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Anton von Werner

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Textdaten
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Autor: Ludwig Pietsch
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Titel: Anton von Werner
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 316–319
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Anton von Werner.

Von Ludwig Pietsch. Mit einem Selbstporträt A. v. Werners und Abbildungen von C. Stoeving.

Der Treppenflur im Hause A. von Werners.

Die Tage dieses Winters, welche der Erinnerung an die vor 25 Jahren geschehenen, für die Geschicke Deutschlands entscheidenden großen geschichtlichen Ereignisse gewidmet waren, sind auch wichtige Gedenktage im Dasein eines deutschen Künstlers gewesen, der eben jenen Ereignissen den hohen Flug und Glanz seiner Lebensbahn und das Aufsteigen zu der künstlerischen Stellung dankt, die wir ihn heute einnehmen sehen. Anton von Werner, der Direktor der Akademischen Hochschule der bildenden Künste zu Berlin, hat alle Ursache gehabt, das Jubiläum der Belagerung von Paris und des 18. Januars 1871 nicht nur wie jeder andere sein Vaterland liebende Deutsche, sondern noch ganz besonders als Person und Künstler zu feiern. Haben sie ihm doch die großen Gegenstände gegeben, durch deren malerische Behandlung er vor allem seinen Ruhm in der Heimat und im Auslande erwarb, und wurden sie doch die Veranlassung dazu, daß er in jene nahen menschlichen Beziehungen zu den deutschen Herrschern, den glorreichen Führern der deutschen Heere und den Leitern der deutschen Politik trat; Beziehungen, durch die ihm die Wege zu der rasch von ihm erreichten Höhe geöffnet und geebnet worden sind.

An der Wiege ist ihm die Zukunft, die ihn von 1871 ab in Berlin erwartete, jedenfalls nicht gesungen worden. Sein Vater, der einem alten adligen Geschlecht entstammte, das sich schon im Dreißigjährigen Kriege militärisch ausgezeichnet hat, war ein Handwerker in sehr bedrängter Lebenslage. In dessen Hause zu Frankfurt a. d. O. wurde dieser Sohn im Jahre 1843 geboren. Der körperlich zarte und schwächliche Knabe entwickelte sich geistig ungewöhnlich rasch. Seine sich früh schon bekundende Lust am Zeichnen ging mit der lebhaften Lernbegierde in allen Schulfächern Hand in Hand. Mit dreizehn Jahren war er in den Klassen bereits so weit vorgerückt, daß seine Eltern es als kein gar zu frühes Abbrechen seines Bildungsganges ansehen zu können glaubten, wenn sie ihn von der Schule nahmen. Da er nun doch einmal ein Maler werden wollte und sollte, gaben sie ihn zu einem Frankfurter Meister der Stubenmalerei in die Lehre. Die erste Lehrzeit mag dem Knaben mit der anscheinend so gebrechlichen zarten Gestalt hart genug angekommen sein. Besonders die Nötigung, mit den schweren Malleitern zu hantieren, hat ihm sicher viele Not und Plage bereitet. Und doch hat er später eigentlich nie mit Bedauern auf diese Lehrzeit zurückgeblickt, sondern im Gegenteil die Vorteile dankbar anerkannt, welche er dieser Art seines ersten Kunstunterrichtes und der dabei empfangenen technischen Schulung schuldet. Dazu gehören unter anderem die handwerkliche Rüstigkeit und die Geschicklichkeit in der Beherrschung großer Wandflächen wie das Verständnis für das Dekorative in der Malerei. Alles das erwirbt sich jedenfalls viel leichter und sicherer in der Jugend auf diesem Wege als auf dem der akademischen Bildung.

Talent und Ehrgeiz waren diesem Stubenmalerlehrling indes in zu reichem Maß gegeben, als daß er in der Thätigkeit auf solchem bescheidenen Kunstgebiet seine Befriedigung hätte finden können. Er setzte es mit zäher Energie durch, nach Berlin zu gehen und auf der Akademie das höhere künstlerische Studium zu beginnen.

