Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Der getreue Johannes

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Der Wolf und die sieben jungen Geißlein Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I (1913) von Johannes Bolte, Jiří Polívka
6. Der getreue Johannes
Von der Nachtigall und der Blindschleiche
Für verschiedene Auflagen des Märchens der Brüder Grimm siehe Der treue Johannes.

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6. Der getreue Johannes. 1856 S. 16.

1819 nr. 6: aus Zwehrn (eingesetzt für 1812 nr. 6 ‘Von der Nachtigall und der Blindschleiche’ = unten nr. 6a). Wahrscheinlich ist ausgefallen, daß ein Zauberweib den jungen König aus irgend einem Grunde hat verderben wollen.[1]

[43] Eine andere Erzählung aus dem Paderbörnischen (vor 1822): Ein armer Bauer bittet auf Geheiß eines alten Mütterchens den zu Gevatter, der ihm zuerst draußen auf dem Weg begegnet und den er noch nicht kennt. Das ist nun der König, der hebt auch das Kind aus der Taufe und gibt ihm den Namen Roland. Die Königin war aber zu derselben Stunde niedergekommen und ihr Kind Joseph genannt. Als ein Jahr herum ist, läßt der König den kleinen Roland abholen und nimmt ihn an Kindes Statt an. Roland und Joseph wachsen zusammen auf und halten sich für Geschwister. Als sie zwanzig Jahr alt sind, reitet der König einmal fort und hinterläßt ihnen die Schlüssel zu allen Stuben; sie sollen alle aufschließen dürfen, nur eine nicht. Roland aber ist so neugierig, daß er am dritten Tag den Joseph beredet, mit ihm in die verbotene Stube zu gehen. Sie ist ganz mit Tuch ausgeschlagen; als aber Roland das auch in die Höhe hebt, so sieht er das Bild einer wunderschönen Jungfrau und fällt bei dem Anblick in Ohnmacht. Joseph trägt ihn hinaus, Roland wird wieder zu sich gebracht, ist aber von Stund an krank aus Liebe und hat keine Ruhe, bis sie beide in das Reich ziehen, wo die Königstochter lebt. Sie muß dort sieben Jahre in einem Turm sitzen, abends wird sie in einem verschlossenen Wagen zu ihren Eltern gebracht und morgens früh vor Tages Anbruch wieder in den Turm zurück. Roland und Joseph können sie gar nicht einmal sehen und müssen unverrichteter Sache wieder heimreisen. Da gibt ihnen der Vater vier Schiffe, drei mit Kanonen besetzt und das eine mit den schönsten Waren beladen. – Sie schiffen hin und geben sich für Kaufleute aus, und Joseph bittet den König, er möge das Gesetz erlassen, das immer nur ein einzelner Mensch auf sein Schiff gehen dürfe, weil er sonst zu sehr bestürmt würde. Das geschieht, der König kommt nun selbst aufs Schiff, und danach die Königin und kaufen viel. Und weil alles so schön ist, soll es ihre Tochter auch sehen. Sobald sie aber das Schiff betreten hat, wird der Anker gelichtet und die schöne Braut fortgeführt. Der König schickt ein Schiff, sie wiederzuholen, aber das wird von den Kanonen in den Grund geschossen. Während der Fahrt hat Joseph nachts einmal die Wache, da hört er ein Brausen und eine Stimme, die ruft: ‘Wißt ihr was Neues?’ – ‘Neues genug’, antwortet eine andere, ‘die schöne Königstochter ist geraubt und sitzt in dem Schiffe hier. Wer sie aber denkt zur Frau zu nehmen, der muß erst jemand haben, der dem schwarzem Pferd den Kopf abhaut.’ [44] Da erschrak Joseph, und als Roland in der folgenden Nacht wachen will, bittet ihn Joseph, lieber zu schlafen und ihm die Wache zu überlassen. Da hört er wieder die Stimmen: ‘Wißt ihr was Neues?’ – ‘Neues genug, die Königstochter ist geraubt und sitzt im Schiffe; wer sie gedenkt zur Frau zu haben, der kann nur dazu gelangen, wenn einer da ist, der, wann der Bräutigam der Braut Gesundheit trinkt, ihm das Glas vor dem Munde wegschlägt, daß die Scherben herumfliegen. Wer das aber nachsagt, der steht in Stein bis ans Herz.’ Joseph wacht auch in der dritten Nacht, da hört er: ‘Der Bräutigam kann die Braut nicht erlangen, wenn nicht einer da ist, der dem Drachen die sieben Köpfe abschlägt, die dieser in der Brautnacht zum Fenster hineinsteckt. Wer das aber nachsagt, steht in Stein bis an den Kopf’. Folgenden Tags langen sie an, der König kommt ihnen mit seinen Leuten entgegen und bringt dem Joseph ein weißes Pferd mit, dem Roland ein schwarzes. Joseph besteigt das seinige und haut dem schwarzen den Kopf ab. Alle sind erstaunt und aufgebracht und fragen nach der Ursache, aber er antwortet: ‘Ich kann und darf es nicht sagen’. So schlägt er auch, als bei der Hochzeitsfeier Roland seiner Braut Gesundheit trinken will, diesem das Glas vor dem Munde weg, daß die Scherben fliegen. Endlich in der Nacht, als Roland und seine Braut schon schlafen, geht er mit gezogenem Schwert in der Kammer vor dem Fenster auf und ab. Plötzlich fängt es an zu brausen und zu brüllen, und ein Drache steckt seine sieben Köpfe herein. Er haut sie in einem Hieb herab, daß das Blut in die Stube spritzt und seine Stiefeln füllt. Die Wachen rufen bei dem Lärm den König; dieser kommt, und als er die Türe öffnet, strömt ihm das Blut entgegen, und er erblickt den Joseph mit gezücktem Schwert. ‘Ach was hast du getan, mein Sohn?’ ruft er aus. Da kann Joseph nicht anders, er erzählt alles und wird augenblicklich ganz in Stein verhüllt, sodaß man nichts von ihm sieht als sein Gesicht, das zu schlafen scheint. – Nach Verlauf eines Jahres bringt die junge Königin einen Sohn zur Welt, und da träumt ihr drei Nächte hintereinander, wenn man mit des Kindes Blut den Joseph bestriche, so würde er erlöst. Sie erzählt dem Roland ihren Traum, der läßt alle Räte des Landes zusammenkommen, die sprechen ja, er müsse sein Kind für des Freundes Leben opfern. Da wird das Kind getauft und dann wird ihm der Kopf abgehauen. Mit dem Blute des Kindes aber [45] wird Joseph bestrichen; alsbald schwindet der Stein an ihm, und er steht auf und spricht: ‘Ach, lieber Bruder, warum hast du mich geweckt? Ich habe so sanft geschlafen’.[2] Sie erzählen ihm, wie alles sich zugetragen, da sagt Joseph: ‘Nun muß ich dir wieder helfen,’ bindet das tote Kind in ein linnen Tuch und geht mit ihm fort. Als er schon dreiviertel Jahr gewandert ist und, von Herzen betrübt, daß er keine Hilfe finden kann, unter einen Baum sich setzt, kommt ein alter Mann und gibt ihm zwei Fläschlein, darin ist Wasser des Lebens und Wasser der Schönheit. Joseph trägt es nun heim, muß aber, weil er nichts mehr hat, betteln. Nach einem Vierteljahr kommt er zu seines Vaters Schloß, da setzt er sich auf die Brücke und bestreicht das Kind erst mit dem Wasser des Lebens, wovon es das Leben wieder erhält, dann mit dem Wasser der Schönheit, wovon es so frisch und lieblich wird wie kein anderes. Darauf bringt er es seinen Eltern, die sich vom Herzen darüber freuen.

Eine dritte, wiederum abweichende Erzählung aus Hessen, ‘Der getreue Paul’, in Wolfs Hausmärchen S. 383. Vier Fassungen aus Pommern bei Knoop S. 204 ‘Die schöne Therese’ (der Pflegebruder des Prinzen ist der Sohn einer Katze) und U. Jahn nr. 7 ‘Von der wunderschönen Prinzeß, verwünscht im wilden Meer in der Steinklippe’ (Prinz Friedrich und Karl), nr. 8 ‘Die drei Raben’ (zwei leibliche Brüder) und Variante auf Seite 354 (der treue Johann ist ein alter Diener). Eine achte und neunte aus Ostpreußen bei E. Lemke 2, 231 ‘Die schöne Jozlige’ und 234 ‘Der treue Diener’ (Karl).

Die Hauptzüge, die in den zahlreichen Fassungen dieses Märchens wiederkehren, sind folgende: A. Ein Prinz verliebt sich in eine ferne und schwer zu erringende Königstochter, deren Bild er gesehen[3] oder von der er geträumt[4] hat. – B. Er entführt sie mit Hilfe eines treuen Dieners, Pflegbruders oder rechten Bruders[5], [46] der sie entweder 1) auf sein Kaufmannsschiff lockt oder 2) sich als Mädchen verkleidet zu ihr schleicht oder 3) einen unterirdischen Gang zu ihr gräbt oder 4) auf andre Weise die Schwierigkeiten zu besiegen weiß. Bisweilen tritt er nur als Ratgeber des Prinzen auf. – C. Über dem mit der Braut heimkehrenden Prinzen schweben aber drei Gefahren, die entweder von dem zaubermächtigen Vater der Braut oder vom eignen Vater des Prinzen oder von dessen Stiefmutter ausgehen: durch vergiftete Speisen, Kleidungsstücke, Begegnung mit Räubern oder einem Ertrinkenden, Überschreitung eines Flusses, Durchschreiten eines Tores usw. Die letzte Gefahr besteht darin, daß eine Schlange nachts in das Schlafzimmer des Brautpaares dringt. Der treue Diener hört durch ein Gespräch von Geistern oder Vögeln von den Gefahren und wendet sie ab, gerät dadurch aber in den Verdacht, seines Herrn Feind zu sein, insbesondere als er dessen schlafende Gattin berührt, muß sich durch ausführlichen Bericht rechtfertigen. – D. Infolge dieser Erzählung wird er aber zu Stein[6] und kann nur durch das Blut eines Kindes des königlichen Paares oder durch ein Heilmittel, das der Prinz von weither holen muß, wieder belebt werden.

