Auerswald und Lichnowsky/Die Tödtung des Fürsten Lichnowsky

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von: Christian Reinhold Köstlin
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Die Tödtung des Fürsten Lichnowsky.

Nach vollbrachter Tödtung des Generals Auerswald stürmte ein großer Theil der vor den Garten hinausgegangenen Bewaffneten wieder in den Garten zurück, der auch diese Zeit über von Bewaffneten und andern unberufenen Besuchern nicht leer geworden, auch, wie es scheint, mit Wachen umstellt geblieben war. „Der hat seinen Lohn,“ hieß es, „nun den Andern!“ – „Einen Spitzbub’ haben wir; jetzt soll der Andre auch noch dran!“

Schon während der Hinausführung und Tödtung Auerswalds hatte die Durchsuchung des Gartens und des Hauses in allen Theilen immer fortgedauert, und wurde nunmehr mit erneuertem Eifer und doppelter Genauigkeit fortgesetzt. Es hieß, es müsse noch einer versteckt sein; denn „das Pferd sei da.“ Ein bewaffneter, schwarz, schmutzig, mit Pechhänden, dem Ansehen nach ein Schuhmacher, rief über die Gartenwand herüber: er habe Alles durchsucht, im Garten sei er nicht. Der Taglöhner Heil, von zwei Bewaffneten stets besonders bewacht, wurde unter Schlägen gezwungen, in allen Behältern suchen zu helfen, im Kuhstall, Heuboden, Treibhaus, während Andere bei Schmidt den Schornstein durchsuchten, Andere die Schnepfische [44] Küche, wieder Andere die Betten herauswarfen, mit Säbeln in die Betten stachen etc. etc.

Eben als nun der Kaufmann Pillot in das Schmidtische Haus kam, verlangten einige Bursche mit Ungestümm die Kellerschlüssel vom Lehrer Schnepf, der denn auch nicht zauderte, ihnen seinen Keller aufzuschließen, da er wußte, daß sie dort doch nichts finden würden; Pillot stieg hinter den Burschen hinunter, deren einer (nach Allem P. Ludwig) ihm die Pistole auf die Brust setzte mit der Frage, ob er ein Freund des Lichnowsky sei, – und, als Pillot dieß auf sein Ehrenwort verneinte, ihm erwiederte: „Ach was! Du Hundsfott hast gar kein Ehrenwort!“

Nachdem der Schnepfische und ein andrer Verschlag im Keller vergebens durchsucht waren, kam die Reihe an den Schmidtischen, der als stets dunkel beschrieben wird. Heil mußte unter Begleitung seiner Wache Licht herbeiholen, das er absichtlich nicht nahe an die Planken hielt. Ein Turnerbürschchen von 16 Jahren stieß ihm jedoch den Arm mit dem Licht ganz nahe hin und entdeckte im Hintergrund den Fürsten Lichnowsky. Da kein Schlüssel vorhanden war, so mußte Heil eine Axt holen. Auf den Befehl, die Thüre einzuhauen, zögerte er. Allein jener Bursche entriß ihm die Axt mit den Worten: „Du bist aber auch ein Kerl!“ – that einen Schlag wider die Thüre, daß der Kloben herausfuhr, und drei von der Rotte drangen in den Verschlag ein.

Der Fürst wurde sofort gepackt und herausgeführt. Er bat, ihn am Leben zu lassen, da er Alles für das Wohl des Volks thun wolle. Darauf sagte ein Theil, er solle nur mitgehen, es geschehe ihm nichts; – ein anderer Theil dagegen rief: „Das hättest du früher thun [45] sollen; jetzt ist es zu spät, – du mußt sterben.“ – Der Keller füllte sich mit Bewaffneten, da alsbald das Geschrei erscholl und sich weiter verbreitete: „Wir haben ihn.“

Unter Mißhandlungen (Hutabschlagen, Anspeien, Rockzerreißen) die jedoch einige Zeugen als geringer schildern; wurde der Fürst hierauf durch dasselbe Thürchen, wie sein Leidensgefährte, auf die Haide heraus und sofort durch die nach Bornheim führende Pappelallee geführt. Die Rotte hatte sich vergrößert (40–60 Mann), worunter jedoch (s. u.) auch Viele waren, welche den Fürsten zu retten beabsichtigten, woneben auch viele blos Neugierige sich zugesellten.

