An Madame de Warens
[11] An Madame de Warens
Nimm dieses Bild, mit ihm die alte Treue,
Das reine Herz, das einst sich dir geweiht.
Vertrauensvoll erfleht es sich aufs neue
Nur einen Funken deiner Göttlichkeit.
Mit dem du mich in schöner Zeit umwobst,
Darin du mich empor aus Finsternissen
Zum blauen Äther deiner Liebe hobst.
Nun möcht’ an deiner Brust es wied’rum rasten
Die Melodien, die es dort erfaßten,
Sie hallen fort noch manchen Sommer lang.
Die Welt ist überreich an Glück und Freuden,
Doch reicher, hohe Königin, bist du.
Die Andre hüten in besorgter Ruh.
Und stets von neuem hast du reich zu geben
Des Gold’s, das deiner Seele Tiefen füllt.
[12] Wie manchen Schmerz in deiner Nächsten Leben
Der Mensch verzweifelt unter schweren Qualen,
Siecht hin und altert in Entmutigung,
Da leuchten deines Auges warme Strahlen
Und der gebeugte Geist ist wieder jung.
Was schönes jetzt in meinem Herzen ruht.
Der Flammenbecher, den vereint wir tranken,
Goß laut’res Feuer in mein junges Blut.
Verlaß mich nicht; mir lacht aus deinen Zügen
Verlaß mich nicht, du würdest mich betrügen
Um meinen Himmel, wenn du von mir gehst.
Ich weiß nicht, was mir noch auf Erden bliebe;
Mein Leben strömt aus deinem Augenlicht,
Du Himmelskönigin, verlaß mich nicht!