Auerswald und Lichnowsky/Die einzelnen Angeklagten
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Der Rock des Generals Auerswald wurde wenige Tage nach der That im Pfandhause zu Homburg v. d. Höhe ermittelt. Weitere Nachforschungen des dortigen landgräflichen hessischen Verwaltungsamts ergaben, daß derselbe zuletzt im Besitze des Schneidergesellen Philipp Rückert von Wertheim (Baden) und von diesem versetzt war, sowie daß sich Rückert am 18. Sept. am Schauplatz der That befunden und am Tage darauf seiner Mitwirkung bei der Aufsuchung des v. Auerswald mehrfach berühmt habe.
Am 25./26. Sept. (1848) wurde Rückert sammt dem Rocke und einem bei ihm vorgefundenen Pultschlüssel an das peinliche Verhöramt in Frankfurt a. M. abgeliefert und daselbst in Haft und Untersuchung genommen. Gegen denselben lagen als Beweismittel vor:
I. ein gerichtliches, allerdings qualifizirtes Geständniß;
II. einige direkte [WS 1] Zeugnisse;
III. eine Reihe von außergerichtlichen Geständnissen.
I. Seine eigene Angabe geht im Wesentlichen dahin:
Er sei am 18. Sept. Vormittags zwischen 10/11 Uhr in Begleitung seiner 5 Nebengesellen (Becker, Eichhorn, [109] Hinkel, Rings, Rühl) von Homburg nach Frankfurt gegangen, weil sie gehört hätten, daß dort ein Krawall stattfinden würde, – rein aus Neugierde. Etwa um 1½ Uhr seien sie dort angekommen, eine Stunde im Essighaus, dann eine Weile auf der Straße gewesen und sofort in ein neues Haus der Peterskirche gegenüber gegangen, um dem Barrikadenbau zuzusehen. Dort seien sie eine Stunde lang geblieben, bis sie von dem Wall nach dem Eschenheimer Thor zu Schüsse gehört hätten. Dann seien sie (ohne Hinkel) zum Friedberger Thor hinausgegangen und dort eine Weile stehen geblieben.
Nach einer Episode, die sich mit einem kurhessischen Soldaten zutrug, sei ein Bataillon Preußen vom Eschenheimer Thor her zum Allerheiligenthor hin vorbeimarschirt, und etwa 4 Minuten nachher seien aus derselben Richtung her zwei Reiter erschienen, von denen der eine gefragt habe, wohin die Preußen gegangen seien. Er habe ihm mit der Hand die Richtung angegeben, während ein in der Nähe stehender junger Mensch gerufen habe: „Still! still! Lichnowsky! Auerswald!“ –
Nachdem er sofort die Geschichte der Verfolgung der Reiter, soweit er sie von seinem Standpunkt aus wahrnehmen konnte, völlig übereinstimmend mit den sonstigen Ergebnissen der Untersuchung berichtet hat, erzählt er weiter: mit den vom Friedberger Thor aus den Reitern nachströmenden Haufen seien auch er, Eichhorn und Rühl auf dem Bornheimer Fußweg nachgelaufen und so bis an den (Schmidtischen) Garten gekommen. Dort seien die Bewaffneten theils in, theils vor dem Gartenhaus versammelt gewesen und es sei allgemein gesagt worden, die beiden Herrn seien in dem Haus versteckt. Vor [110] der Gartenthüre habe er einen bei Schneider Minet in Homburg in Arbeit stehenden Gesellen, Christian Etzel aus Wehrheim getroffen, der ein altes unbrauchbares Gewehr ohne Hahnen gehabt habe, das ihm am Friedberger Thor von einem Mainzer Turner geschenkt worden sei. Dieses Gewehr habe er sich von Etzel geben lassen und sei mit den Andern zum Suchen der Versteckten in das Haus gegangen.
Wenigstens 20–30 Mann hätten das Haus durchsucht. In der Stube gleicher Erde, wo er zuerst hingegangen, seien mehrere Bewaffnete gewesen, die ihn aufgefordert hätten, mit hinaufzugehen, um oben auch das Haus zu durchsuchen. Er sei ihnen in den zweiten Stock gefolgt und auf dem Gang stehen geblieben, während die Andern erst die Stube durchsucht hätten. Dann hätte es an die Durchsuchung des Bodens gehen sollen. Die Bodenthüre sei aber zugeschlossen gewesen und der Hausherr habe gesagt, der Schlüssel sei nicht da. Die Andern hätten aber darauf bestanden, daß der Schlüssel herbeigebracht werde, und dies sei denn auch bald geschehen. Der Hausherr habe selbst die Thüre aufgeschlossen, und darauf sei er selbst zuerst die Stiege hinaufgegangen, hinter ihm 3–4 Andere. Er habe eine der 3 Dachkammerthüren geöffnet und aus einem Bette einen Mannsfuß mit einem Sporn hervorstehen sehen. Darauf sei er alsbald aus der Kammer wieder herausgegangen, während die Andern in dieselbe eingedrungen seien. Er sei die Bodentreppe wieder hinabgegangen; auf der halben Treppe habe er gesehen, daß die Andern einen alten Mann in einem Schlafrock zur Kammer herausgebracht hätten unter dem Geschrei: „Wir haben ihn! Kommt herauf!“ – Vor der Kammerthüre [111] sei der Mann einmal hingefallen, er wisse aber nicht, ob er niedergeworfen worden oder von selbst gefallen sei. Auf dem Hausgang hätten ihn Mehrere gefaßt und mit ihren Waffen geschlagen. Namentlich Einer in einer grünen Schützenuniform habe mit seinem Hirschfänger nach dem Herrn stechen wollen; er (Rückert) habe ihm aber zugerufen, er solle nicht stechen. –
Der Gefangene sei sofort die Treppe herab und zur Hausthüre hinausgeführt worden, wobei er (Rückert) dicht neben ihm hergegangen sei. Während sie so mit ihm bis an das Bergelchen gegangen seien, das vor dem Haus sei, habe die „Frauensperson“ den Mann mit einem Stein und mit ihrem Regenschirm blutig geschlagen.
Während nun die Andern den Gefangenen weiter über das Bergelchen fortgeführt hätten, habe ihm einer der Bewaffneten, ein dicker Mann mit blauem Oberrock, schwarzen Hosen und einer Kappe, befohlen, hinaufzugehen und Rock und Hut des Gefangenen zu holen. Er sei in’s Haus gegangen und habe die Kleider dem Gärtner Schmidt abgefordert, derselbe habe aber gesagt, er wisse nicht, wo sie seien. Darauf sei er hinunter in die große Stube gleicher Erde gegangen, wohin ihm alsbald Schmidt nachgekommen sei und gesagt habe, er hätte die Kleider gefunden, Rückert möge mit ihm gehen. Sie seien nun zusammen in dieselbe Bodenkammer gegangen, wo der Gefangene gefunden worden sei, und dort habe Schmidt den Rock und Hut unter’m Bette hervorgezogen. Zugleich sei noch ein andrer Mann hinzugekommen, ein schlanker blasser Mensch mit wenigem Bart, schwarzem Rock und Hut, mit einer Hellebarde bewaffnet. Dieser habe die Rocktaschen visitirt, ein Paar schwarze Glacéhandschuhe, die er [112] darin gefunden, sowie den Hut zu sich genommen, während er (Rückert) den Rock behalten habe. Unten im Garten sei er wieder zu dem Mann gegangen, der ihm den Befehl gegeben habe, und habe ihm den Rock gebracht. Darauf habe derselbe gesagt: „bist du nicht ein Handwerksbursch?“ – und, als er (Rückert) dies bejaht, habe derselbe gesagt: „Nun, so behalte den Rock! Wir brauchen ihn nicht.“ –
Er sei darauf mit dem Rock, den er über den seinigen angezogen, durch den Bornheimer Fußweg nach der Friedberger Chaussée zugegangen, auf welchem Weg er mehrere Schüsse gehört habe. Zunächst habe er sich nach dem Friedberger Thor begeben, um seine zurückgelassenen Nebengesellen Rings und Becker zu treffen. Er habe sie aber nicht getroffen und sei dann nach etwa ¼ Stunde die Friedberger Chaussée wieder hinaufgegangen. Oben, am Ende der Gartenhäuser, habe er den Eichhorn und Rühl in Gesellschaft mehrerer Homburger wieder getroffen und von ihnen erfahren, daß Auerswald und Lichnowsky erschossen worden seien. Auch Etzel sei ihm dort wieder aufgestoßen, und diesem habe er damals das Gewehr wieder zurückgegeben. Sofort seien sie zu Vier nach Homburg gegangen.
Der Angeschuldigte hat sowohl den Rock, als den Pultschlüssel in aller Form recognoszirt, – ebenso das Gewehr, das in dritter Hand ermittelt wurde. Dasselbe ist – nach Angabe des peinlichen Verhöramts – ein altes rostiges Bajonettgewehr, dessen Hahn anscheinend schon vor längerer Zeit abgebrochen ist.
II. Diese Angaben des Angeschuldigten stimmen fast durchaus mit den über den Vorfall überhaupt sowohl, als mit den über die Betheiligung des Angeschuldigten insbesondere [113] erhobenen Zeugenaussagen überein. Nur in wenigen Punkten findet sich eine erheblichere Differenz.
1) Wilhelm Eichhorn, Schneidergesell von Usingen, sagte wiederholt aus, er habe gesehen, daß Rückert mit vielen andern bewaffneten Leuten aus einer Thüre des Schmidtischen Hauses herausgekommen sei, und daß sie einen Mann (Auerswald) herausgezogen hätten. „Wie Auerswald aus dem Hause gezogen wurde, da wurde sowohl auf ihn geschlagen, als mit Steinen nach ihm geworfen … Ob und in welcher Art Rückert behilflich war, den Auerswald aus dem Hause herauszubringen, konnte ich, da ich so ganz nahe nicht zugegen war und viele Leute sich um denselben herumbefanden, nicht unterscheiden.“
Bei der Konfrontation erklärte Rückert dies für Unwahrheit, da er zwar allerdings neben Auerswald aus der Hausthüre gekommen sei, denselben aber nicht angerührt habe. Eichhorn blieb jedoch darauf: „Ich habe gesehen, daß Sie ihn gehabt haben, so – am Arm.“
2) Christian Etzel aus Wehrheim, Schneidergeselle, sagt noch bestimmter: „Ich gab ihm (Rückert) die Flinte und während ich ruhig stehen blieb, giengen Rückert mit der Flinte und noch ein Mann mit einer Soldatenflinte in das Gartenhaus; dieser Mann war kurz und dick … Es dauerte nicht lang, da brachten Rückert und der andre Mann, sonst war Niemand bei ihnen, den Auerswald, den sie auf jeder Seite am Arme hatten, zu einer Seitenthüre auf der rechten Seite des Hauses heraus und führten ihn um die Ecke. Er blutete schon an der rechten Seite des Kopfs, wie ihn die beiden zur Hausthüre herausbrachten.“
[114] Die Konfrontation führte auch hier zu keinem andern Ergebnisse, als zu 1).
3) Derselbe hat wiederholt ausgesagt, daß ihm Rückert den Hut des Auerswald aus dem Fenster herabgeworfen habe, während der Angeschuldigte darauf besteht, daß den Hut und die Handschuhe ein andres Individuum vom Hauseigenthümer in seiner Gegenwart in Empfang genommen, und daß er beides nachher nicht mehr gesehen habe. Auch in dieser Beziehung ist die Konfrontation erfolglos gewesen.
4) Gärtner Schmidt giebt zwar zu, daß er Auerswalds Rock und Hut, nachdem sie von seiner Frau im Keller versteckt gewesen seien, von dieser gefordert und unter das Bett, in welchem Auerswald gefunden worden sei, gelegt habe. Er versichert aber mit Bestimmtheit, daß bald daraus zwei Bursche die Kleider von ihm gefordert hätten, worauf er mit ihnen nach der Bodenkammer gegangen sei, die Kleider unter dem Bett hervorgezogen und ihnen gegeben habe.
Diese wenigen Zeugenaussagen sind übrigens die einzigen direkten, welche über Rückerts Betheiligung vorliegen. Derselbe wurde einer Reihe von Personen, von denen man vermuthen mußte, daß sie ihn im Schmidtischen Garten, besonders aber beim Durchsuchen des Hauses, bei der Herabführung Auerswalds, bei der Abforderung der Kleidungsstücke besonders in’s Auge gefaßt haben sollten, zur Anerkennung vorgestellt, aber durchweg mit gleicher Erfolglosigkeit, obgleich nach Etzels Bemerkung Rückerts Erscheinung durch Bart, Hut, Kleidung und Bewaffnung etwas Auffallendes gehabt haben muß. Nur Franz Jakoby hatte einen Bewaffneten beschrieben, auf den Rückerts Beschreibung [115] so ziemlich gepaßt hätte, und der nach Auerswalds Ermordung und vor Lichnowskys Entdeckung in den vor dem Schmidtischen Garten liegenden Gärten gesucht haben soll. Derselbe meinte, in dem ihm vorgestellten Angeschuldigten den besagten Bewaffneten zu erkennen, getraute sich aber doch nicht, es fest zu behaupten. (Jedenfalls steht diese Aussage Jakoby’s ganz isolirt.)
III. Dagegen sagen eine Reihe von Zeugen über Aeusserungen aus, welche der Angeschuldigte selbst nach dem Vorfall an verschiedenen Orten gethan habe.
a) Heinrich Rühl aus Rodenberg (Nassau), Schneiderlehrjunge, – sagte erst: Rückert habe erst am Dienstag auf der Boutique erzählt, daß er sich auch in das Haus begeben, daß die Eindringenden den Auerswald im Bette gefunden und vor’s Haus gebracht hätten, daß er mit gefülltem Gewehr in die fragliche Kammer – und zwar als der Erste – eingedrungen sei und den Auerswald unter dem Bette hervorgezogen habe. – Später gab er an, Rückert habe schon beim Heimgang von Frankfurt a. M. am 18. Sept. von diesen Vorgängen erzählt.
b) Wilhelm Eichhorn sagte zu Homburg aus: Rückert habe späterhin zu ihm gesagt, daß er den Auerswald am Halskragen gehabt habe. Noch beim Heimgehen habe er erzählt, daß er selbst den Auerswald zuerst entdeckt und mit Hilfe eines Andern aus dem Bette gezogen habe.
c) Joh. Hinkel aus Echzel (Großh. Hessen), Schneidergeselle, – sagte zu Homburg: „Rückert war am andern Morgen bei der Arbeit sehr einsilbig und in sich gekehrt; doch sagte er, daß er behilflich gewesen, in einem Gärtnerhause [116] den Auerswald aus dem Bette hervorzuholen.“ Dasselbe bestätigte er in Frankfurt.
d) Adam Becker aus Rödelheim, Schneidergesell, will den Rückert am andern Morgen auf der Boutique erzählen gehört haben, daß er den Auerswald aufgefunden und aus dem Bette hervorgezogen habe.
Alle diese sagen zugleich, Rückert habe erzählt, daß der Auerswald’sche Rock ihm vom Gärtner Schmidt geschenkt worden sei.
e) Karl Sarazin von Homburg, Kondukteur, giebt an: er habe in Homburg auf der Straße unter einem Trupp von Menschen einen Burschen mit langem Bart (Rückert) erzählen hören: als nach den beiden Abgeordneten hätte gesucht werden sollen, habe Niemand in’s Haus gewollt, weil man befürchtet habe, sie möchten bewaffnet sein und sich zur Wehr setzen; darauf sei er (Rückert) und noch einer zuerst hinein und hätten den einen in, den andern unter’m Bett entdeckt, – es seien ihrer 16 gewesen.
f) Karl Theiß, Homburger Bürger, – hörte denselben bei derselben Gelegenheit erzählen, die als „Auerswald und Lichnowsky“ erkannten Reiter seien verfolgt und im Schmidtischen Hause trotz des Läugnens beharrlich aufgesucht worden; bei dieser Gelegenheit habe er (Rückert) auf der Oeffnung eines verschlossenen Zimmers bestanden und daselbst in einem Bette Lichnowsky (d. h. Auerswald) an einem vorstehenden Sporn entdeckt und herausgezogen.
g) Wilh. Ernst Becker, Schneidermeister in Homburg, erzählt ganz dasselbe. (Rückert habe gesagt: „wir rissen den Kerl hervor“, – und dann fortgefahren: die Andern hätten den Auerswald gleich in der Stube umbringen [117] wollen; er aber habe es nicht gelitten und gesagt, derselbe müsse erst hinunter.)
h) Heinr. Hammelmann, Stadtrath das., stimmt im Wesentlichen mit der letzten Aussage überein, fügt aber bei, der Mensch habe ihm zu prahlen geschienen, – er habe declamirt und agirt, übrigens ihm nicht gerade betrunken gedäucht.
i) Joh. Hochmuth, Schuhmacher das., erzählt dasselbe in unbestimmten Umrissen, fügt aber später bei, Rückert habe ihm und Andern etwas betrunken geschienen, wie er denn auch vorher zwei Kneipen besucht gehabt habe.
Der Angeschuldigte selbst sagte gleich im ersten Verhör zu Frankfurt aus: „Den ganzen Vorgang habe ich für meine Person so wenig wichtig erachtet, daß ich denselben in Homburg meinem Meister, dessen Mutter und sämmtlichen Nebengesellen erzählte.“ Dagegen blieb er standhaft darauf, daß er den Auerswald nicht selbst aus dem Bett gezogen und aus dem Hause geführt habe; – wenn er das erzählt habe, so sei es aus Prahlerei geschehen, auch habe er den Aepfelwein etwas gespürt.
Unterwarf man nun die gegebenen Beweismittel, die übrigens zur Ergänzung noch hie und da künstlicher Beweisführung bedürfen, der erforderlichen Kritik, so stieß man allerdings mehrfach auf Anstände, von denen auch die Vertheidigungsschrift mehrere hervorzuheben nicht versäumt hat.
1) Eine Reihe von Zeugen hat ausgesagt, daß sich der Angeschuldigte ihnen gegenüber seiner am 18. Sept. vollführten Thaten theils noch auf dem Heimweg nach Homburg am Abend desselben Tages, theils in der Schneiderwerkstatt, theils auf öffentlicher Straße zu Homburg am [118] Morgen des darauffolgenden Tags berühmt habe. Soweit nun diese von Zeugen wiedergegebenen Aeußerungen über das gerichtliche Geständniß hinausgehen, namentlich eine von Seiten des Angeschuldigten ausgegangene positive Thätigkeit bei der Herausreißung Auerswalds aus dem Bette und bei seiner gewaltsamen Herausführung aus dem Hause enthalten, hat der Angeschuldigte überall, auch in Konfrontationen, entschieden dagegen protestirt und alles Weitergehende für leere, theilweise auf die Wirkung des Aepfelweins zu schreibende Prahlerei erklärt. In der That ist auch dem Zeugen Hammelmann die Erzählung des Angeschuldigten als die eines Bramarbas erschienen, der mehr sage, als wahr sei, und der Zeuge Hochmuth hat sie der Wirkung des Trunks zugerechnet. Zudem wird die Aussage des ersteren, daß es gang und gäbe gewesen sei, mit den Thaten des 18. Sept Aufschneiderei zu treiben, durch die gegenwärtige Untersuchung vielseitig bestätigt. Ganz zu geschweigen nämlich des Rodomontaden eines Daniel Georg und Genossen genügt es anzuführen, was der Mitgeselle des Schneidergesellen Etzel, Jungmann, von jenem will erzählen gehört haben: „daß er und Rückert den Lichnowsky in einem Gartenhause aus dem Bett hervorgeholt, und nachdem derselbe vor dem Hause wäre umgebracht gewesen, sie auch geholfen hätten, den Auerswald auf die Pfingstweide zu transportiren, und daß er mit seinem Gewehr dergestalt auf den Lichnowsky geschlagen, daß der Hahn abgesprungen sei.“
Allein gar zu leicht macht es sich die Vertheidigung, wenn sie von neun Zeugnissen nur zwei – und darunter gerade das vagste, aufgreift, die sieben andern aber, sowie ihre Uebereinstimmung und den wesentlichen Umstand, daß [119] der Angeschuldigte zu drei verschiedenen Malen wesentlich dasselbe erzählt hat, geradezu ignorirt. Nimmt man alle neun Aussagen zusammen, so hat sich der Angeschuldigte nach allen wenigstens durchgängig dessen berühmt, daß er den Auerswald entdeckt, und daß er denselben allein oder mit Andern gewaltsam aus dem Bette gezogen habe. Das Erstere hat er auch vor Gericht zugegeben, das Letztere dagegen konstant in Abrede gestellt. Doch wird nachher näher davon die Rede sein müssen, daß er sich in seinen positiven Erzählungen vor Gericht gerade hinsichtlich der Auffindung Auerswalds nicht gleich bleibt, vielmehr eine bedenkliche Unsicherheit verräth, die durch die innere Unwahrscheinlichkeit der betreffenden Erzählungen noch verdächtiger wird.
Hiernach konnte man nicht anstehen, in den vorhin unter a–i angegebenen Zeugenaussagen, soweit als sie eben die Berühmung des Angeschuldigten mit der allein oder mit Andern vollführten gewaltsamen Hervorholung Auerswalds aus dem Bette enthalten, eine hinlänglich erwiesene und durchaus gewichtige Anzeige im Sinne der PGO. Art. 32 zu erkennen.
2) Bedeutendere Bedenken ließen sich, zum Theile wenigstens, gegen die direkten Zeugenaussagen erheben.
a) Am wenigsten ist dies der Fall hinsichtlich der oben angeführten Aussagen des Gärtners Schmidt. Die Vertheidigung giebt sich hier die höchst überflüssige Mühe, die Mordanzeige der PGO. Art. 38 von dem Angeschuldigten abzuwälzen. Dabei läßt sie sich aber zugleich beigehen, die Glaubwürdigkeit des Gärtners Schmidt auf eine ebenso oberflächliche als ungeeignete Weise anzugreifen. Es braucht jedoch darauf um so weniger genauer [120] eingegangen zu werden, als gerade der Hauptgrund, den der Vertheidiger für die größere Wahrscheinlichkeit der Rückertschen Darstellung (freiwillige Ueberlieferung der Kleidungsstücke von Seiten Schmidts) anführt, – daß nämlich Schmidt ein Interesse gehabt habe, den Bewaffneten gegenüber jeden leisesten Verdacht einer Betheiligung an der Verkleidung und Verbergung Auerswalds von sich abzuwälzen, offenbar gerade vielmehr für die Richtigkeit der Schmidtischen Darstellung spricht, wonach Schmidt die bewaffneten Sucher nur auf ihr Verlangen selbst in die Bodenkammer führte, und dort die abgelegten Kleidungsstücke gewissermaßen selbst entdecken ließ. Ueberdies stimmt die Aussage des Angeschuldigten in seinem ersten Verhöre im Wesentlichen ganz mit dem Zeugnisse Schmidts, und nicht mit Rückerts späteren Aussagen überein, – wenn es dort heißt: (Mein Begleiter) „nahm von dem Eigenthümer des Hauses den auf unser Verlangen ausgelieferten Hut, ich den gleichfalls ausgelieferten Rock des Herrn in Empfang.“
In der Sache selbst macht die Abweichung (s. unten) keinen Falls einen erheblichen Unterschied.
b) Gegen die Glaubwürdigkeit des beeidigten Zeugen Wilh. Eichhorn bringt die Vertheidigung gleichfalls eine Reihe ganz haltloser Einwendungen vor: z. B. daß er seine erste Aussage nur vor einer Polizeistelle gemacht, daß er diese nur im Allgemeinen (!) vor Gericht bestätigt, und daß er in seiner gerichtlichen Vernehmung große Unsicherheit und Unbestimmtheit an den Tag gelegt habe. Im Gegentheil sprechen vielmehr gerade die betreffenden nachträglichen Verbesserungen der ersten Aussage in einigen Details zu Gunsten der Wahrheitsliebe des Zeugen, welchen [121] zu beeidigen daher auch das peinliche Verhöramt mit Recht keinen Anstand nahm. Der in der Eingabe des Vertheidigers erhobene Verdacht eines feindselig gespannten Verhältnisses zwischen dem Zeugen und dem Angeschuldigten ist durch das hierauf erhobene Zeugniß ihres gemeinschaftlichen Meisters nicht bestätigt worden.
Wenn ferner behauptet wird, es zeige sich bei Eichhorn das sichtbare Bestreben, jeden Verdacht der Theilnahme von sich abzuwälzen und daher vornämlich nur auf Rückert auszusagen, so ist Ersteres völlig aus der Luft gegriffen, Letzteres aber höchst ungerecht, da vielmehr aus den Depositionen Eichhorns mehrfach umgekehrt das Bestreben hervorgeht, den Rückert zu schonen und zu entschuldigen.
Ebenso ungerecht ist die Verdrehung des Umstands, daß Eichhorn dem Rückert hinsichtlich eines Nebenpunkts (des Zeitpunkts der Ansichnahme des Gewehrs) bei der Konfrontation die Möglichkeit eines Irrthums von seiner Seite nachgegeben hat, – zum Vorwurf falschen Zeugnisses. Wenn aber die Vertheidigung eventuell das Zeugniß des Eichhorn wenigstens deßhalb für werthlos ausgiebt, weil die Aufregung die Richtigkeit der Beobachtung gehindert habe, so paßt dieser Grund geradezu auf alle in diesem Prozesse abgelegten Zeugnisse. Er ist jedoch jedenfalls eine sehr übertriebene Behauptung, welche durch die Bestimmtheit und Umständlichkeit vieler dieser Zeugnisse, worunter namentlich auch das des Eichhorn gehört, entschieden widerlegt wird.
Dagegen waren allerdings gegen die speziell den Angeschuldigten belastende Aussage Eichhorns einige gegründete Bedenken vorhanden.
[122] aa) Hat derselbe zwar bis zuletzt und selbst dem Rückert in’s Gesicht darauf bestanden, daß Rückert den Auerswald mit einiger Gewalt aus dem Hause geführt habe, wofür er in seinem ersten Verhöre zu Homburg noch Rückert selbst als Gewährsmann anführte, da dieser ihm erzählt hätte, daß er den Auerswald am Halskragen herausgeführt habe. Allein in eben diesem Verhör hat er auch ausdrücklich gesagt: „Ob und in welcher Art Rückert behilflich war, den Auerswald aus dem Hause herauszubringen, konnte ich, da ich so ganz nahe nicht zugegen war und viele Leute sich um denselben herum befanden, nicht unterscheiden.“ –
bb) Positiv unterstützt wird diese Aussage nur durch die des Christian Etzel, welche (s. unten) wenigstens verdächtig ist. Sie steht aber auch, wenn nicht im Widerspruch, so doch wenigstens nicht in Uebereinstimmung mit sonstigen Ergebnissen der Untersuchung. Zwar sprechen einige bedeutsamen Zeugenaussagen gleichfalls von zwei, die den Auerswald herausgeführt hätten, z. B. Maria Magnus und ihre Mutter, J. Schwab und Schnepf; allein diese beschreiben theils die Führer ganz anders, theils sahen sie die Herausführung an anderer Stelle und zu andrer Zeit, als wovon Eichhorn spricht. Die meisten Zeugen begnügen sich, von einer Mehrheit von Personen zu sprechen, die den Auerswald aus dem Hause gebracht hätten. Andre erwähnen bestimmt, daß ihn ein Beschützer gehalten und die Uebrigen von ihm abgehalten habe, während dieser Beschützer nach andrer Version wieder einer der gröbsten Mißhandler gewesen wäre. Die meisten schildern die ganze Scene als eine sehr tumultuarische, wobei eine scharfe Beobachtung des Einzelnen schwer war. Dazu kommt, daß [123] gerade über die Herausführung aus dem Hause Viele gar nicht aussagen konnten, da sie an ungeeigneten Standpunkten standen oder im ersten Momente noch nicht aufmerksam waren. Schon oben ist ferner angeführt worden, daß verschiedene Personen, wie Georg, Escherich, Pflug sich nach der Angabe mehrerer Zeugen gerühmt haben, sie hätten den Auerswald entdeckt und herausgeführt.
Bei dieser Lage der Dinge kann wohl nicht mit der Vertheidigung behauptet werden, daß die Aussage Eichhorns nothwendig auf Täuschung beruhen müsse, um so weniger, da der Vertheidiger die hierher gehörigen Zeugenaussagen in hohem Grade oberflächlich und lückenhaft beigebracht hat. Da die Erscheinung des Angeschuldigten allerdings einiges Auffallende hatte, so könnte man noch mit dem meisten Grunde für die gedachte Behauptung sich darauf berufen, daß die mit Rückert vorgenommenen Rekognitionen so ganz erfolglos geblieben sind, was ja kaum denkbar wäre, wenn er bei der Herausführung Auerswalds eine hervorragende Rolle gespielt hätte. Andrerseits erklärt aber auch wieder der offenbare tumultuarische Charakter der Scene und dessen nothwendige Rückwirkung auf die Beobachtungsfähigkeit der Zuschauer, wie Einzelnes im Ganzen verschwinden konnte. Hatte der Angeschuldigte einiges Auffallende, so fehlte es außer ihm wahrlich nicht noch an andern pitoresken und kuriosen Gestalten, und es wäre an sich nur psychologisch sehr natürlich, wie gerade Rückert eben nur einem früherher Bekannten, wie seinem Mitgesellen Eichhorn besonders aufgefallen wäre, Anderen aber nicht. Ein eigentlicher Widerspruch der übrigen Zeugenaussagen gegen die des Eichhorn läßt sich daher nicht annehmen, und es kommt der letzteren im Gegentheil zu Statten, [124] daß sie theils indirekt durch das Zeugniß des H. Rühl (s. oben unter a) über eine wenigstens Beihilfe an der gewaltsamen Herausführung Auerswalds involvirende Mittheilung des Angeschuldigten, theils direkt durch das Zeugniß des Etzel unterstützt wird.
c) Wesentlich anders verhält es sich nun freilich, wenn die Vertheidigung den Christian Etzel als verdächtigen Zeugen darzustellen sucht. Derselbe war wegen der vorliegenden Verbrechen längere Zeit hindurch selbst in Untersuchung, und wurde zwar in diesem Betreff vom Anklagesenat des herz. nass. Hof- und Appellations-Gerichts zu Wiesbaden, 6. Okt. 1849, klagfrei erklärt, dagegen wegen Entwendung des Auerswald’schen Huts zu vier Wochen Gefängniß verurtheilt (vom herz. nass. Justizamt Usingen 15. April 1850).
