Anekdoten von Theodor Döring
[371] Anekdoten von Theodor Döring. Die ehrwürdige Veteranin unter unseren Romanschriftstellerinnen, Fanny Lewald, hat unter dem Titel „Zwölf Bilder nach dem Leben“ (Berlin, Otto Janke) Erinnerungen herausgegeben, in denen sie uns mehrere Berühmtheiten vorführt, mit welchen sie in nähere Berührung gekommen. Alle diese Porträts sind mit pietätvoller Hingebung gezeichnet; die Johanna Kinkel, die Schröder-Devrient, Liszt, Heine, Fürst Pückler, die weniger bekannte Hortense Cornü, eine Jugendfreundin Louis Napoleons, die sich aber nach dem Staatsstreiche auf das entschiedenste von ihm lossagte, Gustav Richter, der menschenfreundliche Arzt Wilms und einige andere namhafte Zeitgenossen lösen sich in bunter Folge ab. Jede schärfere kritische Beleuchtung ist in diesem der Erinnerung geweihten Freundschaftsalbum ausgeschlossen: eine milde Unparteilichkeit wahrt der Eigenart jeder Persönlichkeit ihr volles Recht.
Warm empfunden ist besonders der Nachruf, der dem liebenswürdigen Künstler Theodor Döring geweiht ist, dessen Herzensgüte Fanny Lewald nicht genug rühmen kann. Auch sei er ein geborener Schauspieler gewesen, der die Gestalten der Dichtung wie das Wesen der lebenden Menschen mit blitzschnellem Erkennen erfaßt habe, und das Erkennen hieß für ihn, sofort lebendig machen, gestalten, zur Erscheinung bringen; er mußte immer darstellen und spielen, er kopirte alle Persönlichkeiten sogleich mit frappanter Wahrheit. Seine Beobachtungskraft und seine Nachahmungsfähigkeit waren wunderbar. Ohne daß er ein Wort englisch sprechen konnte, vermachte er durch einen Mischmasch sinnloser Silben und den Tonfall, mit welchem er sie an einander reihte, das Ohr so vollständig zu täuschen, daß man meinen konnte, englisch sprechen zu hören.
Einmal war ein kleiner sächsisch sprechender Mensch, der sich für einen Schneider aus der Theatergarderobe ausgegeben, zu Döring gekommen, ihn um ein Almosen anzusprechen, da seine Frau in der Nacht von Zwillingen entbunden worden sei. Dörings stets offene Hand hatte ihm sofort 2 Thaler gegeben. Als er sich aber am folgenden Tage bei dem Garderobier nach dem Schneider erkundigte, stellte es sich heraus, daß ein solcher kleiner Sachse gar nicht existirte und daß er betrogen worden sei. Alle lachten, man bedauerte die unnütze Gabe.
„Was ist denn da zu lachen?“ rief Döring, „und wie könnt Ihr von unnützer Gabe sprechen? Der Mensch war ein großer Künstler. Stellt Euch vor,“ sagte er und begann nun die ganze Scene zu spielen, „wie ich dem Kerl die zwei Thaler gegeben habe, faltete er seine beiden Hände, hob sie an seinen Mund, küßte sie und wirft mir die Hände mit dem Kuß entgegen, statt mir die Hand zu küssen.“ Dabei machte er sofort die Bewegung nach. „Ich sage Euch,“ fuhr er dann fort, „es war ein Meisterzug! Zehn Thaler war er mir werth, nicht bloß die lumpigen zwei.“
Saß man einmal bei einer vorzugsweise gewählten Mahlzeit an seinem Tische, so liebte er es zu erzählen, wie er in der Zeit seiner Anfänge zwischen den kleinen herumziehenden Truppen in Bromberg, Thorn etc. seinen Weg gemacht, wie er einmal zur Winterszeit im Sommerrock und in leichtester Bekleidung sich einer Prinzipalin vorgestellt und, um ihr zu beweisen, daß er nicht völlig auf dem Trocknen sei, einen großen Rohrstock mit goldenem Knopfe immer vor ihren Augen habe spielen lassen. Und dann sich umwendend und auf seine mit vortrefflichen Kupferstichen, die eine seiner Liebhabereien waren, gezierten Wände blickend, setzte er mit zufriedenem Lächeln hinzu: „Ja, ja, ich habe nicht immer so gewohnt, nicht immer Hasen gegessen und Champagner getrunken! Aber mein Champagner ist gut, und wie ich in meinem Hause und dem Publikum auf der Bühne das Beste biete, so halte ich darauf, daß auch mir das Beste geboten werde.“
Einmal sagte die Crelinger, die eine excellente Hausfrau war: „Essen Sie morgen bei mir, Döring, ganz ohne Umstände!“
„Nein“ entgegnete er ihr, „machen Sie Umstände, liebe Crelinger; ich bin das so gewöhnt!“