Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I/Der gute Handel
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7. Der gute Handel. | 1856 S. 19. |
1819 nr. 7: aus dem Paderbörnischen (eingesetzt für 1812 nr. 7 ‘Von dem gestohlenen Heller’; vgl. unten nr. 154).
Das Märchen besteht aus fünf Streichen des einfältigen Bauern, die zuletzt zu seinem Vorteil ausschlagen: A. er wirft sein Geld den Fröschen in den Teich, damit sie es zählen; B. er verkauft Fleisch an einen Hund; C. er verklagt diesen beim König und bringt die traurige Prinzeß zum Lachen; D. er tritt die ihm zugedachten Schläge an eine Schildwache und einen Juden ab; E. er prellt den Kläger noch um den ihm geliehenen Rock. – Alle fünf Teile kehren wieder in der ostpreußischen Erzählung bei Lemke 2, 251 ‘Der dumme Bauer’, in dem schwedischen Volksbüchlein ‘Oxhandeln, eller den narrade juden’ (Stockholm 1826. Bäckström 3, 78) und in der kroatischen Aufzeichnung aus Warasdin bei Valjavec, Kres 4, 86 nr. 4 = Krauß 1, 244 nr. 52 ‘Bauer und Jude’ (den Froschruf Sechs, sechs übersetzt Krauß Quak). Der erste Teil fehlt in der ditmarsischen bei Hansen nr. 4 (Zs. 7, 223) ‘De Bur as Slachter’ und der Tiroler Fassung bei Dörler, Zs. f. Volksk. 16, 281 = Dähnhardt, Schwänke S. 44 ‘Der einfältige Bauer und die traurige Prinzessin’, wo dafür die Geschichte von dem Bürgermeister gewordenen Esel[1] eingeflochten ist. Die Teile C D fehlen in den mecklenburgischen Schwänken bei Wossidlo 2, 55 und 367, Teil D in den Rügenschen bei Haas nr. 222.
Allein erscheint der erste Streich schon bei Croce, Le piacevole e ridicolose simplicità di Bertoldino S. 29 (Guerrini, G. C. Croce 1879 p. 261), wo Bertoldino die fortwährend Quattro rufenden Frösche [60] beschwichtigt, indem er ihnen die Geldstücke zum Nachzählen in den Teich wirft. Ebenso trägt der närrische Schwab im Kurzweiligen Leben von Clement Marott 1665 S. 175, in Rottmanns Lustigem Historienschreiber 1717 S. 456 und im Kurzweiligen Polyhistor 1719 S. 230 und der arme Job bei Jegerlehner (Am Herdfeuer der Sennen S. 192) zehn Taler heim und hört voll Unwillen die Frosche Neun rufen. ‘Achte’ versteht der einfältige Bauer im niedersächsischen Schwanke bei Schambach-Müller S. 319 nr. 28, im fränkischen bei Bechstein, Sagenschatz des Frankenlandes 1, 89 nr. 38 ‘Die Steuersimpeln’ und im österreichischen bei Branky, Zs. f. dtsch. Phil. 8, 97. – Schwedisch bei Åberg nr. 336 ‘Om bónn, som va o suåld sin kuddo’ und nr. 115 ‘Om pojkin, som int sku få tvätta o int kamba säj po šú år’ (Anfang). Allardt nr. 193 ‘Bónn o gródona’. Hackmans Register nr. 1642. – Französisch in der Tradition 21, 197 ‘Jean Bête’ (Nau = neuf) und Gittée-Lemoine p. 89 ‘Le cornacu’ (Qwit = huit). – Italienisch bei Schneller nr. 57 ‘Turlulù’ (Qua = quattro), Pitrè, Nov. pop. toscane p. 180 nr. 31 ‘Giucca’ (Botto = otto), Balladoro p. 227 nr. 185 (ot, ot = otto). – In einem kleinrussischen Märchen aus dem Gouvernement Kiew (Hrinčenko 2, 333 nr. 238) versteht der von der Schenke heimkehrende Bauer dva (zwei) statt qua und ruft: ‘Ihr lügt, nicht zwei Rubel habe ich vertrunken, sondern drei; sieben hab ich noch in der Tasche’. Den Ruf der Krähen kra deutet ein Dummling in zwei Schwänken aus dem Gouv. Charkow und Wolhynien (Hrinčenko 1, 205 nr. 172. Rokossowska nr. 82) als Gestohlen (ukràw) und entgegnet: ‘Ihr lügt, ich habe die Graupen nicht gestohlen’ und wirft sie ihnen hin. So wirft auch im čechischen Märchen (Slavia 1, 4, 17 und 20) der dumme Hans den Fröschen Erbsen ([h]rach) oder Quark (tvaroh) ins Wasser, weil er sie rach oder tvarak schreien hört. Finnisch: Krohn-Lilius 2, 166. Aarnes Register nr. 1642. In einer Erzählung aus Louisiana (Fortier 1895 p. 20 nr. 5) redet ein betrunkener Irländer mit den Fröschen und ertrinkt endlich. In den türkischen Schwänken Nasr-eddins, übersetzt von Camerloher 1857 Nr. 69 = Decourdemanche p. 59 nr. 69 = Wesselski, Nasreddin 1, 36 nr. 69 wirft der Meister gleichfalls den Fröschen eine Handvoll Geld in den See, um sich Honigteig dafür zu kaufen.