Nach Aussagen im kurhessischen Prozeß soll Lichnowsky erst zur Leiche Auerswalds geführt und dazu der Fahnenträger herbeigerufen worden sein; der Berliner (der Schuhmacher Dan. Georg) habe dem Fürsten sein Gewehr gezeigt und gesagt: „so hat dein Kamerad ein Nachtessen gekriegt, so sollst du auch eins speisen.“

Daß übrigens trotz der vorzugsweise gegen den Fürsten gerichteten feindseligen Gesinnung die Wuth der Verfolger im Ganzen bereits etwas abgekühlt oder durch Gegenbestrebungen gefesselt war, ergibt sich schon daraus, daß man mit ihm keineswegs so summarisch verfuhr“, wie mit seinem Leidensgefährten.

In der That erhellt auch aus den Aussagen vieler glaubwürdigen Zeugen, daß schon von seiner Auffindung im Keller an zwei Partheien unter der Bande entstanden, deren eine ihn schonen, die andere ihm aber an’s Leben wollte *). Zunächst zwar noch überwog die letztere. Nach [46] der Aussage Heils wäre Pillot, der in den Keller kam und rief: „Sucht ihr da die Republik? Schämt euch einer solchen That!“ – von einem an der Brust gefaßt und mit Todtschießen bedroht worden, falls er nicht weggehe, worauf auch der Bedrohte sich entfernte.

Standhafter dagegen und für einige Zeit erfolgreich waren die Bemühungen eines andern Mannes um die Rettung des Fürsten, – die des Dr. Hodes aus Fulda.

Dieser kam (nach seiner Erzählung) durch das Wegführen der ledigen Pferde über die Haide und lautes Schreien und Jubeln aufmerksam gemacht, aus seiner Wohnung in Bornheim heraus auf den Trupp Bewaffneter zu, welche die Pferde führten und die rohesten Drohungen gegen den Fürsten Lichnowsky ausstießen. Eben fielen die Schüsse auf Auerswald, den er bereits im Graben liegen fand.

Er eilte mit den Lichnowsky Suchenden in den Keller hinab und bat, nachdem Pillot entflohen war, auf’s Dringlichste, dem Mann doch nichts zu Leibe zu thun, derselbe habe ja für’s Volk gearbeitet, und werde es auch gewiß noch mehr thun. Es wurde ihm aber zugerufen: er solle weggehen, sonst bekomme er auch eine auf den Kopf.

Trotzdem setzte Hodes im Gatten und in der Pappelallee [47] seine Bemühungen eifrig fort. Er redete der Menge trotz wörtlicher und thätlicher Bedrohungen fortwährend zu, daß er schon für die Freiheit gekämpft habe, als sie noch in den Windeln gelegen hätten, daß er für die Freiheit 6 Jahre in Gefangenschaft und 15 Jahre im Exil zugebracht habe, daß er nicht gegen sie, sondern für ihre Sache rede, daß sie abgeschnitten werden könnten etc. etc. etc. Es gelang ihm, nach und nach Mehrere auf seine Seite zu bringen. Ein Unbekannter unterstützte ihn mit der Bemerkung, er sei auch Republikaner, billige aber eine solche Schandthat nicht. Ein Andrer machte den Vorschlag, den Fürsten nach Hanau zu bringen, wogegen auch dieser nichts zu haben schien. Die Menge schien unschlüssig zu werden, und es hieß schon, Lichnowsky solle mit nach Hanau genommen werden.