Er ist nicht nur eben deßhalb unbeeidigt geblieben, sondern hat sich auch in der Untersuchung als einen solchen dargestellt, der es mit der Wahrheit nicht genau nimmt, namentlich dem Gericht entfernt nicht mit der Offenheit entgegengekommen ist, wie der Angeschuldigte. Seine Glaubwürdigkeit im Allgemeinen erreicht daher ohne Zweifel nicht die des Eichhorn.
Gleichwohl geht auch hier die Vertheidigung offenbar viel zu weit, wenn sie den Etzel als vorzugsweise gegen den Angeschuldigten befangen hinstellt. Unfehlbar hat Etzel anfänglich Alles geläugnet, aber nur, weil er sich bewußt war, ein Gewehr gehabt und den Hut Auerswalds an sich genommen zu haben. Beides gestand er später; eben von hier an liegt aber an sich gar kein Grund vor, seine einzelnen Aussagen über den Hauptvorfall und dessen von seiner eigenen Betheiligung unabhängige Momente ohne [125] Weiteres für unglaubwürdig zu halten, da sie mindestens rechtlich nicht als Angaben eines Mitschuldigen, sondern einfach als Zeugniß erscheinen. Am wenigsten kann dies aber gegenüber dem Angeschuldigten behauptet werden. Wenn Etzel in Beziehung auf zwei minderbedeutende Nebenpunkte mit dem Angeschuldigten in Widerspruch, und wahrscheinlich mit Unrecht in Widerspruch geblieben ist, so liegt solchem Widerspruch nur ein sehr verzeihlicher Irrthum, und am wenigsten das Bestreben zu Grund, dem Rückert besonders böses Spiel zu machen. Etzel, gegen den in Betreff des Hauptverbrechens gar keine irgend bedeutenden Indizien vorlagen, hatte keinen Grund, den Rückert zu verdächtigen, um sich außer Verdacht zu stellen. Gerade das Beschwerendste aber, was insbesondere er über Rückert aussagen konntes – daß nämlich dieser von ihm sein Gewehr geborgt habe, – hat Rückert selbst unumwunden zugestanden.
Liegt mithin einerseits kein Grund vor, die Aussagen Etzels über Rückert speziell zu verdächtigen, – so werden sie andrerseits durch die des Eichhorn positiv unterstützt, da beide darin übereinstimmen, daß Rückert mit einem oder mehreren Andern den Auerswald gewaltsam aus dem Hause herausgeführt habe. Ueberblickt man die Aussagen des Etzel im Ganzen, so sind sie zwar nirgends durchaus zuverläßig, aber es läßt sich auch ebensowenig das Gegentheil davon sagen, da sie namentlich über die Betheiligung des dem Etzel nicht bekannten P. Ludwig (den er als vermeintlichen Bornheimer Turner aufführt) auf überraschende Weise gerade mit den solidesten Ergebnissen der Untersuchung zusammenstimmen. Denselben Charakter trägt denn auch die Aussage Etzels über Rückert. Sie ist unzuverläßig, [126] ja offenbar willkührlich, wenn er darauf besteht, daß nur Rückert und ein zweites Individuum in das Schmidtische Haus gegangen und mit Auerswald herausgekommen seien. Abgesehen hievon aber hat sie die übereinstimmende Aussage des W. Eichhorn für sich, und mit dieser den Umstand, daß es nur in der Natur der Dinge lag, wenn Rückerts Betheiligung gerade ihm als einem Bekannten, namentlich als dem, welcher dem Rückert das Gewehr geliehen hatte, besonders auffiel.
Gleichwohl liegt nach allem Bisherigen hinsichtlich der von Eichhorn und Etzel behaupteten gewaltsamen Herausführung Auerswalds aus dem Schmidtischen Hause kein für sich genügender Zeugenbeweis vor.
3) Was endlich die Aussage des Angeschuldigten selbst betrifft, so ist er allerdings dem Gerichte auf eine anerkennenswerthe Weise mit einem, wenn auch qualifizirten, Geständnisse entgegengekommen. Indessen hat er doch im ersten Verhör mehr angegeben, als in den späteren, wo er Mehreres wieder anders zu wenden oder wenigstens auszulegen suchte. Was seine Aussage
A. in Beziehung auf die äußere Handlung an erheblichen Momenten enthält, ist Folgendes:
a) Er war beim ersten Anfang der Verfolgung der beiden Abgeordneten, hörte gleich damals sie als Lichnowsky und Auerswald benennen, sah, daß sie mit Steinen geworfen und Schüsse ihnen nachgesendet wurden.
b) Er schloß sich den vom Friedberger Thor an den fliehenden Reitern nachströmenden Massen an und gelangte mit ihnen an den Ort ihres Verstecks.
c) Er entlehnte von Etzel ein Gewehr, gieng mit diesem in den Garten ein, wo er eine Menge von Bewaffneten [127] versammelt fand und allgemein sagen hörte, daß die zwei Herren in dem Haus versteckt seien.
d) Er schloß sich den Bewaffneten an, welche Garten und Haus nach den Versteckten durchsuchten, und zwar „um mit zu suchen – mit 20–30 Mann“. Später sagt er sogar: er sei ausdrücklich zum Mitsuchen aufgefordert worden.
e) Er war bei einem Trupp, der die Durchsuchung sehr gründlich vornahm, namentlich auch noch die Aufschließung der Bodenthüre verlangte und trotz des anfänglichen Widerstands des Hausherrn durchsetzte.
f) Er selbst stieg dann voran und war der Erste, der den General v. Auerswald entdeckte, worauf er sich gleich wieder umgedreht haben will, um aus der Kammer herauszugehen, – nach einer spätern Version aber sogar wirklich aus der Kammer herausgegangen zu sein behauptet.
g) Er gieng die Treppe mit herab und war Zeuge, wie schon auf dem oberen Hausgang Mehrere auf Auerswald schlugen und einer ihn mit dem Hirschfänger stechen wollte.
h) Er gieng zur Hausthüre neben dran heraus, und gieng ebenso nebenher, als sie den Auerswald über die Terrasse nach dem Bergelchen führten; bis hierher gieng er mit und war Zeuge verschiedener Mißhandlungen, die er selbst beschreibt. (Ganz abweichend ist eine spätere Angabe.)
i) Dort – kurz vor der letzten Katastrophe ließ er sich von mehreren Bewaffneten (von einem genau geschilderten Bewaffneten, wie er später sagt) zur Abholung von Rock und Hut kommandiren, worauf er sich entfernte.
[128] B. Was dagegen das Innere der That betrifft, so hat er zwar schon in seinem ersten Verhöre ausgesprochen: „Jetzt sehe ich wohl ein, daß ich mich durch meine gedachte Betheiligung an jenen Verbrechen (?) strafbar vergangen habe.“ Diese Aussage ist aber sehr unbestimmt, und leider ist von Seiten des Gerichts nichts geschehen, um diesem Mangel abzuhelfen. In einer Eingabe formulirt der Angeklagte dieselbe bestimmter dahin, daß er sich strafbar finde, weil er nach einem Individuum gesucht habe, ohne übrigens gewußt zu haben, daß gerade nach Auerswald und Lichnowsky gesucht werde.
Außerdem sagt er – auf die Frage, warum er das Gewehr sich habe geben lassen? –: „Das weiß ich selbst nicht, ich habe aber keine böse Absicht gehabt.“ – Ferner: „Ich dachte mir, daß es (das Suchen) auf die beiden Reiter abgesehen wäre, die ich vorher gesehen hatte; dies sagten auch die Leute, die da waren. Ich hatte aber die Namen derselben zum ersten Mal am Friedberger Thor gehört und wußte nicht, was es für Leute waren.“ – „Die Leute sprachen, als sie den Auerswald noch im Haus hatten, darüber, daß es zwei Leute aus dem Parlament wären, die viel Schlimmes gestiftet hätten, und deshalb wollten sie solche arretiren. – – Wie ich einmal hörte, aus welcher Ursache die beiden Herrn gesucht würden, wollte ich nichts mehr damit zu thun haben und habe mich zurückgezogen.“ –
Unterwirft man diese Angaben des Angeschuldigten einer unbefangenen Prüfung, so zeigen sie
A. schon in objektiver Beziehung einiges sehr Unwahrscheinliche. Rückert giebt zu, mit einer Rotte von 20–30 Mann nach den Versteckten gesucht und beharrlich [129] gesucht zu haben, namentlich dabei gewesen zu sein, wie man den Hausherrn nöthigte, die Bodenthüre aufzuschließen. – Schnepf sagt: „Ich sah Herrn Schmidt geisterbleich an der Bodenthüre stehen und nach dem Schlüssel suchen; bei ihm standen da 6–7.“ Er giebt zu, vorangegangen zu sein und Auerswald zuerst entdeckt zu haben. Er giebt zu, nachher neben ihm aus dem Hause, über die Terrasse und bis auf das Bergelchen gegangen zu sein. Aber gleichwohl will er ihn nicht angerührt haben. – Unfehlbar wäre diese Lücke in einem sonst so zusammenhängenden Thun höchst auffallend.“ Der Verdacht steigt aber in Folge der oben angeführten außergerichtlichen Geständnisse des Angeschuldigten und der Aussagen des Eichhorn und Etzel, welche gerade diese unerklärlichen Lücken ausfüllen, ohne dem Angeschuldigten mehr zur Last zu legen, als wovon er die Prämissen selbst mit beiden Händen zugegeben hat.
B. Der schon objektiv begründete Verdacht wird aber auf’s Höchste gesteigert, wenn man den subjektiven Thatbestand in’s Auge faßt.
Der Angeschuldigte sah die Verfolgung von Anfang an mit an, wußte, daß Auerswald und Lichnowsky verfolgt werden, und zwar mit Steinwürfen und Schüssen. Mag er diese Namen damals immerhin zum ersten Mal gehört haben, – daran liegt nichts. Genug: er wußte, er sah, daß eben diese Individuen auf eine sehr bedrohliche Weise verfolgt werden. Ja, – er sagt noch überdies in einer seiner Eingaben ausdrücklich: damals, als er am Friedberger Thor dem Fürsten Lichnowsky die verlangte Auskunft über die preußischen Truppen gegeben habe, sei ein Unbekannter zu ihm herangetreten und habe gesagt: [130] „Kennen Sie diese Männer nicht? Das sind Spione, das ist Auerswald und Lichnowsky, und solchen Leuten muß man nicht sagen, wo die Soldaten hinaus wären.“ – Hiemit fällt seine ohnedies wenig sagende Ausrede, daß er im Schmidtischen Garten nicht gewußt habe, daß es gerade Auerswald und Lichnowsky seien, die gesucht würden, in Nichts zusammen, – ja schon nach seinen gerichtlichen Aussagen. Denn er gesteht, sich gedacht zu haben, daß das Suchen auf die beiden Reiter abgesehen sei, die er vorher gesehen habe. Nun hat er aber eben nach seinem eigenen Geständniß schon am Friedberger Thor gewußt, daß diese Reiter Auerswald und Lichnowsky seien! – Ohnedies besteht ja aber das Verbrechen nicht darin, daß man den Auerswald oder Lichnowsky vergewaltigt, tödtet, sondern darin, daß man überhaupt einen Menschen so behandelt. Er wollte jedoch, indem er der Verfolgung und Durchsuchung des Schmidtischen Hauses sich anschloß, nach seinem eigenen Geständnisse gerade die zwei verfolgten Reiter suchen helfen, die ihm als Spione und mit den Namen Auerswald und Lichnowsky bezeichnet worden waren.
Seine Entschuldigung soll wahrscheinlich den Sinn haben, daß er die politische Bedeutung der beiden „Spione“ erst während des Suchens erfahren habe und daß er nicht im Sinne gehabt habe, gegen Mitglieder der Nationalversammlung zu operiren; – vielleicht noch bestimmter: daß er erst im Hause erfahren habe, es seien diese Männer Mitglieder der Rechten, welche kaponirt, standrechtlich behandelt werden müßten etc. Jedenfalls hat er aber dann seine Entschuldigung sehr ungeschickt ausgedrückt, wenn er sagt, er habe im Hause gehört, daß die Herrn um ihrer [131] politischen Sünden willen – „arretirt“ werden sollten, und deshalb habe er sich davon gemacht. Denn „arretiren“ wollte er selbst doch zum Mindesten auch, – sei es den A. oder B.
2) Wenn mithin der Angeschuldigte zugiebt, der Verfolgung der beiden flüchtigen (ihm als Spione, als Auerswald und Lichnowsky bezeichneten) Reiter sich angeschlossen zu haben, hiebei an den Schmidtischen Garten gekommen und auf erhaltene Auskunft, daß sie dort sich versteckt hätten, mit eingedrungen zu sein, – so ist es offenbar eine ganz schale Ausflucht, wenn er bei der eben vorher stattgehabten Abverlangung eines Gewehrs von einem Kameraden, – eines Gewehrs, das er nach erfolgter Rückkehr aus dem Schmidtischen Garten dem Kameraden wieder zurückgab, – „gar keine böse Absicht, gar keine Ueberlegung gehabt haben will.“ Gesteht er doch selbst unumwunden zu, daß er sofort mit dem Bewußtsein, es sei auf die flüchtigen Reiter abgesehen, mit 20–30 Bewaffneten das Haus durchsucht, ja bis auf den Boden durchsucht habe. Hiebei konnte er keine andere Absicht haben, als zur Entdeckung und Bemächtigung der Gesuchten mitzuwirken. Da er die Lokalität nicht kannte, war es rein unmöglich, daß er bei dem Suchen die Absicht hätte haben können, die Gesuchten blos deshalb aufzufinden, „um sie vor Mißhandlungen zu schützen,“ wie er einmal andeutet. Jedenfalls hätte ihm beim Betreten der engen Bodentreppe die Lust zu einem so gefährlichen Experiment vergehen müssen.
Nichts kann in der That unwahrscheinlicher, ja verkehrter sein, als seine Behauptung, daß er gesucht habe, – um nicht zu finden! Umsomehr, wenn seine Behauptung [132] wahr ist, daß er auf ergangene Aufforderung hin der Durchsuchung des obern Hausraums sich angeschlossen habe. Hatte er bisher in der völligsten Einstimmung mit der übrigen Rotte gehandelt, so wäre es doch wohl ein Wunder, wenn er eben jetzt, nachdem er zuerst an’s Ziel gekommen, plötzlich gerade die entgegengesetzte Absicht gezeigt haben sollte. Er hat nachher wiederholt verschiedenen Leuten erzählt, er habe den Auerswald gefunden und allein oder mit Andern aus dem Bette „gezogen.“ Sein Entdeckertriumph hat sich vor Gericht nicht zu verläugnen vermocht; nur die Konsequenz stellt er in Abrede. Allein diese Abläugnung ist aller Wahrscheinlichkeit baar. Denn, wäre wirklich eben im Augenblicke der Entdeckung eine Sinnesänderung über ihn gekommen, so hätte solche sich auch folgenreich zeigen müssen.
3) Er will auf der Treppe voraus, d. h. nicht neben Auerswald gegangen sein, – was sich aber nicht damit reimt, daß er Alles gesehen haben will, was mit Auerswald von seiner Auffindung in der Bodenkammer an bis zu seiner Herausführung aus dem Hause vor sich gieng, daß die Andern ihn aus dem Bette gerissen, daß im Hausgange viele auf ihn geschlagen hätten, einer ihn habe stechen wollen oder gestochen habe, wie Auerswald aus der Kammer gebracht worden, vor der Kammer hingefallen und dann die Bodentreppe herabgekommen sei; ja nicht nur dies, sondern er will auch dem Stechenden abgewehrt haben. Offenbar läßt sich dies Alles schon an sich nicht in Uebereinstimmung bringen, da Rückert, wenn es ihm Ernst damit gewesen wäre, sich aus dem Staube zu machen, nicht wohl seiner Neugier so viel Raum gegeben, nicht so oft hinter sich gesehen, am wenigsten sich gar in [133] das Treiben der Andern eingemischt haben würde, – namentlich da er Zeuge von dem sein mußte, was die Jungfer Pfalz erzählt: – sie sei, als sie das Gepolter die Treppe herab hörte, vor ihre Stubenthüre geeilt und habe den auf dem Gang befindlichen Bewaffneten gesagt, sie möchten doch den Mann nicht tödten, sondern, wenn er etwas begangen habe, den Gerichten übergeben; es habe ihr aber einer entgegnet, das sei ein Spion, ein Verräther, über den müsse Standrecht gehalten werden.
Je unwahrscheinlicher aber hiernach die Darstellung des Angeschuldigten erscheint, um so mehr Wahrscheinlichkeit wächst nothwendig den Aussagen des Eichhorn und Etzel und den so vielfach bezeugten außergerichtlichen Geständnissen des Angeschuldigten zu. Noch weit höher jedoch steigt die Unwahrscheinlichkeit der Darstellung des Angeschuldigten durch sein eigenes Geständniß, „daß er zwar die Treppe herab in den Hausraum gleicher Erde vor Auerswald, zur Hausthüre heraus aber und bis auf das Bergelchen neben dran gegangen sei,“ mithin auf einem Weg, wo nach den eigenen Angaben des Angeschuldigten und einer Menge übereinstimmender Zeugnisse Auerswald der Gegenstand mehrfacher sehr grober körperlicher Mißhandlungen war. Dies wäre entschieden unmöglich gewesen, wenn der Angeschuldigte wirklich schon nach der Entdeckung Auerswalds nichts mehr mit der Sache zu thun haben oder gar auf Auerswalds Beschützung hätte bedacht sein wollen. Selbst auf dem Bergelchen entfernte er sich nach seiner eigenen bestimmtesten Aussage nur auf Aufforderung (Befehl, Ordre) eines oder mehrerer Bewaffneter, die ihn zur Abholung der von Auerswald abgelegten Kleidungsstücke kommandirten.
[134] Daran knüpft sich aber sehr natürlich der dringende Verdacht, daß der Angeschuldigte, wenn nicht diese Ordre dazwischen gekommen wäre, auch über das Bergelchen hinaus und bis vor den Garten hinaus, d. h. bis auf die Schießstätte nebendran gegangen sein würde. Daß das Naheliegen eines solchen Verdachts dem Bewußtsein des Angeschuldigten keineswegs ferne lag, zeigt die Wendung, die er in seinem zweiten Verhöre zu nehmen suchte, wenn er sagte, schon unten an der Treppe sei er zur Abholung der Kleidungsstücke kommandirt worden. Abgesehen davon, daß er dies später offenbar zurückgenommen hat, dient offenbar jene Wendung dazu, um den Verdacht gegen seine ganze Darstellung hinsichtlich seiner Betheiligung an der Herausführung Auerswalds zu verstärken.
Die Darstellung des Vertheidigers erscheint hiernach sehr oberflächlich und lückenhaft, jedenfalls rechtlich werthlos. Er ignorirt namentlich das Mitgehen bis zum Bergelchen ganz, und nimmt keinen Anstand, das Eindringen, Borgen des Gewehrs, Mitsuchen u. s. f. als fast indifferente Thatsachen hinzustellen, während er doch zugleich zugiebt, daß Rückert habe nach Spionen mitsuchen wollen, und daß er aus Befürchtung eines von ihnen zu leistenden Widerstands ein Gewehr geborgt habe! – Beim Eingehen auf den subjektiven Thatbestand glaubt er zwar offenbar selbst nicht ernstlich an die Möglichkeit, daß man Rückert’s Zurechnungsfähigkeit bezweifeln könne, sondern giebt die Zurechenbarkeit im Allgemeinen zu, meint aber, die eingestandene Absicht, nach versteckten Spionen zu suchen, und die Abläugnung aller bösen Absicht lassen sich zur Noth vereinigen!
4) Ob übrigens durch die nachgewiesene innere Unwahrscheinlichkeit [135] der vom Angeschuldigten seinem Geständniß beigefügten Beschränkungen die Aussagen Eichhorns und Etzels und seine außergerichtlichen Geständnisse über alle sonst begründeten Zweifel erhoben werden oder nicht, ob hiemit eine positive Thätigkeit des Angeschuldigten bei Auerswalds Hervorziehung aus dem Bette und gewaltsamer Herausführung aus dem Hause anzunehmen sei oder nicht, – das erscheint als gleichgiltig, nachdem auf Grundlage des Bisherigen der Angeschuldigte der Absicht, nach versteckten Spionen zu suchen, theils als geständig, theils als überführt anzunehmen ist. Denn diese Absicht ist nach dem in der Einleitung Ausgeführten als eine in stillschweigendem Komplott verwirklichte rechtlich anzusehen, wornach das Mehr oder Minder der Thätigkeit des Einzelnen nicht in Frage kommt. Was aber dort im Allgemeinen nachgewiesen wurde, das erhält in spezieller Beziehung zu Rückert noch seine besondere Bestätigung durch sein Geständniß: daß er a) den bewaffneten Verfolgern sich angeschlossen habe und so an das Schmidtische Haus gekommen sei, b) daß er dort allgemein gehört habe, die Flüchtigen seien im Hause versteckt, c) daß er sofort ein Gewehr geborgt und sich mit den Andern zum Suchen der Versteckten in das Haus begeben, auch wirklich mit ihnen – auf spezielle Aufforderung von ihnen – das Haus durchsucht habe; d) daß er selbst Auerswald aufgefunden habe und wenigstens von der Hausthüre an bis auf das Bergelchen immer nebendran gegangen sei; e) daß er auch hinsichtlich der Abholung der Kleidungsstücke Befehle von einem oder einzelnen Mitgliedern der bewaffneten Rotte erhalten und befolgt habe.
War hiernach der Angeschuldigte unbedenklich für [136] schuldig zu erachten, bei der gewaltsamen Aufsuchung und Herausführung des Generals von Auerswald als thätiger Komplottant mitgewirkt zu haben, so stand eben damit nach dem oben Ausgeführten auch ferner fest, daß ihm die eventuelle Absicht der Körperverletzung zuzurechnen, daß er mithin wegen thätiger Theilnahme an einer im Komplott, jedoch ohne Vorbedacht verübten Körperverletzung zu verurtheilen sei *).
Weiterhin war jedoch die Frage aufzuwerfen: ob dem Angeschuldigten eine auf Tödtung gerichtete Absicht zugeschrieben werden könne?
Für die Bejahung dieser Frage könnte man anführen a) die von dem Angeschuldigten eingestandene Thatsache, daß er sich gerade vor seinem Eintritt in den Garten bewaffnet hat, b) seine von K. Sarazin berichtete Aussage, daß man bewaffneten Widerstand von Seiten der Verfolgten befürchtet habe, c) sein Verbleiben bei der Rotte, mit welcher er Angesichts fortwährender Mißhandlungen Auerswalds bis an das Bergelchen fortgieng, d) seine vom Schmiedmeister W. E. Becker bezeugte Aussage: die Andern hätten den Auerswald gleich in der Stube umbringen wollen, er aber habe es nicht gelitten und gesagt, derselbe müsse erst hinunter.
Gleichwohl war jene Frage zu verneinen, indem eben die angeführten Verdachtsgründe zu einer Ueberweisung des in diesem Punkte beharrlich widersprechenden Angeschuldigten offenbar lange nicht ausreichen. Ueberdies [137] spricht aber auch Mehreres positiv für die Verneinung der gedachten Frage. Dahin gehört namentlich:
a) die jedenfalls nur mangelhafte Bewaffnung des Angeschuldigten, welche auch in der bloßen Absicht einen Landfriedensbruch, Gewalt gegen Personen, beziehungsweise körperliche Mißhandlungen zu verüben, ihre Erklärung findet;
b) die ganze Persönlichkeit des Angeschuldigten, der von seinen Meistern zum Mindesten keineswegs als ein solcher geschildert wird, dem man derlei Verbrechen zutrauen könnte. Die Homburger Schneidermeister Trinkmann und Minet beschreiben ihn als einen guten und ziemlich fleißigen Arbeiter, der nur den Fehler gehabt habe, das Spiel zu lieben; von irgend einer politischen Betheiligung desselben will keiner der beiden Meister etwas bemerkt, Trinkmann sogar sich bei der ihm bekannten Gesetztheit Rückerts verwundert haben, als er davon hörte, daß Rückert in den vorliegenden Prozeß verwickelt sein solle.
Rückert war zwar Mitglied eines Arbeitervereins, allein das landgräflich hessische Justizamt zu Homburg spricht aus, daß dieser Verein nur kurze Zeit bestanden und keinen Anklang gefunden habe, überhaupt gar nicht als ein politischer Verein betrachtet worden sei, wodurch die Aussage des Angeschuldigten, daß er von den politischen Konjunkturen des 18. September nichts verstanden habe, sehr glaublich gemacht wird, sowie seine fernere Versicherung, daß er von denen, die als Haupttheilnehmer des vorliegenden Verbrechens betrachtet werden müssen, wie P. Ludwig, Escherich etc. – Niemand gekannt habe. Auch seine an sich unerhebliche Entschuldigung, daß er [138] erst im Schmidtischen Hause über die politische Bedeutung der beiden Flüchtlinge Aufschluß erhalten habe, wird dadurch wenigstens in der Richtung beglaubigt, daß ihm nicht von vorneherein ein aus politischen Gründen gefaßter Entschluß der Vernichtung von mißliebigen Parlamentsmitgliedern zugerechnet werden darf.
c) Eine Persönlichkeit dieser Art konnte sich ohne Zweifel einem stillschweigenden Komplott zu „Arretirung“ von „zwei Herren“ anschließen, sich behufs davon mit einem unbrauchbaren Gewehr versehen, bei der Haussuchung aus Neugier und Wichtigthuerei vorn dran sein, auch nachher noch beim Haufen bleiben, ohne etwas Anderes zu thun, als sich sehen zu lassen, – ohne gleichwohl für sich selbst im Geringsten die Tödtung der Verfolgten zu bezwecken, wofür es ihr nach dem Vorigen an allem – allgemeinen oder besondern – Interesse fehlte.
d) Die in der Persönlichkeit des Angeschuldigten begründete Interesselosigkeit desselben an dem schwereren Verbrechen, das sich an die gewaltsame Bemächtigung und Mißhandlung anreihte, wird aber thatsächlich bestätigt durch den gänzlichen Mangel irgend einer eigenen Thätigkeit des Angeschuldigten, selbst sogar behufs der Mißhandlung Auerswalds. Daß der Angeschuldigte überhaupt bis zum Bergelchen folgte, weiß man allein durch sein eigenes Geständniß, das nicht mehr sagt, als daß er „nebendran gegangen sei.“ Hätte er aber irgend eine hervorragende Thätigkeit ausgeübt, so würden sicherlich die vielfachen Versuche, ihn rekognosziren zu lassen, wenigstens einigen Erfolg gehabt haben.
e) Selbst die der prahlerischen Uebertreibung verdächtigen [139] außergerichtlichen Aussagen des Angeschuldigten enthalten Nichts von Mißhandlung oder Tödtung, – was um so höher anzuschlagen ist, je mehr es damals gang und gäb war, mit den Thaten des 18. September sich zu berühmen.
Dagegen war um so gewisser die weitere Frage: ob dem Angeschuldigten die Tödtung des Generals v. Auerswald nicht wenigstens zur Fahrläßigkeit zugerechnet werden müsse? – zu bejahen.
Denn ein Mithandelnder, wie Rückert, konnte und mußte nach allen Umständen des verbrecherischen Hergangs, wie sie oben dargestellt sind, bei seiner Betheiligung an der Durchsuchung des Hauses und der Herausführung Auerswalds durch den Garten das Bewußtsein haben, daß die Ueberlieferung desselben an die Rotte, welche der Angeschuldigte geleitete, die Tödtung Auerswalds höchst wahrscheinlich zur Folge haben werde.
Endlich war der Angeschuldigte auch noch der widerrechtlichen Aneignung des von Auerswald im Schmidtischen Hause abgelegten Rocks (im Werthe von 5–6 Gulden) für schuldig zu erachten.
Er ist geständig, denselben auf Befehl eines oder mehrerer Mitglieder der Rotte von dem Gärtner Schmidt verlangt und ausgeliefert erhalten zu haben, was Schmidt vollkommen übereinstimmend bezeugt. Nach Rückerts Geständniß war auch der Andre, der mit ihm das betreffende Verlangen an Schmidt stellte, bewaffnet. Das Ganze gieng gerade während des stärksten Tumults, kurz vor der Erschießung Auerswalds, als noch Haus und Garten mit Bewaffneten angefüllt waren, vor sich. Zwar behauptete Rückert späterhin im Widerspruche mit Schmidt, dieser [140] habe auf das an ihn gestellte Verlangen den Besitz des Rocks abgeläugnet und solchen kurz darauf freiwillig überliefert. Allein ganz mit Unrecht legt der Vertheidiger hierauf Gewicht, da nach beiden Darstellungen des Angeschuldigten die Sache im Wesentlichen die gleiche bleibt.
Was nun die Charakterisirung der fraglichen Handlung betrifft, so ist es auffallend, wie das h. nassauische Justizamt Usingen die ganz analoge Handlung des Schneidergesellen Christian Etzel in Beziehung auf den Hut Auerswalds als Diebstahl bezeichnen konnte. (Der Vertheidiger spricht gar von Unterschlagung!) Denn unter allen Umständen gehört doch zum Diebstahl Wegnahme der Sache ohne Einwilligung des zur Innehabung Berechtigten, und der Begriff desselben fällt hinweg, wenn dieser die Sache selbst übergeben hat.
Letzteres setzt nämlich immer voraus, daß eine Einwirkung auf seinen Willen durch Gewalt oder Drohungen stattgefunden habe, wodurch er bestimmt worden sei, die Detention aufzugeben. Zwar wird in Fällen, wo einer Person mittelst Ueberraschung oder Benützung ihrer Furcht Gegenstände weggenommen werden, mit Recht noch Diebstahl angenommen, obwohl solche Fälle nahe an den Raub grenzen *).
Aber das spezifisch Charakteristische ist hiebei eben, daß hier noch keine gewaltthätige Einwirkung auf den Willen des Inhabers angenommen wird **).