Der Verkauf des Fleisches an den Hund, der an ähnliche Handelsgeschäfte eines Dummlings (Basile 1, 4. Gonzenbach [61] nr. 37. Cosquin nr. 58. Frey, Gartengesellschaft 1896 S. 215, Zs. d. morgenl. Ges. 48, 403 nr. 7. Chauvin 6, 126. Wesselski, Nasreddin 1, 159 nr. 277. 1, 270. 2, 76 nr. 413. Simrock nr. 18) erinnert, wird meist mit dem Lachen der traurigen Prinzessin[2] verbunden; so im dänischen Märchen bei Kristensen 2, 241 nr. 37, wo der Bauer statt der Königstochter eine Grafschaft (Grevskab) erhalten soll, aber statt des Forkenstiels (Grebskaft), wie er versteht, lieber einen Schaufelstiel (Skovlskaft) begehrt; im slovakischen bei Dobšinský 2, 78 nr. 9 (Hirt und Prinzeß) und im kleinrussischen bei Hnatjuk 1, 145 nr. 7, wo die Hunde der Gäste den Kindern des Bauern die Speisen weggefressen haben, und im ungarischen bei Sklarek nr. 23, wo der närrische Bursch den Stier an eine knarrende Weide verkauft hat. In den polnischen Schwänken bei Ciszewski nr. 148–150 schleppt der Bauer den Hund gleichfalls zum König. Im kroatischen (Zbornik za nar. živ. juž. Slav. 12, 144 nr. 34) entreißen die Hunde des Gerbers dem Manne die Haut des verendeten Ochsen; sie werden, wie der Gerber meint, sie ihm in drei Tagen bezahlen. Anders in Bosnien (Bos. nar. pripov. S. 57 nr. 14) und Montenegro (Zs. Luča 6, 258): Nasreddin verkauft einen krüppligen Ochsen, für den er keinen Käufer fand, den Hunden. Im bulgarischen Märchen (Sbornik min. 9, 185) sperrt der Bursch alle Hunde der Stadt ein und erhält nun von deren Herren sein Geld. Im lettischen (Dowojna Sylwestrowicz 1, 444) jagt der Dumme den Hunden mit einer Peitsche nach, diese schrecken die Räuber in der Waldhütte auf, und dort findet der Dumme endlich das Geld, das ihm die Hunde schulden. Ähnlich geht in einer großrussischen Erzählung (Chudjakov 2, 118 nr. 69) der Bursch, nachdem er eine Woche auf Bezahlung gewartet, mit einem Knüttel auf den Hund los, der in die Enge getrieben auf eine Katze springt; unter der Katze liegt ein Kessel von Silbergeld, daraus zählt sich der Bursch seine dreißig Rubel ab und geht scheltend davon; vgl. das ausgeschmückte čechische Märchen von J. Malý S. 175 (zuerst 1845).[3]
[62] Der vierte Streich des Bauern, der die ihm zugedachten Schläge der Schildwacht und dem Juden abtritt,[4] wird ähnlich bereits im 14. Jahrhundert bei Sacchetti in der 195. Novelle von einem Bauern erzählt, der dem Könige Philipp von Frankreich seinen verlorenen Sperber wiederbringt; in der Summa predicantium des englischen Dominikaners Johannes von Bromyard (J. 6, 19. Wright, Latin stories 1842 nr. 127) ists der Kaiser Friedrich, dem ein Bauer erlesene Früchte bringt, in dem englischen Gedicht Sir Cleges (ed. Treichel, Engl. Studien 22, 374. J. Weston 1902) wird die Geschichte von König Uter, in der alten englischen