Seine außerordentliche Leichtigkeit im Erfinden und Entwerfen aller Arten von Kompositionen ließ ihn hier unschwer seinen Lebensunterhalt durch Illustrationszeichnen und andere künstlerische Arbeiten finden. In den Zeichen- und Malklassen setzte er Lehrer und Genossen durch seine rapiden Fortschritte in Erstaunen. Seine glückliche Erfindungsgabe bewies er besonders auch in jenen Kompositionen, in welchen Ranken und Arabesken mit figürlichen Darstellungen zu einem phantastisch reizenden Ganzen verflochten sind.

In dieser künstlerischen Gattung galt um die Mitte des Jahrhunderts Adolf Schrödter, der damals, mit seinem Schwager C. F. Lessing, Düsseldorf mit Karlsruhe vertauscht hatte, als der erste Meister unter den Deutschen. Seine humoristischen Randzeichnungen, Frieskompositionen und Einzelblätter hatten auf A. von Werner eine starke Wirkung ausgeübt. Der junge Akademieschüler entwarf Zeichnungen verwandter Art in großer Zahl. Von dem dringenden Wunsch getrieben, zu dem von ihm so verehrten Meister in persönliche Beziehungen zu treten, sandte er diesem im Jahre 1861 eine Auswahl seiner Entwürfe und Studien zur Ansicht, mit der Bitte, ihn sein Urteil darüber wissen zu lassen. Mit der Antwort A. Schrödters, der in diesen Arbeiten das große Talent und bereits merkwürdig gereifte Können des jungen Malers erkannt hatte, war die Aufforderuug an ihn verbunden, seine Studien in Karlsruhe fortzusetzen, wo die großherzogliche Kunstschule die beste Gelegenheit dazu böte. A. von Werner folgte 1862 dieser Einladung, und bald hatte er, von Lessing und Schrödter freundlichst aufgenommen, in der badischen Hauptstadt Wurzel geschlagen. Sein Talent entwickelte sich hier mit überraschender Schnelligkeit. Er zeichnete treffliche Illustrationen zu deutschen Dichterwerken, uralte geschichtliche Genrebilder, große Historien und Schilderungen selbsterlebter Vorgänge, Bildnisse, ornamentale Kompositionen in buntem Wechsel.

Auf den Ausstellungen der sechziger Jahre lenkten immer wieder Werke aller dieser Gattungen die Aufmerksamkeit auf den so mannigfach begabten Künstler. Ich erinnere mich noch deutlich seines „Georg und Lerse im Dachfenster der Burg Jaxthausen“, seiner „Zechenden Landsknechte“ und seines „Götz von Berlichingen vor dem Rat von Heilbronn“. Eine der geistreichsten und fesselndsten unter seinen damaligen Schöpfungen war die Gruppe zweier verwegener Strolche aus dem 17. Jahrhundert, die in „vertraulicher Unterhaltung“ beisammen sitzen. Daran reihen sich noch die heitern und lebensvollen Darstellungen von Scenen aus der eigenen Werkstatt, wie das „Quartett im Maler-Atelier“ und der „Geburtstag im Atelier“. In denselben Jahren 1865 bis 1868 entstanden die großen geschichtlichen Bilder Werners „Luther und Cajetan“ in lebensgroßen Halbfiguren, „Konradin empfängt sein Todesurteil beim Schachspiel“ und die „Entführung Kaiser Heinrichs IV. als Knaben durch Erzbischof Hanno“. Ueberraschend in diesen Werken eines so jugendlichen Künstlers war nicht nur die dramatische Kraft der Komposition, sondern auch die Energie des Ausdrucks der Empfindungen wie die der Farbe und die [317] ungewöhnliche Sicherheit und Tüchtigkeit der Malerei. Wenn in ihnen auch noch immer der Einfluß Lessings unverkennbar war, so gingen sie doch gerade in Bezug auf diese Energie der ganzen Darstellung und farbigen Wirkung über das in der gleichzeitigen Düsseldorfer Geschichtsmalerei Geleistete nicht unwesentlich hinaus.