Vlämisch bei Vermast S. 15 ‘Goudsterne en Zilversterne’. – Dänisch, doch sehr entstellt bei Kristensen, Aev. fra Jylland 2, 43 nr. 6 ‘Den tro stalbroder’ und bei Berntsen 1, 121 nr. 14 ‘Den tabte dronning’. Bei Kristensen rettet der treue Peter den Prinzen vor dem ihm durch seine Stiefmutter zugesandten Zauberpferd und Drachen und wird darauf zu Stein; der Prinz macht ihn wieder lebendig, indem er auf den Rat dreier schwarzer Jungfrauen drei Kröten dreimal küßt. In der andern Aufzeichnung rettet der eine Bruder seine geraubte Mutter auf dem Heimwege vor einer schadhaften Brücke, vergiftetem Wein und einem in ihre Schlafkammer gedrungenen Adler; der andre Bruder erfährt von zwei Jungfrauen, [47] daß er ihn mit einer Salbe beleben kann. – Schwedisch: Hackmans Register nr. 516. – Französisch: Carnoy, C. français p. 115 ‘Le fidèle serviteur’ (Jeannot belauscht Störche und raubt einem sein Federkleid. Er wirft das Hemd des Königs ins Wasser und die goldene Suppenschüssel ins Feuer. Versteinert und durch Kindesblut erlöst). Millien, Revue des trad. pop. 23, 27 ‘Le père Roquelaure’. Luzel, 5e rapport p. 39 = Contes 1, 386 ‘Le roi de Portugal’ (wird durch seinen buckligen Diener, der die Räuber belauscht, vor diesen und andern Gefahren, Wagen, Ertrinkendem, Kuchen gerettet) und Contes 1, 367 ‘Le roi Dalmar’ (Prinz als Mädchen verkleidet bei der Prinzeß; Räuber, Kleider, Ertrinkender). Sébillot 2, 110 nr. 22 ‘La princesse Felicité’ (wird vom Diener des Prinzen, der die Winde belauscht hat, aus dem verzauberten Schlosse entführt; er wirft die giftige Traube fort und tötet den Ertrinkenden, als die Prinzeß ihn berühren will. Erlösung durch Kindesblut). – Rätoromanisch: Decurtins, Chrestomathie 2, 16 ‘La prinzessa dil temps véder’. – Zahlreich sind die italienischen Fassungen; die älteste, die uns Basile 4, 9 überliefert, weicht im Eingange ab: König Milluccio sieht einen blutenden Raben auf weißem Marmor liegen und wünscht sich eine Frau so rot und weiß wie Blut und Marmor und mit Haaren so schwarz wie Rabenfedern:[7] sein Bruder Jennariello zieht aus, eine solche Schönheit zu suchen, findet sie in Liviella, der Tochter eines Zauberers, und lockt sie als Kaufmann verkleidet auf sein Schiff. Die Gefahren für seinen Bruder, über die ihn zwei Tauben belehren, bestehen in einem Falken, einem Pferde und einem in der Hochzeitsnacht erscheinenden Drachen und sind durch den rachsüchtigen Zauberer angestiftet, der endlich die getöteten Söhnchen des Königs wieder belebt.[8] In dem norditalienischen Märchen bei Comparetti nr. 29 ‘L’ innamorato d’una statua’ = Crane p. 85 weicht nur der Anfang ab, da sich der eine Prinz in eine Statue verliebt und der Bruder nicht einen Falken und ein Roß zu seiner Zerstreuung kauft, sondern eine tanzende Maus und einen singenden Vogel. Ferner bei Teza, La tradizione dei Sette savi 1864 p. 26 ‘Mela e Buccia’ (Pferd, Drache, Hund), bei Gradi, Vigilia p. 64 [48] (Papagei, Pferd, Drache), bei Imbriani, Novellaja fior.³ nr. 30 ‘L’impietrito’ (vergifteter Apfel, Pastete, Löwe), Visentini nr. 9 ‘Il buon fratello’ (Papagei, Pferd, Drache), Coronedi-Berti in Rivista Europea 1873 = Crane p. 344 ‘La fola del muretein’ (der treue Mohr ist der Sohn einer Magd, die mit der Königin zusammen einen Zauberapfel gegessen; der Prinz entzaubert ihn durch das Blut eines Hahns, der einem wilden Riesen gestohlen werden muß), Prato, Quattro novelline pop. livornesi p. 59 f. ‘Bianca come la neve, rossa come er sangue’ (der Bruder des Königs pflückt im Garten des Zauberers einen Apfel, aus dem eine nackte Schöne hervorgeht, und tötet den ins Brautgemach dringenden Löwen), Archivio 23, 69 ‘Bel pomo e bella scorza’. – Spanisch: Bibl. de las trad. pop. 10, 225 nr. 19 ‘La piedro de marmol’. Milá y Fontanals, Observaciones 1853 p. 178 ‘El buen compañero’ = F. Wolf, Wiener SB. 20, 52 (1856), unvollständig. Maspons, Rondallayre 2, 48 ‘Lo bon criat’, desgleichen. Alcover 1, 27 ‘S’hermosura del mon’ (des Königs Freund ist ein Maure). – Portugiesisch: Coelho nr. 51 ‘Pedro e Pedrito’ (die Gefahren sind Wasser, Brücke und Schlange). Braga 1, 31 nr. 12 ‘A bixa de sete cabeças’. Consiglieri-Pedroso p. 25 nr. 6 ‘Pedro and the prince’ (Pedro entzaubert eine in eine Orange verzauberte Prinzeß und wendet die Gefahren ab, die durch ein Maultier, Birnen, Brücke und ein Gespenst dem Brautpaare drohen). – Griechisch: Pio S. 80 = Geldart p. 92 = Mitsotakis S. 112 ‘Das künstliche Pferd’ (der Priestersohn steckt den Königssohn in ein goldenes Pferd, das in die Kammer des Prinzeß gebracht wird,[9] und entflieht mit ihnen auf einem Flügelroß; der Tötung des Drachen in der Brautnacht folgt keine Versteinerung). Hahn 