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An die Freude (Wagenseil)

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Textdaten
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Autor: Christian Jacob Wagenseil
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Titel: An die Freude
Untertitel:
aus: Taschenbuch von der Donau. Auf das Jahr 1824, S. 176–179
Herausgeber: Ludwig Neuffer
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1823
Verlag: Stettinische Buchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Ulm
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Exemplar der HAAB Weimar auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Indexseite
[176]

An die Freude.

Nein! – du bist nicht verschwunden,
Du, die in früher Zeit
So oft mit Wonnestunden
Mein junges Herz erfreut.

5
O du im Rosenkleide,

Ich kenne deine Spur,
Du Himmelskind, o Freude,
Du Liebling der Natur!

O Zeit, wo sie, von Scherzen

10
Umgauckelt, mich umschwebt,

Nach manchen herben Schmerzen
Mich wieder neu belebt;
Wo sie im Aetherglanze
Sich mir zur Seite hing,

15
Mit mir zum frohen Tanze

In Winternächten ging.

[177]

Wo sie zum Rundgesange
Den lieben Zirkel schloß,
Und bey der Gläser Klange

20
Manch Lächeln ihr entfloß.

Wo Gold aus Bechern blinkte,
Gezeugt am alten Rhein,
Und wo sie freundlich winkte,
Mit Frohen froh zu seyn.

25
Wo süße Mädchen sangen,

Wo bey der Freude Lob
Ein sehnendes Verlangen
Die jungen Busen hob;
Wo aus des Flügels Saiten

30
Sie Harmonie’n entwand,

Und ihren Hochgeweihten
Mit Blumenketten band.

Wo Freude zu den Hallen
Der Freundschaft mich geführt,

35
Wo Glück des Einen allen

Das offne Herz gerührt;
In der Geliebten Armen
Sie selig mich beglückt,
Mit Küssen von dem warmen,

40
Dem süßen Mund entzückt.


[178]

O! laß mich nie vergebens
Dich suchen, goldne Zeit! –
Der beste Theil des Lebens
War, Freude, dir geweiht.

45
Das Restchen brächt’ ich gerne

An deinem Hochaltar,
Diesseits der Liebe Sterne,
Dir froh zum Opfer dar.

O wohl mir, denn es prangen

50
An meinem Pilgerstab

Noch Rosen! – Von den Wangen
Bebt manche Thrän’ herab,
Wenn die Erinnrung Bilder
Verfloßner Zeiten mahlt,

55
Und mir dein Auge, milder

Als Glanz der Sonne, stralt.

Noch scheucht die goldne Leier
Aus wunder Brust den Schmerz,
Noch, voll von Jünglingsfeuer,

60
Drück’ ich den Freund ans Herz.

Ach! schöner Thaten Kunde
Erfüllet noch mit Lust,
Und von der Gattin Munde
Der Kuß, die frohe Brust.

[179]
65
In guter Kinder Mitte

Erhöhet sich mein Glück,
Und nah’n sich Enkeltritte,
Wie segn’ ich mein Geschick!
Noch stark am Altersstabe

70
Gibt Wonne mir der Fleiß,

Labt mich des Rheines Gabe
In guter Menschen Kreis.

Sey nah mir, holde Freude,
Bis du mich aufwärts trägst,

75
Und einst im Engelkleide

Die freye Brust bewegst!
Dort, wo entzückt die Hände
Sich Freund und Freundinn reicht,
Dort ist dein Reich ohn’ Ende,

80
Und jeder Gram entweicht.


 Wagenseil.