Es waren jedoch nicht nur von Anfang an diese verdienstlichen Bemühungen in der Minderheit geblieben, sondern sie regten auch, je mehr sie zu gelingen schienen, eine stärkere Opposition auf, die durch immer neu herzutretende aufreizende Elemente fortwährend Nahrung erhielt. Auch diese Richtung hatte ihren charakteristischen Vertreter.

Saul Buchsweiler, vormals Judenschulmeister in Rödelheim, seit einem Jahr wegen Immoralität entlassen, in merkwürdiger Allgemeinheit als schlechtes Subjekt prädizirt, eine untersetzte Figur, einen Bart im ganzen Gesicht, anständig gekleidet, mit gelbem Krückenstock, – „der Doktor genannt,“ – von vielen Zeugen nur kurzweg als der „kleine, dicke Jud“ bezeichnet, hatte an dem 18. Sept. Vormittags in Frankfurt, und nachher in Bockenheim bei Organisirung des bewaffneten Auszugs als Wühler [48] erster Sorte sein Möglichstes gethan, namentlich auch auf die flüchtigen Reiter gehetzt.

Von ihm sagen die Zeugen: – In Frankfurt schrie er: „Bürger heraus! Waffen heraus! Jetzt ist’s Zeit!“ und hielt Reden, wobei er heftig mit den Armen hin und herfocht. In Bockenheim schrie er, daß ihm der Schaum vor dem Mund stand: „Heute gilt’s, Brüder! Was säumt ihr? Fort! nach Frankfurt!“ – sprach vom Wohl des Vaterlands, vom Volkswohl u. dergl. Die Zeugen sagen: „man kann sagen: er hat geflennt dabei!“ – „Der Jud hat geschrieen und getobt, – man konnt’s vor lauter Schreien nicht recht verstehen. Er machte uns Courage und schrie: Waffen ’raus! Waffen ’raus! Oben aus dem Fenster hielt er eine Rede: Es gilt für unser deutsches Land etc. etc. etc., das verstand ich nicht. Sie denken gar nicht, was der dicke Jud gekrischen hat, so wie ein Jud spricht: Habt ihr euren Führer? Vorwärts! Heute gilt’s. Heute wird das Parlament gestürzt. Die Kerle müssen hinausgejagt werden, die schon so lange dasitzen und das Volk schon so viel gekostet haben, – und so in der Art viele Reden.“ – „Der Rödelheimer Jude hat geschrieen: Die Hanauer warten mit tausend Schmerzen auf euch; während ihr zaudert, müssen so viele unsrer Brüder sterben, und ihr könnt mit euren Waffen so viel ausrichten!“ – „Der Jud, der Buchsweiler, ist in Frankfurt in jedes Wirthshaus gekommen, der hat die Menschheit aufgeweckt, in ganz Frankfurt, sozusagen. Er stellte den Hut hin und hat gepredigt, er machte es merkwürdig.“ – „Aus der Chaise kam ein dicker Jude zu uns hereingestürzt, wie ein brüllender Löwe, und hat geschrieen: Es ist die höchste Spitze; eilt, daß ihr in die Stadt kommt! Die Preußen [49] machen schon in der ganzen Stadt herum. Dabei schimpfte er auf das Parlament: das wären keine Vollsvertreter, sondern Volkszertreter, und Vieles so.“ – „Schon am Morgen kam er in eine Bockenheimer Wirthschaft und hat eine merkwürdige Predigt gethan, er klopfte auf den Tisch und hat die Leute all ganz rebellisch gemacht.“ – Abends in Bornheim: „da hat der dicke Judenlehrer eine furchtbare Rede gehalten; der Kerl stand auf der Bank und hat mit Arm und Bein so furchtbar getobt, daß ich nicht Alles kapirte.“ – „Der dicke Jud zog mit einer Sense mit (d. h. mit der Ginnheim-Bockenheimer Freischaar) … Noch am Abend hat er Brüll gethan, wie am Mittag“ u. s. f. –

Besagter Buchsweiler nun, von dessen bloßer Bravour mit dem Maul die Zeugen übereinstimmend reden, scheint bei dem blinden Lärm, daß die Preußen kommen, sich aus dem Staube gemacht und die Ginnheim-Bockenheimer Freischaar im Stiche gelassen zu haben.