A. von Werners schöpferische Phantasie aber bethätigte ihren überströmenden Reichtum mehr noch als in diesen abgeschlossenen Gemälden in einer Fülle von Zeichnungen, mit denen er in demselben Jahrzehnt die Dichtungen seines älteren Freundes Joseph Scheffel schmückte.

In Karlsruhe hatten sich beide aneinander geschlossen. Nie hat sich einem Dichter ein verständnisvollerer Illustrator seiner Schöpfungen gesellt. Wie trefflich A. von Werner den eigensten Geist und das Wesen der Dichtungen Scheffels in seinen Zeichnungen widerzuspiegeln verstand, das beweisen deutlich die meisterhaften Illustrationen zu „Frau Aventiure“, „Juniperus“, „Bergpsalmen“, „Gaudeamus“ und vor allem die zum „Trompeter von Säckingen“. Werners Einzel- und Streubilder, Randzeichnungen schmiegen sich im Charakter den Gedanken und Schilderungen des Dichters aufs innigste an. Er ist wie dieser bald derb realistisch und humoristisch, bald phantastisch romantisch. Ueberall zeigt er sich gleich heimisch, in der Welt der Träume und Gespenster, im frühen Mittelalter, in der modernsten Gegenwart, im Norden und Süden, in den Alpen, auf dem Strom und dem Meer, in der Klosterzelle, der altertümlichen Wohnstube des Herrenhauses, in der mittelalterlichen Herberge wie der heutigen Kneipe. So wie sie in A. von Werners Zeichnungen erscheinen, so müssen, meint man, die geschilderten Menschen und Scenen vor des Dichters geistigen Augen gestanden haben.

Die Entwürfe zum „Trompeter von Säckingen“ zeichnete Werner in Italien im Jahre 1869, wohin er sich nach einem Studienaufenthalt in Paris begeben hatte. Weder dieser, noch der in Venedig, Florenz und Rom haben einen merklichen Einfluß auf den Künstler geübt. Er ist auch dort immer sich selbst treu geblieben.

Nach seiner Heimkehr, 1870, rief ihn ein interessanter bedeutender Auftrag nach dem deutschen Norden, nach Kiel. In dem dort von dem Berliner Architekten Martens erbauten neuen Gymnasium übernahm er es, den Saal der Aula mit zwei großen halbrunden Wandgemälden, „Luther auf dem Reichstag zu Worms“ und „Aufruf Friedrich Wilhelms III. an sein Volk“, sowie mit den Einzelgestalten Gutenbergs und Fuggers, des Erasmus und Albrecht Dürers zu schmücken.

Selbstporträt.

Sowohl in Bezug auf die beste Ausnutzung des gegebenen Raumes, auf die Größe und Einfachheit des Stils der Kompositionen, als auf Harmonie und große ruhige Wirkung der vorzüglich zu dem Ton des ganzen Saales gestimmten Farbengebung löste er diese Aufgabe in hervorragender Weise. Kaum hatte er dies Werk aber zum Abschluß gebracht, als ihn ein anderer Auftrag mitten in den inzwischen entflammten Krieg gegen Frankreich, ins Feldlager und ins Hauptquartier nach Versailles führte. Er sollte den großen Schlachtendenker und -lenker, den Grafen Moltke vor Paris für den Kieler Kunstverein malen. Die Empfehlungen des Großherzogs von Baden, aber vor allem seine eigene Persönlichkeit sicherten dem Künstler die freundlichste Aufnahme in beiden Hauptquartieren. In Versailles entwarf er die Komposition zu dem Bilde „Moltke und die deutschen Truppen vor Paris eintreffend“, zeichnete und malte er die Naturstudien dazu. Dort auch sammelte er Studien zu dem feinen Kabinettstück, welches uns den großen Feldherrn allein zeigt, wie er Depeschen und Schriftstücke am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer zu Versailles liest.