1, 201 nr. 29 ‘Die Goldschmiedin und der treue Fischersohn’ (der Fischersohn entführt die vom Prinzen geliebte Goldschmiedsfrau durch einen unterirdischen Gang und läßt deren Mann der Trauung beiwohnen. Die von den Vögeln geoffenbarten Gefahren sind Kanonen, Pferde, eine Hündin und ein Ungeheuer. Die Versteinerung wird durch die Tränen der Königin gelöst) und 2, 267 nr. 64, 3. Var. (mit andern Märchen vermischt). Dozon S. 179 nr. 24 ‘La princesse de la Chine’ (Blutstropfen auf dem Schnee. Das übrige ist die orientalische Erzählung von dem schlauen Vezierssohne). – Rumänisch: Schott S. 144 ‘Wilisch Witiâsu’ (nur teilweise verwandt). Ispirescu nr. 10 ‘Omalŭ [49] de piatră’. P. Schullerus, Siebenb. Archiv 33, 387 nr. 1 ‘Von der schönen Rosa’ (der Freund ist ein Engel; die Stiefmutter des Königssohnes sendet ein giftiges Pferd, Wein und Hemd; der Versteinerte wird lebendig, als das Kind sich beim Spielen die Hand an ihm blutig stößt); S. 460 nr. 35 ‘Philipp und Alexander’ (Alexander ist der Sohn der Köchin, die von der verzauberten Suppe der Königin gekostet hat; das Bild der schönen Russanda hat S. Petrus auf einen Stein an der Straße gezeichnet. Sie wird in einem goldenen Bären entführt und kommt zu einem verwünschten Brunnen, einer Kutsche und wird von einem siebenköpfigen Drachen bedroht); S. 656 nr. 1 ‘Die Steinsäule’ (Sersem und Costav. Dazu dankbare Tiere und aufgetragene Fragen). Şăinénu S. 591 f. – Serbokroatisch: Valjavec S. 175 nr. 20 aus Warasdin (Bild der Prinzeß von Piemont. Entführung zu Schiff. Pferd, Trunk, Schlange. Aus dem Grabe der getöteten Söhne erwachsen zwei Bäume, der zum Leben erweckte Freund stampft mit dem Fuße, daß ein Quell emporspringt, und besprengt damit die Bäume, da stehen die Kinder lebendig da). Strohal 1, 125 nr. 26 aus dem Bez. Karlstadt (wunderbare Empfängnis durch zwei Apfelstücke. Der Freund des Grafen erzählt erst, nachdem er zehn Jahre im Kerker gesessen, was der Zauberer prophezeit habe. Ein Bettler, eben jener Zauberer, belebt ihn und die Kinder wieder). Hrvatske narodne pjesme, skupila i izdala Matica hrvatska 1, 482 aus der Gegend von Fünfkirchen in Ungarn (Waschwasser, Pferd, Kaffee, Drache. Der versteinerte Diener spricht nach sieben Jahren; der Graf opfert seine drei Kinder). Krauß 1, 306 nr. 74 ‘Freitag und Samstag’ aus Warasdin (Kutscher verhütet die Gefahren. Keine Versteinerung). Zbornik jslav. 17, 153 nr. 31 (B¹CD). Letop. Matice srpske 145, 106 von der oberen Militärgrenze (der Prinz sieht die Schöne, die ein Maler gemalt hat, auf einem Schiffe vorbeifahren.[10] Der Diener hört von den Feen im Waldhause die Gefahren der Hinreise und der Heimkehr beschreiben und wird zu Stein, als er den von der Stiefmutter dem Brautpaare dargebotenen Wein selber trinkt. Kindesopfer). Bosanska Vila 12, 315. 1897 (Der Sultanssohn von Stambul entführt die Tochter des Padischah von Hint, von der er geträumt, mit Hilfe eines riesigen Arabers, der jede Stunde ein ganzes Pferd verzehrt. Dieser überwindet auch den Div des Padischah, der dem Prinzen die Braut wieder entrissen hat, nachdem er erfahren, [50] daß sein Leben in dem kranken Fuß einer Ziege verborgen sei. Dann versteinert der Sultan, der die Braut des Sohnes für sich begehrt, den Prinzen und den Araber; allein die Prinzeß belebt sie durch zwei Taubenfedern, und der Palast des Sultans versinkt ins Meer). – Bulgarisch aus Macedonien bei Sprostranov S. 65 nr. 13 (Bild der Schönen im Palast. Der Kamerad hört zwei Vögel während der Mittagsrast am Brunnen von einem Feenpferd reden; und als sie mit diesem übers Meer zur Prinzessin gedrungen sind und sie in einem Kasten entführt haben und wieder am Brunnen lagern, erzählen die Vögel von weiteren Gefahren, auch daß die Schöne im Herzen eine Schlange hat, wie im Märchen vom dankbaren Toten bei R. Köhler 1, 441; der Kamerad wird durch das Blut des Knaben und dieser durch Wasser aus jenem Brunnen wiederbelebt). – Slowakisch: Škultety Dobšinský S. 187 nr. 20 = 2. Aufl. S. 329 aus dem Komitat Gömör und Thurócz = Nĕmeová, Slov. poh. 1, 83 nr. 7 (Bild der Mutter des Prinzen. Schon für die Werbung um die goldene Jungfrau Mahulena geben drei Krähen, Töchter ihres Wirts, Anweisung, ebenso offenbaren sie die dem heimkehrenden Paare von der Stiefmutter bereiteten Gefahren: Wein, Pferd, Drache. Versteinerung durch das Blut des Kindes gehoben). Dobšinský 8, 18 aus den Kom. Zolyom, Gömör, Trentschin und Thurócz[WS 1] (Dem Prinzen bestimmt sein Pate die Schöne der Welt zur Frau. Er zieht mit einem alten Soldaten aus, fragt bei Sonne, Wind und Mond nach ihr, kommt durch ein Loch in die andre Welt und gewinnt die Schöne wie sonst die Schwanjungfrau, deren Mädchen die