Nachdem nun Auerswald bereits ermordet im Graben lag, sahen Laz. Bamberger, Gerson Sonneberg und Franz Jakoby, im Begriff, sich durch das Gäßchen III. zu entfernen, den, Buchsweiler von der Friedberger Chaussee herankommen. Derselbe fragte nach der Stelle, wo Auerswalds Leiche liege, und verlangte sofort dahin geführt zu werden, wobei er ohne Weiteres seinen Arm in den des Sonneberg legte. Als sie zu der Stelle kamen, wo Auerswald lag, rief dem Judenlehrer ein Bewaffneter in der Art eines Bekannten zu: „Dort führen sie auch den Lichnowsky.“ Als Buchsweiler dieß hörte, that er wie närrisch, weinte, küßte dem Bewaffneten die mit Pech beschmierte Hand, sprang hin und her und rief: „Gottlob, [50] lieber Bruder! Nun ist Deutschland gerettet! Jetzt ist die Freiheit gerettet!“ Nach der Angabe von Jakoby hätte er auch die Leiche Auerswalds apostrophirt: „Du Hund! So muß Dir’s gehen! Du warst ein Feind des Landes“ etc. etc. u. dergl.

Jedenfalls säumte er nicht lange, sondern lief dem Trupp, der Lichnowsky führte, spornstreichs nach, noch im Fortlaufen schreiend: „Nieder mit dem Kerl!“ Bei dem Trupp angekommen, fuchtelte er mit dem Stock hin und her und drängte sich in den Haufen hinein.

Der Zeuge Spahn sagt: in dem Trupp sei bereits Unschlüssigkeit gewesen, ob man den Fürsten nicht doch lieber nach Hanau führen solle? Da sei Buchsweiler hinzugekommen und habe gesagt, der Fürst sei nicht werth, nach Hanau geführt zu werden; man solle ihn gleich todtschießen. Jakoby hat ihn selbst sagen gehört, sie sollten den Fürsten nur ja todtschießen und das Opfer nicht aus der Hand lassen; sie sollten nur ihm eine Waffe geben, er wolle ihn erschießen. Escherich sagt: der Jude gebärdete sich wie ein Wahnsinniger, fiel auf die Kniee und schrie: „den Volksverräther, diesen Spitzbuben wollt ihr laufen lassen?“ –

Unter fortwährendem Streiten war nun der Trupp nach und nach bis in die Mitte der Pappelallee (270 Schritte vom Schmidtischen Garten) gelangt. Durch das Ausreißen von Fetzen aus dem Rocke des Fürsten entstand ein Gebalg. Die Reden wurden wilder und blutdürstiger und die Stellung derer, die sich des Mißhandelten annahmen, immer gefährlicher. Jetzt griff der Fürst einem der Wütheriche (dem P. Ludwig) nach dem Gewehr, um es ihm zu entreißen, jedoch vergebene. Das war das Signal. [51] Es wurde „Platz“ gerufen und auf die, welche den Fürsten noch zu decken gesucht hatten, selbst angeschlagen. Es bildete sich ein Kreis um den plötzlich vereinzelt stehenden Fürsten, auf den alsbald mehrere Schüsse fielen. Er lief noch einige Schritte auf eine Pappel zu, streckte die Hand empor und that einen Sehmerzensruf. Erst auf einen Schuß, den er in den Rücken erhielt, brach er zusammen, und es fielen nun noch mehrere Schüsse.

Ueber die näheren Umstände, die Zahl, Reihenfolge und Wirkung der Schüsse sind jedoch auch hier die Zeugenaussagen sehr abweichend. Z. B. hat Rettenbacher nur 3, Heil 4, Kramm 5 Schüsse gehört, andere Personen dagegen 6–8.