Kaum wieder nach Deutschland zu seinen Arbeiten heimgekehrt, wurde er durch eine Einladung des preußischen Kronprinzen nach Versailles zurückgerufen. Er wohnte auf dessen Wunsch dem großen Akt der Proklamation des Deutschen Kaiserreiches in der Spiegelgalerie des Schlosses bei, um später das Bild dieser bedeutungsvollen geschichtlichen Scene wahrheitsgemäß malen zu können.

Nach der Beendigung des Krieges nahm er seinen Wohnsitz in Berlin, wo bald großartige Aufgaben an ihn herantraten. Er schritt zunächst an die Ausführung des originellen symbolisch historischen Velariumbildes, welches zum Schmuck der Lindenpromenade für den Tag des Siegereinzugs in Berlin bestimmt war und die Erhebung des herausgeforderten Deutschlands gegen Frankreich in kühner, wahrhaft poetischer Weise mit mächtiger Wirkung schilderte. Er malte auch den kolossalen farbigen Karton, der in ähnlichem idealistisch-realistischen Mischstil Erhebung, Sieg und Einigung Alldeutschlands und die Errichtung des Kaisertums darstellt und nach welchem das Gemälde in venetianischer Glasmosaik ausgeführt wurde, das den Fuß der Siegessäule auf dem Königsplatz in Berlin umgiebt.

Der Erfolg dieser Arbeiten war außerordentlich; die ganze Stimmung der Zeit kam ihrer künstlerischen Wirkung zu gute. Anton von Werner wurde damals nächst Adolf Menzel der populärste, bei Fürst und Volk gleichbeliebte Meister Berlins. Er sah sich mit Aufträgen jeder Art überhäuft, und seine frische rüstige Kraft zeigte sich jeder Aufgabe gewachsen. Er schuf dekorative Wand- und Deckengemälde für reiche Privathäuser, die prachtvollen poetisch tiefsinnigen, farbenschönen Kartons für den danach in Mosaik ausgeführten, die typischen Phasen des Menschenlebens schildernden Bilderfries an der Fassade des Pringsheimschen Hauses in der Wilhelmstraße in Berlin; er malte verschiedene Familienbildnisse für dortige und Hamburger Bürger, die sich und ihre Angehörigen in den Trachten und Umgebungen vornehmer Geschlechter des 16. Jahrhunderts in Venedig oder einer deutschen Reichsstadt dargestellt zu sehen wünschten. Auf dem einen Familienbilde dieser Gattung mußte sogar Doktor Martin Luther in Person als geehrter Gast des betreffenden Hauses inmitten der Herren, Damen und Kinder desselben erscheinen.

Gleich nach seiner Niederlassung in Berlin hatte A. von Werner sich mit der kunstbegabten Tochter Adolf Schrödters, Malwine, vermählt.

Nun baute er sich sein eignes Heim nach seinen Bedürfnissen und seinem Geschmack auf einem Grundstück der Potsdamer Straße, einem Villenhofe hinter dem an dieser gelegenen Vorderhause. [318] Hier schmückte er ganze Zimmerwände und Decken mit ornamentalen und figürlichen Malereien. Die Wandflächen des Saales zeigen die großen Gestalten des Tizian, des Raffael und eine Reihe von Medaillonbildnissen anderer Meister der Renaissance; die Wände des Schlafgemachs gemalte Füllungen, Puttengruppen, Scenen aus der Geschichte von Amor und Psyche; die des Kinderzimmers neun Grau in Grau gemalte Bilder zu deutschen Volksmärchen. Das große untenstehend abgebildete Atelier im obersten Geschoß erhielt einen charakteristischen Wandschmuck in Waffentrophäen und kriegerischen Abzeichen aller Art; in seinem Studierzimmer (s. S. 319) haben die Büsten seines Freundes Scheffel und die Statuette Moltkes besondere Ehrenplätze.

