Allgemeines Deutsches Kommersbuch:290

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Schauenburg:
Allgemeines Deutsches Kommersbuch
Seite 578, 579
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[578]

Licht. Und er saß und ver=gaß in sei=ner Burg am
Rhein sei=nen Schmerz, denn das Herz tröstet Rü=des=hei=mer
Wein. Rü=des=hei=mer Wein.

     2. Wohl sieben Jahre saß er so geschieden von der Welt und gab
für Rüdesheimer Wein hin all sein Gut und Geld; wohl vierzig
Güter gab er hin für edles Rebenblut, und als das letzte Jahr ver=
ging, ging auch das letzte Gut. Also saß und vergaß er in der Burg
am Rhein seinen Schmerz, denn das Herz tröstet Rüdesheimer Wein.

     3. Doch als das letzte Gut verthan, ging es dem Grafen schlecht;
ein andrer Herr bezog das Schloß, da ward der Graf ein Knecht.
Die ganze Woche plagt er sich im Wirtshaus vor der Burg; was in
der Woche er verdient, bracht er am Sonntag durch. Und dann saß
und vergaß er im Kellerloch am Rhein seinen Schmerz ec.

     4. Und die euch dieses Lied erdacht, die waren selber dort; zu Fuß
kam man den Berg herab, die Gelder waren fort. Man haderte mit
dem Geschick und härmte sich gar sehr; da hörte man vom edlen Graf
die wundersame Mär. Und man saß und vergaß vor seiner Burg am
Rhein allen Schmerz ec.

Bloch. Benda.


          642.     Perkêo.     (I. 174.)

     Frisch. Preiskomposition von Stephan Gruwe. 1861.

     1. Das war der Zwerg Per=kê=o im Hei=del=berger Schloß, an
[579] Wuch=se klein und win=zig, an Dur=ste rie=sen=groß. Man
schalt ihn ei=nen Nar=ren, er dach=te: „Liebe Leut, wärt
ihr wie ich doch al=le feucht=fröhlich und gescheut! wärt
ihr wie ich doch al=le feucht=fröhlich und ge=scheut.

     2. Und als das Faß, das große, mit Wein bestellet war, da ward
sein künftger Standpunkt dem Zwergen völlig klar. „Fahr wohl,“
sprach er, „o Welt, du Katzenjammerthal, |: was sie auf dir hantieren,
ist wurst mir und egal. :|

     3. Um lederne Ideen rauft man manch heißen Kampf, es ist im
Grund doch alles nur Nebel, Rauch und Dampf! Die Wahrheit
liegt im Weine. Beim Weinschlurf sonder End erklär ich alter Narre
fortan mich permanent.

     4. Perkêo stieg zum Keller, er kam nicht mehr herfür und sog
bei fünfzehn Jahre am rheinschen Malvasier. War’s drunten auch
stichdunkel, ihm strahlte inneres Licht, und wankten auch die Beine,
er trank und murrte nicht.

     5. Als er zum Faß gestiegen, stand’s wohlgefüllt und schwer, doch
als er kam zu sterben, klang’s ausgesaugt und leer. Da sprach er
fromm: „Nun preiset, ihr Leute, des Herren Macht, die in mir
schwachem Knirpse so Starkes hat vollbracht.

     6. Wie es dem kleinen David gegen Goliath einst gelang, also
ich arm Gezwerge den Riesen Durst bezwang. Nun singt ein de pro-
fundis
, daß das Gewölb erdröhnt, das Faß steht auf der Neige, ich
falle sieggekrönt.