In einem Falle, wie er hier vorliegt, kann von [141] Diebstahl schlechthin nicht die Rede sein, sondern es muß ein mittelst Gewalt bewirktes Delikt angenommen werden, da es sich begreiflich auch nicht von einer freiwilligen Besitzentäußerung von Seiten des Gärtners Schmidt handeln kann. Die Frage kann nur sein, ob Raub oder Erpressung angenommen werden müsse?
Bedenkt man nun: a) daß der Angeschuldigte im fraglichen Falle den Rock Auerswalds zunächst gar nicht für sich erlangen, sondern nur im Auftrage der bewaffneten Rotte verabfolgt haben wollte, mithin nur für Andre einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu erreichen beabsichtigte; b) daß er eben deßhalb auch in seiner Eigenschaft als Individuum weder Gewalt noch Drohung ausübte, sondern lediglich als bewaffneter Sendling der Rotte dem Hauseigenthümer zu imponiren und ihn hiedurch zur Auslieferung des Rocks bewegen wollte und bewog, c) daß auch nach dem Zeugnisse des Gärtners Schmidt keine Spur einer Gewalt oder einer wörtlichen Drohung, am wenigsten einer Drohung auf Leib und Leben vorliegt, d) daß mithin gerade das spezifische Kennzeichen des Raubs, die animo lucri vollzogene Entwendung einer beweglichen Sache mittelst Gewalt gegen die Person des Inhabers zwar nicht fehlt, aber entschieden überwogen wird durch das spezifische Kennzeichen der Erpressung: die Drohung mit einer zustehenden oder angemaßten Gewalt, um sich oder einem Andern einen widerrechtlichen Vermögensvortheil zu verschaffen *), – so kann es keinen Zweifel leiden, daß das Vergehen des Angeschuldigten als Erpressung zu bezeichnen war.
[142] Wenn übrigens der Vertheidiger sagt: „Rückert hat den Rock von einer Person angenommen, die er für berechtigt hielt, darüber zu verfügen, unter Umständen, die wenigstens eine Prüfung hierüber nicht zuließen, vielmehr in Rückert die Ansicht erwecken mußten, daß er eine herrenlose Sache empfange“, – so ist dies eine ganz unbegreifliche Behauptung. Denn natürlich mußte ja Rückert wissen, daß der Rock des damals noch am Leben befindlichen Auerswald nur diesem gehöre, daß er daher eine fremde Sache zunächst widerrechtlich für Andre erpresse und nachher ebenso widerrechtlich sich zueigne! –
Von besonderen Strafschärfungs- oder Milderungsgründen gaben die Akten nichts an die Hand.
Zwar beruft sich der Vertheidiger
1) auf die Zweifelhaftigkeit der vollen Zurechnungsfähigkeit des Angeschuldigten. Allein diese, überdies dem Angeschuldigten selbst völlig fremde Ausflucht erscheint als völlig schal, da die vom Landchirurgen Vogelmann geschilderten Zufälle so ziemlich das gerade Gegentheil von einem körperlichen und geistigen Zustand bilden, wie er bei Rückert nach seinem eigenen Geständniß während des ganzen Verlaufs seiner Thätigkeit im Schmidtischen Garten und Hause als vorhanden angenommen werden muß. Ebensowenig hat sich 2) Rückert selbst mit Trunkenheit zu entschuldigen versucht, wogegen auch der ganze nüchterne Charakter seiner einfachen und besonnenen Darstellung des Vorfalls spricht, – abgesehen von der Schwierigkeit, welche die Besteigung der steilen Bodentreppe für einen Starkbetrunkenen gehabt haben müßte. Wenn der Vertheidiger 3) als Milderungsgrund den Mangel an erwiesenem subjektiven Thatbestand vorbringt, so fällt dies durch die bisherige [143] Ausführung in Nichts zusammen. Dagegen war aber in Anschlag zu bringen, daß der Angeschuldigte ohne seine Schuld eine sehr lange Untersuchungshaft auszustehen gehabt hat.
Die gegen ihn gerichtete, von seiner Seite auf kaum nennenswerthe Weise erschwerte Untersuchung war am 6. März 1849 vollkommen erschöpft, und das Gericht hat von diesem Zeitpunkt an neues Untersuchungsmaterial gegen ihn beizubringen nicht versucht, noch beigebracht. Der Angeschuldigte sitzt seitdem noch immer im Zuchthause zu Frankfurt a. M. in Untersuchungshaft, und die ganze Zeit zwischen dem 6. März 1849 und 4. Nov. 1851 wurde lediglich mit abschläglichen Bescheiden stets wiederholter Entlassungsgesuche des Angeschuldigten zugebracht.
Nachdem das kompetente Gericht im März 1849 den Untersuchungsstoff für erschöpft hielt, wäre es unfehlbar seine Pflicht gewesen, sofort eine Entscheidung herbeizuführen. Wenn dies gleichwohl nicht geschah, so liegt dafür freilich der Grund vor, daß man von Tag zu Tag die wirkliche Einführung des seit längerer Zeit in Aussicht gestellten Geschwornengerichts in Frankfurt erwartete. Allein es ist klar, daß die Verzögerung dieser Erwartung dem Angeschuldigten nicht zum Nachtheil gereichen kann: er blieb jedenfalls ohne seine Schuld 2 Jahre 8 Monate in Untersuchungshaft.
Was endlich die Strafausmessung betraf, so war als strafmindernd in Rücksicht zu nehmen, daß der frühere Lebenswandel des Angeschuldigten keine Momente darbietet, die auf Verdorbenheit oder Verwilderung schließen ließen, vielmehr ihn als einen solchen zeigt, [144] dem man selbst das wirklich Verübte kaum zugetraut haben würde *).
In Erwägung hienach, – daß a) das Komplott, an welchem Antheil genommen zu haben dem Angeschuldigten zur Last fällt, als ein auf schwere Körperverletzungen gerichtetes anzusehen war, b) daß die ihm hinsichtlich der Herbeiführung der Tödtung zuzurechnende Fahrläßigkeit als bewußte, hiemit für das Hauptvergehen eine Strafe von sechs Jahren Zuchthaus als gerecht erschien, daß c) die dem Angeschuldigten zur Last fallende Erpressung als ein leichterer Fall dieses Vergehens sich darstellte, da derselbe sein Verlangen zwar unter der Konstellation sehr drohender Umstände und mit einer Waffe versehen vorbrachte, aber keineswegs auch nur mit Worten drohte und noch weniger auch nur den geringsten Versuch machte, der in seiner bloßen äußeren Erscheinung liegenden Drohung durch die That Nachdruck zu geben, somit hiefür unter Berücksichtigung des wegen Konkurrenz zu machenden Strafabzugs eine Strafe von einem halben Jahre Zuchthaus als die entsprechende erschien, daß aber an der hiernach sich ergebenden Gesammtstrafe anderthalb Jahre als durch den ohne Schuld des Angeschuldigten verlängerten Untersuchungsarrest bereits abgebüßt abzurechnen waren, – glaubte man, den Angeschuldigten noch zu fünfjähriger Zuchthausstrafe verurtheilen zu müssen.
[145]
Dieselbe wurde am 23. Sept. 1848 auf anonyme Weise der Theilnahme an dem vorliegenden Verbrechen beschuldigt, und sofort am 24. d. M. verhaftet.
In ihrer ersten Vernehmung gab sie zwar zu, daß sie zufällig mit ihrem Manne an und in den Schmidtischen Garten gekommen sei, läugnete aber jede Betheiligung an den dort stattgehabten verbrecherischen Vorgängen ab, indem sie versicherte, noch lange vor der Erschießung Auerswalds mit ihrem Mann nach Bornheim zu gegangen zu sein. Später, durch Aussagen vieler ihr gegenübergestellter Zeugen gedrängt, hat sie zwar zugestanden, daß sie während der Herausführung Auerswalds durch den Schmidtischen Garten zugegen gewesen, und daß es möglich sei, daß sie mit einem Schirm auf denselben geschlagen habe. Mehr als dies hat sie aber im Wesentlichen nicht zugestanden.
Um 2 Uhr, giebt sie an, sei sie von ihrem Wohnort Bornheim aus mit ihrem Mann, dem Lithographen Zobel nach Frankfurt gegangen, um eine Arbeit ihres Manns an den Musikalienhändler Löhr in Frankfurt abzuliefern und daselbst einige Ankäufe zu machen. In Frankfurt angekommen und durch Barrikaden gehemmt, hätten sie die Arbeit ihres Manns dem Spezereihändler Dörr übergeben und ungefähr eine Stunde in der Vilbeler Gasse zugewartet. Als sie aber die Fortdauer des Kampfs bemerkt hätten, sei es ihnen gerathen erschienen, nach Bornheim zurückzukehren, – auf dem nach der Pappelallée führenden Fußwege. Schon in dem Gäßchen seien ihnen viele Bewaffnete mit dem Geschrei: „Da sind sie“! aufgestoßen. Am Schmidtischen Garten angelangt, hätten sie denn diesen [146] mit Bewaffneten und andrem Volk angefüllt gefunden und seien aus Neugierde auch hineingegangen, weil sie gedacht hätten, es werden Diebe verfolgt. Sie seien dann aber gleich von 5–6 Bewaffneten umringt worden, welche sie aufgefordert hätten, die Versteckten herauszugeben; indessen hätten sie sich losgemacht und seien aus dem Garten hinausgeeilt. Zwar seien sie jenseits des Brückchens, am Eingang der Allée, noch etwa ¼ Stunde stehen geblieben, hätten aber den Ruf: „Wir haben ihn“ - nur im Weggehen gehört, und die Herausführung und Erschießung eines „Mannes im Schlafrock“ – nur im Umdrehen und mit Gleichgiltigkeit wahrgenommen. – Ihre Kleidung beschreibt sie so: „Ich trug ein braunes Kattunkleid mit breiten blauen Streifen und einem grauwollenen Shawl mit rothen Blumen, ferner den Strohhut, welchen ich jezt aufhabe“. –
Von dem Regenschirm, den ihr Mann getragen habe, wollte sie durchaus keinen Gebrauch gemacht, denselben auch weder in, noch vor dem Schmidtischen Garten selbst nur in der Hand gehabt haben, – was sie wiederholt unter Betheurungen, aber bereits mit schlauer Rücksicht darauf, wie weit sie etwa durch Zeugenaussagen belastet werden könnte, versicherte.
Im Wesentlichen übereinstimmend sagte ihr Ehmann aus.
Dagegen lieferte nun die Untersuchung eine große Reihe von direkten Zeugenaussagen, welche zum Theil die Angeschuldigten als bereits bei der Verfolgung der beiden Abgeordneten betheiligt hinstellten.
1) Kath. Kraus, Domer’sche Haushälterin, 37 Jahr, sagte: „während Auerswald durch den Garten geführt [147] wurde, sah ich, wie ein Frauenzimmer, welches einen gewirkten, mit Blumen versehenen Shawl und einen Strohhut trug, ihren Regenschirm mit beiden Händen gefaßt hatte und denselben wiederholt auf seinen schon blutenden Kopf schlug, indem sie dem Haufen folgte … [Nach dem ersten Schusse] ergriff sie unter dem wiederholten Ruf: „Schießt ihn todt, den Hund, er muß sterben!“ – einen schweren, etwa 5 Zoll im □ haltenden Stein, und warf damit auf den Kopf des Auerswald.
Anderswo sagt sie: – Die Frauensperson stand, als sie den Auerswald hinten aus der Hausthüre heraus an das Eck des Hauses dem Bergelchen zu brachten, gerade am Abhang dieses Bergelchens, so daß sie höher stand, als jener, und da schlug sie demselben auf den Kopf, worauf er mit der Hand über den Kopf fuhr. Es war ein ziemlich großer baumwollener schwarzer Regenschirm, womit die Frau schlug. Nachdem sie den Auerswald geschlagen hatte, blieb sie noch eine Weile bei dem Haufen im Garten und gieng dann dem hinteren Gartenthürchen heraus, noch ehe sie den Auerswald brachten. Sie stellte sich vor unser Haus und rief, als er herausgebracht wurde, als ob es ihr zu lange dauerte: „schießt ihn todt, – oder – schlagt ihn todt!“ Auch warf sie mehrmals mit kleineren Steinen, die sie von dem dort liegenden Steinhaufen nahm, auf ihn, als er nach dem Brückchen geführt wurde. Nach dem ersten Schusse kam sie mit einem dicken Stein über das Brückchen herüber nahe an den Graben und warf den Stein gerade auf den Kopf des Auerswald, (ohne daß eine Bewegung desselben hierauf bemerkbar gewesen wäre). Der Stein war ein Sandstein, ungefähr handlang und handbreit, von der Dicke einer starken Sandsteinplatte.“
[148] 2) Heinrich Heuß, – bestätigte durchaus die erste Erzählung der vorgenannten Zeugin und fügte bei, daß die Frauensperson mehrmals nach dem im Graben liegenden Auerswald mit Steinen geworfen habe: einer derselben habe ihn an den Kopf getroffen, worauf er eine Bewegung mit der Hand nach dem Kopfe gemacht habe.
Später sagte er: „besondere wüthend war die Frauensperson. Diese schlug mit dem Regenschirm fortwährend dem Mann auf den Kopf, und rief in Einem fort: Schießt ihn todt! Schlagt ihn todt! – Nach dem ersten Schuß sprang die Weibsperson nach dem dort liegenden Steinhaufen, nahm einen Stein – etwas dicker als eine Kegelkugel und warf ihn dem Auerswald gerade auf den Hinterkopf, worauf er noch mit der Hand nach der getroffenen Stelle hinfuhr. –
3) Franz Jakoby - sah die Angeschuldigte während der Verfolgung der beiden Reiter von der Friedberger Chaussée ab auf der Bornheimer Chaussée nach der Bornheimer Haide zu eilen. Sie sei neben dem mit einer Flinte bewaffneten, 19jährigen Zeugschmied, Christian Hofmann, gelaufen und habe ihn gefragt, ob er geladen habe? – und, als Hofmann dies bejaht, gesagt: er solle sich nur nicht fürchten und drauf schießen, wenn er ihn sehe. „Sie trug einen Strohhut, einen karrirten Shawl, ein blaugrundiges, wollenmousselinenes Kleid und – wenn ich nicht irre – einen Regenschirm.“ – „Das besagte Weib hatte gleich von Anfang an im Garten öfters gerufen, sie sollten nur nicht ruhen, bis sie ihn hätten, und nur suchen. Sie gieng auch einige Male selbst in’s Haus und half suchen. – Mißhandlungen während der Herausführung durch den Garten bemerkte der Zeuge nicht. –
[149] Nach dem zweiten Schluß kam das Weib herbei und warf ungefähr drei Mal mit dicken Steinen auf den Kopf des alten Mannes, der noch ein wenig Lebenszeichen von sich gegeben hatte.
4) Gerson Sonneberg – sagt, von der Verfolgung auf der Friedberger Chaussée erzählend: „Nicht weit von uns standen andre Leute, unter diesen eine Frauensperson mit einem Strohhut, schwarzen Regenschirm, einem Täschchen am Arm und – wenn ich nicht irre – einem blauen Kleid. Diese sprang aus einem Haufen hervor an einen Steinhaufen, nahm Steine und warf mehrmals nach den Reitern, indem sie rief: „auf sie! das sind die Spitzbuben etc.“ – Das beschriebene Frauenzimmer war auch im Garten und schrie: „sie müssen heraus, sie haben vorhin auf die Leute geschossen.“ – Ich bemerkte namentlich, daß sie ihm einen Stoß mit ihrem Regenschirm unter das linke Auge versetzte, daß es blutete, und ihm unter wildem Geschrei mit dem Regenschirm wiederholt auf den Kopf schlug.“
5) Franz Birkenholz, der die Angeschuldigte schon aus früherer Zeit her kannte, will sie wenigstens auf der Friedberger Chaussée unter einem Haufen gesehen haben, woraus mit Steinen auf die beiden Reiter geworfen wurde. Im Schmidtischen Garten hat er dieselbe nicht bemerkt. Dagegen hat er unter den Instrumenten, mit welchen Auerswald daselbst mißhandelt wurde, auch einmal einen Regenschirm aus der Masse auftauchen und auf den kahlen Kopf Auerswalds fallen sehen.
6) Anna Margaretha, Gattin des Dr. juris Ziegler in Frankfurt, Nachbarin 29 Jahr, – sagt: „Ich sah mehrere Bewaffnete aus dem Gäßchen vom Schmidtischen Garten her und wieder einen Trupp von der Bornheimer [150] Chaussée herkommen, die sich in der Nähe dess Brückchens zusammenschaarten. Da, wo die Pappelallée anfängt, sah ich ein Frauenzimmer mit einem dunkeln Kleid, weißem Strohhut, karrirtem Shawl und einem Regenschirm nach dem Brückchen hineingehen. Diese Frau rief den Bewaffneten, die von der Bornheimer Chaussée herkamen, zu: hierher! hierher! wobei sie mit ihrem Schirm winkte … Die Bewaffneten und das Frauenzimmer giengen in den Schmidtischen Garten, wo ich sie hin und herlaufen sah. – Letzteres nahm sie später zurück. Dagegen sagt sie noch weiter, „die Frauensperson stand unter den Bewaffneten, während auf Auerswald geschossen wurde.“ Sofort sei dieselbe in die Allée hinein nach Bornheim zu gegangen, während die Bewaffneten in den Garten zurückgestürmt seien.
7) Joh. Schwab hatte schon am 20. Dec. 1848 vor dem Justizamt zu Bergen ausgesagt, daß ein Frauenzimmer (mit Shawl, Hut und einer Zahnlücke, – begleitet von einem schmächtigen Manne) schon am Friedberger Thor mit Steinen nach den Reitern geworfen und hernach im Schmidtischen Garten auf Auerswald geschlagen habe.
Bei weiteren Vernehmungen in Bockenheim und Frankfurt berichtigte und ergänzte er diese Aussagen dahin: die gedachte Frauensperson habe er nicht zuerst am Friedberger Thor, sondern weiter auf der Friedberger Chaussée an dem ersten Gäßchen, das rechts abführt, gesehen. „Dort stand sie, warf mit Steinen nach den (dem Thor zu eilenden) Reitern, und rief: Schießt! Das ist der Fürst Lichnowsky. Ebenso warf sie wieder mit Steinen auf sie, als sie umwandten und die Chaussée wieder hinaufritten. – Als ich nachher auf die Haide kam, sah ich die Frau wieder in dem Schmidtischen Garten auf dem Bergelchen vor der [151] Glasthüre in dem Haufen, der den alten Mann mißhandelte. Sie schlug ihm mit einem (Regen- oder Sonnen-?)Schirm auf den bloßen (kahlen) Kopf, worauf das Blut über den Kopf floß; vorher hatte ich ihn nicht bluten sehen. – Ich verlor sie dann aus dem Auge, bis ich sie, gleich nachdem der Fürst Lichnowsky erschossen war, an den ersten Häusern von Bornheim sah. Sie gieng da mit einem schmächtigen Mann, von der Heide her, zum Ort hinein und ich hörte damals von Leuten in Bornheim auf der Straße, daß das die Frau sei, die sich gerühmt habe, sie hätte Einen gelegt, auch wurde schon da ihr Name Zobel genannt. Sie hatte noch ihren Schirm in der Hand.
8) Appollonia Dürre, ledig, 28 Jahre, welche die Angeschuldigte von früher her kennt, sagt aus, sie habe gleich beim Beginn der Verfolgung vom Friedberger Thor aus dieselbe auch unter der Masse der Verfolger mitlaufen sehen. Im Schmidtischen Garten habe, während Auerswald herumgezerrt worden sei, besonders die Frau Zobel in einem fort geschrieen: „schießt ihn todt, den Hurenkerl, den schlechten Kerl, den Parlamentskerl“, und andere garstige Worte. Auerswald sei zu Boden gerissen worden. „Wie er noch auf der Erde lag, hat ihm die Frau Zobel mit dem Regenschirm einen Schlag auf den Kopf gegeben. Nun kam die Frau aus dem Thürchen bei der Brücke heraus, zeigte den Regenschirm ihrem Manne und sagte: „dem habe ich aber einmal Eines gegeben und da habe ich mir über dem Kerl meinen Schirm zerschlagen“, – und rief nun wieder den Leuten, die den alten Herrn führten, zu: „er hat noch nicht genug, er muß todtgeschossen werden.“ Im Garten hat sich die Frau mit Simon Rau herumdisputirt, der nicht leiden wollte, daß der Mann [152] erschossen werden sollte. – Als Auerswalds Führer mit ihm auf dem Brückchen waren, kam die Frau Zobel wieder und schrie, sie sollten ihn jetzt schießen.“ Nachher bemerkte die Zeugin, wie die Angeschuldigte die Leiche Auerswalds betrachtete. Steine auf ihn werfen sah sie dieselbe nicht; wohl aber bemerkte sie einen dicken Stein auf der Leiche; als diese dicht am Rande des Grabens lag. (Ob Regen- oder Sonnenschirm und von welcher Farbe, will sie später nicht mehr wissen.)
9) Joh. Kramm – von den Männern, die Auerswald herausführten, habe er denselben nicht mißhandeln sehen. „Nur ein Frauenzimmer, das sich mitten in dem Haufen befand, schlug auf der Terrasse dem Auerswald anhaltend mit ihrem Regenschirm auf den Kopf, so daß derselbe stark zu bluten anfieng.“ Als Auerswald um sein Leben flehte, „schrie sie (neben dem Zeugen stehend): nein, schießt ihn todt! Er ist ein Volksverräther.“ Nach dem ersten Schusse will Zeuge darauf gedrungen haben, daß man nicht weiter schießen solle; – aber das Weib habe wiederholt geschrieen: „er ist noch nicht todt. Schießt noch einmal!“ –
10) Der Angeschuldigte Philipp Rückert, welcher die Henriette Zobel schon früher kannte, sagt aus: „Sie stand an dem ersten Gäßchen, das eben zugemauert wird, – bei noch mehreren Andern, worunter auch einige bewaffnet waren. Als die beiden Reiter oben die Chaussée herunter an diesen Leuten vorbeiritten, warf die Frau mehrmals mit Steinen nach denselben: ich kann jedoch nicht sagen, ob sie einen getroffen hat. Als die Reiter zurückkehrten und wieder an den bezeichneten Leuten vorbeiritten, hat die Frau wieder mehrere Steine nach denselben geworfen [153] und ist dann gleich hinter ihnen drein die Chaussée hinaufgelaufen. – Als ich an den Schmidtischen Garten kam, war die Frau schon darin. Im Widerspruch mit dem Hausherrn sagte sie, sie wisse gewiß, daß die beiden sich versteckt hätten: sie habe sie hinein eilen sehen. – Als wir mit Auerswald auf die Terrasse vor der Glasthüre kamen, war sie wieder da und schlug ihm mit einem großen Stein, den sie in der Hand hatte, auf den Kopf, daß das Blut floß. Darauf schlug sie auch mehrmals mit dem Regenschirm, den sie in der Hand hatte, auf seinen Kopf.
Diese sämmtlichen Zeugen haben die Angeschuldigte theils schon früher gekannt, theils bei der Vorstellung auf’s Bestimmteste als diejenige Person wieder erkannt, über welche sie die betreffenden Aussagen gemacht hatten.
Zu diesen Zeugen kam nun aber noch eine Reihe von anderen hinzu, welche zwar vielfach übereinstimmend aussagten, aber die Angeschuldigte nicht mit gehöriger Sicherheit zu recognosziren sich getrauten.
11) Dr. Hodes – traf an Auerswalds Leiche neben einigen Bewaffneten ein wohlgekleidetes Frauenzimmer von stark ausgeprägten Gesichtszügen, das ihm auf seine Vorwürfe erwiederte, er werde doch die Menschen nicht vertheidigen wollen, die nach dem Volk geschossen haben.
Bei der Vorstellung sagte er: „ich meine, es sei die Frau, von der ich gesprochen habe; nur kommt sie mir voller vor, als damals.“
12) Joh. Heinr. Schmitt, Bethmannischer Diener – sah an dem Brückchen eine Weibsperson mit einem Shawl, Strohhut und Schirm nahe bei der Leiche des Auerswald stehen und nachher dem Trupp folgen, der den [154] Fürsten Lichnowsky hinausführte (ohne jedoch angeben zu können, ob sie hiebei etwas gemacht habe).
Bei der Gegenüberstellung sagte er: der Statur und dem Anzug nach sei die Angeschuldigte die besagte Person gewesen.
13) Maria Baius, Dienstmagd der Frau Dr. Ziegler, 19 Jahr, sah gleichfalls, wie sich der Schmidtische Garten mit Bewaffneten füllte. Einige kamen aus dem Garten heraus und riefen den oben von der Bornheimer Chaussée Kommenden: hierher! „Eine Frauensperson mit graukarrirtem Kleid, Strohhut und Regenschirm gieng in der Allée nach dem Schmidtischen Garten hin und wiederholte den Ruf: hierher, – indem sie ebenfalls winkte.“ Nach der Erschießung Auerswalds (vielleicht auch erst nach der Erschießung Lichnowskys) sei die Frauensperson in der Allée nach Bornheim hin gegangen und habe mit mehreren Herren gesprochen.
Bei der Konfrontation fand sie in Kleidung und Statur „Aehnlichkeit der Angeschuldigten mit der von ihr erwähnten Person.“ –
14) Heinr. Flach, Maurermeister von Bonames, 37 Jahr, sah an der Leiche Auerswalds eine Frauensperson in einem Hut und mit einem Schirm stehen, die sich sehr wüthend gebärdete und rief: „das ist einer von den Spitzbuben; der Andre ist aber der Hauptspitzbub; seht, daß ihr den kriegt!“ –
Er getraute sich jedoch nicht bestimmt, zu behaupten, daß die ihm vorgestellte Angeschuldigte dieselbe Person gewesen sei. Nur „die Statur“ fand er übereinstimmend.
15) Pius Lorey – sagt: „Auch vor dem Garten waren viele Menschen. Namentlich war eine Weibsperson [155] (städtisch gekleidet, mit Shawl und Regenschirm) dort, welche nahe am Brückchen vor dem Garten stand und den Andern zurief: hier sind die zwei Spitzbuben hinein, für die ist es nicht schad! die müssen um’s Leben gebracht werden.“
Bei der Konfrontation sagte er: „Ich meine, das sei dieselbe Person gewesen. Ihre Statur ist es ganz, – dem Gesicht nach ist sie es auch. Aber ihre Kleider sind jetzt anders; denn ich habe sie deßhalb genau betrachtet, weil sie mit ihrem Regenschirm hin- und herfuhr.“
16) Franz Brunnenträger, Schmiedgesell, 26 Jahr, – sah, als er an das Gartenthürchen kam, dort eine Frauensperson mit Strohhut und Regenschirm, die gerade einen Mann, der in das Gartenthürchen wollte, am Arme zurückhielt. – „Diese Person schlug dem Auerswald mit ihrem Regenschirm fortwährend auf den bloßen Kopf. Geblutet hat er vorher schon; ob es von diesem Schlagen ärger wurde, kann ich nicht sagen. – Nach dem letzten Schusse gieng sie eine Strecke in die Allée hinauf, kehrte aber gleich darauf wieder um und gieng nach dem Schmidtischen Garten zurück.“
Bei der Gegenüberstellung sagte er: er habe die Person (als zu weit entfernt) nicht genau gesehen. „Sie hatte aber so einen Hut auf, wie dieser, und einen Regenschirm in der Hand. Auch war es die Statur.“
17) Lorenz Ruß – sah vom Domer’schen Garten aus die Mißhandlung Auerswalds mit an, aber nicht genau; – doch bemerkte er, daß eine Weibsperson mit einem Regenschirm auf den Mann schlug und mit den Armen hin- und herfuhr.
Als ihm die Angeschuldigte vorgestellt wurde, behauptete er, sie nicht mit Bestimmtheit recognosziren zu können, [156] da er jenem Frauenzimmer nicht in’s Gesicht gesehen habe; – doch meinte er, in der Statur und dem Anzuge komme sie auf jenes Frauenzimmer heraus. Bei der Konfrontation erklärte er dagegen geradezu, die Angeschuldigte habe mit dem Regenschirm auf Auerswald geschlagen.
18) Wilh. Eichhorn sagt: „Eine Weibsperson war auch da in einem Shawl, und ich meine, auch in einem Hut. Die rief, man solle nur auf ihn schlagen, es geschehe ihm recht.“
Bei der Gegenüberstellung fand er viel Aehnlichkeit, getraute sich aber nicht, sich bestimmter auszudrücken.