Übersetzung der Gesta Romanorum c. 90 (p. 413 ed. Herrtage 1879: ‘How a king’s son shared his reward’) von einem nicht genauer bezeichneten Herrscher berichtet. Im 15. Jahrhundert ist sie in Deutschland auf den Herzog Otto von Österreich übertragen (Pfaff von Kalenberg in Bobertags Narrenbuch 1884 S. 10; danach Adelphus, Margarita facetiarum 1508 Bl. P 4b und Bebel, Facetiae 2, nr. 56), im 16. bei Straparola 7, 3 auf Papst Leo und einen Brescianer Cimarosto, im 17. bei Tallemant des Réaux (Historiettes 3, 390 ed. Monmerqué et Paris) auf den Kanzler Seguier und den Schauspieler Jodelet, in der Histoire du théâtre italien (Moland, Molière et la comédie italienne p. 375) auf den Herzog Saint-Aignan und der Schauspieler Mezzatin, in den Nouveaux contes à rire 1702 p. 186 auf den Großherzog von Florenz. Ferner vgl. Pauli, Schimpf und Ernst nr. 614. Tobias, Comoedi, Marburg 1632 S. 104 (Wick, Tobias. Diss. Heidelberg 1899 S. 107). Cuentos de Juan Aragones 1576 nr. 3. Pleasant conceits of Old Hobson 1607 (Hazlitt, Jest-books 3) p. 40, Casalicchio, L’utile col dolce 2, nr. 46. Freudenberg, Etwas für alle 1732 nr. 255. Vademecum für lustige Leute 1, nr. 265 (1774). F. Kind, Der Falke (Gedichte 4, 75. 1819). Haug, Der Seefisch (Spiele der Laune und des Witzes 1826 S. 6). Reuter, De russ’schen Rubeln (Läuschen 1, nr. 60). Niederhöffer, Mecklenburgs Volkssagen 3, 196 (Wallenstein und ein Güstrower Pferdehirt). Busch, Ut ôler Welt 1910 S. 36. Jahn, Vm. aus Pommern 1, 145 nr. 24 ‘Alten-Sattel’ (der Bauer bringt einen Fuchs und einen Hecht, die sich ineinander verbissen haben, zum alten Fritz). Niederländisch: Volkskunde 7, 147 (Kaiser Karl und Fischer). [63] De Mont en de Cock, Vlaamsche Vertelsels 1898 S. 284. Teirlinck p. 118. Dänisch: Grundtvig, Minder 2, 208. Kristensen, Skjämtesagn S. 97 und Fra Bisdestue 1, 131. Schwedisch in Hackmans Register nr. 1610. Sardinisch im Aichivio 2, 501 ‘La culbulitta di li fichi’. Imbriani, Novellaja fiorentina 1877 nr. 46. Nerucci nr. 26 ‘La novella di sonno’ = Marc Monnier p. 236. Spanisch: Boira, El libro de los cuentos 1, 296 (1862). Slovakisch bei Dobšinský 2, 86 nr. 9, wo der Bauer den erwarteten Lohn unter vier Wachen verteilt und 100 Stockschläge erbittet. Kleinrussisch im Etnograf. Zb. 3, 145 nr. 7 (300 Schläge an zwei Wachen und einen Juden) und Etnograf. Zbirnyk 12, 193 nr. 192 (Petro bringt dem Könige Boleslaus einen Hecht und einen Fuchs, die sich ineinander verbissen haben, und erbittet 100 Stockschläge für die Wachen, wird zum Edelmann gemacht). Polnisch bei Ciszewski nr. 148–150 (Schläge an drei Soldaten und einen Juden, oder an drei Juden; in nr. 149 erträgt der Bauer selber die Hälfte der 100 Schläge). Čechisch aus Mähren bei Menšík S. 112 nr. 38. (Der Bauer bringt dem Grafen Berka einen besonderen Fisch, wie