Nur darin stimmen die Zeugenaussagen fast durchaus überein, daß der Fürst in keinem Falle auf den ersten Schuß schon gestürzt sei und daß der erste Schuß ihn nicht in den Rücken getroffen habe.

H. Weber z. B. gibt an: Lichnowsky sei vielfach geschlagen worden, von Buchsweiler mit seinem eichenen Stock, von Nispel mit dem Gewehrkolben und von Andern. Nachdem Lichnowsky dem Ludwig vergebens das Gewehr zu entreißen gesucht, habe Georg (auf 12 Schritte) nach ihm geschossen, worauf der Fürst getaumelt, aufgeschrieen und eine blutige Hand in die Höhe gehalten habe. Darauf habe Ludwig ganz aus der Nähe von hinten auf den Fürsten geschossen und ihn zu Boden gestreckt; hernach seien noch zwei Schüsse gefallen.

Joh. Fleck fragte den Fürsten, ob er noch mehr Wunden habe, als die an der Stirn; darauf habe der Fürst geantwortet: fünf Kugeln.

Etzel sagt: Nachdem bereits ein Schuß auf Lichnowsky [52] gefallen, habe ein angeblicher Bornheimer Turner, mittlerer Größe, mit einer Büchse, weißen Kappe, Turnjacke und Turnhosen, etwa 22 Jahre alt, derselbe, welcher nach Aussage der Umstehenden den zweiten (?) Schuß auf Auerswald abgefeuert haben sollte, gesagt, er wolle ihm noch eine geben, daß er genug habe. Derselbe habe sofort seine Büchse an den Kopf genommen und den Fürsten von hinten durch den Rücken geschossen, worauf der Fürst zu Boden gestürzt sei. Nachher habe derselbe noch zweimal seine Büchse geladen und noch zweimal auf den Fürsten geschossen.

Joh. Schwab sagt: die Führer des Lichnowsky führten diesen noch ein Stück in der Allee hin und ließen ihn alsdann gehen, worauf einer derselben ihn von der Seite in das Gesicht, und der andere ihn in den Rücken schoß, daß er zusammenstürzte. Der, welcher ihm den zweiten Schuß gab, ist derselbe (P. Ludwig), welcher den Auerswald zuerst geschossen hatte.

Weinmann in London gibt als ihm von Escherich gemachte Mittheilung an: während Escherich mit dem Fürsten auf die Bornheimer Haide gekommen sei, habe Nispel ihm einen Kolbenschlag an’s linke Ohr versetzt; nun habe Dan. Georg dem Escherich zugerufen, daß er sich von dem Fürsten entfernen solle, und alsbald sein Gewehr nach dem Fürsten abgefeuert, wodurch der Fürst in der Seite verwundet worden sei, die folgenden Schüsse auf den Fürsten seien von Zeh, Nispel und Knöll gefallen; von zweien derselben verwundet, sei der Fürst unter die Menge gesprungen und habe dem P. Ludwig seinen Karabiner zu entreißen gesucht; allein dieser habe auf den Fürsten angelegt und ihn in den Rücken geschossen.

[53] Nach diesen Schüssen soll sich nun der Haufen, der die That verübt hatte, nach verschiedenen Richtungen zerstreut haben.

Allein, wenn auch nach den hierüber sehr auseinandergehenden Zeugenaussagen anzunehmen ist, daß gerade der eine oder andere der Hauptthäter sofort das Weite suchte, so ist doch ebenso gewiß, daß der tödtlich Verwundete noch einige Zeit hindurch in der Gewalt einer feindseligen Truppe blieb, welcher Bestrebungen behufs seiner Rettung, – ja nur augenblicklichen Erleichterung auf eine barbarische Weise verhinderte.