19) Heinr. Weber hatte in Bockenheim von Frauenzimmern gesprochen, die in dem Haufen (um Lichnowsky) gewesen seien, aber nichts gemacht hätten. „Jak. Windecker sagte mir, die eine, – sie hatte, meine ich, einen gelben Strohhut auf, – habe den andern alten Herrn, als sie den erschossen, mit dem Regenschirm gestochen.“
In Frankfurt sagte er dagegen: „Ich habe die mir vorgestellte Frauensperson nicht wieder erkannt. Ich habe eigentlich auch nur ihren gelben Strohhut unter dem Haufen um Lichnowsky gesehen.“
20) Christoph Pistner, 32 Jahr, Gärtnerbursche bei Wilhelm, erzählt, wie Auerswald von Simon Rau in Schutz genommen worden sei. „Doch hat eine Frau mit eimem blauen Regenschirm dem alten Herrn auf den Kopf geschlagen. Diese Frau trug eine weiße Strichhaube, ein gedrucktes Kleid, ein großes Halstuch, hatte ein volles Gesicht und war kräftiger Statur. Eine andre Weibsperson in einem Strohhut habe ich in dem Garten nicht gesehen.“ – Bei der zweiten Vernehmung sagte er: „doch sah ich vorher noch, daß jene Weibsperson dem Auerswald, [157] während er so vor dem Mann kniete, mit dem Regenschirm mehrmals auf den Arm schlug. Daß sie eine weiße Strichhaube aufgehabt habe, meine ich bestimmt behaupten zu können, doch waren der Menschen so viele da, daß man einen Einzelnen nicht so genau in’s Aug fassen konnte.“
Bei der Konfrontation sagte er: „der Statur nach ist sie es: doch meine ich, sie hätte eine Haube, keinen Hut aufgehabt, und keinen schwarzen, sondern einen blauen Schirm getragen. Das Halstuch war von dieser Art. Des Kleides erinnre ich mich nicht mehr; doch kam es auf das heraus, welches hier auf dem Tisch liegt.“
Dagegen kam er vor seiner Beeidigung mit ausdrücklichster Bestimmtheit wieder auf seine erste Angabe zurück. „Ich bin ganz fest darin, daß ich in dem Garten eine Frau in einer weißen Strichhaube gesehen habe, welche mit einem Regenschirm auf den alten Mann schlug. Sie stand ganz nahe bei mir, und ich habe sie eben deßhalb noch besondere genau betrachtet. Sie hatte einen Shawl um, wie die mir neulich vorgestellte Frau. Der Regenschirm war blau, wie ich mich auch ganz bestimmt erinnern kann. Sie schien mir eine Bauersfrau aus einem der benachbarten Orte, Seckbach etc. gewesen zu sein.“
21) Adam Joh. Beringer, Seilermeister, 48 Jahr, – sagt: „Eine Frauensperson sah ich auch in dem Haufen. Diese schlug dem alten Mann, als er eben zum Gartenthürchen herausgeführt wurde, mit einem Schirm auf den Kopf. Sie war städtisch gekleidet und groß von Statur.“
Bei der Gegenüberstellung erklärte er jedoch: „Ich habe die Frau nicht wieder erkannt; ich habe sie in zu großer Entfernung gesehen. Die Frau auf der Haide schien mir größer, als die mir vorgestellte.“
[158] 32) Joh. Justus Finger, Bürger und Handelsmann, 67 Jahr, sagt, etwa 10–15 Minuten nach einem auf den Fürsten Lichnowsky an des Zeugen Haus abgefeuerten Schusse habe er von seinem Bodenfenster in der Richtung von der Bornheimer Haide her ein wild tobendes Geschrei gehört. Bald darauf seien theils von der Chaussée, theils von dem Gäßchen an seinem Garten her mehrere 12–15jährigen Buben gekommen und hätten geschrieen: „sie sind erwischt.“ – „Auf dieses Geschrei hin stürzte ein Haufen auf der Chaussée befindlicher Männer und Buben, indem sie im Laufen Steine aufrafften, in wilder Hast die Friedberger Chaussée hinauf. Unter ihnen war auch eine Weibsperson mit einem Strohhut und Shawl, von mittlerer Statur, welche ebenfalls der Friedberger Chaussée entlang lief. – Sie war nicht korpulent und schien mir in den mittleren Jahren zu stehen. Ihr Shawl war, wenn ich nicht irre, dunkel und ihr Strohhut gelb. Sie hatte einen dunkeln Regenschirm in der Hand.
Bei der Vorstellung gab er an: „Die mir eben vorgestellte Frau scheint beleibter, als die, welche ich auf der Chaussée sah. Auch meine ich, der Strohhut der Frau auf der Chaussée habe eine größere Schippe gehabt, als der Hut der mir Vorgestellten. Ich kann daher die Identität in keiner Weise behaupten.“
22) Anna Maria Magnus, (im Rothischen Hause) sagt: „Kaum waren die Verfolgten im Hause, so hörte ich den Ruf: hier sind sie! Kommt nur herbei! – Als ich mich näher umsah, erblickte ich eine Frauensperson, welche gerade an den ersten Bäumen der Allée hervorkam und unter dem wiederholten Ruf: kommt nur hierher! hier sind sie! – mit einem schwarzen Regenschirm oben nach [159] der Bornheimer Chaussée zuwinkte. Damals war auf der Bornheimer Haide noch Niemand sichtbar. Kaum aber hatte die Frauensperson gerufen, so erschienen oben an dem Eck des Hauses, das an der Bornheimer Chaussée liegt, eine große Menge Bewaffneter, ungefähr 40, und liefen, dem Rufe der Weibsperson folgend, nach dem Schmidtischen Garten zu. Die Weibsperson war ganz außer sich und schrie, als die Bewaffneten bei ihr ankamen: „Hier herein in den Garten! Da drin sind sie. Nur geeilt! Ich habe sie euch gefangen, sonst hättet ihr sie doch nicht gekriegt. Ich helfe euch werfen, ich werfe ihnen auch Steine auf den Kopf.“ – Auf dieses stürmten die Bewaffneten, die vorher noch unschlüssig gewesen waren, wo sie hinaus sollten, größtentheils in den Garten, - die Weibsperson folgte ihnen. – „Die Schüsse (auf Auerswald) waren von einem wilden Jubelgeschrei des Haufens begleitet. Die Frauensperson, die ich jetzt auch wieder unter dem Haufen sah, jubelte ebenfalls und warf mehrmals mit Steinen, die sie von dem Haufen in der Nähe nahm, auf den Mann im Graben. – Dieselbe muß darauf auch wieder mit in den Garten zurückgegangen sein; denn ich sah sie nicht mehr bis zur Herausführung Lichnowskys.“ –
Bei der Konfrontation erklärte sie: Kleid und Shawl der mir vorgestellten Person kommt mir anders vor, als bei der, die ich auf der Haide gesehen habe. Shawl und Kleid war bei der letzteren hell lilla, während beides bei der ersteren dunkel lilla ist. Der Hut ist derselbe; nur war das Band bei der auf der Haide weiß, während es bei der gegenwärtigen chamoisfarbig ist. Die Statur stimmt übrigens ganz überein. Im Gesicht habe ich die Frau [160] auf der Haide zu wenig scharf in’s Auge gefaßt, als daß ich Aehnlichkeit mit der mir hier Vorgestellten behaupten könnte.“ – Sie sagte übrigens bei ihrer Vernehmung, die Frau habe ein muffiges, bösartiges Gesicht gehabt.
24) Gärtner Georg August Steibel, genannt Reinstein, 46 Jahr, – sah bei der Leiche Auerswalds ein anständig gekleidetes Frauenzimmer mit einem Hut stehen, – und fügte bei: „diese Person hatte ich gleich Anfangs beim Schießen vor dem Schmidtischen Garten wahrzunehmen geglaubt.“
25) Simon Rau – sagte: „Ein Frauenzimmer, das unter dem Haufen war und einen Hut und Regenschirm trug, war ganz wüthend und rief fortwährend, schießt ihn todt! Sie haben nach mir geschossen! – Wie allgemein gesprochen wurde, soll es die Frau des Lithographen Zobel in Bornheim gewesen sein.“ – Er hat die Angeschuldigte nicht erkannt.
26) Joh. Mich. Rettenbacher: „Unter dem Trupp (bei Auerswalds Mißhandlung) habe ich auch eine Weibsperson bemerkt, die einen Hut auf, und einen Regenschirm in der Hand hatte. Sie stand unter dem Haufen; ob sie aber auch geschlagen hat, weiß ich nicht.“
27) Henriette Körner, Senators Gattin, 42 Jahr, – sagte: „Bemerken will ich noch, daß, ehe Lichnowsky an der Ecke des eisernen Handwegs vorüber sprengte, aus derselben Richtung her eine Frauensperson vor ihm hergelaufen kam, die sich zu dem Trupp Bewaffneter stellte, welcher nächst des Stilgebaurischen Hauses stand und mit welchem sie später auch nach dem Bornheimer Brückchen fortlief. Sie schien von ziemlich ärmlichem Aeußern, hatte einen hellen Strohhut mit gelbem Band auf, trug einen [161] Shawl von graulicher Schmutzfarbe mit gelber und dunkelrother Borte und ein dunkles, wie es schien, geblümtes Kleid. Sie kam mir zwar nicht groß, aber ziemlich korpulent vor und war nicht jugendlich. Ob sie etwas in der Hand gehabt hat, weiß ich nicht; ich meine, sie hätte eine Strohtasche am Arme hängen gehabt.“
Bei der Gegenüberstellung sagte sie jedoch: „Dies ist nicht dieselbe. Die Frau, die ich sah, war dicker und älter, als diese, und hatte eine angesetzte Borte am Shawl. Auch war das Kleid anders, und sie trug Schnürstiefel.“
28) Jean Bach, Sohn des Schreiners Bach, noch nicht konfirmirt, 14 Jahre, erzählte erst, er sei mit seiner Mutter nach 4 Uhr von Frankfurt nach Bornheim über das Hermesbrünnchen gegangen und habe auf 50 Schritte die Mißhandlung Auerswalds mit angesehen. „Unter den Umstehenden befand sich eine Frau, welche ich später, um etwa 4½ Uhr, in Bornheim unter Mengels Haus zu vielen Leuten laut sagen hörte, sie habe ihren Regenschirm auf Auerswalds Kopf entzweigeschlagen; derselbe habe gegen ihren Mann den Degen gezogen. Ich selbst sah bei dieser Gelegenheit, daß die Frau ihren schwarzseidenen Regenschirm an der Spitze, wo die Fischbeine zusammenlaufen, gefaßt hatte, indem derselbe an dieser Stelle zerrissen war. Die Frau war städtisch gekleidet, trug Hut und Shawl und mochte etwa in den 30ger Jahren stehen. Ihr Mann, der dabei stand, hatte graue Hosen mit braunrothen Militärstreifen.“
Später sagte derselbe: er habe sich mit seinen Kameraden seit 2 Uhr vor dem Friedberger Thor und auf der Haide herumgetrieben. Sie hätten sich jedoch aus Furcht von dem Schmidtischen Garten fern gehalten; er [162] habe daher weder den Auerswald, noch unter dem Haufen das besagte Frauenzimmer gesehen. Erst in Bornheim habe er diese gesehen, und insoweit sei seine erste Angabe richtig.
29) Konr. Hofmann erzählt nach Dan. Georg, – auch Auerswald sei mißhandelt worden, besondere habe ein Frauenzimmer einen Regenschirm an ihm zerschlagen (vielleicht aber auch an Lichnowsky?). –
30) Heinr. Reuter erzählt nach Kasp. Schäfer – von einem sauber gekleideten Frauenzimmer, das Bewaffneten von Lichnowsky, von seiner Verfolgung mit Steinwürfen und Schüssen Kunde gegeben, ihnen das Gäßchen, durch das er geflohen, gezeigt und sie gebeten habe, hinter ihm her zu laufen und ihn todtzuschießen.
31) Joh. Bechtold erzählt unter Andrem: Beim Suchen nach den Versteckten hätten die Maurer gesagt, die Frau habe es verrathen („dieselbe, welche nachher den alten Herrn so garstig geschlagen hat“). Im Garten nämlich habe dieselbe den Auerswald mit dem Regenschirm auf den Kopf geschlagen, daß es blutete. Sie habe geschrieen: „Das ist der Spitzbub, der das Volk schon lang genug gemordet hat; dem gehört eine Kugel vor den Kopf.“
32) Christian Etzel erzählt von einem Frauenzimmer, das sich schon beim Friedberger Thor bei der Arretirung eines kurhessischen Soldaten betheiligt habe. Dieselbe habe sich später in der Nähe von Auerswalds Leiche befunden. Sie war ziemlich groß, dick, von frischer Gesichtsfarbe, und etwa 36 Jahre alt. Sie hatte eine Haube mit Schlupfen auf und einen Regenschirm in der Hand. Diese Person hat mit Steinen auf Auerswalds [163] Leiche geworfen und gesagt, „das wäre der Spitzbube etc.“ Später sagt derselbe, es sei ihm eingefallen, daß die Frau keine Haube, sondern einen Hut (aber keinen Strohhut, wenigstens keinen hellen) getragen habe. Auch habe sie entweder eine Zahnlücke oder schwarze Zähne gehabt.
Außerdem erwecken verschiedene Aussagen den Verdacht, daß die Angeschuldigte nach der Ermordung Auerswalds ihre Thätigkeit in Suchen, Mißhandeln etc. noch weiter fortgesetzt habe.
1) Heinr. Heuß sagt, sie sei mit den Bewaffneten, die nach Lichnowsky suchten, zurück in den Garten gegangen.
2) Joh. Schwab, s. vorhin nr. 7.
3) Joh. Heinrich Schmitt, s. vorhin nr.12.
4) Franz Brunnenträger, s. vorhin nr.16.
5) Anna Maria Magnus will die „Frauensperson“ wieder unter der Rotte und Lichnowsky bemerkt und namentlich gesehen haben, „daß sie ihn fortwährend mit dem Regenschirm in den Rücken stieß“ und rief, er müsse gehängt werden.“ Auch sei sie noch unter denen gewesen, die den gefallenen Fürsten umstanden.
7) Konr. Hofmann, s. vorhin nr. 29.
8) Heinr. Reuter erzählt nach D. Georg, ein Frauenzimmer habe den Fürsten Lichnowsky mit dem Regenschirm auf den Kopf geschlagen.
9) Theod. Helferich sah die Angeklagte erst zu einer Zeit nach Bornheim hineingehen, als sich bereite das Gerücht verbreitet hatte, daß zwei Abgeordnete ermordet seien.
10) Dr. Rübs sah die Angeschuldigte mit ihrem [164] Mann zu einer Zeit nach Bornheim hereinkommen, wo viele Bewaffnete hereinzogen, und eins von beiden Eheleuten erzählte ihm, Auerswald sei todt und den Lichnowsky hätten sie auch; ob er todt sei, wüßten sie nicht, aber geschossen sei nach ihm.
Trotz alles Ueberführungsmaterials, das sich gegen sie häufte, war jedoch die Angeschuldigte nicht zu bewegen, viel mehr als anfänglich nachzugeben. Zwar schien sie gleich bei der zweiten Vernehmung, 10. Oktbr. 1848, von Anfang an sich zu einem Geständnisse herbeilassen zu wollen, indem sie unter Thränen von der großen Aufregung sprach, worin sie am 18. Sept. im Gefühl ihrer Mittellosigkeit und trostlosen Aussichten in die Zukunft gewesen sei.
Allein sie faßte sich alsbald wieder und setzte das System kalten, zuwartenden, lauernden Abläugnens fort. Nur in wenigen Punkten machte sie einige Einräumungen:
a) sie sagt, sie sei während des Vorbeisprengens der Reiter auf der Friedberger Chaussée nahe an dem Gäßchen I mit ihrem Mann gestanden, habe rufen gehört: „Das sind sie; die sind an allem Unheil Schuld,“ und habe mit Steinen werfen sehen.
b) Sie will zwar, während die Andern den Reitern nachliefen, noch eine Weile mit ihrem Mann stehen geblieben und dann erst durch das Gäßchen II nach Bornheim gegangen und hiebei aus Neugierde in den Schmidtischen Garten getreten sein. Sie giebt aber zu, schon 10 Minuten im Garten gewesen zu sein, als Auerswald zum Hause herausgeführt wurde.
c) Sie tritt der Beschuldigung des Schlagens mit [165] dem Regenschirm nicht direkt entgegen, sondern sagt, sie müsse sich hierwegen auf die Zeugen verlassen. Dem Sonneberg gegenüber will sie (trotz der Aufregung etc.) ganz bestimmt wissen, daß sie im Garten nicht den Regen-, sondern nur den Sonnenschirm gehabt habe, sich jedoch nicht erinnern, daß sie damit nach Auerswald gestoßen hätte. – Gleich darauf sagt sie dem Heuß gegenüber: „Daß ich vielleicht geschlagen habe, gestehe ich zu; – daß ich es aber mehrmals gethan, kann ich mich nicht erinnern.“ – Am 21. Dec. 1848 ließ sie sich in’s Verhör melden und erklärte: „Ich wollte nur sagen, daß es sein könnte, daß ich mit dem Schirm geschlagen hätte. Ich war damals in einer besonders aufgereizten Stimmung wegen meiner häuslichen Verhältnisse.“ – Der App. Dürre gegenüber, welche behauptet, die Angeschuldigte habe den Auerswald mit einem Regenschirm auf den Kopf geschlagen, erwiedert sie (22. Dec.): „Das könnte der Fall sein.“ – (Bald nennt sie Sonnen-, bald Regenschirm !)
d) Sie giebt zu, mit Franz Birkenholz auf der Friedberger Chaussée gesprochen zu haben (welcher sie unter einem Trupp von Personen erblickte, die nach den flüchtigen Reitern mit Steinen warfen).
e) Sie giebt zu, noch eine Weile nach Auerswalds Tödtung unweit des Grabens stehen geblieben zu sein und einen Streit über Schuld oder Unschuld des Getödteten mit angehört zu haben. – Sofort behauptet sie zwar wiederholt, sie sei gleich darauf, noch vor der Auffindung Lichnowskys mit ihrem Manne nach Bornheim gegangen (hierbei examinirte sie die Zeugen). – Dagegen giebt sie gegenüber von Th. Helferich zu, daß sie erst um [166] die Zeit nach Bornheim zurückgekommen sei, als sich daselbst das Gerücht von der Tödtung beider Abgeordneten bereits verbreitet gehabt habe.
f) Die Aussage, daß sie geäußert habe, es sei von den Reitern nach ihr oder Andern geschossen worden, giebt sie – wenn auch zögernd – indirekt zu.
Außerdem weist sie, freilich unter Verwicklung in große Widersprüche, alle Beschuldigungen zurück. Ihr Benehmen gegenüber den vielen ihr gegenübergestellten Zeugen ist aber nicht geeignet, für sie zu sprechen. Selten weist sie ihre Beschuldigungen direkt ab, sondern weit in der Mehrzahl der Fälle mit der stehenden Phrase: „ich kann mich nicht erinnern.“ Dabei beschränkt sie sich nicht darauf, die Zeugen auf Ungenauigkeiten oder Widersprüche aufmerksam zu machen, sondern verhält sich lauernd ihnen gegenüber, sucht sie zu verwirren, wird sogar höhnisch gegen sie, – wie sie denn auch dem Inquirenten, der ihr die Fortsetzung der Konfrontationen ersparen wollte, erwiederte: „– übrigens genirt es mich gar nicht, wenn mir die Zeugen gegenübergestellt werden.“ Im Schlußverhöre sucht sie ihre Zugeständnisse – freilich auf ungenügende Weise – wieder unschädlich zu machen und zugleich die Zeugen als lügenhaft, betrunken, ja als erkauft (zum Theil nur deshalb, weil sie ein grinsendes Gesicht gemacht hätten) zu verdächtigen.
Einen ebenso wenig günstigen Eindruck macht das zweite Verhör ihres Mannes, des Lithographen Karl Zobel. Er will sogar von der Verfolgung der beiden Reiter nichts gesehen haben. Ebenso wenig getraut er sich, mit Entschiedenheit zu sagen, daß der Regenschirm in seinen Händen gewesen sei. Wenn es endlich glaublich erscheint [167] (früher behauptete er freilich, er sei nicht einen Augenblick von seiner Frau getrennt gewesen), daß er, der Schmächtige, sich vor seiner Frau aus dem Schmidtischen Garten entfernte, so ist doch seine Ausrede, warum er von der Thätigkeit seiner Frau und anderer Angeschuldigten gegen Auerswald nichts bemerkt haben will, zum Mindesten sehr charakteristisch, wenn er sagt: „ich habe die Leute auf der Haide von dem künstlerischen Standpunkte des Karrikaturzeichnens aus betrachtet, und es muß mir so entgangen sein, was unten im Schmidtischen Garten vorfiel.“
Nach allem Bisherigen war es eine durchaus wahrheitswidrige Behauptung des Vertheidigers, daß der Beweis gegen die Angeschuldigte allein auf Zeugenaussagen beruhe. Vielmehr beruht er neben den Zeugenaussagen auf einem qualifizirten Geständnisse und auf Anzeigen, die sich an beide direkte Kenntnißquellen anschließen.
Der Vertheidiger schickte ferner der Prüfung der einzelnen Anschuldigungspunkte zwei Präjudizialfragen voraus, die allerdings in keinem Falle mit Stillschweigen übergangen werden durften; – und zwar
1) ob denn überall mit dem Hauptbericht angenommen werden müsse, daß bei sämmtlichen hier fraglichen Vorgängen nur Eine Frauensperson betheiligt gewesen sei?
Unfehlbar geht der Hauptbericht zu weit, wenn er behauptet, nach allen Zeugenaussagen sei nur Eine Weibsperson betheiligt gewesen und der Versuch der Angeschuldigten, noch eine zweite zu unterstellen, sei eine [168] leere Finte, weil sie eine solche selbst nicht näher zu bezeichnen wisse. Ersteres ist nämlich falsch, letzteres unerheblich, wenn auch der Vertheidigungsbeweis natürlich dadurch im Mindesten nichts gewinnt, vielmehr ungünstige Vermuthungen gegen die Angeschuldigte nicht abzuweisen sind, da sie in der Lage gewesen wäre, positive Angaben zu machen.
Wenn aber ersteres falsch ist, da bei Weitem die meisten Zeugen gar nichts darüber aussagen, ob sie nur Eine oder mehrere Personen weiblichen Geschlechts bemerkt haben, so ist doch auch die Widerlegung des Vertheidigers gänzlich verfehlt, da er nur auf die ganz nicht hierher gehörige Aussage des J. Kramm rekurrirt, und gerade die Aussagen derjenigen Zeugen ganz übersieht, welche auf’s Bestimmteste behaupten, daß nur Eine Frauensperson an Ort und Stelle gewesen sei.
Diese Behauptungen sind allerdings gewagt und mit Vorsicht aufzunehmen. Es ist die höchste Wahrscheinlichkeit, resp. Gewißheit vorhanden, daß, wenn nicht im Schmidtischen Garten, so doch vor demselben und in der Umgegend verschiedene Frauenspersonen, zum Theil in ganz ähnlicher Kleidung, als irgendwie mittheilnehmend bemerkbar wurden. Allein alle von dem Vertheidiger hierwegen mit Emphase geltend gemachten Zeugnisse sind dennoch ohne den mindesten Belang, weil sie die der Angeschuldigten von andern Zeugen zugeschriebene Thätigkeit durchaus unangetastet lassen, oder sogar die fragliche Frauensperson geradezu als Theilnehmerin an Auerswalds Mißhandlung bezeichnen.
2) Die zweite Frage, ob nicht die Zeugen in zu großer Aufregung sich befunden hätten, als daß eine ruhige, [169] sichere Beobachtung der Vorgänge ihnen möglich gewesen wäre, – ist allerdings eine sehr beherzigenswerthe.
Die Unterstellung der Vertheidigung aber, daß die Zeugen in Masse – wenn auch in gutem Glauben – auf die Verurtheilung der Angeschuldigten hingearbeitet hätten, erscheint als frivol.
Die Anschuldigungen gegen die Henriette Zobel ließen sich nun in folgender Weise sondern.
A. Verfolgung auf der Friedberger Chaussée.
Für die Thatsache, daß die Angeschuldigte die beiden Reiter auf der Friedberger Chaussée mit Steinen geworfen habe, sprechen die übereinstimmenden Aussagen von Sonneberg (s. o. nr. 4), Joh. Schwab (nr. 7) und Ph. Rückert (nr. 10). Dazu kommt die der App. Dürre, welche gleich beim Beginne der Verfolgung die Angeschuldigte mit unter der Masse der Verfolger erblickt haben will. –
Der Vertheidiger sucht die Beweiskraft dieser Aussagen anzufechten. Allein seine Einwendungen gegen Joh. Schwab und Ph. Rückert (gegen Sonneberg wagt er keine zu erheben) sind gänzlich verfehlt.
Daß Schwab seine erste Aussage in Bezug auf den Ort, wo die Angeschuldigte mit Steinen geworfen habe, nachher berichtigt, spricht nicht gegen ihn. Wenn ihn aber der Vertheidiger auf den Grund der kurhessischen Verhandlungen als einen beschränkten, furchtsamen, fremden Einwirkungen sehr zugänglichen Mann schildert, der eine zweideutige Rolle gespielt habe, – so ist dies entschieden unrichtig, da gerade Schwab bei den Verhandlungen [170] in Hanau zu den tüchtigsten und bewährtesten Zeugen gehörte.
Rückert ist allerdings Mitschuldiger; aber abgesehen davon, daß er an der Verfolgung der Reiter mit Drohungen und Steinwürfen nicht betheiligt erscheint, steigt seine Aussage über den fraglichen Punkt sehr im Werth durch ihre vollkommene Uebereinstimmung mit denen der klassischen Zeugen Sonneberg und Schwab. Diese Uebereinstimmung findet namentlich auch statt in Bezug auf Ort und Stelle. Sonneberg sagt: in der Nähe des Bethmannischen Gartens, Schwab und Rückert bezeichnen das erste Gäßchen. Eben diesen Punkt giebt aber die Angeschuldigte selbst als denjenigen an, wo sie sich mit ihrem Mann verweilt und nach den Reitern habe werfen sehen!
Das Werfen mit Steinen ist jedoch nicht, wie der Vertheidiger es darstellt, das Einzige, was der Angeschuldigten bei dieser Gelegenheit zur Last fällt. Sonneberg setzt hinzu, sie habe gerufen: „Auf sie! Das sind die Spitzbuben!“ und Schwab sagt, sie habe gerufen: „Schießt! Das ist der Fürst Lichnowsky!“ Dazu tritt noch weiter die Aussage des Franz Jakoby; (s. o. nr. 3), wornach die Angeschuldigte unterwegs bei der Verfolgung dem Zeugschmied Hofmann sagte: er solle sich nur nicht fürchten, sondern drauf schießen, wenn er ihn sehe.
Zwar hat nun die Angeschuldigte auf’s Entschiedenste in Abrede gestellt, daß sie der Friedberger Chaussée entlang und über die Bornheimer Chaussée gegangen sei, da sie vielmehr durch die Gärten nur zufällig an das Schmidtische Haus gelangt sein will. Allein hier findet selbst der Vertheidiger ihre Angabe gänzlich unglaubwürdig und blos zur Abwendung dringenden Verdachts ersonnen.
[171] Und zwar gewiß mit vollem Recht, da ihre bereits bewiesene lebhafte Betheiligung an der Verfolgung durchaus nicht für die Annahme spricht, daß sie sofort in aller Ruhe durch Seitengäßchen ihren Weg nach Bornheim fortgesetzt und nur zufällig auf den Schmidtischen Garten gestoßen haben werde. Zwar wird die Angabe der Angeschuldigten bestätigt durch ihren Mann und theilweise durch die Appollonia Dürre, welche bei der Konfrontation sagte: „Ich habe Sie am 18. Sept. zuerst am Friedberger Thor gesehen; da sind Sie den beiden Reitern nachgelaufen und zu den Gäßchen hinein.“ Allein das Zeugniß des Ehemanns ist reines Echo der Aussage der Angeschuldigten. Was aber die Appollonia Dürre betrifft, so ist ihre Angabe in diesem Punkte schon deshalb von geringem Werthe, weil sie die Richtung, welche Auerswald und Lichnowsky einschlugen, entschiedener Maßen unrichtig, mindestens oberflächlich beschreibt, so daß anzunehmen ist, sie habe zu dieser Zeit sehr ungenau beobachtet. Sie meinte, die Reiter seien durch die Gäßchen entflohen, und zwar gleich von ihrem ersten Erscheinen am Friedberger Thor an. Gleichwohl ist einiges Richtige in der Beobachtung der Zeugin, und da namentlich auch sonst vielfach konstatirt ist, daß die Verfolgung (freilich erst etwas später) vom Friedberger Thor aus anhub, so ist kein Grund vorhanden, die Richtigkeit der Angabe zu bezweifeln, daß sie die ihr von früher her bekannte Angeschuldigte mit den übrigen Verfolgern überhaupt den flüchtigen Reitern habe nachlaufen sehen. Ueber die Richtung dieses Laufs kann sie aber um so weniger als Quelle gelten, da sie selbst sagt, sie habe die Angeschuldigte alsbald aus dem Auge verloren und sei in die Stadt hineingegangen. [172] Rückert (den in diesem Punkte auch der Vertheidiger nicht beanstandet), sagt ganz entschieden, die Angeschuldigte sei den fliehenden Reitern die Friedberger Chaussée hinauf nachgelaufen, und bestätigt hiemit die Aussage des Jakoby.
Sonneberg, Schwab, Jakoby haben die Angeschuldigte unzweideutig anerkannt, App. Dürre und Rückert haben sie sogar schon vorher gekannt.
Es erscheint also durch die bisher angeführten Zeugenaussagen als erwiesen, daß die Angeschuldigte an der Verfolgung der flüchtigen Reiter auf der Friedberger Chaussée mit Steinwürfen und Aufforderungen, auf sie zu gehen, nach ihnen zu schießen, thätigen Antheil genommen hat.
B. Beihilfe zur Entdeckung des Verstecks, und Aufforderung zum Nachsuchen.
Wenn der Hauptbericht anzunehmen scheint, das Versteck der beiden Flüchtlinge sei den Verfolgern überall erst durch die Angeschuldigte verrathen worden, so zwar, daß es ohne ihre Dazwischenkunft vielleicht unentdeckt geblieben wäre, so ist diese Annahme eine durchaus willkührliche und aus den Akten sehr leicht widerlegbare, ohnedies mit einer auch nur flüchtigen Gesammtanschauung des ganzen Vorfalls offenbar nicht vereinbaren [WS 2]. Es ist daher eine zum Theil undankbare Mühe, die sich der Vertheidiger mit der Widerlegung jener Annahme macht.
Allerdings erscheint daher auch die Aussage des an sich verdächtigen Zeugen Bechtold, daß nach Aussage der Maurergesellen nur die Frauensperson an der Entdeckung schuldig gewesen sei, ebenso sehr als werthlos, wie die von Marie Magnus der Angeschuldigten in [173] den Mund gelegte Großsprecherei, daß sie die Flüchtigen gefangen habe. Allein, wenn gleich nicht gesagt werden kann, daß die Angeschuldigte zuerst das Versteck der Flüchtigen entdeckt und sie gewissermaßen an’s Messer geliefert habe, so ist doch eine andre Frage die: ob sie nicht wenigstens behilflich gewesen sei, außer den etwa bereits im Schmidtischen Garten befindlichen Bewaffneten noch andere Verfolger an Ort und Stelle herbeizurufen?
Diese Frage wird mit voller Entschiedenheit bejaht durch die Frau Dr. Ziegler (s. o. nr. 6), welche die Angeschuldigte ganz unbedenklich rekognoszirt hat. Mit ihrem Zeugnisse stimmen aber durchaus überein die Aussagen der Anna Maria Magnus und der Marie Bajus, welche beide zwar Aehnlichkeit gefunden, aber die Identität der Person nicht zu behaupten sich getraut haben (s. o. nr. 13. 23).