Gefahren des Wagens und Drachen offenbaren). Noch enger mit dem Schwanjungfraustoffe verbunden ist die Variante bei Dobšinský 8, 29 Anm. Nĕmcová, Sl. poh. 1, nr. 1 (Ein Pilger als Pate bestimmt dem Prinzen die Schöne der Welt zur Frau und begleitet ihn; Tauben erzählen von der Schlange, dem Gifttrank und dem Drachen; keine Versteinerung). Czambel S. 281 § 149 aus dem Komitat Saros (Ein altes Weib verwünscht den Prinzen, er solle die Cidrin-Prinzessin hinterm Roten Meere heiraten. Sein Kamerad hört die Prophezeiungen dreier Wolken und vernichtet, als sie mit der in einem hölzernen Pferde entführten Prinzeß heimkehren, den von ihrer Mutter nachgeschickten Wagen, erlöst eine verzauberte Jungfrau durch schweigendes Ertragen von Martern und erzählt von den Weissagungen. Belebung wie gewöhnlich). Ebd. S. 397 § 205 aus dem Komitat Unghvár (Prinz und Fuhrmann lassen sich Gamaschen aus der Haut einer Laus anfertigen und locken die Schöne auf ihr [51] Schiff; beim Sturm sagt ein alter Mann dem Fuhrmann die Gefahren voraus). – Polnisch: aus dem Krakauer Land bei Kolberg 8, 66 nr. 26 (Prinz und Diener zu Schiff. Im Traum erfährt der Diener die Nachstellungen der Stiefmutter und des Stiefbruders: Gifttrank, Pferd, Pistolenschuß beim Kirchgang; er wird zur Salzsäule, durch Kindesblut belebt). Aus dem Gouvernement Płock bei Petrow, Zbiór 2, 153 nr. 7 (Pferd, Becher, Drache, Stiefvater auf der Jagd. Jesus rät dem Prinzen, den Versteinerten mit den Leichen seiner beiden Kinder zu bedecken, und belebt dann auch diese). Aus dem Gouv. Lublin Wisła 8, 225 (Im verbotenen Zimmer findet der Prinz das Mädchen selber, das darauf verschwindet. Räuber erzählen von den Gefahren). Aus dem Krakauerland: Kolberg 8, 63 nr. 25 (wunderbare Empfängnis. Steinsäule durch ein wenig Blut der beiden Knaben belebt). Wisła 15, 716 aus dem Gouv. Lublin (Antoś wird von seinem Pflegebruder Jędruś in einem goldenen Lamme zur Prinzeß gebracht. Die hilfreiche Zauberin belebt auch das geopferte Kind des Prinzen). Kosiński, Zbiór 5. 252 nr. 55 aus den Beskiden (verbunden mit dem Märchen von der goldhaarigen Jungfrau). – Čechisch: Malý⁴ S. 96 nr. 6 = Waldau S. 407 ‘Die drei Tauben’ (Der Pflegebruder zieht mit dem Prinzen aus, das Original des Bildes zu suchen, und beide locken die Prinzeß auf ihr Schiff; drei Tauben verraten die Nachstellungen der Zauberin, an die sich der Vater der Entführten gewendet; eine Verwandlung in Marmor findet nicht statt; die Tauben sind Schwestern des Findlings). Slavia 2, 30 nr. 8 aus Tabor (Eingang ähnlich. Bei der Entführung hilft ein Mütterchen. Mit der Zauberin verbündet sich die Stiefmutter des Prinzen: Pferd, Hirsch, Drache. Schluß wie bei Grimm). Malý⁴ S. 78 nr. 5 (nicht volksmäßig; vgl. Milenowski nr. 1 und Wolfs Auszug. Zs. f. d. Myth. 2, 436 ‘Von dem Sternprinzen’). – Großrussisch: Chudjakov 3, nr. 116 aus dem Gouv. Orel (Pferd, Gewand, Stiefmutter als Schlange. Steinsäule durch Kindesblut belebt). Erlenwein² S. 145 nr. 34 aus dem Gouv. Tula (verbunden mit den Motiven der Schwanjungfrau und des Zauberschlafes wie unten nr. 93. Gefahren durch Äpfel, Brunnen, Wein, Bettdecke, Schlange. Versteinerung, Tötung des Knaben, Lebenswasser). Afanasjev³ 1. nr. 93c (ähnlich. Zwölf Tauben, die Schwestern des getöteten Helden Koščej. Der Diener tötet den Hund, das Pferd und die Kuh); in einer Variante erscheint ein zwölfköpfiger Drache im Brautgemach; in einer andern belebt der Diener die Kinder mit dem eigenen Blute. [52] Ončukov S. 582 nr. 297 aus dem Gouv. Archangelsk (der Prinz, dem die Braut entflohen ist, schließt mit Arkij Arkević Freundschaft, hilft ihm die schöne Jelena gewinnen und hört nachts unter der Eiche vor dem Zelte von Tauben die Gefahren durch Kleid, Wagen und Bett; versteinert, durch das Blut des Erstgeborenen belebt). – Kleinrussisch: Rozdoljśkyj nr. 22 aus Bez. Brody in Ostgalizien (entstellt. Der jüngere Bruder steht sieben Jahre als Steinsäule, da stößt die Kaiserin sie aus Versehen um, und er erwacht). Rudčenko 2, nr. 24 (Apfel, Brunnen, Bett. Statt des Dieners wird das Pferd, auf dem er sitzt, zu Stein). Čubinskij 2, 308 nr. 80 aus dem Gouv. Kiew (Entführung der Nastasija prekrasnaja durch Ivan Suchobrodzenko. Die Stiefmutter reicht Hemd und Wein und verwandelt sich in eine Schlange. Der Diener wird lebendig, als das Kind sich die Nase blutig stößt). Etnograf. Zbirnyk 25, 159 nr. 25 aus Südungarn; ‘Prinz Adolf und sein Freund Nicolaus’ (die Prinzeß folgt dem Prinzen, der sie zum Lachen bringt; auf dem Heimwege hört Nicolaus im verwünschten Schloße vom vergifteten Wein, vom Teufel in Vogelgestalt und von der Möglichkeit, die verwünschte Jungfrau zu erlösen; durch Adolfs