Andros

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Titel: Andros
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aus: Das Ausland, Nr. 155 S. 617-618
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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[617]

Andros.

[1]

Diese längliche Insel wird durch hohe und felsige Gebirge in drei Theile getheilt, den nordöstlichen, mittlern und nordwestlichen. Sie begreift im letztern über 850 Häuser oder Familien mit albanesischer Sprache und Sitte, im mittlern 1200 Familien, unter denen 200 sich in der Hauptstadt, Kastron, befinden, in welcher auch öffentliche Schulen des gegenseitigen Unterrichts und des Altgriechischen sind, im erstern endlich 900 Familien. Hier ist der Hauptort das Dorf Korthion, das ebenfalls öffentliche Schulen für den gegenseitigen Unterricht und das Altgriechische hat.

Die Insel ist der Sitz eines Metropolitan, der den Titel „von Andros und Syra“ führt: sie hat vier Mönchsklöster mit hinreichendem Eigenthum und ein Frauenkloster, über 100 Kirchsprengel (ἐφημερίας ἣ ἐνορίας) und eben soviel Priester, welche alle ihre eigenen Kirchen haben, und selbst das Land bauen.

Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf 3000 Familien, die in etwa 42 Dörfern vertheilt sind.

Unter diesen sind gegen 100 sogenannte vornehme (ἀρχοντικαί) Familien. Diese bebauen nicht das Land selbst, sondern überlassen dasselbe Andern für Lohn: die Pächter geben nämlich den Grundeigenthümern die Hälfte der Erzeugnisse; durch die andere Hälfte, auf welche sie Anspruch haben, wird ihr Lohn bestritten.

Alle, außer den Seeleuten, bebauen ihre Felder, und die, welche selbst nur wenige besitzen, auch die der Archonten; aber diese erhalten, wenn die Abgabe hinweggenommen wird, für ihre Mühe kaum noch das Stroh und das Gras.

Seeleute werden gegen 350 Familien gezählt. Die meisten gehen auf eigenen Fahrzeugen in die See, einige indessen auch auf Fahrzeugen fremder Völker. Aber beinahe alle haben, mehr oder weniger, festes Besitzthum, nämlich von Feldern und Häusern. Die Insel besitzt gegen 20 Goeletten von 2–4000 Maas, und eben so viel Fahreuge von 150–250.

Die Prodkte des Landes sind Seide, Citronen, Wein, Oel, Feigen, Käs, Honig, Gerste, (σμιγάδι) (?), Hülsenfrüche und Obst aller Gattungen.

Ausgeführt wird rohe und gesponnene Seide, Citronen, ein wenig Wein, Obst, sonst auch über 300 Rinder jährlich: aber gegenwärtig ist von den Land- und Seesoldaten, außer den wenigen Heerden, auch das zum Ackerbau dienende Vieh aufgezehrt worden.

Als Einfuhr erhält die Insel Tuch, Baumwollenzeuge, Leinwand, Eisenwaaren, Felle, Seife, Oel, Salz, Reis, eingepökelte Fische, Käse, Tabak, Zucker, Kaffee, Gewürze und Getreide für drei bis vier Monate.

Auf der ganzen Insel mögen sich kaum 50–60,000 Grossi Kupfergeld in Umlauf befinden, weil die Schiffer ihre Ladungen, in denen sie Alles, was die Insel bedarf, bringen, im Kleinen verkaufen, und dabei Landeserzeugnisse, welche sie ausführen, als Bezahlung annehmen.

Der Boden der Insel, der eigenthümlicher Besitz ist, wurde früher behufs der Zehnteneintreibung an die ottomanische Pforte in Geld auf 82,000 Aspr. geschätzt. Seit dieser Zeit wurden einige Felder verbessert, andere aufgegeben, so daß man bei einer neuen Schätzung vielleicht auf das nämliche Resultat kommen würde. Ein Acker von einem Aspron Werth bringt Früchte für ungefähr 3½ Grossi (Piaster); und wenn nun ein Besitz, der 3½ Gr. Ertrag auswirft, auf 100 Gr. geschätzt wird, so beläuft sich der ganze Besitzstand der Insel, die Häuser nicht mitgerechnet, nach dieser ungefähren Berechnung auf mehr als 17,571,248 Gr.

Gewerbe und auswärtiger Handel werden nicht betrieben wegen der Vertheilung der Einwohner in Dörfer und wegen Mangel eines Hafens. Daher hat der Landbesitz hohen Werth, obwohl er nur 3 vom 100 jährlich abwirft, und wenn einer ein Grundstück kaufen will, wird er wenig Verkäufer finden und dagegen viele, die sich bereit zeigen, zu einem Zinsfuß von 10 vom 100 Vorschüsse zu machen.