Zwar könnte man nun hinsichtlich der Aussagen der Mlle. Magnus Zweifel erheben, sofern diese bei der Vorstellung der Angeschuldigten geradezu gesagt hat, daß zwar die Statur ganz übereinstimme, aber Kleid, Shawl und Hutband verschieden gewesen seien (s. o. nr. 23).
Der Hauptbericht bemüht sich, diese Differenzen dadurch ins Gleiche zu bringen, daß er bemerkt: „Das Kleid, das die Angeschuldigte nach ihrer eigenen Angabe am 18. Sept. trug, hat breite, blaue und lilla Streifen, die nuançiren; auf den Streifen sind kleine bunte Blumen. Es kann daher leicht möglich sein, daß die Farbe des Kleides (eine eigentliche Grundfarbe hat es gar nicht) verschieden beschrieben wird, je nachdem der Beschreiber solches näher oder entfernter steht. Zeugin muß sich auch von der Chamoisfarbe einen irrigen Begriff machen, da [174] das Hutband blaßrosa ist, das in der Ferne wohl auch für schmutzigweiß gehalten werden kann, für chamoisfarbig dagegen nicht.“ Dagegen heißt es in einem andern Bericht: „Nachträglich wird bemerkt, daß der M. Magnus und ihrer Mutter vor der Konfrontation sämmtliche in Verwahr befindlichen Kleider der Angeschuldigten vorgelegt, keines derselben aber von ihnen als dasjenige erkannt wurde, welches die von ihnen bezeichnete Frauensperson getragen habe.“
Indessen giebt eben die Zeugin M. Magnus auch sonst genügenden Anlaß, die volle Schärfe und Zuverläßigkeit ihrer Beobachtungsgabe zu bezweifeln, da sie, obwohl sie nicht aus der Nähe beobachtete, doch in ihren Angaben an Einzelnheiten fast verschwenderisch ist, dabei aber sehr häufig im Widerspruch mit den übereinstimmenden Angaben näher beobachtender, ganz glaubwürdiger Zeugen sich befindet. Diese Bemerkung dient nun freilich nicht dazu, den Mangel der unumwundenen Rekognition der Angeschuldigten Seitens der Zeugen zu ergänzen; aber es wird doch erklärlich, daß dieser Mangel gerade in der Wahrheitsliebe der Zeugin seinen Grund haben kann, ohne daß daraus geschlossen werden müßte, sie habe eine andre Person im Auge, als die Frau Ziegler. Letzteres ist aber um so weniger anzunehmen, je genauer die Angaben dieser beiden Zeuginnen und überdies zugleich die der M. Bajus übereinstimmen.
Zwar sucht nun der Vertheidiger die Frau Ziegler als in Selbsttäuschung befangen hinzustellen und mittelst Berufung auf die Angaben des Fr. Jakoby (s. oben nr. 3) ein Alibi der Angeschuldigten geltend zu machen. Beides ist jedoch gänzlich mißglückt. Die drei Zeuginnen sagen [175] übereinstimmend, – nicht, wie der Vertheidiger unterschiebt: die Frauensperson sei „von Bornheim hergekommen“, sondern nur: sie sei an den ersten Bäumen der nach Bornheim führenden Pappelallee erschienen und von da winkend über das Brückchen nach dem Schmidtischen Garten hinübergegangen. Eben dies stimmt aber gerade bestens mit dem Zeugnisse des Jakoby zusammen, nach welchem die Weibsperson den Weg über die Bornheimer Chaussée genommen hatte. Hiernach mußte sie gerade an der bezeichneten Stelle hervorkommen. Es ist ungemein wahrscheinlich, daß sie schneller gieng, als die bewaffneten Haufen, die den gleichen Weg einschlugen. Wenn sie nun vor diesen an dem Schmidtischen Garten eintraf und diesen als den Schauplatz der wahrscheinlichen Entdeckung gewahr wurde, weil bereits Bewaffnete darin waren, so war es nur ganz natürlich, wenn eben sie den von der Bornheimer Chaussée herziehenden Bewaffneten zuwinkte, zurief, ihnen das rechte Ziel wies und vielleicht nebenbei auch bramarbasirte, als sei sie die erste Entdeckerin gewesen.
Es reiht sich aber an die von den drei weiblichen Zeugen bekundete Thatsache ferner die Aussage des Jakoby an: die Angeschuldigte habe im Schmidtischen Garten gleich von Anfang an öfters gerufen, sie sollten nur nicht ruhen, bis sie ihn hätten, und nur suchen; dieselbe sei auch einige Male [nicht: Ein Mal, wie es dem Vertheidiger zu referiren beliebt] selbst ins Haus gegangen und habe suchen geholfen. – Deßgleichen die vom Vertheidiger ignorirte Aussage des G. Sonneberg: die Angeschuldigte habe im Garten geschrieen: „sie müssen heraus, sie haben vorhin auf die Leute geschossen.“ – Durch die Aussagen beider klassischen Zeugen steht es hinlänglich [176] fest, daß die Angeschuldigte zum Aufsuchen und zur gewaltsamen Bemächtigung der beiden Versteckten aufhetzte (wogegen die Angabe Jakobys, daß sie selbst mit habe suchen helfen, vereinzelt stehen geblieben ist.)
Zum Mindesten kann nichts Unwahrscheinlicheres (nach allem Bisherigen) gedacht werden, als die Erzählung der Angeklagten und ihres Ehemanns, wenn sie blos zufällig an den Schmidtischen Garten gekommen, blos aus Neugierde hineingegangen, wenn sie darin (trotz ihrer Kleidung) von den Bewaffneten für eine Hausbewohnerin gehalten und um Herausgabe der Versteckten bestürmt, ja sogar herumgezerrt und zu körperlicher Gegenwehr genöthigt worden, gleichwohl aber nicht sofort weggegangen, sondern noch zehn Minuten bis zur Herausführung Auerswalds und noch eine Weile nachher im Garten geblieben sein will! Soviel Unglaublichkeiten, als Worte! Von den Widersprüchen zwischen dem ersten und zweiten Verhör gar nicht zu reden!
Als Resultat bleibt daher stehen: daß die Angeschuldigte in den Schmidtischen Garten eine Mehrzahl von Bewaffneten herbeirief und herbeiwinkte, und ihnen denselben als das Versteck der flüchtigen Reiter bezeichnete, im Garten selbst aber zur Durchsuchung von Garten und Haus, und folgeweise zur gewaltsamen Bemächtigung der Verfolgten aufhetzte.
C. Thätliche Mißhandlung des v. Auerswald.
Daß die Angeschuldigte den General v. Auerswald mit einem Schirm geschlagen habe, und zwar wiederholt (resp. anhaltend, fortwährend) auf den Kopf geschlagen [177] habe, während derselbe durch den Garten geführt wurde, – bezeugen Kath. Kraus (s. oben nr. 1.), Heinr. Heuß (nr. 2.), Gerson Sonneberg (nr. 4.), Joh. Schwab (nr. 7.), App. Dürre (nr. 8.), Joh. Kramm (nr. 9.), Ph. Rückert (nr. 10.), – welche sämmtlich die Angeschuldigte wieder erkannt haben. Sonneberg hat überdies auch den Regenschirm derselben rekognoszirt.
Die Zeugen Kraus, Heuß, Kramm und Sonneberg läßt auch der Vertheidiger als unverdächtig gelten, meint aber, die Beweiskraft ihrer Aussagen werde geschwächt durch mehrere Schwankungen in sich, Abweichungen von einander, und Mangelhaftigkeiten in Bezug auf den Thatbestand. Jedoch ganz mit Unrecht.
Daß die Zeugin Kraus bei der Konfrontation nur von Einmaligem Schlagen mit dem Regenschirm spricht, während sie in ihrem ersten Verhör von wiederholtem Schlagen gesprochen hat, ist eben so wenig als eine erhebliche „Schwankung in sich“ geltend zu machen, als wenn Heuß das eine Mal sagt, sie habe anhaltend, – das andre Mal, sie habe wiederholt geschlagen.
Diese beiden Zeugen stimmen mit Kramm und Sonneberg jedenfalls darin überein, daß sie wiederholtes Schlagen berichten. Die Kraus und Kramm geben außerdem als die Hauptstelle übereinstimmend dieselbe an, das Bergelchen, den Abhang der vom Hause in den Garten hinabführt. Ebenso aber auch Joh. Schwab in seinem Verhör vom 5. Januar 1849 und 26. Januar ej., Appollonia Dürre und Ph. Rückert. Weit gefehlt also, daß die Hauptzeugen von einander abwichen, stimmen sie vielmehr in einer für die vorliegenden Umstände merkwürdigen Weise zusammen.
[178] Ebenso unwahr ist die Behauptung des Vertheidigers, daß die vier Zeugen Kraus, Heuß, Kramm und Sonneberg keinerlei nähere Angaben hinsichtlich des zum Schlagen von der Angeschuldigten gebrauchten Schirms zu machen wüßten. Die Zeugin Kraus sagt: „Es war ein ziemlich großer baumwollener schwarzer Regenschirm, womit die Frau schlug, indem sie den Schirm mit beiden Händen faßte.“ Heuß hat allerdings bei der Konfrontation unentschieden gelassen, ob es ein Regen- oder Sonnenschirm gewesen (ebenso J. Schwab). Dagegen sprechen Kramm und Rückert mit Bestimmtheit von einem Regenschirm, und Sonneberg hat sogar ausdrücklich den Regenschirm der Angeschuldigten als denjenigen wieder erkannt, womit sie geschlagen habe; auch Kath. Kraus sagte: „So war der Schirm.“
Gleichwohl sucht der Vertheidiger glaubhaft zu machen, daß die Angeschuldigte am 18. Sept. nicht ihren Regenschirm, sondern ein grünseidenes Sonnenschirmchen getragen habe.
Vorerst beruft er sich darauf, daß der 18. September ein heller warmer Herbsttag war, der das Mitnehmen eines Sonnenschirms, nicht aber eines Regenschirme motivirt erscheinen ließ. Dabei beachtet er aber nicht, daß die Angeschuldigte schon in ihrem ersten Verhöre bestimmt erklärte, daß sie ihren Sonnenschirm nicht, wohl aber ihr Mann den Regenschirm bei sich gehabt, und daß sie ihm den letzteren wiederholt – wenn auch nicht im Schmidtischen Garten – abgenommen habe!
Erst im Laufe der Konfrontationen brachte sie zum ersten Mal, dem G. Sonneberg gegenüber, das Sonnenschirmchen vor, ließ aber die Behauptung später wieder [179] fallen. Den Ruß examinirte sie selbst: War es ein Regen- oder Sonnenschirm? Dem Rückert gegenüber will sie wieder den Regenschirm nicht in Abrede stellen. In ihrem Schlußverhör dagegen kommt sie wieder auf den Sonnenschirm zurück. Ebensowenig bedenkt der Vertheidiger, daß er selbst gleich darauf das Argument gebraucht, es können am 18. September, – an dem hellen warmen Herbsttage – auch sogar mehrere Frauenspersonen mit Strohhut, Shawl und Regenschirm am und im Schmidtischen Garten gewesen sein.
Außerdem beruft er sich auf die Angaben der Appollonia Dürre und des Jean Bach (s. o. nr. 28). Allein hiebei ist entgegenzuhalten, a) daß er selbst, theilweise mit Recht, diese Zeugen als höchst verdächtige zu signalsiren gar nicht müde werden kann, b) daß Jean Bach keineswegs eines Sonnenschirms, sondern eines „schwarzseidenen Regenschirms“ Erwähnung thut, c) daß auch die Dürre von einem grünseidenen „Regenschirm“ spricht, d) daß zwar beide davon sprechen, der Regenschirm sei an der Spitze, wo die Fischbeine zusammenlaufen, zerrissen gewesen, was wirklich bei dem Sonnenschirm der Angeschuldigten der Fall ist, e) daß aber eben hieraus nur die Ungenauigkeit der Beobachtung beider Zeugen hervorgeht.
Daß die Risse am Sonnenschirm nicht wohl vom Schlagen, besonders einem solchen, wie es die Kraus beschreibt, herrühren können, unterliegt wohl keinem Zweifel. Da nun die tüchtigsten Zeugen darauf bestehen, daß das Instrument ein Regenschirm gewesen sei, die Dürre und Bach obendrein selbst eines Regenschirms erwähnen, so ist wohl die Vermuthung nahe gelegt, daß erst durch die [180] Beobachtung der Risse an dem Sonnenschirm in den Köpfen der Dürre und des Bach das Mährchen von dem „entzweigeschlagenen Regenschirm“ entstand, welches übrigens bei der erstern nur als eine ausschmückende Uebertreibung ihrer sonst im Wesentlichen mit klassischen Zeugnissen einstimmigen Angaben erscheint. Vereinzelt steht sie, das hinzugedichtete Entzweischlagen abgerechnet, nur mit der Angabe, daß die Angeschuldigte aus dem Garten herausgekommen und ihrem Mann den Schirm, womit sie geschlagen, gezeigt habe. Schließlich giebt endlich die Zobel selbst an, sie wisse nicht genau, ob der Schirm ein Regen- oder Sonnenschirm und von welcher Farbe er gewesen sei.
Weiter sucht der Vertheidiger die Glaubwürdigkeit des Ph. Rückert und der App. Dürre anzugreifen. In der That steht auch der erstere mit der Aussage vereinzelt, daß die Angeschuldigte zuerst mit einem Stein auf Auerswalds [WS 3] Kopf geschlagen habe. Außerdem aber harmonirt seine Aussage im Ganzen und im Einzelnen durchaus mit denen der Kraus, des Heuß, Kramm und Sonneberg. Auch jene isolirt gebliebene Behauptung ist übrigens keineswegs, wie der Vertheidiger meint, unwahrscheinlich (in Gärten pflegt es nicht an Steinen zu mangeln), sondern im Gegentheil Angesichts des Obduktionsberichte eher sehr wahrscheinlich.
Die Persönlichkeit der A. Dürre erscheint allerdings nach den Akten ziemlich anrüchig; es hat jedoch das Gericht keinen Anstand genommen sie zu beeidigen. Der Werth ihrer Aussagen ist schon bisher in einzelnen Punkten problematisch erschienen. Allein so gering, wie ihn der Vertheidiger darstellt, ist er denn doch nicht. Daß die [181] „Depositionen derselben von Widersprüchen und Unwahrheiten wimmeln,“ ist einfach nicht wahr, wie denn auch der Beweis dafür sehr dürftig ist. Er stützt sich hauptsächlich auf die ungefähren Zeitangaben der Angeschuldigten, die allerdings streng genommen mit den konstatirten Thatsachen nicht wohl vereinbar sind. Allein abgesehen davon, daß man es hiemit bei einer nicht im Besitz einer Uhr befindlichen und in den Tag hineinzuleben gewohnten Person nicht so streng nehmen darf, hat ja die Zeugin selbst ganz offen erklärt, daß sie ihre Zeitangaben keineswegs als ganz genau vertreten wolle. Hiebei wird es daher sein Bewenden haben, keineswegs aber, wie der Vertheidiger andeutet, ihre gesammte Deposition als Eine Lüge genommen werden müssen.
Jedenfalls aber ist wieder zu erinnern, daß die kleinen Widersprüche, in die sich die Zeugin verwickelt, während sie im Wesentlichen doch mit allen klassischen Zeugen übereinstimmend aussagt, ihr vollkommen genügendes Gegenstück an der Angeschuldigten selbst finden, wenn diese die A. Dürre gar nicht zu kennen vorgiebt, dagegen ein ander Mal, wo sie dieselbe als gefährliche Zeugin sich gegenüber erblickt, sehr viel aus früherer Bekanntschaft über sie zu sagen weiß! –
Die Aussage des Rückert, sowie die der A. Dürre werden daher ihren Werth zum Mindesten soweit behalten müssen, als sie mit den Aussagen der übrigen genannten Zeugen übereinstimmen, welche die Thatsache des wiederholten Schlagens mit dem Regenschirm bekunden und die Angeschuldigte als Thäterin rekognoszirt haben.
Der Vertheidiger hält sich fernerhin an die Aussagen des Chr. Pistner (s. o. nr. 20) und des J. Beringer [182] (nr. 21), um darzuthun, daß nothwendig mehrere Frauenspersonen im Schmidtischen Garten anwesend gewesen sein und mit Regenschirmen geschlagen haben müssen.
Was der Vertheidiger sagt, kann nun hinsichtlich der Aussage des Pistner insofern unbedenklich zugegeben werden, als man außerdem diesem Zeugen alle Beobachtungsfähigkeit absprechen müßte, und als er von der von ihm beobachteten Person Dinge angiebt, von denen sonst Niemand etwas weiß (sie habe den vor S. Rau knieenden Auerswald auf den Arm geschlagen!), wie er denn auch die Angeschuldigte nicht, – oder eigentlich nur relativ wieder erkannt hat.
Anders verhält es sich dagegen mit Beringer, den der Vertheidiger mit Unrecht als im Widerspruch mit der Kraus und mit Kramm befindlich hinstellt. Wenn er nämlich sagt, die Frauensperson habe den Angeschuldigten geschlagen, als er eben zum Gartenthürchen herausgeführt worden sei, so ist dies „eben“ bei einem aus großer Entfernung Beobachtenden sicher um so weniger buchstäblich zu nehmen, da auch in That und Wahrheit zwischen der Anwesenheit der Rotte auf dem Bergelchen und dem Herausführen aus dem Garten nur eine sehr kurze Zeit vergangen sein kann. Auch J. Schwab war erst nicht ganz sicher über Ort und Stelle; während er später mit Bestimmtheit die Szene auf das Bergelchen verlegte, hatte er sie erst auch an das Gartenthürchen verlegt (noch innerhalb des Gartens). Beringer bemerkte aber wenigstens städtische Kleidung an der fraglichen Person.
Nachdem der in Rede stehende Punkt so vielfach durch übereinstimmende glaubwürdige Zeugnisse auf’s Reine gebracht ist, scheint es fast überflüssig, auf die Einwürfe [183] noch einzugehen, welche der Vertheidiger gegen die Angaben mehrerer andrer Personen macht. Dennoch müssen hierüber einige Bemerkungen gemacht werden, um keinen Zweifel darüber bestehen zu lassen, daß sein ganzes Entschuldigungssystem gründlich verfehlt sei.
Zwar ist nun von den zwei Sätzen des Hauptberichts, daß 1) die von den fraglichen Zeugen (welche sämmtlich mehr oder weniger bestimmt wenigstens die Angeschuldigte ähnlich mit der von ihnen beobachteten Person fanden) bekundeten Thatsachen dieselben seien, wie die von den oben angeführten Zeugen angegebenen, 2) daß, wenn zwei Frauen in dem Haufen gewesen wären, beide die nämliche Thätigkeit entwickelt haben müßten, was sicherlich auffallend gewesen und den Zeugen nicht entgangen sein würde, – von diesen Sätzen ist nur der erste richtig, der zweite aber nicht, oder mindestens nur relativ, da - Angesichts der Aussage des Pistner – die Möglichkeit der Mitthätigkeit einer andern Person wenigstens nicht schlechthin abgewiesen werden kann, wobei aber stets zu bedenken bleibt, daß Pistner eben die Thätigkeit der von ihm beobachteten Person auf eigenthümliche Weise beschreibt, daher der erste Satz des Hauptberichts immerhin seine Richtigkeit behält.
Was die Einzelnen betrifft, so hat zwar Franz Birkenholz (s. o. nr. 5) die – ihm übrigens von früher bekannte – Angeschuldigte im Schmidtischen Garten nicht bemerkt, unterstützt aber jedenfalls indirekt die Aussagen der oben angeführten klassischen Zeugen. Dasselbe gilt von Fr. Brunnträger [WS 4] (nr. 16), über den als einen aus der Ferne Beobachtenden das oben hinsichtlich des Beringer Angeführte zu wiederholen ist. – Bechtold und Jean [184] Bach können dem Vertheidiger aus bereits angeführten Gründen preisgegeben werden. Dagegen ist im Widerspruch mit ihm Joh. Schwab (nr. 7) durchaus den oben angeführten klassischen Zeugen beizuzählen.
Wenn aber etwas geeignet ist, diese Zeugenaussagen indirekt noch ganz besonders zu bestärken, so ist es die Art und Weise, wie die Angeschuldigte selbst über den fraglichen Punkt sich ausgesprochen hat. Abgesehen davon, daß ihr zugestandenes, 10 Minuten und länger dauerndes Verweilen im Garten bis zur und während der Herausführung Auerswalds nach der Behandlung, die sie daselbst erfahren haben will, durch die Neugierde keineswegs erklärt erscheint, wäre es auch unbegreiflich, wie sie, die Neugierige, gerade die Hauptmomente, die Beschützung Auerswalds durch S. Rau, das Flehen Auerswalds um sein Leben, – nicht wahrgenommen haben sollte, wie sie behauptet. Im Widerspruch damit will sie über andre Momente, zum Theil über Einzelnheiten, die sonst Niemand bemerkt hat, sogar genauer Bescheid wissen, als sämmtliche Zeugen. Allein es steht abermals im Widerspruch mit ihrem Vorbringen, daß sie außerordentlich aufgeregt gewesen sei, so zwar, daß sie über ihre eigenen Handlungen nicht mehr sichere Auskunft geben könne. Von ihren widerspruchsvollen Angaben über Besitz und Gebrauch eines Schirmes ist bereits zur Genüge die Rede gewesen.
Was endlich die Wirkung des von der Angeschuldigten ausgeübten Schlagens mit dem Schirm betrifft, so behaupten zwar einige Zeugen, Auerswald habe erst infolge dieses Schlagens am Kopfe geblutet, – so besonders Schwab, Kramm, Rückert; namentlich sagt noch Gerson Sonneberg sehr bestimmt, die Angeschuldigte habe den [185] Auerswald mit dem Schirm unter das linke Auge gestoßen, worauf es geblutet habe. Dagegen behaupten andre Zeugen, wie die Kraus, Dürre, Fr. Brunnträger, Gärtner Schmidt, Lehrer Schnepf, J. Pfalz etc., Auerswald habe schon vorher am Kopfe geblutet (als er aus dem Hause gekommen sei). Von den an der Leiche vorgefundenen Verletzungen läßt sich jedenfalls keine mit Sicherheit als durch Schläge mit einem Regenschirm hervorgebracht bezeichnen.
Als Resultat ergiebt sich: daß die Angeschuldigte im Schmidtischen Garten neben einer Mehrzahl bewaffneter, den Auerswald körperlich mißhandelnder Personen denselben wiederholt mit einem Regenschirm aus den bloßen Kopf geschlagen hat.
D. Aufhetzung zur Tödtung des v. Auerswald.
Die Anwesenheit der Angeschuldigten unter dem bewaffneten Haufen während der Erschießung Auerswalds wird ausdrücklich von der Frau Dr. Ziegler (s. o. nr. 6) bekundet, – die wiederholte, wüthende, anhaltende, unter wildem Geschrei vorgebrachte, durch besondre Heftigkeit ausgezeichnete, ungeduldige Aufhetzung zur augenblicklichen Tödtung Auerswalds durch Kath. Kraus (nr. 1), H. Heuß (nr. 2), Fr. Jacoby (nr. 3), G. Sonneberg (nr. 4), App. Dürre (nr. 8), Joh. Kramm (nr. 9), welche sämmtlich die Angeschuldigte aufs Bestimmteste wieder erkannt haben, und gegen deren Aussagen auch der Vertheidiger nichts Erkleckliches vorzubringen weiß. (A. Dürre stimmt ganz mit den Uebrigen überein und hat nur das Besondre, daß die Angeschuldigte sich im [186] Garten mit Sim. Rau herumdisputirt haben soll, wovon dieser selbst nichts wissen will.)
Unterstützend treten hinzu die Angaben des Dr. Hodes (der erzählt, die Angeschuldigte habe die Erschießung Auerswalds hinterher gebilligt), der M. Bajus (die das Weggehen der Frauensperson nach der Erschießung bezeugt), des H. Flach (der ihr Aufhetzung zur Suchung Lichnowskys nachsagt), des P. Lorey (welcher das Frauenzimmer Andern zurufen hörte: da sind die zwei Spitzbuben hinein; um die ist es nicht schad; die müssen um’s Leben gebracht werden), der Mlle. Magnus (welche das Jubelgeschrei der Frauensperson über die Schüsse bezeugt), und des J. Bechtold (welcher angiebt, das Frauenzimmer habe geschrieen: dem gehört eine Kugel vor den Kopf).
Der Vertheidiger sucht nun zuerst wieder die Aussagen der A. Dürre, des J. Bechtold, und diesmal auch die des P. Lorey zu verdächtigen. Es gilt jedoch von Bechtold in diesem Fall ganz dasselbe, was so eben hinsichtlich der App. Dürre bemerkt wurde. Von P. Lorey ist allerdings einzuräumen, daß er mehrfach eigenthümliche Angaben gemacht hat, die durch anderweitige Ermittlungen nicht unterstützt, zum Theil sogar widerlegt werden. Soweit aber der Zeuge hier in Betracht kommt, ist seine Aussage durch G. Sonneberg, Ph. Rückert und Bechtold bestätigt.
Sofort bemüht er sich, aus der allerdings feststehenden Thatsache, daß noch eine Mehrheit andrer Personen ähnliche Rufe ausgestoßen hat, den Verdacht einer Täuschung bei den Zeugen zu begründen. Allein dieser Versuch ist deshalb ganz verfehlt, weil gerade die Betheiligung einer sauber gekleideten Frauensperson an dem [187] hetzen zur Tödtung der Natur der Sache nach besonders auffallen mußte und überdies sämmtliche Hauptzeugen gerade darin übereinstimmen, daß die Angeschuldigte besonders wüthend, ungeduldig, wild etc. gewesen sei!
Resultat ist mithin: daß die Angeschuldigte wiederholt in besondere hervorstechender Weise zur Tödtung Auerswalds aufgehetzt hat.
E. Thätliche Mißhandlung Auerswalds durch Steinwürfe nach dem ersten Schusse.
Die hierher gehörigen Zeugenaussagen s. oben. Dazu kommt noch die des L. Dieterich, welcher übrigens nur sagt, er habe eine Frauensperson von untersetzter Statur und, wie er meine, in der Tracht einer Bauersfrau auf den im Graben liegenden Auerswald mit Steinen werfen sehen. Mit der Angeschuldigten konfrontirt, erklärte er: er meine, dies sei die Person gewesen, welche auf den todten Mann im Graben geworfen habe, sagte aber gleich darauf, ob der Mann im Graben bereite todt gewesen sei oder nicht, wisse er nicht anzugeben.
Es ist wohl zuzugeben, daß diese Angabe in mehrfacher Hinsicht werthlos ist. Sie rührt von einem Mitangeschuldigten, in Hanau Verurtheilten her; sie ist in sich unbestimmt, theilweise widersprechend, und unterstützt die Zeugenaussagen in keiner Weise, da die Beschreibung der Person als einer Bauersfrau und die Rekognition sich die Wage halten; endlich kommt dazu, daß L. Dietrich nach dem Erkenntniß des Hanauer Schwurgerichtshofs in einem solchen Grade betrunken gewesen ist, daß er des Gebrauchs seiner Vernunft nicht mächtig war. (P. Ludwig sagte in Hanau:. „Dieterich war betrunken, [188] nicht wie ein gewöhnlicher Mann, sondern wie ein Schwein.“)
Was die übrigen Zeugenaussagen betrifft, so stimmen die Kath. Kraus und H. Heuß vollkommen theils über den obigen Thatbestand, theils über die Thäterschaft überein. Daß der Letztere bei seiner ersten Vernehmung von mehrmaligem Werfen sprach, will der Vertheidiger selbst nicht premiren; in seinem Hauptverhör und bei der Konfrontation stimmte er völlig mit der K. Kraus überein.
Abweichend ist nun allerdings die Aussage Fr. Jacobys, welcher behauptet, bie Angeschuldigte habe nach Abfeurung beider Schüsse noch dreimal auf den Kopf Auerswalds geworfen, der noch Lebenszeichen von sich gegeben habe. Damit stimmt aber wieder Anna Maria Magnus durchaus überein.
Da nun die Zeugen Kraus, Heuß und Jacoby die Angeschuldigte auf’s Bestimmteste rekognoszirt haben, so spricht Alles dafür, daß auch die Angabe der Mlle. Magnus eben nur auf sie zu beziehen sei, die Angeschuldigte daher für überführt gehalten werden müsse, sowohl nach dem ersten, als nach dem zweiten Schuß auf Auerswald mit Steinen geworfen zu haben.
Der Vertheidiger sucht vergebens diese Angaben als solche unglaubwürdig zu machen. Er greift daher nach der Aussage des Andr. Spahn, der einige Buben auf die Leiche werfen sah, wobei er sich selbst nicht verhehlen kann, daß davon die Zeugnisse der Kraus und des Heuß gar nicht berührt werden. Wenn er dabei die Bestimmtheit des Zeugnisses der Kath. Kraus sogar zum Gegenargumente benützt, als ob eben nur Buben mit Steinen geworfen und die Zeugen theils blos ihre Phantasie [189] hätten spielen lassen, theils erst hinterher ihre Aussagen dem sonst Bekanntgewordenen angepaßt hätten, so ist dies offenbar aus der Luft gegriffen.
Vielleicht im Gefühle dieser Inkonvenienz rekurrirt er auf die an sich sehr wahrscheinliche Vermuthung, daß mehrere Frauenspersonen bei den vorliegenden verbrecherischen Vorgängen sich betheiligt haben könnten. Nur ist es eben nicht geschickt, wenn er behauptet, daß die Aussage der Mlle. Magnus nothwendig auf eine andere Person, als die Angeschuldigte sich beziehen müsse, da vielmehr ihr Zeugniß ganz mit dem des Fr. Jacoby stimmt, der die Angeschuldigte auf’s Bestimmteste rekognoszirt hat.