Stiefmutter versteinert, durch Adolfs Gebet, belebt). – Weißrussisch: Romanov 6, 1 nr. 1 aus dem Gouv. Mogilev (Der Prinz erkauft die Hilfe des starken Pilač; aber der ‘unsterbliche’ Koščej, dessen Leben in einem Entenei steckt, raubt die schöne Helena. Drei Tauben erzählen vom vergifteten Tee, Braten und Bett. Pilač wird durch Blut aus dem kleinen Finger des Knaben belebt). Ebd. 6, 7 nr. 2 (statt Pilač ist Bulat, statt Koščej Zar Idol eingetreten. Das Kind getötet, aber durch Lebenswasser wieder belebt). Ebd. 6, 101 nr. 11 (Sieben kunstreiche Brüder [vgl. Dietrich nr. 3 und unten nr. 129] holen dem Zaren die Schöne. Seine Stiefmutter sendet vergifteten Wein, Braten, Hengst und den zwölfköpfigen Satan. Gott offenbart dem Zaren, daß er den versteinerten Diener durch das Blut seiner beiden Söhne beleben kann). Weryho 1889 S. 35 nr. 8 aus dem Gouv. Wiłna (Tee, Pferd, Schlange. Diener nach sieben Jahren durch Opferung der zwei Kinder belebt). Romanov 4, 146 nr. 83 aus dem Gouv. Mogilew (der Kutscher fährt an Quelle, Apfelbaum und Ruhebett rasch vorüber und erzählt auf einem Pferde sitzend das Gespräch der Koljadas, d. i. der personifizierten zwölf Nächte vom 25. Dezember bis 6. Januar). Ebd. S. 149 nr. 84 (Ebenso. Die Koljadas wollen sich am Herrn rächen, weil er nicht, wie er versprochen, Märchen [53] erzählt hat[11]. Dobrovoljskij 1, 327 nr. 21 aus dem Gouv. Smolensk (nur entfernt verwandt durch den Schluß, wo statt des erzählenden Jungen das Pferd, auf dem er sitzt, zu Stein wird). – Litauisch aus dem Gouvernement Kowno bei Karłowicz S. 93 nr. 66 (Dem dritten Bruder hilft ein Riese Golijat, den er von seinen Gläubigern losgekauft hat, die Prinzeß entführen. Er geht in drei Nächten ihrer Stiefmutter ins zwölfte Zimmer nach und belauscht ihre Anschläge: Gift in Wein und Suppe, Enthauptung des schlafenden Paares. Der Schluß wie im russischen Märchen bei Erlenwein). Dowojna Sylwestrowicz 1, 292 ebendaher (Der Schustersohn bringt dem litauischen Königssohne, mit dem er erzogen ist, das Bild der Prinzessin und entführt allein diese zu Schiff. Ein Rabe erzählt, daß die Stiefmutter ein Einhorn, vergifteten Tee und einen Drachen senden wird. Versteinerung und Opfer dreier Söhne). Ebenda 1, 394 (Ähnlich; nur bringt der Kammerdiener auf Befehl des Königs die Bildnisse dreier Prinzessinnen). – Lettisch: Weryho 1892 S. 163 nr. 21 aus dem Gouv. Witebsk (Der Lakai, der von einem Schuster, Schneider und Schreiber geschaffen ist, wie die Frau bei Benfey, Pantsch. 1, 489, holt die vom Prinzen im Traume geschaute Schöne. Die Mutter des Prinzen sendet ein todbringendes Geschenk, schwarze Pferde und eine Schlange. Beim Kindesopfer für den versteinerten Diener soll ein Blutstropfen auf den Stein, einer auf die Kirche und einer auf den Galgen fallen). – Finnisch: Aarnes Register nr. 516. – Ungarisch: Dähnhardt, Naturgeschichtliche Vm. 2. Aufl. S. 63 nr. 15 ‘Der Morgenstern’ = 3. Aufl. 2, 82 (drei Schwäne verraten dem Alten die Gefahr des Wagens, Gewandes, Drachen; der Versteinerte wird entzaubert durch das Blut des Knaben, der sich zufällig stößt). Mailand nr. 12 ‘Die zwei schönen Menschen der Welt’. Sklarek 1, nr. 2 ‘Glückes Glück’ (der Jäger des Prinzen erfährt von drei Krähen die Nachstellungen des alten Königs: Brücke, Wagen, Goldgewand. Angehängt ist die Reise zum Schicksal und die unterwegs aufgetragenen Fragen). – Zigeunerisch: Paspati S. 605 [54] nr. 3 = Groome nr. 2 ‘Baldpate’ (Kahn, Tor, Drache. Belebung des Freundes durch Erde). – Türkisch: Kúnos S. 256 nr. 34 ‘Die Tochter des Padischah von Kandehar’ (wunderbare Empfängnis beider Freunde. Bild der Sultanstochter. Der Veziersohn als Frau verkleidet entführt auch die Schwester des Bräutigams, belauscht zwei Tauben, tötet das verderbenbringende Pferd, Hündchen und Ungeheuer. Versteinert, wird er nach sieben Jahren durch das Blut des Kindes belebt). – Tatarisch: ein Lied der Sagaier ‘Ai Tolysy’ bei Radloff 2, 176–224 berichtet, wie Ai Tolysy für seinen Freund Kattandschula zweimal die Tochter des Tarbatty Ilan raubt und die Geschenke, die dieser für seinen Schwiegersohn mitgibt (Stiefel, Gurt, Hut), zerhaut. Er wird zu Stein und durch die Eingeweide des Kindes wieder lebendig. – In einem Märchen der äthiopischen Bilin (Reinisch, Bilin-Sprache 1, 104 nr. 19 ‘Zwei Freunde’) reißt ein Mann infolge einer Prophezeiung der Heiligen der Braut seines Freundes die Haare aus und schlachtet ihre Hochzeitskuh. Als er zur Rede gestellt wird, erzählt er jene Weissagung und versinkt. Auf den Rat eines Wahrsagers schlachtet später der Freund seinen Sohn mit abgewandtem Gesicht; da liegt ein schwarzes Schaf tot da, und der Sohn und der Mann sitzen lebendig daneben.