Die Gesammtheit der Bewohner sind gegeneinander mit einer Summe von 2 Millionen Gr. verschuldet, von welchen die eine Hälfte, die Eigenthümer der ersten Klasse, einander selbst oder denen der zweiten Klasse schuldig sind, in baaren Anlehen, Zinsen, Mitgiften, Erben etc. Die andere Hälfte schulden die Eigenthümer der letzten Klasse größtentheils denen der ersten in Anlehen, Zinsen und Abgaben.

Es herrschte hier bisher die Gewohnheit, daß die Schuldner nicht gezwungen waren, an einem bestimmten Termine ihre Schuld oder die Zinsen derselben abzutragen, [618] sondern dagegen dem Gläubiger gestattet war, von seinem Schuldner statt des Zinses die Nutznießung von so vielen Ackern Landes, als dem Belauf der Schuld an Werth entsprachen, zu ziehen, bis der Schuldner durch andere Mittel seinen Gläubiger befriedigt hatte.

Außerdem ist dem Schuldner gestattet durch Ländereien, die mit der Schuld von gleichem Werth sind, dieselbe abzutragen; da aber ein Acker von 100 Gr. Werth nur 3½ Gr. an Erzeugnissen abwirft, so ziehen die Darleiher aus Habsucht es vor, die fälligen Zinsen zum Capital zu schlagen, und die Schuldner lassen sich das gefallen, damit ihnen die Ländereien zu ihrem Lebensunterhalt bleiben. Dieß ist der Grund, weshalb die Schulden der Insel zu einer so großen Summe angewachsen sind, und fortwährend sich vermehren müssen.

Die Gläubiger erhalten nur dann die Güter des Schuldners (aber immer unter den nämlichen Bedingungen), wenn alle seine liegenden Besitzungen seiner Schuld gleichgeschätzt werden: daher gehen alljährlich viele Familien nach Asien hinüber, um durch Feldarbeiten eine kleine Summe zu erwerben, und dann auf die Insel zurückzukehren.

Das gesammte Einkommen der Insel beträgt,
wie aus dem Zehnten hervorgeht:
1,615,000 Gr.
Nach Abzug des Zehnten: 61,500 Gr.
und der Einkünfte
der Klöster 40,000 Gr.
1,101,500 Gr.
1,513,500 Gr.
Es wird ferner angenommen für
gesponnene Seide
1,030,000 Gr.
Von zehentfreiem Obst und Viel,
das ausgeführt wird
1,025,000 Gr.
Durch Handarbeit auf den
benachbarten Inseln
1,010,000 Gr.
Durch den Handel 10200,000 Gr.
 Summa 10778,500 Gr.
Vorausgesetzt, daß jede Familie von den
eignen Erzeugnissen in Wein,
Feigen und Oel, und von der Einfuhr
verbraucht gegen 120 Gr. jährlich
10360,000 Gr.
Das auf der Insel selbst gewonnene Getreide,
welches den Bedarf für 9 Monate sichert,
beträgt 54,000 Scheffel zu 8 Piast.
10482,000 Gr.
Das für den Bedarf von 3 Monaten ein-
geführte Getreide 18,000
Scheffel à 12 Gr.
10216,000 Gr.
 Summa 1,008,000 Gr.
Nach der nämlichen ungefähren Rechnung ist
die Insel jährlich, außer den Zinsen
und Abgaben, verschuldet mit
10228,500 Gr.

Allen Bewohnern kann Hülfe und Heil zu Theil werden, wenn sie sich entschließen, Kartoffeln anzubauen. Dieses Product wird den Mangel an Getreide ersetzen, und dann keine so große Summe, als gegenwärtig aufgewendet wird, aus der Insel fließen.

Gleich nothwendig wäre es, einen Hafen anzulegen, was leicht in Kastron oder Korthion geschehen könnte, wodurch der Handel und das Seewesen und durch jene unmittelbar die Betreibung nützlicher Gewerbe, diese unerschöpfliche Quelle des Wohlstandes, in Aufnahme gebracht werden würde.
  1. Aus der allgemeinen Zeitung von Griechenland (6 April d. J. S. 83), welche eine Reihe ähnlicher Notizen enthält, die wir unsern Lesern nach und nach mitzutheilen beabsichtigen, da diese Artikel, abgesehen von ihrem statistischen Interesse, als Beleg dienen, wie richtig der practische Sinn des Griechen überall die bestehenden Localverhältnisse würdigt.