Am Sonntagmorgen
[596] Am Sonntagmorgen. (Zu dem Bilde S. 585.) Wie friedlich sitzt hier der Herr Kantor am frühen Sonntagmorgen bei dem wichtigen Hauptgeschäft seiner Toilette! Das helle Sonnenlicht scheint in sein Stübchen herein, spiegelt sich in dem sauber geordneten Waschgeschirr und wirft blanke Lichter über das grauatlassene Staatshabit, das der Eigentümer schon gestern abend sorgsam auf der Truhe ausbreitete. Der schwarze Amtshut und die blankgeputzten Schnallenschuhe sind auch dicht dabei, und darüber hängt die getreue Geige, welche so oft den ins Unmögliche sich versteigenden Gesang der Dorfjugend wieder ins richtige Geleis zu lenken hat. Aber nur Geduld! Ihrer aller Zeit ist noch nicht gekommen, vorerst sitzt der Herr Kantor in Kniehosen und geblümter Schoßweste, den Kopf in ein Tuch gehüllt, und müht sich, sein Zopfband richtig um den End- und Glanzpunkt der ganzen gepuderten Herrlichkeit zu schlingen. Man sieht es ihm an, welche Wichtigkeit er diesem Geschäfte beimißt und wie wenig verloren er die Zeit erachtet, welche er allsonntäglich darauf verwendet, um dann eine Stunde später im Schmuck dieser majestätischen Perücke den Kirchweg anzutreten. – Die „gute alte Zeit“ mit ihrer friedlichen Stille und genügsamen Unbequemlichkeit sieht uns aus diesem hübschen Bilde ganz leibhaftig an! Bn.