Aus Indien, wo Benfey (Pantschatantra 1, 416 f. Orient u. Occ. 1, 374) und F. v. d. Leyen (Ind. M. S. 139) den Ursprung des Märchens suchen, ist das vollständige Märchen freilich nur in drei jungen Überlieferungen bei Frere nr. 5 ‘Rama and Luxman’, bei Dames, Balochi tales nr. 13 ‘The prince, the goatherd and Naina Bai’ (Folk-lore 4, 285–294) und Lal Behari Day p. 17–52 ‘Phakir Chand’ (= The Bengal magazine 1876 48, 561) nachgewiesen. Der Ministersohn Luxman begleitet den Prinzen Rama auf seiner Brautfahrt, die mit keiner Entführung, sondern einer glücklichen Heirat endet; auf der Heimreise vernimmt er von zwei Eulen den drohenden Sturz des Baumes, des Palastes und die Gefahr der Schlangen, die Versteinerung wird durch bloße Berührung des königlichen Kindes gelöst. Der Zug, daß Rama schon anfangs einmal durch ein altes Weib auf seinen Freund argwöhnisch gemacht wird, findet sich im Baludschen-Märchen wieder; sonst ist alles verwickelter und romanhafter. Die Geliebte des Prinzen ist bereits verheiratet; der Freund deutet ihre Zeichensprache, rettet sie durch Kleidertausch und eine List beim Gottesurteil und wendet auf der Heimreise die im Traum erschauten Gefahren durch giftigen Quarkkäse und zwei Schlangen [55] ab. Aus der jahrelangen Versteinerung erlöst ihn das Kindesblut. Noch abenteuerlicher gestaltet ist die bengalische Version, wo der Vezierssohn den Prinzen zu einer unter Wasser gefangen gehaltenen Königstochter führt und, als diese durch ein altes Weib geraubt wird, als Blödsinniger verkleidet den Wunschstein und die Schöne zurückholt; dann beseitigt er die von Vögeln geweissagten Gefahren (Elefant, Tor, Fisch, Schlange), wird versteinert und durch das Blut des Kindes belebt, das die Göttin Kali auferweckt. Aber einzelne Teile des Märchens sind schon in früher Zeit in Indien nachweisbar. Zunächst der schlaue Vezierssohn, der dem Prinz die Braut erringen hilft: Hertel, Zs. f. Volkskunde 18, 69¹; Dracott, Simla village tales p. 49. Dann der treue Diener, der die ihm durch Belauschen bekannt gewordenen Lebensgefahren von seinem König abwendet und dabei den Zorn und die Eifersucht seines Herrn auf sich lädt[12]: Somadeva 1, 253 ed. Tawney = Hertel, Bunte Geschichten vom Himalaja 1903 S. 11 (vgl. Brockhaus, BSG. 1860, 117); Südliche Rezension des Pantschatantra (Hertel, ZdmG. 61, 69); Vier Geheimrat-Minister übers. von Chr. Rama Ayen 1854 S. 16 ‘Padawaditen’; Knowles p. 421–441 ‘The four princes’; Leclère 1903 p. 128. 132. Während die jüngeren Fassungen teilweise von der verwandten Erzählung über den treuen Vīravara[13] beeinflußt sind oder weiter ablenken, berichtet Somadeva ausdrücklich von der Brautfahrt des Königssohnes, auf der ihn der Kaufmannssohn Brahmadatta begleitet; eine Entstellung aber liegt darin, daß sich die Voraussagung der nächtlichen Stimmen nicht erfüllt, wer die prophezeiten Gefahren (Halsband, Mangofrucht, Haus, Niesen) offenbare, müsse sterben. Ein kalmückisches Märchen bei Ramstedt 1, 99 verbindet die Rettung des Brautpaares vor der nachts eindringenden Schlange mit dem dankbaren Toten; der Held folgt seinem Erretter in die Hölle und holt ihn ins Leben zurück.

Freilich die Versteinerung des treuen Dieners und ihre Aufhebung durch die Schlachtung eines Kindes, die uns bei den Türken, [56] Tataren und heutigen Indiern begegnet, findet sich in den älteren indischen Erzählungen nicht. Ob sie durch bloße Umkehrung der Geschichte des treuen Vīravara, der seinen Sohn und dann sich für den König opfert, entstanden sei, wie Benfey und v. d. Leyen meinen, erscheint zweifelhaft. Näher liegt es, an eine Einwirkung der seit dem 11. Jahrhundert in Europa verbreiteten Sage von den treuen Freunden Amicus und Amelius zu denken, die in Konrads Engelhart und Engeltrut, in Alexander und Ludwig (im Anhange der Sept sages), in Olivier de Castille und Artus und in der Legende von den beiden Jakobsbrüdern widerklingt.[14] Hier übernimmt der eine Freund den gefährlichen Zweikampf für den andern und begeht scheinbares Unrecht an ihm, dagegen gibt dieser seine Kinder hin, um jenen vom Aussatze zu heilen,[15] doch durch ein Wunder werden auch sie im Leben erhalten. Wenn aber die Opferung der Kinder erst im Abendlande in das indische Märchen hineingebracht worden ist, so haben wir nach Reinhold Köhlers treffendem Ausdruck[16] einen der Fälle vor uns, in denen unsre Volksmärchen keineswegs als Entstellung und Verschlechterung, sondern als Erweiterung und Vertiefung der indischen Grundlage erscheinen; denn während diese nur einseitig die opferbereite Treue des Dieners schildert, ist durch die Tötung des Kindes das Märchen gleich der Dichtung von Amicus und Amelius zu einer Verherrlichung gegenseitiger höchster Freundestreue und Aufopferung geworden.

Statt des lauschenden Freundes, der die dem Helden angedrohten Gefahren vernimmt und glücklich abwendet, ist in einem griechischen Märchen bei B. Schmidt 1877 S. 68 nr. 3 die gute Schwester eingetreten. Sie hat beherzigt, was die drei Schicksalsgöttinnen [57] (Moiren) bei der Geburt des Knaben verkündeten, und rettet den Bruder im dritten Jahre vor dem Feuer, im siebenten vor einem Sturze und tötet in seiner Brautnacht die auf ihn herabfahrende Schlange. In einer armenischen Erzählung aus dem Bezirk Jelisawetpol im Kaukasus (Etnograf. Obozr. 45, 171) hört die Schwester nur von der Gefahr am Hochzeitstage des Helden; sie wird belebt durch das Wasser, in welchem Sonne und Mond Gesicht und Hände gebadet haben. In einem andern armenischen Märchen aus dem Gouv. Eriwan (Sbornik Kavkaz. 24, 2, 273 nr. 41) wird das Mädchen, das den Bruder vor dem Tode durch ein Pferd, einen Büffel und einen Sturz vom Baume bewahrt hat, versteinert wie in unserm Märchen; der Bruder wandert durch die Welt, bis er Paradieswasser findet und die Schwester damit erweckt. Und ebenso schließt ein imeritinisches Märchen aus Kutais (Sbornik Kavkaz. 19, 2, 56 nr. 7). Das Mädchen sieht die Prophezeiung der Engel sich erfüllen, daß ihr ältester Bruder auf der Jagd und der zweite beim Fischen seinen Tod finden werde; das dem dritten bestimmte Los, daß an seinem Hochzeitstage eine Schlange aus seinem Schuh kriechen und ihn umbringen werde, wendet sie, indem sie die Schuhe ins Feuer wirft. Als der Bruder sie zwingt zu sagen, warum sie das getan, wird sie zu Stein. In einem ähnlichen bulgarischen Märchen (Šapkarev, Sbornik 8 nr. 107) gelingt es der Schwester nicht, den Bruder von dem vorausgesagten Schicksal zu retten.