Der Handlungsbeflissene Karl Hoch von Frankfurt erzählt, er habe dem Fürsten den Puls gefühlt und seinen Kopf in seine Hand genommen, indem er bei ihm niedergekniet sei. Auf seine angelegentliche Bitte sei dem Fürsten in seinem Hut Wasser gereicht und von ihm getrunken worden, obwohl es schon vorher geheißen habe: „Lassen Sie’s nur! Es ist der Lichnowsky!“ – Mit Hilfe eines Turners habe er den Fürsten an eine Pappel herangetragen und seinen Kopf fortwährend in der Hand gehalten. Da hätten wieder mehrere Stimmen gerufen: „Bleiben Sie weg! Es ist genug; er verreckt doch, – der Volksverräther krepirt doch!“ – und auf die Bitte des Fürsten, ihn in’s Spital zu bringen und ihm einen Geistlichen zu schaffen: – „Sie haben gut menschlich sein! Wir wollen menschlich sein und dem Hund den Kopf abreißen; er lebt doch nicht mehr lang.“ Hierauf habe ihn (Zeugen) ein stämmiger Turner beim Rockkragen gepackt und hinweggeschleudert, so daß der Kopf des Fürsten mit vernehmlichem Schlag an den Baum gefallen sei. Er habe sich wieder aufgerafft, dabei aber von einem andern [54] Turner einen heftigen Schlag auf den Backen erhalten. Noch Andre hätten auf ihn geschlagen, auch habe er einen Flintenhahn knarren hören, worauf er Bornheim zu geflohen, aber mit Hohngelächter und neuen Drohungen von den dort am Wege Versammelten empfangen worden sei.

Es fehlt sogar nicht an dringendem Verdachte dafür, daß einige von denen, die sich nach dem Schießen entfernt hatten, wieder zurückgekommen seien, um dem Fürsten vollends den Rest zu geben.

Konr. Hofmann erzählt: während Lichnowsky tödtlich verwundet in der Allee gelegen habe, seien Escherich und Buchsweiler wieder von der Gegend der Günthersburg hergekommen und hätten gesagt, sie hätten die Ordre gekriegt, daß Lichnowsky noch lebendig sei. Beide hätten Jedermann aufgefordert, umzukehren und dem Lichnowsky vollends das Leben zu nehmen, – Escherich, um die Qualen des Manne abzukürzen, der Jude dagegen aus anderem Grunde. „Der verdammte Jude war wie halb wahnsinnig. Der schrie: Ihr Brüder! Drin in der Stadt, da leiden eure Brüder! Auf den Hund! – Gebt ihm den Rest! – und viele so Worte.“ – Die Aufforderung habe aber nicht gezogen und Escherich und der Jude den Verwundeten in der Allee nicht mehr angetroffen.

Wilh. Röder erzählt: nachdem Lichnowsky schon erschossen gewesen, sei Nispel mit ganz rothem erhitztem Gesicht die Haide herausgekommen; der Rödelheimer (Buchsweiler) habe ihm die Hand gegeben und ihn dreimal in’s Gesicht geküßt, wobei beide nach der Pappelallee hinunter geguckt hätten. Wie der Ludwig die Haide herausgekommen sei, habe er seinen Karabiner in die Höhe gehalten und ausgerufen: „hier ist das Ding, womit man Wunder [55] thun kann.“ Buchsweiler habe dem Ludwig auf die Schulter geklopft und gesagt: Du hast aber eine gute Büchse! worauf Ludwig erwiedert habe: „Ich thue mir eine Ehre draus machen, einen solchen Bluthund aus der Welt zu schaffen.“

Ludwig Rein gibt an: bei der Ermordung Lichnowsky’s sei der Rödelheimer Jude ganz wild in und mit dem Haufen herumgesprungen. Nachdem sich sodann der größere Theil gegen Bornheim hin zurückgezogen habe, so habe der Buchsweiler wieder gekrischen und die Umstehenden aufgefordert, umzukehren und den Lichnowsky völlig todt zu machen; „der Nispel gehe auch mit.“ Er habe darauf gesagt: „Jud! Halt’s Maul!“ und sei darüber mit ihm in Streit gerathen. Buchsweiler, Escherich und Nispel u. A. hätten sich darin wieder nach der Wiese gedrückt.