Wie sein Atelier eine Stätte rastloser erfolgreichster Arbeit wurde, so ward es auch wie die eigentlichen Gesellschaftsräume oft zum Schauplatz edelster Geselligkeit, für welche dem Hausherrn ebenso reiches Talent zur Verfügung steht wie für seine Kunst. Das ganze Haus ward der Sitz reinsten menschlichen Glücks.

Während Anton von Werner die obengenannten Arbeiten und außerdem zahlreiche lebensgroße Einzelbildnisse hervorragender Persönlichkeiten, Buchillustrationen, Aquarelle etc. ausführte, arbeitete er mit eisernem Fleiß auch an der Bewältigung der riesigen Aufgabe, die ihm das Bild der Kaiserproklamation in der Spiegelgalerie zu Versailles stellte. Das 1877 vollendete, durch die deutschen Fürsten dem Kaiser gestiftete Werk ist ein Triumph des Fleißes, der Gewissenhaftigkeit und Geschicklichkeit der Darstellung. Eine höhere poetische Wirkung zu erzielen, welche der Stimmung jenes großen geschichtlichen Momentes völlig entsprochen hätte, wäre unter den dem Meister gestellten Bedingungen kaum möglich gewesen. Wollten und mußten doch nicht nur die um den Kaiser versammelten Fürsten und Prinzen, sondern alle in der Spiegelgalerie zusammengedrängten Persönlichkeiten an Köpfen, Gestalten und Uniformen genau porträtiert sein. Jede Bethätigung der frei schaffenden Phantasie war ihm abgeschnitten. In wie reichem Maß ihm auch diese gegeben ist, bewies er in derselben Zeit besonders glänzend in den symbolischen Darstellungen der vier Fakultäten für die Wände des Treppenhauses in dem 1876 eröffneten neuen Universitätsgebäude zu Kiel. Leider sind diese vortrefflichen farbigen, völlig durchgearbeiteten Entwürfe dort nicht zur Ausführung gelangt.

Das Hausatelier A. von Werners.

Im Jahre 1874 kamen endlich die langberatenen Pläne einer gründlichen Reform der Berliner Kunstakademie, die allmählich anf einer tiefen Stufe des Verfalles angelangt war, zur Verwirklichung. Kein besser dafür geeigneter Mann hätte zur Durchführung der Neuorganisation des Institutes und als Direktor an dessen Spitze berufen werden können als A. v. Werner. Er vereinigte mit seiner großen künstlerischen Begabung in seltenem Maße den durchdringenden praktischen Verstand, das organisatorische Talent und den erforderlichen Geschäftssinn. Dazu kam der Vorzug der Jugend und der unverbrauchten Kraft. In kurzer Zeit gelang es ihm, das Institut sowohl in Bezug auf seinen Ruf wie seine wirkliche Leistungskraft ganz wesentlich zu heben.

Aber wie sehr auch Werners Zeit und Kraft dnrch die Last der geschäftlichen Arbeit in Anspruch genommen wurde, welche dies Amt ihm auferlegte, so hat sie doch nicht vermocht, seine schöpferische malerische Thätigkeit zu lähmen. Eine lange Reihe von großen und kleineren hochbedeutenden Gemälden ist seitdem aus der Werkstatt in seinem Hause und dem ihm in dem Gebäude der Kunstakademie eingerichteten Meisteratelier hervorgegangen. Ihre Mehrzahl bildet die Darstellungen zeitgeschichtlicher öffentlicher Ereignisse, bei deren Schilderung aktenmäßige Genauigkeit vorgeschrieben war, und Vorgänge und Scenen aus dem Kriege von 1870 und 1871. Für andere dekorative Phantasiestücke, wie die sinnigen und geistvollen Wandmalereien im Café Bauer in Berlin, lieferte er die Entwürfe und Farbenskizzen, die von seinen Schülern ausgeführt wurden. Dasselbe gilt von seinem großartigen Panoramagemälde der Schlacht bei Sedan, während er die dazu gehörigen bewundernswerten Dioramabilder fast allein gearbeitet hat.