  1. Zu den Worten des Königs ‘Wenn alle Blätter an den Bäumen Zungen wären, sie könnten meine Liebe nicht aussagen’ vgl. R. Köhler, Kl. Schriften 3, 293. Zs. f. Vk. 11, 331. 12, 170. 17, 310. – Das Brauthemd (ein gemachtes heißt es nach dem Volksausdruck im Gegensatz zu dem bloß zugeschnittenen), das den, der es anzieht, mit Feuer verzehrt, gleicht ganz dem Gewand, das Deianira dem Herakles und Medea der Glauke schickt.
  2. Über diesen Ausruf des Wiederbelebten vgl. R. Köhler 1, 555 f.
  3. Liebe durch Bild: Chauvin, Bibl. arabe 5, 132. Meyer, Dâçakumaracaritam S. 283.
  4. Liebe durch Traum: Chauvin 5, 132. R. Köhler 1, 197. Meyer, Dâçakumar. S. 79.
  5. Wunderbare Empfängnis beider: unten nr. 60 ‘Die zwei Brüder’. – Eine ähnliche Entführung der Königstochter so auf einem Kaufmannsschiff bei Herodot 1, 1, im Gedicht von Gudrun Str. 249 f bei der Fahrt, auf der Horand Hilde holt, im König Rother v. 3060; vgl. W. Hertz, Gottfried v. Straßburg 1901 S. 503. R. Köhler 1, 464. 2, 344. Chauvin, Zs. f. Volksk. 17, 242 zu Kúnos nr. 19 b. Ilg 2, 9. Danon, Revue des études juives 32, 112. Jahn, Mehri S. 85. Büttner, Suaheli 2, 120. – Liebhaber als Mädchen verkleidet: Montanus, Schwankbücher 1899 S. 569. – Entführung durch unterirdischen Gang: Zarncke, Rhein. Museum 39, 1. R. Köhler 1, 393. 3, 162. Wetzel, Söhne Giaffers 1896 S. 219. Chauvin 5, 212. 8, 95.
  6. Versteinerung: Chauvin 6, 8. 57. 7, 98.
  7. Vgl. hierzu das Märchen von Sneewittchen, unten nr. 53.
  8. Dramatisiert ward Basiles Erzählung durch Gozzi ‘Il corvo’ 1772 (Baudissin, Italienisches Theater 1877 S. 1. Roger, Le théâtre fiabesque de Carlo Gozzi 1865 S. 45. Magrini, C. Gozzi 1883), benutzt schon bei Lippi, Malmantile 1688 canto 7, 104.
  9. Vgl. Gonzenbach nr. 68 und Zs. f. Volkskunde 6, 166.
  10. Vgl. Swynnerton, Indian nights nr. 47.
  11. In den Zwölften werden bei den Weißrussen hauptsächlich Märchen erzählt; s. Romanov 4, 152 Anm. Allein sehr auffällig ist, daß in Somadevas Fassung unsres Märchens der Kaufmannssohn nachts als der Prinz eingeschlafen ist, ohne eine begonnene Geschichte zu beenden, eine Stimme hört: ‘Weil dieser Elende eingeschlafen ist, ohne seine Erzählung zu vollenden, soll er morgen ein Halsband finden, und wenn er es umlegt, soll es ihn erwürgen.’
  12. Auch im malaiischen Märchen (Bezemer 1904 S. 153) wird Klatin auf seinen Freund Klaton eifersüchtig, bis ihm dieser den Drachen zeigt, den er nachts neben seinem Ehebette enthauptet hat.
  13. Somadeva ed. Tawney 1, 519. 2, 251. Benfey 1, 414 f. Oesterley, Baitál Pachísí 1873 S. 44. 185. North indian notes and queries 3, 104 nr. 219 (1893). Vīravara tötet seinen eignen Sohn, weil er von der Schicksalsgöttin erfahren hat, daß nur so der König am Leben bleiben werde.
  14. Vgl. Hartmanns armen Heinrich hsg. von den Brüdern Grimm 1815 S. 187 f. W. Grimm, Athis und Prophilias (Kl. Schriften 3, 265 f. 346). Müllenhoff-Scherer, Denkmäler² S. 342. Schwieger, Die Sage von Amis und Amiles, Progr. Berlin 1885. Chauvin, Bibl. arabe 8, 194. Zu den beiden Jakobsbrüdern s. R. Köhler, Kl. Schr. 2, 163. Kisteners Jakobsbrüder hsg. von Euling 1899 S. 41. Ulrich, Roman. Forschungen 19, 595. – Auch in einem Negermärchen bei Kölle p. 122 opfern die Freunde einander das Liebste, Weib und Kind (s. W. Grimm, Kl. Schriften 3, 362).
  15. Über den Glauben, Aussatz durch Kinderblut zu hellen, vgl. P. Cassel, Die Symbolik des Blutes 1882. H. Strack, Der Blutaberglaube 1891.
  16. In seiner lehrreichen Abhandlung über unser Märchen (Aufsätze über Märchen und Volkslieder 1894 S. 24–35).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Thurocz
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