Arion

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Textdaten
Autor: August Wilhelm Schlegel
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Titel: Arion
Untertitel: Romanze
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1798, S. 278 - 286
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1798
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
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Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[278]
Arion.

Romanze.

     Arion war der Töne Meister,
Die Cither lebt’ in seiner Hand;
Damit ergötzt’ er alle Geister,
Und gern empfing ihn jedes Land.

5
          Er schiffte Goldbeladen

          Jetzt von Tarents Gestaden,
Zum schönen Hellas heimgewandt.

     Zum Freunde zieht ihn sein Verlangen,
Ihn liebt der Herrscher von Korinth.

10
Eh’ in die Fremd’ er ausgegangen,

Bat der ihn, brüderlich gesinnt:
          Laß dirs in meinen Hallen
          Doch ruhig wohlgefallen!
Viel kann verlieren, wer gewinnt.

15
     Arion sprach: ein wandernd Leben

Gefällt der freyen Dichterbrust.

[279]

Die Kunst, die mir ein Gott gegeben,
Sie sey auch, vieler Tausend Lust.
          An wohlerworbnen Gaben

20
          Wie werd’ ich einst mich laben,

Des weiten Ruhmes froh bewußt! —

     Er steht im Schiff am zweyten Morgen,
Die Lüfte wehen lind und warm.
„O Periander, eitle Sorgen!

25
Vergiß sie nun in meinem Arm.

          Wir wollen mit Geschenken
          Die Gotter reich bedenken,
Und jubeln in der Gäste Schwarm.

     Es bleiben Wind und See gewogen,

30
Auch nicht ein fernes Wölkchen graut.

Er hat nicht allzuviel den Wogen,
Den Menschen allzuviel vertraut.
          Er hört die Schiffer flüstern,
          Nach seinen Schätzen lüstern,

35
Doch bald umringen sie ihn laut.
[280]

     „Du darfst, Arion, nicht mehr leben
Begehrst du auf dem Land’ ein Grab,
So mußt du hier den Tod dir geben;
Sonst wirf dich in das Meer hinab.“

40
          So wollt ihr mich verderben?

          Ihr mögt mein Gold erwerben,
Ich kaufe gern mein Blut euch ab. –

     „Nein, nein! wir lassen dich nicht wandern,
Du wärst ein zu gefährlich Haupt.

45
Wo blieben wir vor Periandern,

Verriethst du, daß wir dich beraubt?
          Uns kann dein Gold nicht frommen,
          Wenn wieder heim zu kommen
Uns nimmermehr die Furcht erlaubt.“

50
     Gewährt mir denn noch Eine Bitte,

Gilt, mich zu retten, kein Vertrag;
Daß ich nach Citherspieler-Sitte,
Wie ich gelebet, sterben mag.

[281]

          Wann ich mein Lied gesungen

55
          Die Saiten ausgeklungen,

Dann fahre hin des Lebens Tag. –

     Die Bitte kann sie nicht beschämen,
Sie denken nur an den Gewinn.
Doch solchen Sänger zu vernehmen,

60
Das reizet ihren wilden Sinn.

          „Und wollt ihr ruhig lauschen,
          Laßt mich die Kleider tauschen,
Im Schmuck nur reißt Apoll mich hin.“

     Der Jüngling hüllt die schönen Glieder

65
In Gold und Purpur wunderbar.

Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter faltiger Talar;
          Die Arme zieren Spangen,
          Um Hals und Stirn und Wangen

70
Fliegt duftend das bekränzte Haar.
[282]

     Die Cither ruht in seiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein.
Er scheint erquickt die Luft zu trinken,
Er strahlt im Morgensonnenschein.

75
          Es staunt der Schiffer Bande,

          Er schreitet vorn zum Rande,
Und sieht ins blaue Meer hinein.

     Er sang: Gefährtin meiner Stimme!
Komm, folge mir ins Schattenreich.

80
Ob auch der Höllenhund ergrimme,

Die Macht der Töne zähmt ihn gleich.
          Elysiums Heroën,
          Dem dunkeln Strohm entflohen!
Ihr Friedlichen, schon grüß’ ich euch!

85
     Doch könnt ihr mich des Grams entbinden?

Ich lasse meinen Freund zurück.
Du gingst, Eurydicen zu finden;
Der Hades barg dein süßes Glück.

[283]

          Da wie ein Traum zerronnen,

90
          Was dir dein Lied gewonnen,

Verfluchtest du der Sonne Blick.

     Ich muß hinab, ich will nicht zagen!
Die Götter schauen aus der Höh.
Die ihr mich wehrlos habt erschlagen,

95
Erblasset, wenn ich untergeh’!

          Den Gast, zu euch gebettet,
          Ihr Nereiden, rettet! –
So sprang er in die tiefe See.

     Ihn decken alsobald die Wogen,

100
Die sichern Schiffer segeln fort.

Delphine waren nachgezogen,
Als lockte sie ein Zauberwort:
          Eh Fluthen ihn ersticken,
          Beut einer ihm den Rücken

105
Und trägt ihn sorgsam hin zum Port,
[284]

     „Leb’ wohl, und könnt ich dich belohnen
Du treuer, freundlicher Delphin!
Du kannst nur hier, ich dort nur wohnen
Gemeinschaft ist uns nicht verliehn.

110
          Dich wird auf feuchten Spiegeln

          Noch Galatea zügeln,
Du wirst sie stolz und heilig ziehn.“

     Arion eilt nun leicht von hinnen,
Wie einst er in die Fremde fuhr;

115
Schon glänzen ihm Korinthus Zinnen,

Er wandelt singend durch die Flur.
          Mit Lieb’ und Lust gebohren,
          Vergißt er, was verlohren,
Bleibt ihm der Freund, die Cither nur.

120
     Er tritt hinein: „Vom Wanderleben

Nun ruh, ich, Freund, an deiner Brust.
Die Kunst, die mir ein Gott gegeben,
Sie wurde vieler Tausend Lust.

[285]

          Zwar falsche Räuber haben

125
          Die wohlerworbnen Gaben,

Doch bin ich mir des Ruhms bewußt.

     Dann spricht er von den Wunderdingen
Daß Periander staunend horcht.
„Soll jenen solch ein Raub gelingen?

130
Ich hätt’ umsonst die Macht geborgt.

          Die Thäter zu entdecken
          Mußt du dich hier verstecken,
So nahn sie wohl sich unbesorgt.“

     Und als im Hafen Schiffer kommen

135
Bescheidet er sie zu sich her.

„Habt vom Arion ihr vernommen?
Mich kümmert seine Wiederkehr.“ –
          Wir ließen, recht im Glücke,
          Ihn zu Tarent zurücke. –

140
Da, siehe! tritt Arion her.


     Gehüllt sind seine schönen Glieder
In Gold und Purpur wunderbar.

[286]

Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter faltiger Talar;

145
          Die Arme zieren Spangen,

          Um Hals und Stirn und Wangen
Fliegt duftend das bekränzte Haar.

     Die Cither ruht in seiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein.

150
Sie müssen ihm zu Füßen sinken,

Es trifft sie wie des Blitzes Schein.
          Ihn wollten wir ermorden;
          Er ist zum Gotte worden:
O schläng’ uns nur die Erd hinein!“ –

155
     Er lebet noch, der Töne Meister;

Der Sänger steht in heil’ger Hut.
Ich rufe nicht der Rache Geister,
Arion will nicht euer Blut.
          Fern mögt ihr zu Barbaren,

160
          Des Geizes Knechte, fahren;

Nie labe Schönes euern Muth!

A. W. SCHLEGEL.