in den englischen Gesta Romanorum, im Pfaffen von Kalenberg, im vlämischen Schwank, im toscanischen bei Nerucci und in der polnischen Erzählung aus dem Fürstentum Teschen bei Malinowski 1, 20, in einer weißrussischen bei Seržputovskij S. 71 nr. 38, sowie in einer indischen bei Bompas p. 141 nr. 40. Einen Fuchs und Hecht wie im pommerschen Märchen bringt der Bauer im kleinrussischen aus Ostgalizien im Etnogr. Zb. 6, 141 nr. 332 und bei Šuchevyč S. 148 nr. 86 zum Herrn und erbittet für sich und den Juden je 50 ‘Prügel’ (buk = Buche und Stockschläge)[5]. Frische Feigen bringt ein Bursch der kranken Prinzeß im slavonischen Märchen Zbornik jslav. 16, 143 nr. 19. Anderwärts hat der Bauer eine verlorene Wertsache gefunden: im polnischen Schwank aus Oberschlesien bei Malinowski 2, 86 einen Orden, den der alte Fritz im Manöver bei Charlottenburg verloren, im kleinrussischen aus Nordungarn (Etnograf. Zbirnyk 2, 2, 37), [64] im weißrussischen aus dem Gouv. Minsk (Šejn 2, 200 nr. 93) und aus dem Gouv. Kursk (Afanasjev³ 2, 414 nr. 248, var. s) eine goldene Uhr. In einem weißrussischen Schwank aus dem Gouv. Mogilev (Šejn 2, 200 nr. 94) bringt der Bauer dem Kaiser einen Goldklumpen, den er im Keller ausgegraben, und läßt sich dafür Brot, Branntwein und Fleisch bringen, dann zum Tanz aufspielen und Erbsenstroh zum Lager holen; für die Unordnung, die er im Palast angerichtet, verlangt er hundert Stockschläge, die Hälfte aber gebühre dem General. Einfacher bei Federowski 3, 231 nr. 461, wo der Bauer für das goldene Ei hundert Streiche fordert und seine Hälfte dem Juden abtritt. Anderwärts (Mater. i prace kom. język. 2, 8 nr. 2; Malinka S. 369 nr. 93) bringt der Bauer dem Herrn die verlorene goldene Tabaksdose. Ähnlich (Edelstein) aus dem Gouv. Archangelsk bei Afanasjev³ 2, 436. In einer slovenischen Erzählung aus den Görzer Alpen (Nar. pripov. v Soških planinah 3, 27 nr. 2 = Gabršček S. 327 nr. 43) erhält ein Junge, der Feigen verkaufen soll, von der Mutter Gottes für drei Feigen eine Pfeife, nach der alles tanzen muß, ein Tischleindeckdich und ein Glas, das alle gewünschten Getränke spendet; er verkauft dann die übrigen Feigen einer Frau in der Stadt für hundert Stockschläge, die er unter die Wachen verteilt und verkauft. In der kroatischen aus Warasdin Kres 4, 36 nr. 4 = Krauß 1, 246 nr. 32 schlägt der Mann die Prinzessin aus, die er zum Lachen gebracht, und dafür sollen ihm 500 aufgezählt werden; ähnlich aus Oberungarn Etnogr. Zb. 3, 146 nr. 7. Wieder anders leitet ein serbischer Schwank aus Bosnien (Bosanska Vila 6, 94) ein: der Sultan schenkt einem Knaben einen Dukaten; der aber will ihn nicht nehmen, weil seine Mutter sagen würde, er habe ihn gestohlen oder der Sultan habe ihm mehr gegeben, und wird zum Sultan geladen. Finnisch in Aarnes Register nr. 1610.
