Ansiedlung deutscher Landsleute in Nordschleswig
[687] Ansiedlung deutscher Landleute in Nordschleswig. Die Landesgrenzen pflegen nicht nur im Kriege bedroht zu sein; oft müssen sie auch zu Friedenszeiten vor dem Andrang fremder Elemente geschützt werden und da gilt es, mit geistigen und wirtschaftlichen Waffen den Feind zurückzudrängen. In dieser Weise sucht das Deutschtum schon seit Jahren im Norden von Schleswig-Holstein gegen die Dänen anzukämpfen. Erst vor Jahresfrist haben wir in der „Gartenlaube“ (vgl. Jahrg. 1895, S. 612) über das erfolgreiche Vorgehen des „Deutschen Vereins“ in Schleswig-Holstein berichtet. Einer seiner Begründer, der rührige Leiter, Pastor Jacobsen zu Scherrebek, sucht nicht nur deutsche Bildung zu verbreiten und den deutschen Gewerbestand zu unterstützen, sondern auch die Ansiedlnng von deutschen Landwirten in Nordschleswig zu fördern. Der tüchtige Mann kauft dänischen Grundbesitz an, um denselben in Rentengüter umzuwandeln und diese mit deutschen Bauern zu besiedeln. Um Mittel zu diesem Zweck zu erlangen, hat die von Jacobsen gegründete Kreditbank zu Scherrebek eine Anleihe von 100 000 Mark aufzunehmen beschlossen. Es werden Schuldverschreibungen zu 500 Mark ausgegeben, deren Zinsabschnitte bei der Kreditbank selbst, bei der Deutschen Centralgenossenschaft in Berlin und bei der Filiale der Deutschen Bank in Hamburg mit 4% eingelöst werden. Diese Thätigkeit des Vereins hat bereits namhafte Erfolge zu verzeichnen. Der deutschen Ansiedlung in jenen Gebieten kommt noch die Thatsache zu statten, daß der dänische Bauernstand an sich im Schwinden begriffen ist. Seit 1867 nämlich bis in die 70er und 80er Jahre hinein wanderten viele junge Nordschleswiger, um sich der Militärpflicht zu entziehen, aus. Die gegenwärtigen Besitzer altern nachgerade und es fehlt jetzt an Nachwuchs für die Uebernahme ihrer Landstellen. Zwar könnten die Söhne den Besitz der Väter übernehmen, aber nur als Ausländer; denn in den letzten Jahren hat die Regierung die Wiederaufnahme solcher Ausländer in den Unterthanenverband immer abgelehnt, seitdem es sich gezeigt hat, daß die neuen Staatsbürger gewöhnlich die heftigsten Agitatoren für die dänischen Umtriebe wurden. So ist das Land auf den Zuzug neuer Kräfte von Süden her, aus Angeln, Südschleswig, Holstein, Mecklenburg, Pommern etc., angewiesen. Um nun diesen zu fördern, wurde in Nordschleswig außer dem bereits genannten noch der „Deutsche Ansiedlungsverein zu Rödding“ gegründet, der mit den verschiedenen Ortsabteilungen des „Deutschen Vereins“ in Verbindung getreten ist. Derselbe weist deutschen Kauflustigen verkäufliche Höfe an und giebt ihnen jede gewünschte Auskunft. Wollen junge Landleute die Verhältnisse erst näher kennenlernen, so vermittelt er ihnen Stellungen als Volontär, Mitarbeiter etc. Selbstverständlich leistet der gemeinnützige Verein seine Dienste unentgeltlich. Da das Angebot von Höfen ein recht großes ist, stellen sich die Preise verhältnismäßig niedrig. Verfügt der Landwirt über etwas Kapital, so findet er in Nordschleswig trotz der Ungunst der Zeiten ganz gut sein Auskommen. Viehzucht und Buttererzeugung bilden die hauptsächlichsten Einnahmequellen. Der Verein hat Stellen von 5 bis 200 ha zur Veräußerung. Auskunft erteilt der Vorsitzende, Amtsvorsteher Thiermann in Rödding. – So schreitet die deutsche Ansiedlung in Nordschleswig rüstig vorwärts und wir wünschen ihr auch weiteres kräftiges Gedeihen.