Am Schalter
Am Schalter.
Stand ich da jüngst an der Bahnhofskasse.
– Telegraphisch nach X ich berufen war. –
Am Schalter vor mir ein junges Paar.
»Nach München zwei Karten, erster Klasse.«
Flog weit meine Seele wie im Traum zurück.
Und Bilder so bunt und mannigfach,
Sie wurden im Geiste mir wieder wach.
Ich sah ihn wieder, den Frühlingstag!
Sah wieder mich durch die Propyläen
Voll Staunen und Wonne das erste Mal gehen.
Wie damals möchte ich noch einmal
Hinein in den alten Rubenssaal
Der prächtigen Menschen und Götterweiber,
Und Tizians erhabne Majestät,
Die noch so lebendig vor mir steht,
Samt den Lenbach, Uhde und Gabriel Max
Wie ferne Musik umspielts jetzt mein Ohr!
Ha, die flotte Kapelle der Gardes du Corps –
Den Einzug der Gäste hör’ ich aufs neu
Wie am Sommerabend im Löwenbräu. –
An die Frühschoppenstund’ am chinesischen Turm,
Unsre lustigen Reiterkavalkaden,
Auf der Ludwigsstrasse die schmucken Paraden,
An die Bergbesteigung im Frühlingsschnee,
An Waldesrauschen und Herdengeläute
Und tausend anderes dachte ich heute.
Auch jene Nacht fiel wieder mir ein,
Wo wir wartend standen im Fackelschein.
Dem herrlichen Alten von Friedrichsruh!
Wie leuchtete da ein Feuermeer
Die dichtgefüllten Strassen einher!
Und dann vor dem festlichen Malerhaus,
Und die warmen Grüsse des alten Recken,
Ein Blumenwerfen und Händestrecken.
Wie freundlich strahlte sein greises Gesicht
In unsrer Fackeln grellblutigem Licht,
Schien segnend uns alle da zu umbreiten.
Und weiter sann ich … »ich bitte den Herrn
Dringend, den Eingang nicht länger zu sperr’n«.
Ich fuhr zusammen – verschwunden der Traum!
»Eins dritter Klasse nach Posemuckel!«
Suchend krümmt der Beamte den Buckel
Und nimmt vom alleruntersten Bord
Die staubige Karte – die erste – fort.
»Zwei erster nach München? Bitt’, hier herein.«