Die älteste Gestalt des Schwankes scheint die zu sein, daß der Bauer selbst einen Teil der Schläge erhält und der Rest an die Diener verteilt wird. So ist es bei Bromyard, wo dem Bauern leichtere Schläge zugemessen werden, im Pfarrer von Kalenberg, in einem kleinrussischen und weißrussischen Schwank, so auch in den orientalischen Fassungen der 1001 Nacht (Henning 8, 69. Chauvin 5, 282. Kalif Harun und ein Spaßmacher), Mas’ûdi (Les prairies d’or 8, 163. Revue des trad. pop. 12, 675), Kantemir (Flögel, Hofnarren S. 176. R. Köhler 1, 495¹: Nasr-Eddin vor Timurlenk. Cardonne, [65] Mélanges 1, 185. Wesselski, Nasreddin 1, 189 nr. 328), Basset, Nouveaux contes berbères p. 166 nr. 119 ‘Part à deux’, Christian, Behari proverbs 1891 nr. 294, Büttner 1894 S. 86, Meißner, Mitt. des or. Seminars 8, 76.[6]
Auch der fünfte Streich des Bauern, der dem Juden nicht eher zum Könige folgt, als bis er ihm einen Rock geliehen hat, darauf dies vor dem Könige ableugnet und dadurch dessen Klage unglaubwürdig macht, ist schon seit dem 15. Jahrhundert literarisch fixiert. So erklärt in einer italienischen Novelle des Sabadino delli Arienti (Le Porretane 1483 nr. 20) Messer Lorenzo Spazza, der sich von seinem Gläubiger einen Mantel geborgt hat, um vor Gericht erscheinen zu können, jener bilde sich seit einiger Zeit ein, alles gehöre ihm: ‘So zum Beispiel fragt ihn einmal, wem der Mantel gehört, den ich hier trage! Gleich wird er sagen, er gehöre ihm.’ Als der Gläubiger natürlich so antwortet, wie der Verklagte vorausgesagt hat, hält ihn der Richter für verrückt und läßt ihn in Gewahrsam legen. Ebenso Timoneda, Patrañuelo 1576 nr. 18. Schauplatz der Betrüger 1687 S. 550 nr. 427 ‘Der übel bezahlte Jud’. Bei De Mont en de Cock, Vlaamsche Vertelsels S. 277 verbunden mit dem Schwanke von der dem Geistlichen geschenkten Kuh (Montanus, Schwankbücher S. 629). Dagegen hat in der französischen ‘Farce des deux savetiers’ (Fournier, Le théatre français avant la renaissance 1872 S. 210) der reiche Schuster das Geld dem armen nicht einfach geliehen, sondern ihm zum Scherze zugeworfen, als jener vor dem Altar kniend Gott um hundert Taler anflehte;[7] der Arme behält die Summe als ein Geschenk Gottes, desgleichen den Rock, den der Reiche ihm geliehen, damit er anständig vor Gericht auftreten könne. Mit dieser Einleitung wird der Streich oft erzählt; [66] so in dem oben angeführten türkischen Volksbuche von Nasr-eddin Hodja (Camerloher nr. 54. Decourdemanche 1876 S. 46 nr. 54. Mouliéras, Les fourberies de Si Djehá 1892 nr. 20. R. Köhler 1, 490), wo ein Jude das Gebet des Hodja um tausend Goldstücke hört und ihm einen Beutel mit 999 Goldstücken durch den Schornstein ins Haus wirft. Der Hodja zählt nach und sagt: ‘Der mir diese gab, wird mir auch das letzte geben’; wie der Jude an die Tür pocht und sein Geld zurückbegehrt, weigert er sich, Allahs Geschenk herauszugeben, und geht auch nicht eher mit zum Kadi, als bis der Jude ihm einen Maulesel und einen Pelz geliehen. Ebenso bei Stumme, Märchen aus Tripolis 1898 S. 176 nr. 10 ‘Dschuha und der Jude’. Von den Kjurinen in Dagestan im Sb. Kavk. 14, 2, 202. Aus Malta bei Ilg 2, 70 nr. 113 ‘Die Geschichte von den neunundneunzig Goldstücken’; aus Lesbos bei Georgeakis-Pineau p. 111 = Revue des trad. pop. 8, 323 ‘La juif et le chrétien’ = Zs. f. Volksk. 