Noch unglücklicher ist aber der Beweis, den er auf Grundlage der Aussagen des Christian Etzel zu führen sucht. Dieser hat behauptet, dieselbe Frau, welche bei einer gewissen, hierher nicht gehörigen Episode mit einem kurhessischen Soldaten sich bemerkbar gemacht habe, sei auch bei Auerswald’s Leiche zu sehen gewesen, habe geschimpft und mit Steinen auf den Todten geworfen. Der Vertheidiger behauptet nun, die Scene mit dem kurhessischen Soldaten falle gerade in die Zwischenzeit zwischen der Flucht der Reiter über den Hermesbrunnen und ihrem Wiedererscheinen auf der Friedberger Chaussée. Allein diese Behauptung ist geradezu falsch und zeigt, daß der Vertheidiger die Akten flüchtig gelesen haben muß. Denn diese ergeben auf’s Klarste, daß die Episode mit dem kurhessischen Soldaten bereits ausgespielt war, als die Reiter vom Eschenheimer Thor her sich zeigten.
Die Angeschuldigte ist freilich hinsichtlich der gedachten Episode gar nicht gefragt, und Etzel, soweit aus den Akten ersichtlich, nicht mit ihr konfrontirt worden (der Vertheidiger [190] behauptet, es sei geschehen). Seine Beschreibung der Person hat variirt, ist aber zuletzt auf mindestens große Aehnlichkeit mit der Angeschuldigten herausgekommen. (36 Jahr, groß, dick, frische Gesichtsfarbe, schlechte Zähne, Hut, Regenschirm.)
Es ist daher höchst wahrscheinlich, daß die Angabe des Etzel ebensowohl, als die der Mlle. Magnus, lediglich auf die Angeschuldigte zu beziehen ist.
Hinsichtlich der Wirkung ihres Steinwurfs nach dem ersten Schusse, dessen sie allein vollständig überführt erscheint, entsteht allerdings derselbe Zweifel, wie hinsichtlich ihres Schlagens. Keine der im Obduktionsbericht erwähnten Verletzungen läßt sich mit Sicherheit darauf zurückführen.
Als Resultat erscheint: daß die Angeschuldigte dem noch nicht todten Auerswald einen Stein auf den Kopf geworfen hat.
F. Theilnahme an der Tödtung des Fürsten Lichnowsky.
Daß die Angeschuldigte auch an Lichnowskys Tödtung sich betheiligt habe, läßt sich nicht erweisen.
Zwar sagt H. Flach (s. o. nr. 14) bei der Leiche Auerswalds habe eine der Angeschuldigten ähnliche, sich wüthend gebärdende Frauensperson gestanden und gerufen: „das ist einer von den Spitzbuben, der andere ist aber der Hauptspitzbub; seht, daß ihr den kriegt!“
Heinr. Heuß (nr. 2) sah sie, Brunnträger (nr. 16.) eine ihr ähnliche Person nach Auerswalds Ermordung in den Schmidt’schen Garten zurückgehen.
Heinr. Schmitt (nr. 12) sah eine ähnliche Person dem Trupp folgen, der den Lichnowsky hinausführte. [191] Ebenso H. Weber (nr. 19), der jedoch nur einen gelben Strohhut bemerkt haben will.
Nach der von H. Reuter berichteten Erzählung des D. Georg hätte ein Frauenzimmer den Lichnowsky mit dem Regenschirm auf den Kopf geschlagen. Mlle. Magnus will die von ihr schon bei Auerswalds Tödtung erblickte Frau auch um Lichnowsky gesehen haben, und zwar denselben fortwährend mit dem Schirm in den Rücken stoßend und rufend, er müsse gehängt werden. Auch habe sie noch bei dem gefallenen Fürsten gestanden.
Schwab, (nr. 7) Helferich und Dr. Rübs s. o. S. 150 ff. bezeugen endlich, die Angeschuldigte sei erst nachLichnowskys Erschießung, resp. der Verbreitung des Gerüchts davon nach Bornheim zurückgekommen. Rübs sagt, Zobel oder seine Frau hätten ihm sogar von Lichnowsky erzählt.
Die Angeschuldigte selbst hat nach vorherigem Inabredestellen eingeräumt, daß sie noch eine Weile bei Auerswalds Leiche stehen geblieben, – und daß sie erst nach Verbreitung des gedachten Gerüchts nach Bornheim zurückgekommen sei. Indeß hat sie letztere Einräumung später wieder zurückgenommen.
Der Vertheidiger nimmt es freilich wieder mit diesen Verdachtsgründen sehr leicht, wenn er die Aussage des Heuß durch die des Döttcher, Heil und Pillot, daß sie nach Auerswalds Ermordung kein Frauenzimmer im Garten gesehen hätten, zu widerlegen meint und sogar geradezu verdreht, desgl. wenn er die Aussage des Dr. Rübs durch die seiner Frau entfernen zu können vermeint. Im Gegentheil ist durch Heuß, der die Angeschuldigte rekognoszirt hat, in Verbindung mit Brunnträger [192] höchst wahrscheinlich gemacht, daß die Angeschuldigte nach Auerswalds Ermordung in den Schmidtischen Garten zurückgieng. Mehr jedoch nicht; und auch dies ist nicht vollständig erwiesen, da Brunnträger die Angeschuldigte nicht mit Sicherheit zu rekognosziren vermochte.
Als erwiesen dagegen ist zu betrachten, daß die Angeschuldigte erst nach der Erschießung Lichnowskys nach Bornheim zurückgekommen ist.
Nimmt man hiezu die Aussagen des H. Schmitt und der Mlle. Magnus, so würde darin für die Anwesenheit der Angeschuldigten unter der den Lichnowsky begleitenden Rotte der volle Beweis und für Mißhandlung und Aufhetzung zur Tödtung von ihrer Seite wenigstens sehr hohe Wahrscheinlichkeit liegen, wenn beide Zeugen die Angeschuldigte mit voller Sicherheit zu rekognosziren vermocht hätten, welcher Mangel bei Schmidt freilich in weit geringerem Grade vorhanden ist, als bei der Mlle. Magnus.
Derselbe Mangel steht auch der vollen Wirksamkeit des Aufhetzung zum Suchen Lichnowskys durch die Angeschuldigte bekundenden Zeugnisses von H. Flach entgegen. Daß dagegen wieder die Aussagen solcher, welche unter dem Haufen um Lichnowsky ein Frauenzimmer nur nicht bemerkt haben wollen, gegenüber den positiven Angaben des Schmitt und der Magnus (resp. des Weber) nichts beweisen können, versteht sich von selbst.
Hiernach ist es zwar erwiesen, daß die Angeschuldigte erst nach der Erschießung Lichnowskys nach Bornheim zurückgekommen ist; es ist wahrscheinlich, daß sie, bei Auerswalds Leiche stehend, zur Aufsuchung Lichnowskys aufgereizt habe, höchst wahrscheinlich, daß sie sofort in [193] den Schmidtischen Garten zurückgegangen und mit dem Lichnowsky führenden Trupp wieder herausgekommen und in der Pappelallée fortgegangen ist, endlich wenigstens wieder wahrscheinlich, daß sie den Lichnowsky wiederholt mit dem Schirm in den Rücken gestoßen und zu seiner Ermordung aufgehetzt hat; mehr aber nicht.
Henriette Zobel, geb. i. J. 1813, ist die Tochter des verstorbenen Bäckermeisters Tobias Pfaff zu Oberrad, woselbst sie eine sorgfältige Erziehung empfieng. Ihre dortigen Lehrer, Schullehrer Joh. Heinr. Badorf und Barb. Kath. Platz, geb. Stephan geben ihr einstimmig das Zeugniß eines sanften Charakters und tadelloser Aufführung, namentlich wurde Neigung zu Jähzorn nicht an ihr bemerkt. Sie sei lustig, zum Lernen willig, fleißig, auch zu Hause zum Arbeiten bereit, folgsam, und Sanftmuth gerade ein hervorstechender Zug ihres Charakters gewesen.
In ihrem 7ten Jahre verlor sie ihren Vater, worauf sie bald an Christian Müller von Offenbach einen Stiefvater erhielt, mit dem sie, 17 Jahr alt, nach Offenbach überzog. Sie trat nach 2 Jahren in Kondition bei der Wittwe Deon, zog ein Jahr darauf zu ihrem Vormund, dem Handelsmann Jak. Scheibler, gerieth jedoch mit diesem in Vermögensstreitigkeiten und verließ sein Haus nach Verfluß eines Jahrs, worauf sie sich mit dem Buchdrucker Friedrich Krähe in Offenbach verheirathete. Nach 5jähriger kinderloser Ehe wurde sie jedoch von demselben kraft landesh. Machtvollkommenheit ohne Angabe von Gründen wieder geschieden, lebte sofort 2 Jahre allein und trat im Jahr 1839 in die 2te Ehe mit dem Lithographen Karl [194] Zobel. Auch diese Ehe ist kinderlos geblieben. Sie zog mit dem Zobel nach Seckbach über, woselbst sie 9 Jahre lang wohnten. Erst wenige Wochen vor dem 18. Sept. übersiedelten sie nach Bornheim.
Die Hausbesitzer, bei welchen sie in Seckbach zur Miethe wohnten, sprechen sich durchweg günstig über sie aus.
Joh. Zeh, 49 Jahr, bei dem sie einige Zeit wohnten, sagt: „Ich wüßte keine besseren Miethsleute zu finden. Die Frau Zobel besonders war so sanft und verträglich, als man es nur wünschen mochte. Sie war so gefühlvoll, daß sie kein Stück Vieh leiden sehen konnte. – Von diesem ihrem gewöhnlichen Wesen habe ich sie nie abweichen sehen, namentlich nicht bemerkt, daß sie dem Jähzorn unterworfen wäre oder sonstigen krankhaften Affektionen unterlegen hätte.“
Peter Zeus, 33 Jahr, bei dem sie auch mehrere Jahre wohnte, sagt: „Sie haben immer auf den Tag ihren Zins bezahlt und es schien mir, als ob sie gerade ihr Auskommen hätten. Sie haben eine recht schöne, saubere Haushaltung geführt und ich habe nie gehört, daß sie mit andern Leuten Mißhelligkeiten gehabt hätten. Nur einmal im Frühjahr 1848 sind 2 Männer (J. Emanuel und Hinkel) dem Zobel Nachts vor das Haus gerückt, haben Steine wider die Fenster geworfen und gerufen: heraus! – wegen einer Aeußerung, die Zobel gegen die Bürgerwehr gethan haben sollte. Dabei ist auch die Frau Zobel mit ihrem Manne heraus auf die Straße gekommen und es hat da eine Rauferei gegeben. Im Uebrigen haben die Zobel’schen Eheleute eine musterhafte Lebensweise geführt; Sie sind fast gar nicht in’s Wirthshaus gegangen, sondern zu Haus geblieben und haben da oft musizirt. Daß die Frau Zobel von heftiger Gemüthsart sei, habe [195] ich nie bemerkt; im Gegentheil schien sie mir sehr sanft zu sein.“
Auch Joh. Heuser II. giebt ihnen das beste Zeugniß; er sagt: „Sie haben weder untereinander noch mit sonst Jemand Streit gehabt, haben immer richtig bezahlt, und es schien mir als ob sie ein gutes Auskommen hätten. Die Frau Zobel namentlich war gegen alle Leute sehr verträglich und ich habe nichts an ihr bemerkt, was auf eine zornige Gemüthsart schließen ließ.“
G. Fr. Kreber, bei dem sie in Bornheim wohnten, rühmt gleichfalls das stille, eingezogene, häusliche, einige Leben der Eheleute, und fügt bei: „die Frau Zobel ist zwar ziemlich lebhaft in ihrem Wesen; ich habe aber noch nie bemerkt, daß sie sich zum Zorne hinneige.“
Ganz übereinstimmend ist das Zeugniß des Ortsvorstands zu Seckbach.
Die von Zeus erwähnte Rauferei führte zu einer Untersuchung bei dem Justizamt Bergen, woraus die Zobel’schen Eheleute straflos hervorgiengen, wobei aber die Frau Zobel selbst vor Gericht angab: „Ich sprang mit einem Stock heraus und erreichte noch einen der Ruhestörer, dem ich mehrere Hiebe versetzte.“
Der Bericht der Bürgermeisterei von Offenbach sagt: „In früheren Jahren soll (?) die Zobel etwas leichtsinnig und dies der Grund zur Scheidung ihrer ersten Ehe gewesen sein.“ Weiter weiß die Behörde nicht anzugeben.
Indessen erklärt auch der Oheim der Angeschuldigten, ihr einziger noch lebender Verwandter in Offenbach, Bäckermeister Joh. Pfaff, 66 Jahr, Wittwer: „Sie war von jeher eine sehr leidenschaftliche, aufgeregte Person, liederlich, und es soll auch ihr viel bethätigter Hang zur Ausschweifung [196] der Grund ihrer Ehescheidung gewesen sein.“ Zu bemerken ist, daß er „sich seit 16 Jahr um seine Nichte nichts mehr bekümmert hat,“ überhaupt ihre Verhältnisse nicht sehr genau zu kennen scheint.
G. W. Betz von Offenbach, 40 Jahr, bezeugt, daß die Angeschuldigte in erster Ehe bei ihm zur Miethe gewohnt, er aber wegen der ihn belästigenden Ehestreitigkeiten den Leuten aufgekündigt habe. Krähe selbst habe ihm gesagt, daß der jetzige Ehemann der Angeschuldigten schon damals hinter seinem Rücken zu ihr gekommen sei. Uebrigens habe sie sich gegen ihn und seine Familie stets sehr freundlich benommen.
Der Stiefvater der Angeschuldigten wurde als Leumundszeuge nicht vernommen, weil seit längerer Zeit zwischen ihm und der Angeschuldigten ein Prozeß in Vermögenssachen schwebte, wobei beide Theile sich sehr leidenschaftlich erbittert zeigten.
Nach allen erhobenen Umständen waren die finanziellen Verhältnisse der stets auf ehrenhaftes Benehmen bedachten Eheleute keine glänzenden, gestalteten sich vielmehr zur Zeit der That immer düsterer. Das elterliche Vermögen der Angeschuldigten war im Prozeß befangen, und die auf Handel und Gewerbe lähmend drückenden politischen Umstände drohten besonders den von der Kunst abhängigen Gewerben (Zobel lebte besondere von Musikalienhändlern) zunehmende Erwerblosigkeit. Mit Recht legt unter diesen Umständen der Vertheidiger Gewicht auf die gedrückte Stimmung der Angeschuldigten, die durch die kränkenden Erfahrungen, welche sie in den Prozessen gegen Vormund und Stiefvater zu machen hatte, besondere und mit Recht gereizt werden mußte, da sie beide Male offenbar sich in [197] ihrem Recht befand und unverantwortlich chikanirt wurde, wobei noch besonders zu beachten ist, daß gerade eine Hauptverhandlung in dem Prozesse mit dem Stiefvater auf den 22. Sept. 1848 angesetzt war.
Die von der Angeschuldigten angegebene Veranlassung zu ihrem Gange nach Frankfurt am 18. Sept. 1848 ist durch die Aussagen des Spezereihändlers Jakob Dörr, 36 Jahr, bewahrheitet worden.
Um Politik will sich die Angeschuldigte gar nichts bekümmert haben. Allein der Vertheidiger führt unerwarteter Weise sehr treffend aus, daß dieser ihrer Behauptung ganz und gar nicht zu glauben sei, vielmehr zusammentreffende Gründe für das gerade Gegentheil sprechen, und zwar namentlich: das von ihr selbst bezeugte, über sie in Umlauf gewesene Gerücht, daß sie täglich die Paulskirche besucht habe, ihr Zugeständniß am Sonntag (17. Sept.) auf der Pfingstwaide bei den Reden von Zitz und Genossen anwesend gewesen zu sein, – endlich die verschiedenen ihr von Zeugen zugeschriebenen Aeußerungen: „schießt ihn todt, den Volksverräther, den Parlamentskerl“ u. dgl. Zwar will sie über die Persönlichkeit der beiden Abgeordneten erst nach dem Tode Auerswalds Auskunft erhalten haben; allein sie widerspricht sich hier selbst, da sie schon in ihrem 2ten Verhöre zugab, bei der Verfolgung der Reiter auf der Friedberger Chaussée von Vielen gehört zu haben: „Das sind sie: die sind an Allem Unheil schuld.“
Faßte man nun alles gegen die Angeschuldigte gesammelte Beweismaterial zusammen, so war vor Allem soviel klar, daß dieselbe hinsichtlich der Theilnahme an [198] der Tödtung des Fürsten Lichnowsky weder freigesprochen, noch verurtheilt werden konnte, sondern von der Instanz zu entbinden war. Denn wiewohl es sehr wahrscheinlich ist, daß sie auch bei der Aufsuchung, Herausführung, Mißhandlung und Tödtung Lichnowskys in ähnlicher Weise thätig war, wie bei Auerswald, so hat doch ein zur Ueberführung hinreichender Beweis dafür nicht erbracht werden können.
Was dagegen das gegen den General v. Auerswald verübte Verbrechen betrifft, so mußte im Unterschiede gegen den Angeklagten Rückert unbedenklich angenommen werden, daß der Angeschuldigten die Absicht der Tödtung zur Last zu legen sei; und zwar aus folgenden Gründen:
1) Schon auf der Friedberger Chaussée hat die Angeschuldigte die Absicht der Tödtung, und zwar die Absicht einer (intellektuellen) Urheberin unzweideutig an den Tag gelegt. Denn nach dem Zeugniß des J. Schwab hat sie einen ganzen Haufen Bewaffneter, nach dem des Fr. Jacoby noch insbesondere einen einzelnen Bewaffneten zur Erschießung Lichnowskys anzustiften gesucht. Sie kam also bereits mit dieser Absicht in den Schmidtischen Garten. 2) Ihre gesammte Thätigkeit innerhalb dieses Gartens erscheint als ein ununterbrochenes Bestreben, jene Absicht zur Ausführung zu bringen und hiefür jede irgendwie verfügbare Kraft in Bewegung zu setzen. Sie hat a) den Auerswald wiederholt mit dem Regenschirm auf den Kopf geschlagen, b) auf eine allen Zeugen auffallende Weise mit besonderer Leidenschaft, Ungeduld und Hartnäckigkeit zur augenblicklichen Tödtung Auerswalds aufgereizt, namentlich selbst noch nach dem ersten Schuß geschrieen, es sei noch nicht genug etc., c) sogar selbst zwischen dem [199] ersten und zweiten Schusse einen ziemlich großen Stein auf den Kopf des noch Lebenden geworfen. – Daß sie mit der die Urheberschaft charakterisirenden Absicht schon in den Garten gekommen und daselbst fortwährend thätig gewesen sei, ist hiernach nicht zweifelhaft. Dazu kommt aber, 3) daß sie eben mit dieser Thätigkeit nothwendig in das Verhältniß der Miturheberschaft mit den übrigen die Mißhandlung und Tödtung Auerswalds vollführenden Personen eintreten mußte.
Dem Verfasser schien nun übrigens hiedurch nicht mehr, als zufällige Miturheberschaft begründet zu werden. Hiezu gehört nämlich, a) daß jeder sich selbst Zweck sei und den Andern als Mittel setze und umgekehrt, – oder, wie Andre sich ausdrücken, daß jeder Urheber und Gehilfe zugleich sei, b) daß eine Verabredung, Planstiftung über gemeinsame Ausführung des von jedem beabsichtigten Verbrechens nicht stattgefunden, die Vereinigung sich vielmehr erst in der Ausführung und durch diese selbst gebildet habe, sei es durch Vermittlung von Worten oder ohne diese, immer aber c) so, daß die Thätigkeiten der einzelnen Handelnden in einander greifen und den Erfolg gemeinsam vermitteln, indem jeder das von Andern Geleistete als für sich geleistet annimmt, und ebenso den Andern unter die Arme greift, damit eben aus der Thätigkeit Aller der von jedem Einzelnen gewollte Erfolg sich ergebe.
Diese Erfordernisse fand er bei der Angeschuldigten durchaus zusammentreffend, und suchte dies noch weiter auszuführen, indem er die Thätigkeit der Angeschuldigten in folgenden Worten zusammenfaßte:
Sie kam mit der Absicht der Tödtung der Verfolgten in den Garten, rief selbst noch eine bewaffnete Schaar [200] herbei, um ihre Auffindung um so gewisser herbeizuführen, und feuerte unabläßig hiezu an. Als sofort Auerswald herausgeführt wurde, schloß sie sich alsbald den Bewaffneten an, die ihn auf lebensgefährliche Weise mißhandelten, nahm selbst in der äußersten, ihr möglichen Weise an dieser Mißhandlung Theil, war aber hiemit keineswegs zufrieden, sondern gesellte sich alsbald zu denjenigen, welche die Bestrebungen zur Lebensrettung Auerswalds zu vernichten suchten, forderte anhaltend, heftig, wüthend zu seiner alsbaldigen Tödtung auf, hetzte selbst nach dem ersten Schuß noch von Neuem und warf noch vor dem zweiten Schuß einen Stein nach dem Kopf des Halbtodten. Soweit mithin irgend ihre Kräfte reichten, hat sie alles Mögliche durch physische und intellektuelle Thätigkeit geleistet, um die aufs Unzweideutigste bekundete Absicht der Tödtung Auerswalds zur Ausführung zu bringen, und zwar im Verein und in wechselseitiger Handreichung mit denjenigen zur Ausführung zu bringen, aus deren Thätigkeit sie ihre eigene Absicht wie aus einem Spiegel ihrer Seele wiederleuchten sah. Unter diesen Umständen ist es rechtlich völlig unerheblich, ob sie mit dem Regenschirm den Auerswald wirklich blutig geschlagen und ob ihr Steinwurf nach dem ersten Schusse in der That eine Verletzung hervorgebracht hat. Sie muß die Mitverantwortlichkeit für den Gesammterfolg auf sich nehmen und für die Tödtung Auerswalds als Miturheberin einstehen.
Man gieng jedoch noch weiter und nahm gerade aus den eben angeführten Gründen an, daß ihre gesammte in der Absicht der Tödtung geäußerte Thätigkeit unter den Begriff eines eigentlichen Komplotts falle; – und [201] noch mehr: man glaubte sie zugleich als Anstifterin dieses Komplotts und als Rädelsführerin bei dessen Ausführung bezeichnen zu müssen.
Denn, – so wurde zur Begründung angeführt –, wenn zwar nicht bei allen behufs der Aufsuchung Thätiggewordenen ohne Weiteres ein stillschweigendes Tödtungskomplott als entstanden angenommen werden könne, so sei dies doch bei den mit der Absicht der Tödtung in den Schmidtischen Garten Eingetretenen und gemeinschaftlich wirksam Gewordenen anzunehmen. Um so schwerer falle dann aber jede Thätigkeit in’s Gewicht, welche geeignet gewesen sei, der hiezu erforderlichen Gedankens- und Willenseinigung zum Hebel zu dienen. Unfehlbar sei dies aber vorzugsweise bei der von der Angeschuldigten an den Tag gelegten Thätigkeit der Fall gewesen. Sie habe einer Mehrzahl von bewaffneten Verfolgern als Führerin gedient, nachdem sie schon vom Anfang der Verfolgung an vor Andern bestrebt gewesen sei, die Wuth der Menge gegen die Reiter anzufachen. Sie habe ferner bei der Aufhetzung zur Durchsuchung des Hauses, zur Gefangennehmung und zur Tödtung der Verfolgten eine besondere heftige und hartnäckige Wirksamkeit geäußert, die Schwankenden zu bestimmen, die Trägen zu stacheln sich bemüht und sei durch Zuschlagen mit dem Schirm den Männern mit thätigem Beispiel vorangegangen *).
Obwohl nun auch bei dieser Angeschuldigten ihr früherer guter Lebenswandel, sowie ihre nicht nur infolge der allgemeinen Zeitumstände, sondern noch durch besondre [202] Verhältnisse (namentlich einen chikanösen, eben in jenen Tagen in Verhandlung stehenden Prozeß) bedrängten Vermögensumstände, welche den Ausbruch eines lebhafteren Affekts gegen die vermeintlichen Urheber oder Mitverschulder einer solchen Kalamität zu befördern geeignet waren, – obwohl diese beiden Momente als strafmindernd in Betracht zu ziehen waren, so konnte doch auch andrerseits als straferhöhend nicht unerwogen bleiben, daß die Angeschuldigte, – abgesehen von der so auffallenden Heftigkeit und Beharrlichkeit ihres verbrecherischen Thuns, – durch die unter den vorliegenden Umständen ganz zwecklose Mißhandlung Auerswalds mit dem Regenschirm, wie durch das Steinwerfen auf den Tödtlichverwundeten eine besonders empörende Grausamkeit an den Tag gelegt hat.
Faßte man dies Alles zusammen und erwog, daß die Strafe des Todtschlags nach den neueren deutschen Gesetzgebungen im Wesentlichen zwischen 5 und 25 Jahre Zuchthaus fällt, so mußte bei der Angeschuldigten – nach Abrechnung eines Theils der auch bei ihr ohne ihr Verschulden verlängerten Untersuchungshaft als voraus erstandener Strafe – noch auf sechzehnjährige Zuchthausstrafe erkannt werden *).
[203]Erschwert wurde die Untersuchung gegen diesen vor Allem durch die Länge der seit dem Verbrechen verflossenen Zeit, noch besonders aber dadurch, daß er von Allem, was seine Angehörigen über den Gang der Untersuchung in Erfahrung bringen konnten, zudem aus den Zeitungen über die Schwurgerichtsverhandlungen in Hanau genaue Nachrichten erhielt und überdies noch mehrere Advokaten [204] zu Rathe zog, die als Vertheidiger der Hanauer Angeklagten die Akten auf’s Genaueste hatten einsehen können.
Der Angeschuldigte selbst sagt im Wesentlichen Folgendes aus: – Auf wiederholtes Allarmblasen sei er als Mitglied der Bockenheimer Schützenkompagnie am 18. September 1848, Mittags nach 1 Uhr, in Uniform mit Büchse und Hirschfänger auf dem Sammelplatz erschienen, jedoch ohne Munition; – genauer in einem kurzen dunkelgrünen Tuchrock mit hellgrünem Passepoil und stehendem Kragen von der Farbe des Rocks, sowie einer Reihe weißer metallener Knöpfe, ferner mit fingerbreiten silbernen Achselklappen und dreifingerbreiten silbernen Streifen am Kragen (jedoch nicht rinsgherum), in einer grauen Tuchhose mit hellgrünem Passepoil, einem Uniformshut von dunkelgrünem Filz mit breiter Krämpe, oben spitz, mit einer Birkhahnfeder verziert, – oder einer Uniformsmütze (grün, am Rand mit hellgrünem Passepoil, unten mit einem Goldschnürchen und östreichischem Schild), einer Büchse mit grünem Tragband, einem Hirschfänger in schwarzer lederner Scheide und schwarzledernen Riemen (mit messingenem Griff), und einer Patrontasche. An der Warte, im Angesicht des versammelten Korps habe er selbst, jedoch mit Hilfe Anderer (des Heinrich Weber oder des Derlam) die Büchse mit Schroten geladen, wozu ihm jedenfalls das Pulver, und vermuthlich auch die Schrote von Andern gegeben worden seien. Uebrigens sei dies Laden lange vor seinem Weggehen und blos aus Scherz geschehen. Er habe damals sowohl einen Backen- als Schnurrbart getragen, weit ins Gesicht hereingehend, etwa einen Zoll lang.
[205] In einem späteren Verhör wollte er indessen nicht zu dem versammelten Korps an der Warte gekommen sein, dasselbe auch nicht näher betrachtet haben.
In keinem Falle sei er mit dem Ginnheim-Bockenheimer Freischaarenzuge von Bockenheim abmarschirt, sondern allein mit dem gleich uniformirten Hornisten seiner Kompagnie, dem Lithographen Knöll, von dem Sammelplatz vor dem Hauswald’schen Wirthshause abgegangen und erst in den Gärten bei Frankfurt zu jenem Zuge gestoßen, dem er und Knöll sich sofort lose angeschlossen hätten. Den Zweck des gedachten Zugs habe er daher auch nicht gekannt; es habe ihm geschienen, als ob die Leute geneigt seien, in dem ersten besten Wirthshause einzukehren. Von einer Aufforderung zur Sprengung des Parlaments, zur Verjagung der Mitglieder der Rechten habe er nichts gehört. Zu einem gemeinsamen Zuge nach Frankfurt habe er ebensowenig, wenigstens nicht in eigenem Namen aufgefordert: vielmehr habe er lediglich die Absicht gehabt, sich den Mitgliedern der Hanauer Bürgerwehr zuzugesellen, von deren Abmarsch er von Unbekannten Nachricht erhalten habe.
In Beziehung auf diesen Theil seiner Erzählung stimmt nun der Angeschuldigte mit den vernommenen Zeugen theilweise überein, theilweise aber auch nicht:
1) Karl Hauswald, Gastwirth, Hauptmann der Schützenkompagnie in Bockenheim, sagt: auf den geblasenen Allarm habe sich der größere Theil der Kompagnie vor und in seinem Hause gesammelt. Bald sei denn auch eine Schaar von Bewaffneten dahin gekommen, die sich da rangirt habe. Georg von Ginnheim habe Munition ausgetheilt, und es seien dann die Leute um halb 3 Uhr [206] oder etwas später abmarschirt. „Kurz vorher waren Nispel, der sich erst eine der eben angekommenen neuen Büchsen der Kompagnie von mir hatte geben lassen, und Knöll, beide in Schützenuniform und mit ihren Waffen nach Frankfurt hin von uns weggegangen.“ Bei der Konfrontation setzte er hinzu: Außer diesen Beiden sei seines Wissens kein Schütze mitgezogen. Daß Nispel sich über das Nichtmitziehen der ganzen Kompagnie mißbilligend geäußert haben solle, wisse er nur vom Hörensagen.
2) Peter Hofmann, Uhrmacher, Feldwebel bei der Schützenkompagnie in Bockenheim, bestätigt das von Hauswald über Nispel und Knöll Gesagte und fügt bei: „Jeder von ihnen trug ein Gewehr, Nispel die neue Büchse, Knöll ein Gewehr wie eine Vogelflinte. Nispel war unruhig und drang auf Fortzug; als wir uns nicht dazu verstehen wollten, mit ihm nach Frankfurt zu ziehen, sagte er, wir Alle seien Sch…kerle.“ (Nispel läugnete dies bei der Konfrontation; er habe die Schützen nur aufgefordert, mit ihm zu exerziren.)
