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Auch ein Diebsfänger

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Auch ein Diebsfänger
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 42–43
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Blätter und Blüthen.

Auch ein Diebsfänger. Constantinopel besitzt einen geheimen Polizeimann, der sich an Schlauheit und Kühnheit mit den berühmtesten seiner deutschen und französischen – Kunstgenossen sehr wohl messen kann. Er heißt Dindar Aga und war, gleich manchem andern gefürchteten Diebsjäger, in früherer Zeit selbst ein Uebelthäter. Während er aber Strafe für seine kühnen Griffe im türkischen Arsenal auf Cypern erlitt, erkannte er plötzlich das Unrecht, das er bis dahin sich hatte zu Schulden kommen lassen, wie er gleichzeitig einsah, der mahomedanische Glaube habe – für ihn – Vorzüge vor dem christlichen, in welchem ihn seine christlichen Aeltern hatten erziehen lassen. Er bekehrte sich deshalb zu den Lehren Mahomed’s und ward unter der Bedingung aus dem Gefängnisse entlassen, daß er seine vielfachen Erfahrungen zu Gunsten des Rechts und der Gerechtigkeit verwende. Hier unter tausenden ein Beispiel, wie er dabei zu Werke ging.

Vor mehreren Jahren wurden der Gemahlin des österreichischen Gesandten Diamanten von großem Werthe durch einige ganz besonders schlaue und freche Diebe gestohlen. Für die Wiedererlangung des Schmuckes setzte man eine bedeutende Belohnung aus und unser Herr Dindar erhielt Auftrag die Diebe zu ermitteln. In den nächsten acht Tagen schon hatte der Polizeimann, dem die Natur eine ungemein feine Nase gegeben, eine Spur von den Thätern ermittelt. Es waren mehrere und da sie die Juwelen nicht wohl in Constantinopel zum Verkaufe ausbieten konnten, hatten sie sich vorgenommen dieselben nach Teheran (in Persien) zu bringen, wo sie den Schmuck bald und zu hohem Preise zu verwerthen hofften. Dindar erfuhr, welchen Weg die Diebe auf dieser Reise nehmen wollten und als dieselben in Kars angekommen waren, erschien – ein Handelsmann aus Kurdistan in hoher Mütze von schwarzem Schaffell und langem Kaftan, in dem Caravanseraï, in welchem sie ausruheten, und wußte im Gespräche ihnen pfiffig das Geständniß abzulocken, daß sie Diamanten zu verkaufen hätten. Der angebliche Handelsmann, der kein anderer war als unser Freund Dindar, bot für die Edelsteine eine hübsche Summe, um den Verkäufern die beschwerliche weitere Reise nach der Hauptstadt des Schahs zu ersparen. Nach langem Feilschen willigten die Diebe ein, die Diamanten für neunzigtausend Piaster (etwa sechstausend Thlr.) zu verkaufen; unter scheinbarem Zögern brachte der Handelsmann einen schweren Lederbeutel hervor und zählte daraus die Summe auf. Das Geld aber war von Falschmünzern in England oder Rußland fabrizirt und vor einiger Zeit in Constantinopel weggenommen worden; der schlaue Dindar hatte sich mit einem großen Vorrathe solchen falschen Geldes versehen und war sonach im Stande die Diamanten sehr billig zu kaufen.

Die Diebe verließen Kars seelenvergnügt und traten [43] ihre Rückreise an; an dem Orte aber, wo sie das erste Mal Halt machten, kam einigen der Schlauesten plötzlich jener Handelsmann verdächtig vor, der ihnen die Reise nach Teheran erspart hatte; sie besahen das Geld genauer, mit dem er sie bezahlt hatte und überzeugten sich, daß es falsches sei. Augenblicklich jagten sie nach Kars zurück und sie trafen richtig den betrügerischen Kaufmann in dem Caravanseraï noch an, wo er ruhig seine Pfeife rauchte. Sie fielen wüthend über ihn her, nahmen ihm die Diamanten wieder ab, prügelten ihn entsetzlich mit Zäumen, Gurten und Pfeifenrohren, unter vollständiger Billigung der Umstehenden, denen sie erzählten, wie sie betrogen worden, gaben aber weder das erhaltene Geld zurück, noch machten sie Anzeige bei dem Richter, – sie hatten ihre triftigen Gründe dazu. Dann zogen sie weiter nach Teheran.