13, 424 (Der Jude legt 5000 Piaster statt der erbetenen 10 000 vor die Tür). Ebenso der Jude und der Zigeuner in einer slovakischen Fassung aus dem Komitat Zemplin bei Czambel S. 388 § 202 (Gehrock, Hut und Stiefel); die Gerichtsverhandlung fehlt in einer serbischen Version bei Vuk Vrčević nr. 289. In einem Schwanke der sog. Walachen in Mähren (Václavek S. 77 nr. 19) geht der von einem jüdischen Gläubiger bedrängte Schuster nachts zum Standbilde seines Patrons, des hl. Johannes, und betet, dieser möge ihm 90 Gulden zur Tilgung seiner Schuld bescheren. Einmal belauscht ihn der Jude und legt 88 Gulden hin. ‘Hat der hl. Johannes 88 Gulden gegeben’, ruft der Schuster froh, ‘so wird er morgen den Rest geben’. Vom Juden verklagt, erscheint er zweimal nicht vor Gericht und entschuldigt sich bei jenem, er habe keinen anständigen Rock usw. Kaschubisch im Gryf 1, 12 nr. 2, wo der Jude den Soldaten von Kopf bis Fuß kleidet und ihm ein Pferd leiht. In einer kleinrussischen Fassung aus Ostgalizien (Rozdoljśkyj nr. 70) wirft der Jude eine Börse mit 29 Gulden durchs Fenster der Kapelle, wo der Bursche die Mutter Gottes um wenigstens 30 Gulden angefleht hat; in einer andern (Etnogr. Zbirnyk 1, 12) legt er 130 Rubel statt 100 hin; in einer dritten aus Südungarn (ebd. 30, 289 nr. 146) findet der Zigeuner am Wege die vom Juden hingelegten 99 Gulden 99 Kreuzer. In der großrussischen bei Afanasjev³ 2, 410 nr. 248l. streiten der Jude und der Zigeuner zuvor über den Wert ihres [67] Glaubens.[8] In der weißrussischen bei Seržputovskij S. 138 nr. 68 nimmt der Herr Petrowski die 299 Rubel, die ihm der Küster vom Kirchenchor aus zuwirft, an, schilt aber Jesus als den Sohn einer Jüdin, wie ihm der Küster ein Schimpfwort zuruft. In einer polnischen Erzählung aus Galizien (Lud 6, 340) hat der arme Bauer, den der hl. Georg vom Selbstmorde zurückhielt und vertröstete, er wolle Gott seinetwegen befragen, dessen goldenen Steigbügel als Unterpfand erhalten. Auf diesen hin bekommt er vom Juden Brot und Branntwein, auch einen Anzug, leugnet aber, als es zum Zahlen kommt, alles ab. Schließlich gibt ihm der hl. Georg einen Wunschbeutel für den Steigbügel. In der ganz ähnlichen großrussischen Fassung bei Afanasjev, Legendy nr. 12 erscheint ein Zigeuner und ein Herr statt des Bauern und des Juden; in der kleinrussischen Version bei Rudčenko 2, 190 nr. 7 und der weißrussischen bei Federowski 2, 306 nr. 339 erhält der Zigeuner vom hl. Georg geradezu die Erlaubnis zu Lüge und Dieberei. Ebenso in Mater. i prace kom. język. 2, 12 nr. 5. Auch der russische Bauer Nesterko genießt ein solches Vorrecht: als ihm der hl. Georg Gottes Bescheid verkündet, gibt er dem Heiligen den goldenen Steigbügel nicht zurück, sondern läßt sich den aus Reisig geflochtenen Bügel von ihm bezahlen und prellt einen Herrn, der bei ihm einen Sattel für hundert Rubel bestellt, um Geld, Rock, Stiefel und Pferd (weißrussisch bei Romanow 3, 400 nr. 15, Var. a; großrussisch bei Kolosov, Zamêtki o jazykê i narodnoj poezii v oblasti sêverno-velikorusskago narêčija S. 203 und Ivanickij S. 205). In einem polnischen Schwank aus Alt-Sandec (Wisła 8, 229) gibt St. Peter dem armen Bauern seinen goldenen Sattel samt den Bügeln und bringt ihm Gottes Bescheid, seine Armut rühre daher, daß er niemand betrüge und bestehle. Der Bauer erhält vom Juden auf den Sattel vorläufig hundert Gulden und, als er den Sattel nicht hergeben will und zum Richter mitgehen soll, auch Pelz, Stiefel und Mütze.
