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An die Leser

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: An die Leser
Untertitel:
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Herausgeber: Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 2. Oktober 1887
Verlag: J. H. W. Dietz
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Erscheinungsort: Hamburg
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An die Leser.

Von Rudolph Lavant.

Wo einst gegirrt die wilde Taube
Und Blüthenschnee gefüllt die Schlucht,
Da rauscht Dein Fuß in welkem Laube,
Da winkt der Brombeerstaude Frucht.

5
Wir schreiten abwärts Stuf’ um Stufe

Und lauschst Du träumend Nachts empor,
So schlagen wirre, bange Rufe
Der Wandervögel an Dein Ohr.

Vorbei das sommerliche Schweifen

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Im grünen Busch bei Glühwurmschein;

Die braunen Haselnüsse reifen
Und früher bricht die Nacht herein.
Es tanzen Schatten auf und nieder
Im Lampenschimmer an der Wand

15
Und sinnend wischst den Staub Du wieder

Von einem inhaltreichen Band.

Die Stille ladet Dich zum Lesen,
Zum Grübeln und zum Träumen ein;
Du fragst Dich, wie es sonst gewesen

20
Und wie es einstmals werde sein,

Und folgst, von Wundern rings umgeben,
Auf schwacher, oft verwischter Spur
Den Führern, die den Vorhang heben,
Zum Hochaltare der Natur.

25
In der verwirrend bunten Fülle

Von Bildern, die dem Blick erscheint
In oftmals trügerischer Hülle,
Suchst Du das Band, das alle eint,
Und in dem Drängen der Gestalten

30
Aus ferner und aus naher Zeit

Suchst Du das unentwegte Walten
Des Fortschritts, der Gerechtigkeit.

Und wenn die Zeilen leicht verschwimmen
Dem Blicke, der auf ihnen ruht,

35
So hauchen zarte Geisterstimmen

Dir in die Seele Trost und Muth,
Und mancher alten Zwingburg Zinnen
Siehst Du mit Reisigen und Roß
Verwehn, zerfahren und zerrinnen

40
Im Winde wie ein Uebelschloß.


Für solche stille, nächt’ge Stunden,
Da Du auf Geisterpfaden gehst,
Hast einen Führer Du gefunden
In uns, wenn Du uns recht verstehst.

45
Versuchs: Vor unsern Worten schwindet

Des Tages grauer, dumpfer Wust
Und jeder Laut der Klage findet
Den Widerhall in unsrer Brust.

Befrage jene, die uns kennen,

50
Ob wir für Brot gereicht den Stein.

Du brauchst uns ihnen nur zu nennen –
Wir dürfen ihrer sicher sein.
Sie werden nimmer sich besinnen
Und froh der Treue Bund erneu’n,

55
So laß zu ihnen Dich gewinnen –

Du wirst’s gewißlich nie bereu’n!

Anmerkungen (Wikisource)

Ebenfalls abgedruckt in:

  • Pionier: Illustrirter Volkskalender 1905, Seite 15.digital