3) Heinrich Reuter, Sattlermeister und Mitglied der Schützenkompagnie zu Bockenheim, sah bei Hauswalds Haus eine Schaar von bewaffneten Ginnheimern und Bockenheimer Turnern sich aufstellen und nach Frankfurt marschiren. „Nispel und Knöll verließen unsre Wache, die Büchsen auf dem Rücken, und folgten nach einiger Zeit dem Zug.“
4) Joh. Müller von Ginnheim, Maurer, sagt: „Nispel und Knöll in ihren Uniformen kamen unterwegs auf den Wiesen zwischen Bockenheim und Frankfurt zu uns und schlossen sich den Bockenheimern an. Außer beiden habe ich keine mehr in der Bockenheimer Schützenuniform gesehen.“ [207] 5) Georg Schmunk, Maurer von Ginnheim – sagt: bei Hauswald sei gewartet worden, weil es geheißen habe, die Schützenkompagnie zöge mit. „Es traten aber nur zwei zu uns, der Nispel und Knöll.“
6) Philipp Kern von Bockenheim, Färbergeselle, jetzt kurhessischer Soldat bestätigt, daß Knöll und Nispel auch im Zuge gewesen.
Wird hiedurch bestätigt, daß Nispel mit Knöll allein von Bockenheim ausgegangen und erst unterwegs zu dem Zuge gestoßen sei, so ist nicht dasselbe der Fall mit seinen Angaben über das Laden des Gewehrs. Er selbst setzte zu dem oben Angeführten später hinzu: es würde zuerst eine Kugel geladen worden sein, wenn nicht die (von ihm oder Weber –?) beigebrachte Kugel zu groß für die Büchse gewesen wäre. Wenn er da geblieben wäre, so würde er wohl mit andern Bockenheimern nach irgend welchem Ziele geschossen haben.
Die von ihm benannten Zeugen bestätigen seine Aussagen nicht; Heinr. Weber I. will nicht wissen, ob er am 18. Sept. unter andern Büchsen auch die des Nispel geladen habe; aufgefordert sei er dazu von ihm keinesfalls worden; G. Derlam räumt es zwar als möglich ein, daß er beim Laden von Nispels Büchse behilflich gewesen sei, erklärt aber wiederholt, daß er eher glaube, es sei nicht geschehen.
Der Angeschuldigte fährt fort: Unter dem Freischaarenzug, den sie (er und Knöll) in der sog. Gärtnerei eingeholt hätten, habe er nur Wenige – den Escherich und L. Dietrich gekannt. Der Haufen sei so regellos gegangen, daß ihm Keiner als Hauptführer aufgefallen sei; [208] den Dietrich habe er eine Fahne tragen sehen. An der Einmündung des Wegs auf die Friedberger Chaussée sei Lärm entstanden und der ganze Haufen auseinander gestoben, auch Knöll sei damals von ihm weggekommen. Er selbst habe sich nicht versteckt, sondern sei in seinem gewöhnlichen Schritte durch einen schmalen Pfad am Bonn’schen Hause auf’s Feld hin und von da nach der Friedberger Chaussée weiter gegangen, welche er bei der Einmündung der Bornheimer Landstraße erreicht habe. Dort habe er einen Mann um den Weg nach der Mainkur (wo er die Hanauer vermuthet habe) gefragt; worauf er die Friedberger Chaussée herab, jedoch nicht bis an das Monument, vielmehr durch ein Seitengäßchen der Bornheimet Haide zu gegangen und so an den Schmidtischen Garten gekommen sei. Auf diesem ganzen Wege will er keine Reiter gesehen, keine Schüsse gehört, wohl aber viel Getöse und Bewegung und auf verschiedenen Wegen Leute wahrgenommen haben, unter Andern 8–10 Sensenmänner. An den Schmidtischen Garten sei er erst gekommen, als Auerswald aus dem Hause geführt worden sei. Er müsse sich wohl entweder beim Fragen nach dem Weg oder durch langsames Gehen verspätet haben.
Der Angeschuldigte widerspricht sich hier aber. In einem Schreiben an den Schöff Souchay sagt er: „Im Begriff (nach der Versprengung des Haufens) meinen Weg nach Hanau fortzusetzen, hörte ich mehrere Stimmen von Unbekannten, schreiend: es seien Zwei vorbeigeritten und hätten mit Pistolen nach dem wehrlosen Volkshaufen geschossen und seien dann in die Gärtnerei geritten. Mein Weg führte mich dahin, wo ich wieder Bewaffnete antraf; mehrere dieser Unbekannten eilten in ein Haus, wo sich [209] die beiden Reiter befinden sollten. Ich bewegte mich neugierig mit dahin.“
Desgleichen erzählt der von ihm als Entlastungszeuge produzirte Karl Schackert, Schneidergeselle aus Meklenburg, der Angeschuldigte habe ihm auf dem Transport von Paris her unter Andrem erzählt: „später (nach der Versprengung des Haufens) seien zwei Parlamentsmitglieder sichtbar geworden, welche, da einer dieser Männer auf das Volk geschossen gehabt, von den Freischärlern verfolgt und später getödtet worden seien.“
Beim Vorhalt der eben angeführten Stelle aus dem Schreiben an Souchay sagte der Angeschuldigte nur: „Das weiß ich nicht mehr so genau, wie das zusammenhängt; einerseits kann man vom Hörensagen etwas aufgenommen haben, andrerseits kann man etwas vergessen haben.“
Er fährt fort: In dem Augenblick, wo er in den Schmidtischen Garten gegangen sei, habe er von etwa 30 auf verschiedene Art Bewaffneten einen Mann (Auerswald) aus dem Hause in den Garten führen sehen. Schon kurz vorher habe er von einem Haufen unbekannter nach dem Schmidtischen Garten sich bewegender Personen rufen hören, daß diese beiden Abgeordneten auf das Volk geschossen hätten. Er sei daher im Garten auf die Führer Auerswalds zugegangen und habe ihnen gesagt, wenn sie sicher seien, daß der Mann auf das Volk geschossen habe, so möchten sie ihn dem Gerichte übergeben, was ihm auch von einigen versprochen worden sei. Darauf sei er aus dem Garten weggegangen, um seinen Marsch fortzusetzen. In der Mitte der Haide habe er auf einen Schuß hin sich umgeschaut und eine Person zusammensinken sehen. [210] Nachdem auf den ersten Schuß sogleich ein zweiter erfolgt, sei er zurückgegangen und habe Auerswalds Leiche im Graben liegen sehen. Trotz aller Mühe habe er jedoch die Thäter nicht erfahren können.
Dagegen sagt er in einem späteren Verhöre: „Es ist möglich, daß ich mich in dem Haufen befand, der den Auerswald herausbrachte. Ich habe schon früher bemerkt, daß ich vor dem Herausführen des Auerswald mich aus dem Garten entfernte. Ich will durchaus nicht behaupten, daß ich nicht wieder zurückgekehrt bin, da ich noch immer Knöll zu finden hoffte. So wäre es gerne möglich, daß ich einige Male in den Garten und aus demselben gegangen wäre.“
Noch später kehrte er jedoch zu seinen ersten Angaben über Ankunft im Schmidtischen Garten und Entfernung aus demselben zurück, – fügte übrigens bei, er sei ganz nahe bei denen gewesen; die den Auerswald umringt hätten.
Im Hause Schmidts, ja nur an demselben will er durchaus nicht gewesen sein.
Bei Auerswalds Leiche erinnert sich der Angeschuldigte, Rufe wie den gehört zu haben: „Den einen Spitzbuben haben wir, den andern kriegen wir auch.“ Obwohl durch den Vorfall sehr bestürzt, habe er nun doch seinen Marsch fortgesetzt.
Eine ziemliche Strecke nach Bornheim zu habe er einen jungen Menschen in blauem Kittel begegnet, der ihm eine angeblich vom Gärtner Schmidt zum Geschenk erhaltene Pistole gezeigt habe. Er habe die Richtigkeit dieser Angabe bezweifelt und deshalb den jungen Menschen [211] angewiesen die Pistole zurückzubringen, wisse jedoch nicht, ob dies geschehen sei.
Im Begriffe, seinen Marsch nach der Mainkur fortzusetzen, nächst dem Ende der Haide angelangt, habe er sofort noch einen weit größeren Haufen Bewaffneter vom Schmidtischen Garten hinter sich her und nach Bornheim zu gehen sehen. Ziemlich voran sei ein Mann mit weißem Hute (Lichnowsky) neben Escherich gegangen. In der Absicht den letzteren mitzunehmen, sei er (Nispel) auf den Haufen zugegangen; als er ihn dann erreicht, habe er dem Lichnowsky den Hut vom Kopf schlagen sehen und gleich darauf sei ein Schuß gefallen, der Lichnowsky in die Hand getroffen haben müsse, da er sie blutend in die Höhe gehalten habe. Von Aufforderungen zur Gefangennehmung habe er so wenig etwas gehört, als von Aufforderungen zur Tödtung. Ob die Stelle, wo der Fürst geschlagen worden und die des Schusses dieselbe oder erstere dem Schmidtischen Garten näher gewesen sei, wisse er nicht; ebensowenig, wer geschossen habe, – obwohl er sich ziemlich nahe bei dem Haufen (nach dem Schmidtischen Garten zu) befunden habe. Auf den Schuß sei sofort ein „Geringe“ erfolgt; der ganze Haufen sei durcheinander gerathen, und es sei ihm vorgekommen, als wenn sich Mehrere, darunter Lichnowsky, herumzerrten. Zugleich habe ihm (Nispel) ein Unbekannter seine Büchse nehmen wollen, die er jedoch behauptet habe. Während des Ringens der Menge und des Greifens nach seiner Büchse habe er noch zwei Schüsse gehört, und bald darauf habe er Lichnowsky am Boden liegend erblickt, ohne ihn niederstürzen gesehen und ohne ihn etwas sprechen gehört zu haben.
Gleich darauf habe ihn ein kleiner Mensch (Buchsweiler) [212] umfaßt, ihm zugemuthet, mit nach Frankfurt zu ziehen, und seine Büchse verlangt, die er ihm jedoch verweigert habe. Während dessen habe sich die Menge, worunter er bekannte Gesichter gesehen, nach verschiedenen Richtungen hin verlaufen. Ein kleiner Theil davon sei nach der Chaussée zugegangen. Er (Nispel) habe mit der Gesammtmasse gesprochen, wisse aber nicht mehr was. Vom weiteren Schicksal Lichnowskys wisse er nichts.
Da es ihm nämlich zu spät geworden sei, um nach Hanau zu gehen, so habe er sich auf einem in der Nähe der Günthersburg links über das Feld führenden Weg und ohne Gesellschaft nach Hause begeben, wo er angekommen sei, als es schon dunkel gewesen.
In dem oben angeführten Schreiben an den Schöffen Souchay sagt dagegen der Angeschuldigte: „Ich hielt meine Büchse in den Armen und, wie ich vermuthe, glaubte der Verwundete vielleicht, ich hätte geschossen. In diesem Augenblick stürzte sich dieser (oder ein Andrer?) auf mich los, wo ich, soviel ich mich erinnere, meine Büchse zu meiner eigenen Vertheidigung über meinem Kopfe schwang, ohne Jemand damit im Geringsten zu berühren.
Auf den Vorhalt dieser Stelle erwiederte er: „Ich kann das Schwingen der Büchse mit dem Halten derselben verwechseln, ich kann mich hierüber nicht genauer ausdrücken, – ich kann mir diesen Augenblick nicht mehr klar vorstellen.“ Später behauptete er, der Ausdruck: Schwingen gehöre gar nicht ihm, sondern dem an, welcher den Brief aufgesetzt und ohne Zweifel jenen Ausdruck nur des Wohlklangs wegen gewählt habe.
[213] Am Abend, fährt er fort, sei er noch in die Hauswaldische Wirthschaft gegangen, wo, soviel er sich erinnere, von den Vorfällen in Frankfurt die Rede gewesen sei. Er glaube, daß auch von der Tödtung der beiden Abgeordneten gesprochen worden sei, könne sich aber auf Einzelheiten nicht mehr besinnen. – Bei seiner Ankunft zu Hause habe er, wenn er nicht irre, Büchse und Hirschfänger an die Ecke seines Sophas in seinem Zimmer gestellt, ohne die geringste Veränderung mit der Büchse vorzunehmen, namentlich ohne sie zu putzen. Die Schrotladung müsse noch darin sein.
Endlich giebt er noch an: Lediglich in der Absicht, eine Geschäftsreise zu machen, sei er am 19. Sept. über Bieberich, Köln, Aachen und Brüssel nach Paris gereist, wo er am 22. angelangt sei. Nach 4–5 Tagen habe er dort erfahren, daß und warum er steckbrieflich verfolgt sei. Bald nach seiner Ankunft sei er aus dem hôtel du Nord in ein Privathaus gezogen, wo er bis zu seiner Verhaftung gewohnt habe. Zuerst habe er kurze Zeit für sich auf seinem Zimmer, dann bei Ullmann und zuletzt bei Karl Bühler gearbeitet. Während seines Aufenthalts in Paris habe er die Formen seines Bartes verschieden getragen. Er sei mehrmals gewarnt worden, habe aber keine Furcht gehabt, da er kein böses Gewissen gehabt habe. Freiwillig sistiren habe er sich aber nicht mögen, weil er nicht Lust gehabt habe, einen langen Untersuchungsarrest zu erstehen, und weil er das Ende der Voruntersuchung erst habe abwarten wollen, in der sich, wie er gehofft habe, seine Unschuld ergeben würde.
[214] Diesen eigenen Angaben des Angeschuldigten stehen nun – zunächst in Beziehung auf die verbrecherischen Vorfälle selbst – folgende Zeugenaussagen gegenüber.
A. In Beziehung auf Auerswald.
1) Franz Jakobi, jetzt circa 22 Jahre alt, großh. hess. Soldat, machte verschiedene Aussagen über einen Bockenheimer (resp. Ginnheimer) Schützen vor dem peinl. Verhöramt in Frankfurt und vor dem Schwurgerichte in Hanau (s. oben die allgemeine Geschichtserzählung S. 36). Bei der Konfrontation mit Nispel, dessen Bart damals nur ½ Zoll lang war, während er am 18. Sept. 1848 doppelt so lang war, erklärte der Zeuge mit überraschender Zuversicht: „Wenn der mir eben vorgestellte Mann einen längeren Bart hätte, würde ich einen besonderen Eid darauf schwören, daß er derselbe sei, der dem General Auerswald mit dem Kolben seiner Büchse auf den Kopf schlug, dann die Büchse umdrehte und demselben in den Kopf schoß. Wenn in meinem früheren Protokoll nicht bemerkt ist, daß er auch einen statiösen Gang gehabt habe, so will ich jetzt noch bemerken, daß er mir aufgefallen ist; – seine ganze Haltung schien mir affektirt zu sein. Uniform, Hut, Gestalt und Größe jenes Schützen waren gerade so wie die des mir vorgestellten Schützen. Zu bemerken habe ich noch, daß ich an dem mir Vorgestellten ein Ladhämmerchen vermisse. Der Schütze, der auf Auerswald schoß, hatte nämlich einen Hammer von gelbem Holz an der Patrontasche hängen.“ Zeuge fügte bei, außer dem von ihm beschriebenen Schützen habe er damals keinen gesehen. Nachdem der Angeschuldigte das Zimmer verlassen hatte, sagte der Zeuge: „Beim Hinausgehen des [215] Manns habe ich an seiner Patrontasche das Schleifchen gesehen, in welches der Ladhammer gesteckt wird. Der Ladhammer hatte eine geschweifte Figur, und ich meine, am Ende seines Stiels habe sich ein schwarzes Knöpfchen befunden“
Der Angeklagte erklärte hierauf, er besitze keinen Ladhammer und wisse gar nicht, was das sei. Dagegen ergaben die Vernehmungen einer Reihe von Mitgliedern der Bockenheimer Schützenkompagnie, daß diese Mitglieder jedesmal mit den übrigen Armaturstücken auch einen Ladhammer erhielten, und zwar in der von Jakoby beschriebenen Form. Nach weiteren Nachforschungen ergab es sich aus den Rechnungen bestimmt, daß auch Nispel besonders einen Ladhammer – und zwar mit einem schwarzen Knöpfchen unten, – erhalten habe.
2) Joh. Schwab s. o. S. 38 [vor dem Hanauer Schwurgericht bezeichnete er den Bart des Bockenheimer Schützen als schwarz]. – Bei der Konfrontation sagte er: Eine solche Uniform, einen solchen Hut und eine solche Büchse habe der fragliche Schütze gehabt. Dagegen scheine ihm der Bart des Vorgestellten kürzer zu sein; auch sei ihm die Statur des von ihm beschriebenen Schützen untersetzter (dicker) vorgekommen. Schließlich erklärte er, daß er den Nispel nicht rekognosziren, daß er die Identität weder bejahen noch verneinen könne.
3) G. Sonneberg, s. o. S. 36. – Bei der Konfrontation fand er die Uniform ähnlich, meinte sich zu erinnern, daß der von ihm beschriebene Schütze einen Hut getragen habe, und versicherte, daß er außer jenem Schützen damals keinen andern gesehen zu haben meine. Die Identität getraute er sich weder zu bejahen, noch zu verneinen. [216] 4) Joh. Mich. Rettenbacher, jetzt bair. Soldat, s. o. S. 37. – Als ihm Nispel vorgestellt wurde, sagte er: „Der mir Vorgestellte kommt mir jünger vor, als der von mir beschriebene Uniformirte. Das weiß ich gewiß, daß jener Mann eine grüne Uniform, ähnlich der des Vorgestellten, und einen grünen Hut, ebenfalls diesem hier liegenden ähnlich, trug. Daß aber der mir Vorgestellte derselbe wäre, welcher auf Auerswald geschossen, kann ich weder bestimmt bejahen, noch verneinen.“ Zu Nispel: „Daß Sie es wirklich waren, kann ich nicht sagen. Ich habe Einen oder Zwei gesehen, die uniformirt und bewaffnet waren, ähnlich wie Sie es sind.“
5) Joh. Pflug s. o. S. 39.
6) Christian Etzel s. o. S. 40. Bei der Konfrontation erklärte er: „Der mir Vorgestellte hat in Statur und Uniform Aehnlichkeit mit dem Schützen, der den Auerswald aus dem Garten hat führen helfen. Der Bart des mir Vorgestellten ist aber viel schwächer, als der jenes Mannes. Auf die Gesichtsbildung des im Schmidtischen Garten gesehenen Schützen kann ich mich nicht mehr so genau erinnern; ich kann also heute nicht sagen, ob der mir Vorgestellte auch in dieser Hinsicht Aehnlichkeit mit jenem hat. In Wiesbaden habe ich zu Protokoll gegeben, der von mir auf der Haide gesehene Schütze sei untersetzter Statur gewesen.“ – Er setzte bei: „Der Schütze hat dem Auerswald nichts zu leid gethan; er hatte, wenn ich nicht irre, seinen linken Arm um den rechten Arm des Auerswald geschlungen und ihn so von der Hausthüre her um die Hausecke herumgeführt. Hernach habe ich den Schützen nicht mehr gesehen.“ Zugleich erklärte er: „Das habe ich gesehen (wie Auerswald erschossen worden ist); [217] ich hörte 2–3 Schüsse und sah darauf den Auerswald zusammenstürzen. Als die Schüsse fielen, stand eine Masse von Leuten um ihn und, weil ich 30–40 Schritte entfernt war, konnte ich nicht sehen, wer geschossen hat.“
7) Franz Birkenholz, Kaufmann, erzählte im Oktober 1848, er sei den Hufspuren nach durch den Domerischen Garten auch herüber in den Schmidtischen Garten gekommen, aus diesem jedoch bereits vor Auerswalds Herausführung wieder hinweggegangen. Die Mißhandlung Auerswalds habe er von einem Steinhaufen vor dem Garten aus mit angesehen, könne jedoch genauere Angaben nicht machen, da er sich bald gegen die Günthersburg zu eine Strecke Wegs entfernt habe. Dabei fügte er am Ende noch hinzu: „Einer in einer grünen Schützenuniform mit aufgekräpptem Hut, einer Flinte und einem Hirschfänger gieng gerade vor mir in den Schmidtischen Garten. Später habe ich ihn aus dem Auge verloren.“
Bei der Vorstellung Nispels sagte dagegen derselbe: „Ein Mann in grüner Uniform, ähnlich der des Vorgestellten, mit einem Hut wie dieser da, mit einem Hirschfänger an der Seite, einer Patrontasche und, wenn ich nicht irre, auch mit einer Büchse in der Hand und von der ungefähren Statur dieses Mannes, gieng in dem Augenblick in den Schmidtischen Garten, als ich denselben mit meinem Sohne Julius verließ. Als dieser Mann in den Garten gieng, drehte ich mich um, sah ihm nach und bemerkte ein weiß metallenes Wappen auf der Patrontasche, das mir ganz unbekannt war. Auf meine Frage hiernach antwortete mir Jemand (mein Sohn oder wer?), das sei einer von der Bockenheimer Bürgerwehr, und ich unterstellte dann, daß das Wappen das Bockenheimer [218] Stadtwappen sein möge. Den in den Garten gehenden Mann in Uniform habe ich im Gesicht nicht gesehen; die Größe stimmt aber mit der des mir Vorgestellten überein. Nur kommt mir der mir Vorgestellte ein wenig schmäler vor. Freilich kann Einer, wenn er längere Zeit gesessen hat, ein bischen schmäler werden.“
Jul. Birkenholz, Sohn des Vorgenannten s. o. S. 35. Bei der Konfrontation erklärte derselbe: „So ein Mann war unter dem Haufen, der den Auerswald aus dem Hause führte. Der Mann, welchen ich in dem Augenblick, als sie den Auerswald auf der Terrasse[WS 5] hatten und ich den Garten verließ, in den letzteren eilen und später mit einer Büchse in den Graben hinunterstoßen oder schlagen sah, hatte die Gestalt und das Ansehen wie dieser, war uniformirt wie dieser, und trug eine neue Büchse mit braunem Lauf. Ob der mir Vorgestellte derselbe ist, den ich damals sah, kann ich jetzt nach so langer Zeit nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, – aber so sah er aus. Auch der Hut, obwohl ich früher gesagt habe, der Schütze habe einen schwarzen Hut getragen, sieht so aus wie der, den ich damals auf dem Kopfe des Schützen sah. Bei meiner ersten Vernehmung wußte ich nicht bestimmt, ob die Bockenheimer Bürgergarde schwarze oder dunkelgrüne Hüte trägt. Weil der Schütze ein hübsches neues Kostüm trug und ich Aehnlichgekleidete nicht bemerkt habe, und weil ferner der Schütze eine neue Büchse mit braunem Lauf in der Hand hatte, ist er mir ganz besonders aufgefallen. – Gerade so hat die fragliche Büchse ausgesehen.“
Ferner sagte er, auf Vorhalt aus der neueren Aussage seines Vaters: es sei ihm allerdings erinnerlich, daß, als er zu seinem bei dem Steinhaufen vor dem Garten [219] stehenden Vater gekommen sei, dieser die betreffende Frage (nach der Patrontasche) gethan und die angegebene Antwort erhalten habe. „Dies bewog mich eben, in meinem Verhör anzugeben, der Schütze sei Bockenheimer Bürgergardist gewesen. Vorher hatte ich die Bockenheimer Bürgergarde nicht gekannt.“ – Zu Nispel: „Eben weil ich nicht das Ausziehen mit der Büchse vollständig gesehen habe, bin ich nicht im Stande zu sagen, ob die Bewegung ein Stoß oder Schlag war. Den Gegenstand, auf welchen die Bewegung gerichtet war, konnte ich nicht sehen, weil die Bewegung in die Tiefe des Grabens gieng, in welche ich in meiner Entfernung, die 100–150 Schritte betragen haben mag, nicht sehen konnte. Es standen auch damals noch andre bewaffnete und unbewaffnete Leute am Grabenrand. – Der Schütze war ähnlich uniformirt, und hatte ungefähr diese Gestalt. Daß es dieselbe Person sei, kann ich jetzt nicht mehr sagen.“
9) Wilh. Eichhorn (s. o.) hat im Dezember 1848 angeben: er habe gesehen, „wie mehrere Bewaffnete, namentlich einer in einer grünen Uniform mit einem Bart und einer Büchse, ein starker gesetzter Mann, die in der Stube befindlichen Frauenzimmer um die Schlüssel angegangen hätten, damit sie den Lichnowsky suchen könnten. – Zeuge unterbrach sich aber selbst und fuhr fort: „Es fällt mir ein, – der mit der Uniform war damals nicht da; den habe ich unter dem Trupp gesehen, der den General Auerswald führte. Nachher habe ich ihn nicht mehr gesehen. Vorher habe ich aber gesehen, daß er im Hause suchen half.“ – Eine Konfrontation konnte nicht stattfinden.
10) Ph. Rückert sagte im September und Oktober in Frankfurt aus: „Unten im Hausgang faßten den Herrn [220] noch Mehrere und schlugen mit ihren Waffen auf denselben. Einer, der einen grünen Rock mit weißen Aufschlägen und einen röthlichen Bart hatte, wollte mit seinem Hirschfänger nach dem Herrn stechen, wobei ich ihm zurief, er sollte nicht stechen.“ – „Unter den (auf dem Gang im 2ten Stock) Neuhinzugekommenen war namentlich einer in einer Schützenuniform mit einem Hirschfänger, einem rothen Schnurr- und Heckerbart, und einem Hut mit einer Feder. Wie die Aufschläge seines Rocks waren, weiß ich nicht mehr; ich meine aber, er hätte eine weiße Auszeichnung am Kragen gehabt. Derselbe zog sogleich seinen Hirschfänger und stach nach dem Gefangenen; ich weiß aber nicht, ob er ihn getroffen hat.“ – In den Hanauer Akten sagt derselbe: Unter den auf dem Gang im ersten Stock gleich an der Bodenthüre Hinzugekommenen sei ein Bockenheimer Schütze gewesen; dieser sei brummelnd auf Auerswald zugetreten und habe ihn mit seinem Hirschfänger in die Seite gestochen; ob der Stich durchgegangen, wisse er nicht. Im Hausgang unten hätten Mehrere auf Auerswald geschlagen, besondere der erwähnte Schütz, der ihm mit dem Hirschfänger nach dem Kopf und sonst, wo er habe treffen können, geschlagen habe; ob blutig oder nicht, könne er nicht sagen.
Auf Vorstellung des Nispel erklärte Rückert: „Ein Mann von dieser Gestalt und uniformirt wie dieser stach auf der Stiege nach Auerswald. Ich habe früher gemeint, jener Schütze habe einen röthlichen Bart gehabt. Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es der mir Vorgestellte ist. Dem Barte nach sollte ich eher meinen, er wäre es nicht. Auch der Hut, meine ich, habe einen andern Federbusch gehabt, als der hier liegende. Uebrigens [221] war im Schmidtischen Garten nur Ein Mann mit einer solchen Uniform“; – in Gegenwart Nispels: „Die Uniform war ähnlich. Ich erkenne Sie als jenen Mann nicht; ich meine, jener Mann habe einen rothen Bart gehabt.“
11) Joh. Bechtold hat ausgesagt: „Es giengen Mehrere, darunter ein Bockenheimer Schütze in grüner Uniform, mit einem starken dunkeln Bart, mürrischem Gesicht, grober Stimme, und mit einer Büchse in das Schmidtische Haus, und bald darauf führten sie Auerswald zur Hinterthüre des Hauses heraus. Der Bockenheimer Schütze riß dem Auerswald den Schlafrock hinten herab, gab ihm den ersten Schlag mit der Faust auf den Kopf und rief: Der Kerl muß sterben – und, obgleich Auerswald lamentirte, stieß er ihn oben auf dem Bergelchen mit dem Büchsenkolben auf den Kopf, daß er zusammenfiel.“ – Konfrontation war nicht möglich.
12) Matthias Körber, in Hanau zu 6 Monat Zuchthaus verurtheilt, sagte im Jahr 1848 aus: „Da fällt mir noch ein, daß in den Haufen um Auerswald und um Lichnowsky ein Bockenheimer in Schützenuniform gewesen ist. Das war auch einer von den Ersten, wie ein Anführer, und immer in Bewegung. Aber, daß er was Besondres verübt, kann ich mit Wahrheit nicht sagen. Dieser Mann kam mir vor, als ob er ein wenig getrunken gehabt hätte. Er war von starkem gesetztem Bau.“
Am 1. März 1851 beharrte er in Frankfurt bei seinen früheren Aussagen und sagte noch weiter: es seien so viele Menschen um Auerswald herum gewesen, daß er nicht habe unterscheiden können, ob der Bockenheimer Schütze den Angeschuldigten angerührt habe. Unter Anführer habe [222] er in seiner vorigen Vernehmung einen Kommandeur verstanden. Kommandiren habe er jenen Schützen aber nicht grade sehen, sondern nur bemerkt, daß er mit einigen Wenigen den Auerswald aus dem Schmidtischen Gartenthor herausgeführt und sich alsbald eine Menge von Menschen um sie gesammelt habe. Daß der Schütze in dem Haufen um Lichnowsky gewesen sei, habe er früher mit dem Bewußtsein der Wahrheit gesagt; jetzt aber entsinne er sich nur noch, ihn bei denjenigen gesehen zu haben, die den Lichnowsky aus dem Treibhaus herausgeführt hätten, und auch dies nicht mit voller Gewißheit. Er erklärte noch ganz besonders, daß er den Nispel nicht früher gekannt, sondern selbst seinen Namen erst aus den Hanauer Schwurgerichtsverhandlungen erfahren habe. Der Schütze habe einen grünen Turnerhut mit einem Gemsenbärtchen aufgehabt.
Als ihm sofort Nispel vorgestellt wurde, erklärte er, daß er den von ihm beschriebenen Schützen in Nispel nicht wieder zu erkennen vermöge; er meine, jener sei größer gewesen; ja er müsse die Identität geradezu bezweifeln. Der von ihm Beschriebene sei wenigstens einen halben Kopf größer gewesen, und habe einen schwarzen, nicht einen dunkelblonden Bart (wie Nispel) gehabt.