Ich kann hier nur noch kurz auf einige Schöpfungen des Meisters hinweisen: auf die Wandgemälde im Rathause zu Saarbrücken,

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Das Studierzimmer A. von Werners.

auf das im Berliner Rathause aufgestellte große Bild der Schlußsitzung des Berliner Kongresses von 1878, auf die Wandgemälde „Krönung Friedrichs I. zu Königsberg“ und „Kaiserproklamation zu Versailles“ in der Herrscherhalle des Zeughauses, auf die kleinere Bearbeitung desselben Gegenstandes in dem Staffeleibilde, welches die königliche Familie dem Fürsten Bismarck an seinem 70. Geburtstage verehrte, auf das Wandgemälde jener Königskrönung mit beigesellten allegorischen Gestalten in der alten Kapelle des Königlichen Schlosses und das umfangreiche Oelgemälde „Die Eröffnung des ersten Reichstags unter Kaiser Wilhelm II. durch diesen in Person“. Auch der kleineren, außerordentlich volkstümlich gewordenen Bilder von Episoden aus dem Kriege in Frankreich ist noch zu gedenken, in denen er eine so scharfe glückliche Beobachtungsgabe, einen so hellen durchdringenden Blick für die lebendige Wirklichkeit und so eminente malerische Vorstellungskraft bekundet: „Gefangenentransport in einem französischen Dorf“, „Der Kronprinz an der Leiche des bei Weißenburg gefallenen Generals Douay“, die „Scene aus einem Etappenquartier auf der Straße nach Paris“, „Der Kronprinz in seinem Versailler Quartier, von den Herren seines Stabes und Gefolges umgeben,“ und „Der Kronprinz auf einem Fest im Königlichen Schlosse im Gespräch mit Virchow und anderen Berliner Größen der Wissenschaft und Kunst“.

Eben jetzt hat der Meister ein neues größeres Gemälde vollendet, das mit der gewohnten Treue einen denkwürdigen geschichtlichen Vorgang aus dem letzten Jahrzehnt, die „Beglückwünschung Moltkes an seinem 90. Geburtstage durch Kaiser Wilhelm II.“ schildert. Auch das Original des Seite 317 reproduzierten Selbstporträts A. von Werners stammt aus den letzten Jahren. Es spiegelt des Mannes und Künstlers eigenstes Wesen in lebendigster Wahrheit, seine Geistesklarheit, seine Festigkeit im Beharren, seine allen Hindernissen trotzende Energie im Durchführen des in der Kunst wie im Leben für das Richtige Erkannten. Es bedurfte der Vereinigung solcher Charakter- und Geisteseigenschaften mit seiner großen künstlerischen Begabung und schöpferischen Phantasie, um ihn zu befähigen, seine komplizierte Lebensaufgabe so zu lösen, wie es geschieht. Mit malerischen Arbeiten überhäuft, deren Durchführung anscheinend die ganze unzersplitterte Geisteskraft des Künstlers erfordert, weiß er die Verwaltung und die Geschäfte der von ihm geleiteten Hochschule der bildenden Künste mustergültig zu führen. Er versteht es, den Stunden jedes Tages, wie überwiegend sie auch durch die künstlerische Thätigkeit in Anspruch genommen werden, dennoch die nötige Zeit abzugewinnen, um am Schreibtische und im Konferenzzimmer allen Pflichten seines verantwortlichen Amtes und ebenso auch im Hause wie in der großen Welt denen zu genügen, welche seine hervorragende Stellung in der Gesellschaft und in der deutschen Kunst ihm auferlegt. Der gleichen Gunst, und hohen Wertschätzung, die Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich als Kronprinz und Herrscher und dessen Gemahlin dem Manne und dem Künstler jederzeit bewiesen haben, erfreut er sich auch seitens des regierenden Kaisers, wenn auch A. von Werners innerstem Wesen nichts ferner liegt als höfisches Werben und Buhlen um Fürstenhuld und -Gnade.

„Wie sich Verdienst und Glück verketten“ – davon giebt dieses Meisters Lebensgang ein besonders glanzvolles und lehrreiches Beispiel.