehung zu Sohra entstand. Aber deshalb bleibt die Bezeichnung des Rittergutes Sohra mit Oberbobritzsch immer falsch.

Oberbobritzsch und Niederbobritzsch gehören jetzt zum Gerichtsamte Freyberg.

Niederbobritzsch zählt 195 bewohnte Gebäude mit 1734 Einwohnern, worunter 1 Chirurg, 3 Krämer, 3 Fleischhauer, 3 Schmiede, 3 Wagner, 1 Sattler, 1 Tischler, 3 Drechsler, 1 Uhrmacher, 4 Stuhlmacher, mehrere Schneider und Schuhmacher, 1 Glaser, mehrere Korbmacher nebst vielen Maurern und Zimmerhandwerkern, sowie viele Hütten- und mehrere Bergleute sich befinden.

Uebrigens sind im Orte 60 Höfnergüter und 59 Gärtnergrundstücke, wovon zwei abgebaut nach Hilbersdorf hin liegen. Ausserdem existiren hier 7 Mahlmühlen, welche zusammen 12 Gänge enthalten, 2 Schneide- nebst 5 Oelmühlen und 2 Gasthöfe zieren das Dorf. Die Gebäude sind meistentheils schön und freundlich und einladend.

Unwillkürlich wird der aufmerksame Beschauer der hiesigen Gegend an die classische Elegie auf die Ruinen eines alten Bergschlosses von Matthison erinnert, wobei man auf den Gedanken kommt, dass es wohl das nämliche Thal sein könnte.

M. G.     



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