- ↑ Vgl. Bolte, Der Schwank vom Esel als Bürgermeister bei Murner (Zs. f. Volksk. 6, 93–96). A. de Cock, Volkskunde 9, 229–234. Chauvin, Bibl. arabe 7, 170. Clouston, Book of noodles p. 103. Wesselski, Nasreddin 1, 33 nr. 63. 1, 151 nr. 259. 2, 39 nr. 385. R. Köhler, Kl. Schriften 1, 491. Volkskunde 16, 53. Zs. f. Volkskunde 16, 381. Kristensen, Fra bindestue 2, 11. Veckenstedt, Sztukoris 1885 S. 31. Czambel S. 332 § 168. Mater. antropol. 10, 298 nr. 72. Etnograf. Zbirnyk 6, nr. 29, 30. Letopis istor.-filolog. obščeatva novoross. 3, 224 nr. 26. Federowski 3, 218 nr. 436–437. Seržputovskij S. 133 nr. 66. Mater. prace kom. język. 2, 11 nr. 4. Zbornik za nar. živ. juž. Slav. 12, 143 nr. 34. Anthropophyteia 1, 25 nr. 32. Šapkarev 8, 25 nr. 15. Zs. d. morgenld. Ges. 36, 13. Artin-Bey, Bull. de l’inst égyptien 2. série 4, 35. Christian, Behari proverbs 1891 p. 116 nr. 271.
- ↑ Vgl. dazu unten nr. 64 ‘Die Goldgans’.
- ↑ In mehreren kleinrussischen Erzählungen wirft der Dummling Fleisch den Hunden hin, ohne Bezahlung zu erwarten (Čubinskij 2, 497. Moszyńska nr. 34); sogar einem krepierten Hunde (Hrinčenko 1, 205 nr. 172. Manžura S. 79. Rokossowska nr. 82).
- ↑ Vgl. darüber Oesterley zu Pauli, Schimpf und Ernst c. 614. R. Köhler 1, 495¹. Treichel, Engl. Studien 22, 347–355. Toldo, Zs. f. Volkskunde 14, 58. 15, 454.
- ↑ Ähnlich lautet der oben S. 59 angeführte Tiroler Schwank. Auch im Etnograf. Zbirnyk 6, 139 nr. 330 verkauft der Bauer dem Juden 50 Prügel (búkiw), von den 100, die er im Kartenspiel mit seinem Herrn für sich gewonnen hatte. Ebd. S. 140 nr. 313 soll der Bauer die Prügel (buky) für ein Vergehen erhalten, ebenso in einem polnischen Schwanke aus der galizischen Tatra (Mater. antropol. 3, 2, 152). Kaindl, Die Huzulen 1894 S. 51.
- ↑ In einer mingrelischen Anekdote (Sb. Kavkaz. 18, 3, 32) gibt sich ein wegen versuchten Diebstahls zum Kaiser geführter Mann beim Minister für einen Bittsteller aus, muß dem Minister zwei Drittel des Geschenkes versprechen und erbittet nun vom Kaiser drei Ohrfeigen. Draußen versetzt er dem Minister zwei Ohrfeigen.
- ↑ Vgl. Toldo, Das vom lieben Gott geschenkte Geld und der geliehene Mantel (Zs. f. Volkskunde 13, 420–426). Die Gebetserhörung wird auch bei den Dänen (Kristensen, Jyske Folkeminder 9, 229. Skjämtesagn S. 103) und Rumänen (Archiv f. siebenb. Landeskunde n. F. 33, 523) erzählt. Aus Poitou: Revue des trad. pop. 6, 143 ‘Les cent éthius.’
- ↑ In einem slovakischen Schwanke aus dem Kom. Trentschin (Slov. Pohl. 15, 387) verkauft der Zigeuner dem Juden sein Steckenpferd für einen Gulden.
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