Heinr. Reuter sah, – „daß der Mann grausam geschossen war und sich noch bewegte.“ Bei ihm stand der dicke Jude und raisonnirte: „Das ist der Lohn für deine Thaten, die du gethan hast, daß du Spanien verrathen hast und so viel Tausende hast erschießen lassen … Du sollst leben bleiben, daß du auch was büßen mußt.“

L. Dieterich sagt: nach den Schüssen auf Lichnowsky sei er Bornheim zugegangen; da sei der Nispel zu ihm gekommen und habe gesagt, der Mann lebe noch; er wolle wieder hin und ihn ganz todt schießen, – sei auch mit dem Erasm. Christian und einem Dritten wieder nach dem Platze zugegangen.

Philipp Kern erzählt, nachdem ein junger Mensch von dem Verwundeten fortgejagt worden und in voller Carrière nach Bornheim gelaufen sei, habe er sich wieder nach der Günthersburg zu begeben. „Da kam Nispel zu [56] mir; der erzählte, der Eine wäre gleich todt gewesen, der Andere lebe noch; das wäre ein Unsinn, da der noch pappeln könnte – und war sehr mürrisch. Er war ganz wie zerschlagen und gieng dann wieder von mir weg, indem er sagte, er wolle noch einmal hinunter und dem Ding ein Ende machen. Buchsweiler erzählte, daß er sich vor den Lichnowsky gestellt und eine Rede an ihn gehalten habe: – Du Bluthund, – und in dem Styl!“

Endlich gelang es aber doch den Bemühungen einiger Männer, namentlich des Gemeindemanns Löw, des Instrumentenmachers Helfferich und seines Sohns, des Dr. Hodes u. A., den tödtlich Verwundeten ohne weitere Behelligung durch Drohungen aufheben und nach dem Schmidtischen Hause hin tragen zu können.

Der Fürst sagte während des Transports zu Helfferich, den er fest an der Hand hielt; „Tragen Sie mich, wohin Sie wollen! Nur tragen Sie mich von diesen Kannibalen weg! Sie haben mir auch meine Uhr gestohlen.“

Im Schmidtischen Hause erfuhr er durch Dr. Hodes, daß er lebensgefährlich verwundet sei, und gab auf Aufforderung Schnepfs u. A. seinen letzten [WS 1] Willen zu erkennen, wobei er noch ausdrücklich aussprach, daß er seinen Feinden verzeihe. Indessen kam der Fürst Felix v. Hohenlohe mit einer Abtheilung hessischer Chevaux legers an, unter deren Bedeckung der Verwundete nach dem v. Bethmann’schen Hause gebracht wurde.

Einer der mitleidigen Träger erzählt: sie hätten den Fürsten in die Stadt bringen wollen, da sei Herr v. Bethmann hinter ihnen hergeritten gekommen, habe dem Fürsten mit den Worten: „O du mein lieber Fürst!“ die Hand auf die Schulter gelegt und angeordnet, daß der Verwundete [57] in das Schweizerhaus in seinem Garten gebracht werden solle. Sie hätten sich jedoch wegen Enge der Treppe widersetzt, auch habe der Fürst selbst verlangt in’s Vorderhaus gebracht zu werden. Darauf habe Herr v. Bethmann nachgegeben und den Fürsten in der Orangerie niederlegen lassen. „Herr v. Bethmann nahm uns ein Handgelübde ab, daß wir, wenn man uns frage, sagen wollten, der Fürst sei im Spital, und nicht in seiner Wohnung … Der Bediente des Herrn v. Bethmann gab jedem von uns 30 kr. und sagte uns, wir sollten uns wegen weiterer Belohnung morgen melden. Ich habe mich auch am andern Morgen, gemeldet, bis jezt aber nichts weiter bekommen.“

Da Herr v. Bethmann die Besorgniß äußerte, daß, wenn der Fürst in seinem Hause bliebe, die Aufständischen das Haus stürmen möchten, so wurde die Verbringung des Verwundeten in das h. Geist-Spital veranstaltet, welche unter Bedeckung einer Abtheilung Kavallerie vor sich gieng.