Der geprügelte Dindar mußte einen neuen Plan erfinden, wie er zu den Diamanten gelange. Er bestieg sein Pferd trotz den schmerzenden Gliedern und ritt so schnell als möglich. Nach zwei Tagen konnte sein Pferd nicht weiter, er kaufte ein anderes von einem Bauer und jagte so unermüdlich weiter, daß er vor den Dieben noch auf den weiten Ebenen Persiens ankam. Er wußte recht wohl, was er zu thun hatte. Er begab sich zu den ersten schwarzen Zelten von Turkomannen, die er antraf und dem Führer dieser Schaar, der Sultan Murad hieß, erzählte er unter Jammern und Wehklagen, wie schlimm es ihm ergangen. Er habe außerordentlich schöne Edelsteine in Kars an einige Handelsleute verkauft, aber die Diebe und ungläubigen Hunde hätten ihm mit Gewalt das Geld wieder abgenommen, das sie ihm bezahlt, und als er sie bei dem Kadi (Richter) in Kars verklagt, hätte dieser von den Dieben sich bestechen lassen, so daß er ihm nicht blos nicht zu seinem Gelde verholfen, sondern mit Schlägen ihn hinweggetrieben. Da wäre denn dem trostlosen und gemißhandelten Gläubigen Dindar nichts übrig geblieben, als in den Staub des Turkomannenlager sich niederzuwerfen, den Speer des Häuptlings zu erfassen, den Saum von dessen Gewand zu küssen und den tapfern und siegreichen Sultan Murad, vor dem die Welt zittere, anzuflehen, daß er sich an die Spitze seiner unbesieglichen Krieger stelle und die Räuber aus dem Wege nach Teheran überfalle. … Dindar setzte hinzu, das Geld, das ihm die Räuber abgenommen, belaufe sich auf neunzigtausend Piaster und wenn er nur die Juwelen zurückerhalte, wolle er gern das Geld seinem muthigen Helfer überlassen, den er schließlich bei dem Barte seines Vaters und dem Salze der Gastfreundschaft beschwur, ihn zu schützen und zu rächen.

Der Turkomannen-Häuptling fühlte ein menschlich Rühren und die Piaster verfehlten ihre Wirkung nicht. Er verstand sich dazu, Dindar’s Feinde zu züchtigen und ihm die Edelsteine wieder zu verschaffen; darum riß er sofort den Speer heraus, der vor seinem Zelte in den Boden gestoßen war, schwang sich auf sein Pferd, das ihn schon zu manchem Kampf getragen hatte und rief seine jungen Männer zu sich.

Als die Diamantendiebe aus dem letzten Gebirgspasse in die Ebene herauskamen, sahen sie sich zu ihrem Entsetzen von einer Schaar turkomannischer Reiter überfallen. Mehr als die Hälfte von ihnen fiel unter den krummen Säbeln und unter den Lanzen der Krieger Sultan Murad’s und die Ueberlebenden wurden, nachdem sie vollständig ausgeplündert, als Sclaven unter der wilden Horde behalten. Gegen Dindar hielt der Häuptling getreulich was er versprochen: die Diamanten wurden ihm zurückgegeben. Sofort machte unser Freund sich auf den Weg nach Constantinopel; dort überreichte er die Juwelen der Bestohlenen und empfing die verheißene Belohnung. Der Häuptling der Turkomannen begnügte sich mit den neunzigtausend – falschen Piastern.