Schon im Bethmann’schen Hause waren dem Fürsten unter Beistand des Dr. Hodes von Dr. Wolf Verbände angelegt worden. Im h. Geist-Spital angelangt, fand er sofort reichlichen ärztlichen Beistand, verschied jedoch um 10½ Uhr.

Bei der am 20. Sept. Morgens vorgenommenen Legalinspektion und Sektion ergaben sich drei Kopfverletzungen, eine sehr große Zerstörung am rechten Vorderarm, und eine Schußwunde in der Mitte des Körpers – neben einigen andern leichteren Verletzungen. Das gerichtsärztliche Gutachten sprach sich dahin aus: es sei keinem Zweifel unterworfen, daß durch die Schußwunde der Tod unaufhaltsam und schnell habe erfolgen müssen, – und fügte bei: „So groß auch die Zerstörung am Arme war, so konnte, wenn die Bauchwunde nicht stattfand, die Erhaltung [58] des Lebens durch Amputation angestrebt und mit Wahrscheinlichkeit erzielt werden. So heftig ferner die Mißhandlung des Kopfs war, so glauben wir doch, daß in einigen Wochen diese Wunden bei einem so gesunden und kräftigen Körper ohne weiteren Nachtheil beseitigt sein würden.“

Die Kopfverletzungen sollten nach dem Gutachten mit einem sehr stumpfen Instrumente, die Wunden am Arm dagegen mit schneidenden und zerreißenden Werkzeugen (z. B. Sicheln oder Sensen) bewirkt worden sein; doch müsse, um die Zersplitterung der Ellbogenröhre hervorzubringen, noch eine außerordentliche Gewalt durch Schlag oder Hieb mit stumpfem Körper stattgefunden haben. In beiden lezteren Beziehungen ist jedoch das gerichtsärztliche Gutachten im Widerspruche sowohl mit verschiedenen Zeugenaussagen, als mit den Angaben mehrerer andern Aerzte, welche den Verwundeten noch vor seinem Tode gesehen hatten und mehrentheils die Hauptverletzung am Kopf, wie die Zerstörung am rechten Arme für Wirkungen von Schüssen erklärten.

Als unbezweifelbares Ergebniß der bisherigen Darstellung ergiebt sich zunächst ein dreifaches:

1) Daß am Nachmittage des 18. Sept 1848 eine Mehrheit von bewaffneten Personen gewaltsam in den Garten und das Haus des Kunstgärtners Schmidt eingedrungen ist;

2) daß sofort eine Mehrheit von Personen die daselbst gewaltsam aufgesuchten und hervorgeführten Abgeordneten der National-Versammlung – General v. Auerswald und Fürst Lichnowsky – auf verschiedene Weise und mit verschiedenen Werkzeugen körperlich mißhandelt hat;

3) daß Einzelne unter dieser Mehrheit durch Schüsse den Tod der gedachten Abgeordneten verursacht haben.



[45] *) Der Lehrer Schnepf erzählt: „Nachdem Auerswald schon erschossen war, kam ein Mensch in einem schäbigen schwarzen Ueberrock, [46] einer Kappe und einer verrosteten alten Jagdflinte, worin statt des Ladstocks eine Fensterstange stak, in mein Zimmer und sagte, er habe selbst auf den Barrikaden gekämpft und einen Soldaten erschossen; der Fürst Lichnowsky daure ihn aber doch sehr; er könne ihn nicht erschießen sehen; man solle ihm erlauben, sich hinter die Thüre zu stellen, bis Lichnowsky erschossen sei. Er stellte sich denn auch wirklich hinter die Thüre, bie die Schüsse gefallen waren. Darauf entfernte er sich mit der Bemermerkung: „jetzt muß ich wieder auf die Barrikaden.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: lezten