13) Marie Kiel s. o. S. 34. Bei der Vorstellung Nispels erklärte sie: „Einer in Uniform und in einem Hut, wie dieser, hat den Auerswald mit dem Gewehrkolben auf die Brust gestoßen. Ob aber die Uniform des Stoßenden gerade so ausgesehen habe wie die des Vorgestellten, kann ich doch nicht sagen. Ob Mehrere sich unter den Bewaffneten befunden, die gerade so uniformirt gewesen, wie dieser Mann, kann ich auch nicht sagen.“ [223] 14) L. Dietrich, in Hanau zu 1 Jahr Zuchthaus verurtheilt, hatte im Nov. 1848 ausgesagt, bei der Ermordung Auerswalds sei Nispel auch gewesen, ohne daß er behaupten könne, daß derselbe etwas dabei gemacht habe. – Derselbe hat jedoch bei späteren Vernehmungen (28. Jan. 51, 22. Febr. ej. in Kassel und Marburg) diese Behauptung auf’s Entschiedenste zurückgenommen.
15) Anna Mar. Magnus s. o. S. 33. – Auf Vorstellung Nispels erklärte sie: es sei ihr nicht erinnerlich, daß sie einen Mann mit einer solchen Uniform bei Auerswalds Ermordung gesehen hätte. – Bei Vorzeigung der Büchse sagte sie: „Ein solches Schießgewehr mit einem solchen grünen Band hatte einer, der auf Auerswald schoß. Auch erinnere ich mich, daß das Gewehr ohne Bajonett war. Ich weiß aber nicht anders, als daß beide, welche auf Auerswald schossen, Turnerkleidung trugen und keine Kopfbedeckung hatten und daß der, welcher das Gewehr mit grünem Band trug, größer gewesen ist, als der Andre.“
16) Pet. Ludwig gab im Jan. 1849 an: Beim Suchen nach Auerswald und Lichnowsky sei Nispel im Schmidtischen Garten und Haus gewesen.
17) vgl. noch den Hausknecht Himmelreich, der gleichfalls einen Grünuniformirten, jedoch vielfach abweichend, beschreibt.
B. In Beziehung auf Lichnowsky.
18) L. Dietrich (s. nr. 14). erzählte im Okt. und Nov. 1848: „der Haufen (um Lichnowsky) war eine gute Strecke unter Lärm und Zertiren in der Allée drein, – da hat auch der Nispel geschrieen, der Hund muß sterben. [224] Er hat da mit einer Büchse dem Herrn auf den Kopf geschlagen, wobei er das Gewehr am Kolben hielt.“ Nach den Schüssen sei er nach Bornheim zu gegangen. Da sei der Nispel gekommen und habe gesagt, er wolle den Lichnowsky vollends todtmachen. Als die Stelle, wo Nispel geschlagen, bezeichnete Dietrich die Mitte zwischen dem Brückchen und dem Platze, wo Lichnowsky erschossen wurde, was Nispel für Lüge erklärt, da an dieser Stelle den Haufen noch nicht erreicht gehabt habe.
Am 28. Jan. 51. will er sich jedoch des: „der Hund muß“ – nicht mehr erinnern, und meint eher, Nispel habe mit dem Kolben geschlagen. Ob er getroffen habe, wisse er nicht. Am 22. Febr. 1851 nimmt er die Aeußerung: „der Hund“ – als „Unwahrheit“ ganz zurück.
19) Ludw. Heinr. Friedr. Weinmann in London giebt Mittheilung des Escherich an: – 9) Daß, während Escherich mit dem Fürsten auf die Bornheimer Haide kam, demselben von Nispel ein Kolbenschlag an’s linke Ohr versetzt und der Fürst dadurch verwundet wurde. – 11) Daß nach dem ersten Schusse von Daniel Georg die folgenden Schüsse auf den Fürsten von Zeh, Nispel und Knöll gefallen seien, dann aber erst der Schuß durch den Rücken von Seiten des Pet. Ludwig erfolgt sei. – Als die Stelle, wo Nispel geschlagen, wird in der beigelegten Zeichnung ein Punkt zwischen der Stelle der Erschießung und dem Schmidtischen Garten bezeichnet.
Nispel erklärt diese Angabe Escherichs für Täuschung oder Scherz.
20) Johannes Müller will nur nach der Erschießung Lichnowskys den Escherich, Nispel und Zeh begegnet und von dem ersteren den Hergang erzählt gehört [225] haben, d. h. daß Nispel den Lichnowsky mit dem Gewehr geschlagen habe.
Bei der Konfrontation erklärte er jedoch, daß er die Erzählungen von Escherich und Georg über Nispel, wie er sie früher vorgebracht, als grundlos zurücknehmen müsse.
21) Heinr. Weber erzählte früher sehr genau und wiederholt, daß Nispel auf den Kopf des Fürsten mit dem Büchsenkolben geschlagen habe, und zwar sehr hart. – Am 29. Jan. 1851 sagte derselbe in Frankfurt aus: „Uniformirte Personen, besonders Bockenheimer Schützen, konnte ich in dem Zug (der den Lichnowsky führte) nicht unterscheiden. Ich habe jedoch Personen in Schützenuniformen, und zwar zwei – da, wo die Wiese nach Bornheim zu anfängt, – gesehen, ohne jedoch angeben zu können, ob es Bockenheimer waren. Sie hatten, wenn es mir recht ist, Kappen auf. In dem Zug von Bockenheim nach der eisernen Hand waren allerdings uniformirte Schützen, Knöll und Nispel, beide hatten Uniformhüte auf und trugen Büchsen.“ Außerdem behauptete er aber hartnäckig, über Nispel nicht das Mindeste angeben zu können.
22) Jakob Häusler [WS 6] sagte am 30. Dez. 1848 aus: „In dem Haufen um Lichnowsky (während Ludwig und Wilhelm Melosch auf ihn anschlugen) erkannte ich außer dem Berliner den Zeh, den K. Schäfer, Escherich, W. Derlam, S. Kaufmann, Nispel“; – und am 12. Okt. ej.: „Wie wir (nach den Schüssen auf Lichnowsky) auf dem Günthersburger Weg zusammenstanden, kam der Nispel auch und hat erzählt: „Ich habe ihm Eine gegeben!“
Bei der Konfrontation beharrte der Zeuge auf diesen Angaben mit Entschiedenheit gegen den Widerspruch Nispels. [226] 23) P. Ludwig behauptete in der Voruntersuchung, er wisse nur von zwei Schüssen, die Lichnowsky erhalten habe; der zweite derselben sei von Nispel gekommen, der auch beim Suchen nach Lichnowsky im Schmidtischen Garten und Haus gewesen sei.
24) Georg Schmunk von Ginnheim, berichtete von einer Zerfleischung des Arms des Fürsten durch das Schloß von Nispels Büchse.
25) Matth. Körber, s. vorhin nr. 12.
26) Wilh. Röder von Bockenheim erzählt von den Küssen, die Buchsweiler dem Nispel gegeben, s. o. S. 54. und bestätigt seine Aussage bei der Konfrontation in relativem Widerspruche mit Nispel.
27) Ph. Kern s. o. S. 55. – Vor dem Hanauer Schwurgericht dagegen, sowie bei der Konfrontation, erkannte der Zeuge nur noch soviel an, daß Nispel bei der Günthersburg zu ihnen gekommen sei und geäußert habe, es sei böse, wenn Lichnowsky noch lebe, indem er dann die Mörder verrathen könnte.
28) Ludw. Rein, jetzt kurhessischer Soldat, – s. o. S. 55. erzählte gleichfalls, daß Nispel unter denen gewesen sei, welche die Absicht geäußert hätten, den Fürsten vollends todt zu machen. – Bei seiner neueren Vernehmung am 5. Okt. 1850 erklärte derselbe jedoch: Ob er den Nispel in dem Haufen, welcher den Lichnowsky die Allée hinausgeführt, gesehen, wisse er jetzt nicht mehr. Er meine, er habe ihn auf dem Günthersburger Weg gesehen. Er könne sich nicht erinnern, was er in Bockenheim ausgesagt, – es sei zu lange her. In Hanau (vor dem Schwurgericht) habe er die Wahrheit gesagt.
29) Karl Pfannkuchen, Schneidergeselle aus Holzminden [227] sagte früher aus: In dem Augenblicke, da er zu dem verwundeten Lichnowsky habe gehen wollen, sei Nispel aus dem den letztern umgebenden Haufen gekommen und über die Haide in der Richtung nach Bockenheim zu gegangen. Derselbe habe seine Uniform und Büchse getragen, – ob auch eine Patrontasche? wisse er nicht. Dasselbe bestätigte er neuerdings.
30) Hartmann Schutt, langjähriger Polizeiexpedient in Bockenheim, – sagte im Sept. 1848 zu Bockenheim: „In der Allée begegneten uns nach Auerswalds Tödtung der Escherich, Zeh, Melosch etc. – der Nispel in voller Schützenuniform, die Büchse unter’m Arm. Diese bewegten sich in der Allée auf und ab. Windecker sprach mit ihnen. Es wurde von den Leuten, den Hauptspitzbuben, Schuften, Schurken u. s. w. gesprochen. „Den einen haben wir, – wir haben ihn geliefert, und den Andern kriegen wir auch noch“ – so waren die Worte.“
Nachdem Zeuge schon damals zu verstehen gegeben hatte, daß Furcht seine Zunge binde, sagte er im Okt. 1848: „Ich würde lügen, wenn ich sagen wollte, daß mir von den Leuten, die ich vorher in der Pappelallée gesehen, irgend Jemand im Gedächtniß geblieben wäre, ausgenommen Nispel, der mir auf dem Günthersburger Weg mit rothem, furchtbar ernstem Gesicht entgegenkam. – Daß Nispel den Fürsten mit dem Gewehrkolben geschlagen, habe ich gehört, vielleicht auch wieder erzählt.“
Am 5. Okt. 1850 gab er an: „Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob Nispel, als ich ihn auf der Haide sah, eine Patrontasche trug. – Ich kann jetzt nicht mehr sagen, daß und von wem ich gehört habe, Nispel hätte den Lichnowsky mit dem Gewehrkolben geschlagen. Ich erinnere [228] mich jetzt nicht mehr, dies früher zu Protokoll angegeben zu haben. Nachdem ich Auerswalds Leiche gesehen hatte und im Begriff war, nach dem Gebhardischen Hause zu gehen, von dem Wagner Windecker aber aufgefordert wurde, die Pappelallée hinaus zu gehen, begegnete mir Nispel, und gleich hinter ihm Zeh, Escherich, die Meloschs etc. Die Aeußerung: „den Einen haben wir“, kam von Zeh oder einem der Meloschs; Nispel war nicht so nah, daß er diese Aeußerung hätte hören können. Er gieng die Allée herein nach dem Schmidtischen Garten zu; ob er aber in diesen gieng, weiß ich nicht. Bestimmt weiß ich, daß mir Nispel zwischen der Stelle, wo Lichnowsky später erschossen wurde, und der Stelle, wo Auerswalds Leiche lag, aufstieß. Als er mir begegnete, war Lichnowsky noch nicht aufgefunden; erst 6–10 Minuten später wurde er gebracht.“
31) Georg Windecker, Wagner von Bockenheim, sagte im Sept. 1848, – nachdem er Auerswald im Graben habe todt liegen sehen, sei er mit Schutt ein Stück durch die Pappelallée und dann über die Wiesen gegangen. „Es begegneten uns da Bockenheimer mit Gewehren, z. B. Zeh, Escherich, Turnwart Melosch, Nispel … In Schützenuniform habe ich nur den Nispel gesehen.“
Am 5. Okt. 1850 dagegen erklärte er: „Nachdem ich Auerswalds Leiche gesehen und die Allée hinausgieng, sah ich den Nispel vor mir her in der Richtung nach Bornheim hingehen. Dies war einige Zeit vor dem Auffinden Lichnowskys. Nispel kam mir nun aus den Augen.“
32) Joh. Friedr. Rudolph will nach dem 18. Sept. gesprächsweise gehört haben, Nispel habe den Lichnowsky [229] vor seiner Ermordung um den Leib gefaßt gehabt, wobei Lichnowsky lamentirt habe etc.
Aus dem angeführten Zeugenkatalog [WS 7] geht hervor, daß nur wenige Zeugen über Nispel als einen ihnen zuvor Bekannten aussagen, und diese meist nur in untergeordneter Bedeutung, wogegen von allen vorher mit Nispel nicht bekannt gewesenen Zeugen nur Einer (Jakoby) ihn wirklich rekognoszirt hat, während alle andern ihn entweder gar nicht oder doch in keinem Falle anders, als in sehr problematischer Weise, anzuerkennen sich getraut haben. Auch diese problematische Anerkennung aber stützt sich durchgängig nicht sowohl auf die Persönlichkeit Nispels, – Bart und Statur ausgenommen, – als auf seine Bekleidung und Bewaffnung.
Es war daher zuvörderst zu prüfen, was aus diesem in den Zeugenaussagen vorherrschenden Elemente für die Beantwortung der Frage nach der Thäterschaft entnommen werden könne?
Der Hauptbericht bringt in dieser Beziehung eine Argumentation, welche allerdings durch ihre Einfachheit zu bestechen geeignet ist, aber bei irgend genauerer Ansicht der Akten nicht haltbar erscheint.
Die gedachte Argumentation beruht auf den Sätzen: a) daß von sämmtlichen Mitgliedern der Bockenheimer Schützenkompagnie erweislicher Maßen nur zwei im Schmidtischen Garten und auf der Bornheimer Haide in Uniform gegenwärtig gewesen seien, – nämlich Nispel und Knöll; – b) daß die Uniform der Bockenheimer Schützenkompagnie in ihren Besonderheiten ganz unverkennbar [230] und mit ähnlichen Erscheinungen nicht zu verwechseln sei, daher alle Zeugenaussagen über einen uniformirten Schützen, besonders aber über einen „Bockenheimer“ Schützen nur entweder auf Nispel oder auf Knöll bezogen werden dürfen; – c) daß aber diese beiden so verschieden seien, daß vollends an eine Verwechslung dieser beiden ganz und gar nicht gedacht werden könne.
Zu a) ist nun zwar von mehreren Personen bezeugt, daß sie theils um die Zeit des Abzugs der Ginnheim-Bockenheimer Freischaar von Bockenheim nur den Nispel und Knöll in Uniform haben weggehen, – theils nur diese beiden unterwegs zu dem Zuge haben stoßen, resp.durch die eiserne Hand marschiren sehen (s. o.). Gleichwohl sagt z. B. die Auguste Rügemer (eine sehr tüchtige Zeugin), sie habe 3–4 in der Uniform der Bockenheimer Bürgergarde unter dem Zug in der eisernen Hand wahrgenommen.
Es ist aber überhaupt durch die vorgedachten Angaben die sehr nahe liegende Möglichkeit im Mindesten nicht ausgeschlossen, daß auch außer Nispel und Knöll noch der eine oder andre uniformirte Bockenheimer Schütze zu andrer Zeit auf die Haide gekommen sein könne, ohne dem Ginnheimer Zuge sich beigesellt zu haben.
Zu b) Nispel selbst beschreibt seine Uniform in der oben angeführten Weise, wobei indessen zu bemerken ist, daß er selbst durchaus nicht mehr wissen will, ob er den Uniformhut, oder die von ihm gleichfalls beschriebene Uniformsmütze am 18. Sept. getragen habe, – sowie daß er eher abweist, als zugiebt, eine Patrontasche bei sich gehabt zu haben.
Seine Beschreibung stimmt mit der amtlichen wesentlich [231] ganz überein. Rock, Beinkleider, Kopfbedeckung, Büchse und Hirschfänger hat er sämmtlich als die seinigen anerkannt.
Auch von der Patrontasche, welche das Wappen von Bockenheim in Neusilber (einen Bienenkorb) zur Zierde hat, gestand er zu, daß es die seinige sein könne.
Nach der amtlichen Beschreibung gehörte zur vollen Uniform noch Ladhammer und Ladmaß. Beides, sowie Kugelform und Schraubenzieher hatte Nispel nach den halboffiziellen, resp. urkundlich beglaubigten Aussagen des Hauptmanns Hauswald und des Feldwebels Hofmann von Seiten der Schützenkompagnie erhalten.
Von diesen Dingen, besonders einem Ladhammer (der am Stiel ein schwarzes Knöpfchen hatte) wollte Nispel nichts wissen, gab aber doch die Möglichkeit zu, daß er einen solchen gleich allen Andern erhalten habe.
Nur will er durchaus nichts davon wissen, daß er am 18. Sept. einen Ladhammer bei sich geführt habe (die Möglichkeit räumt er ein).
In einem besonderen Aktenstücke beschreibt nun das Verwaltungsamt in Hanau die Bekleidung: 1) der Schutzwache zu Bergen und Enkheim, 2) der Bürgerwehr zu Seckbach, 3) der Bürgergarde zu Fechenheim, 4) der Schutzwehr von Bischoffsheim, 5) der Schutzwache zu Niederdorfelden. Abgesehen von 4), welche einen grauen Rock, und 5), welche einen grünen Kittel trug, stimmen die übrigen jedenfalls in dem dunkelgrünen Waffenrock überein. Bei 1) heißt es: dunkelgrüner Waffenrock mit hellgrüner Passepoilirung und Kragen mit weißen, gründurchwirkten Schleifen u. dergl. Achselklappen, grüner, auf der Seite aufgeklappter sog. Turnerhut von Filz. [232] Bei 3) dunkelgrüner Waffenrock mit grünem Kragen, Achselklappen und Litzen und weißen Metallknöpfen.
Offenbar sind zum mindesten diese beiden Bekleidungen der Bockenheimer Uniform sehr ähnlich, daher der im Hauptbericht gezogene Schluß durchaus nicht stichhaltig. Das Besondre der Bockenheimer Uniform wäre hiernach vornämlich nur in dem auf den Knöpfen und auf der Patrontasche angebrachten Bockenheimer Stadtwappen zu suchen, wobei sich nothwendig die beiden Bemerkungen aufdrängen, daß das Wappen auf den Knöpfen nicht wohl einen Gegenstand der Beobachtung bilden konnte, und daß die Patrontaschen andrer Bürgerwehren, was freilich nicht untersucht wurde, ähnliche Wappen haben konnten und wahrscheinlich hatten. Ueberhaupt handelt es sich aber in einem Falle, wie der vorliegende, nicht von der Aehnlichkeit für einen Statistiker oder Schneider, sondern von der Aehnlichkeit für mannigfach aufgeregte Beobachter einer stürmisch verworrenen Szene; und die angegebenen Aehnlichkeitspunkte sind um so gewichtiger, da auch die Bockenheimer Uniform von keinem unter allen Zeugen adäquat beschrieben wird.
In der That behauptet denn auch Nispel, er habe im Schmidtischen Garten und auf der Haide Uniformen gesehen, die der Bockenheimer ähnlich gewesen seien; und insbesondere versichert er, daß das Hanauer Schützenkorps in allen Theilen ganz gleich bewaffnet und uniformirt gewesen sei, wie das Bockenheimer.
Ueber letzteres wurde nun zwar ebensowenig Nachforschung gepflogen, als über die Bekleidung der Schützenkorps in andern benachbarten Orten (Homburg, Höchst etc.). Die Behauptung wird aber unterstützt durch das Zeugniß [233] des L. Dietrich, welcher die Bekleidung eines auf der Haide anwesenden Offenbacher Schützen ganz ähnlich beschreibt (dunkelgrüne Uniform mit hellgrünem Kragen, grüner, aufgekrempter Hut mit Federn, Hirschfänger mit gelbem Griff) und die Uebereinstimmung mit der Bockenheimer Tracht (Dietrich ist von Bockenheim) ausdrücklich hervorhebt.
Ebenso bestand die Uniform der Bornheimer Schutzwache in einem Rock mit hellgrünem stehenden Kragen und desgleichen Aufschlägen und weißen Knöpfen; nebst grünem Hut, resp. Mützen.
Nicht minder ist aber auch die andre Behauptung Nispels unterstützt, daß wirklich andre Leute in ähnlicher Uniform im Garten und auf der Haide sichtbar gewesen seien. Und zwar:
1) durch die Aussage des L. Dietrich bezüglich eines, überdies in Uniform, Statur und Bart mit Nispel ganz ähnlichen Offenbacher Schützen, der zu gleicher Zeit mit Nispel auf Lichnowsky geschlagen und Lichnowsky schon mit aus dem Hause geführt habe.
2) Die des Heinrich Flach: „Unter den Bewaffneten (beim Schmidtischen Garten) schienen viele Uniformen der neuerrichteten Bürgerwehren zu sein.“
3) Die des Heinr. Weber: er habe am Anfang der Bornheimer Wiese zwei Personen in Schützenuniformen (ob Bockenheimer?) - und zwar in Kappen, Andre, als Nispel und Knöll, gesehen (diese hätten Hüte getragen).
4) Die des Joh. Pflug: er erinnere sich, im Schmidtischen Gatten und bei den Haufen um Auerswald und Lichnowsky mehrere Personen in Bockenheimer Schützenuniform gesehen zu haben.
5) Dr. Hodes sah dicht beim Schmidtischen Garten [234] bei der Wegführung der Pferde einen Mann thätig, – der einen grünen Waffenrock, einen schwarzen Filzhut und ein Gewehr hatte; derselbe erinnert sich, mehrere Personen in dieser Uniform auf der Haide gesehen zu haben.
6) Gärtner Reinstein beschreibt die zwei, die Lichnowsky unmittelbar am Rock führten, als stämmige Männer mit grünen Röcken und Turnerhüten.
7) Vgl. die von Ph. Himmelreich beschriebene mindestens sehr ähnliche Kleidung.
8) v. Boltog sah Abends (nach längst vollbrachter Erschießung) unter einem Trupp, der von der Haide weg nach Bockenheim zog, eine Schützenuniform (während Nispel allein nach Bornheim gegangen sein will).
9) Maria Kiel sah auf der Haide um 5 Uhr mit der Bockenheimer Freischaar etwa 10 Mann von der neuuniformirten Bornheimer Schutzwache unter Anführung des Schlossers Schreiber zusammentreffen (übrigens dann nach Bornheim sich entfernen). Kurz vorher sah sie einen Bornheimer Pflästerer in der dortigen Schutzwachenuniform vorübergehen.
Beim Angriff auf Auerswald sollen zwei Bockenheimer für und wider thätig gewesen sein.
Später will sie sich zwar nicht mehr erinnern, ob Mehrere wie Nispel Uniformirte unter der Rotte gewesen seien, rekognoszirt aber auch den Nispel nicht.
10) Auch Joh. Mich. Rettenbacher sah außer Nispel noch einen oder zwei Aehnlichuniformirte.
L. Pillot mehrere Uniformirte.
Röder von Bockenheim sah einen Uniformirten, ganz wie die Bockenheimer, aber nicht von Bockenheim und nicht den Nispel.
[235] App. Dürre besteht wiederholt (auch neuerdings) darauf, daß sie in und um den Schmidtischen Garten während der Mißhandlung und Tödtung Auerswalds viele (und zwar besonders Bornheimer) Schutzwachenuniformen bemerkt habe.
11) Der Landwehrlieutenant Wolfgang Weil von Bornheim will bei der beginnenden Verfolgung auf der Friedberger Straße mehrere Mitglieder der Bornheimer Schutzwache in ihren Uniformen gesehen, auch sonst einen mit einer Flinte Bewaffneten in einem Turnerhut mit Federn auf der Haide bemerkt haben.
12) Die näheren, zum Theil sehr ausführlichen Nachforschungen über die etwaige Betheiligung der Bornheimer Bürgerwehr haben kein reines Ergebniß geliefert. Der eben angeführte W. Weil (nr. 11) sagt aus, die Bornheimer Schutzwache habe sich im Sommer 1848 ohne Genehmigung des Kriegszeugamts und ohne Betheiligung der übrigen Bürger aus dem demokratischen Vereine herausgebildet. Die meisten Mitglieder stünden in zweideutigem Rufe und ihre Sympathie mit den Aufrührern sei kein Geheimniß gewesen. Ebensowenig spricht zu Gunsten der Bornheimer die Erzählung des K. Hoch, der von der Seite des verwundeten Fürsten Lichnowsky weggejagt und in Bornheim mit Hohngeschrei empfangen wurde. Auch ist es gewiß verdächtig, daß, obwohl die Bornheimer Schutzwache notorisch am Nachmittag dez 18. September allarmirt, und eine Mehrzahl ihrer Mitglieder bewaffnet (in Uniform oder nicht) in Bewegung war, dieselbe die Verbrechen an Auerswald und Lichnowsky ruhig geschehen ließ (wenn man nicht etwa den Simon Rau als ihren Vertreter gelten lassen will). Allein mehr als ein solches passives Verhalten [236] hat ihr nicht nachgewiesen werden können. Was aber die hier besondere zu erörternde Frage betrifft, so hat sich von mehreren ihrer Mitglieder entschieden nicht nachweisen lassen, daß sie in Uniform gewesen seien. Geständigermaßen in Uniform waren dagegen Schreiber, Daniel Bauer, Adam Fend. Zwar wollten nun Schreiber, Dan. Bauer u. A. schon um 3–4 Uhr wieder in Bornheim zurückgewesen sein und von den Vorfällen auf der Haide nichts gesehen und gehört haben. Allein dies hat sich als Unwahrheit herausgestellt. Der uniformirte Adam Fend traf den gleichfalls uniformirten M. Schreiber auf ber Haide, während es dort von Bewaffneten wimmelte, Peter Wagner jene beiden von der Haide herkommend, nachdem Lichnowsky erschossen war. Hiernach ist gewiß, daß auch einige vollständig uniformirte Mitglieder der Bornheimer Schutzwache während der Verbrechen zum Mindesten auf der Haide gegenwärtig waren.
Ueberhaupt aber ist nach allem Bisherigen entschieden festzuhalten: 1) daß Mitglieder verschiedener Bürgerwehren auf dem Schauplatze der Verbrechen gegenwärtig waren, – eine Annahme, welche die äußerste Wahrscheinlichkeit für sich hätte, wenn sie auch minder verläßlich bezeugt wäre; 2) daß die Verschiedenheit dieser Uniformen an sich eine unbedeutende war, vollends aber in Betracht des wildverworrenen massenhaften Hergangs bei den fraglichen Vorfällen fast bis zur Indifferenz herabsinken mußte. – Die Beschränkung der über „Schützen“ abgegebenen Zeugenaussagen auf Bockenheimer Schützen, und vollends die weitere Beschränkung derselben auf Nispel und Knöll erscheint demnach von vornherein als ganz ungerechtfertigt, sofern nicht ganz besondere Merkmale angegeben werden. [237] Namentlich wird darüber kein Zweifel sein können, daß bei Mitgliedern verschiedener Schützenkorps die allgemeine Requisite, wie Büchse, Patrontasche, Ladhammer etc. von vornherein als vorhanden und im Ganzen auf übereinstimmende Weise vorhanden vorausgesetzt werden müssen, die Annahme ganz spezifischer Besonderheiten in diesen Punkten mithin eines ganz besonderen Beweises bedarf.
Zu c). Die Unmöglichkeit, den Nispel mit dem „Knöll“ zu verwechseln, leidet keinen Zweifel. Allein eben dies hätte das Untersuchungsgericht nicht blos zum Nachtheil des ersteren benützen sollen! – Knöll ist 9 Jahre jünger, als Nispel, um Handbreit größer, schlank. (Nispel untersetzt), bleich, hat pechschwarze Haare und pechschwarzen Schnurr- und Knebelbart (Nispel dagegen ein ovales, volles Gesicht, gesunde – sich leicht röthende Gesichtsfarbe, hellbraune Haare und blonden Bart).
Daß Nispels Bart heller sei, als sein Haar, wird wiederholt angegeben. Die eigens vernommenen Sachverständigen haben seine Haupthaare als braun (hellbraun), seinen Bart als röthlich-braun bezeichnet (Schnurrbart heller, als der übrige Bart).
Hiernach war nun offenbar mit besonderer Vorsicht bei Prüfung der Zeugenaussagen zu verfahren.
Nach dem Bisherigen können drei Stadien unterschieden werden.
A. Aufsuchung und gewaltsame Bemächtigung Auerswalds.
Als Zeugen dafür, daß ein „Schütze“, schon vor der Auffindung Auerswalds in’s Schmidtische Haus gegangen [238] sei, mitgesucht und den Auerswald mindestens mit aus dem Hause geführt habe, erscheinen: Johann Bechtold (s. o. nr. 11), Phil. Rückert (s. o. nr. 10), Wilh. Eichhorn (nr. 9), Gers. Sonneberg (nr. 3), Christian Etzel (nr. 6), Peter Ludwig (nr. 16).
Von diesen Zeugen ist nun a) Bechtold mit Nispel gar nicht konfrontirt worden. Seine Glaubwürdigkeit überhaupt erhebt sich kaum über das Nichts. Seine speziell hierher treffende Aussage ist aber zum Mindesten sehr unbestimmt, da er nur „von einem Bockenheimer Schützen in grüner Uniform und mit einer Büchse“ spricht. Wenn er ferner als persönliches Kennzeichen dieses Schützen – außer einem mürrischen Gesicht und grober Stimme – einen starken dunkeln Bart anführt, so paßt eben dies auf den Angeschuldigten nicht.
b) Ph. Rückert hat in den Hanauer Akten den Schützen, von dem er spricht, als Bockenheimer Schützen bezeichnet, ohne diese Bezeichnung zu motiviren. In seinen Verhören in Frankfurt giebt er ihm einen grünen Rock, Hut mit Feder und einen Hirschfänger. Von einer Büchse etc. sagt er nichts. Im Uebrigen widerspricht er sich; das eine Mal giebt er dem Rock weiße Aufschläge, das andre Mal kann er sich der Aufschläge nicht erinnern, meint aber (was allerdings passen würde), der Rock habe am Kragen eine weiße Auszeichnung gehabt. Dagegen beschreibt er den Bart das eine Mal als röthlich, das andre Mal als rothen Schnurr- und Heckerbart. Bei der Konfrontation entschied er sich endlich für die positive Erklärung, daß er den von ihm beschriebenen Schützen in Nispel nicht erkenne. - Dadurch wird denn die Ansicht noch weiter bestätigt, daß außer Nispel und Knöll noch [239] andre Schützen in ganz ähnlichen Uniformen am Orte des Verbrechens gegenwärtig und dabei mitthätig gewesen sein müssen.
c) Eichhorn konnte mit Nispel nicht konfrontirt werden. Seine Angabe über den Mann in grüner Uniform leidet aber an bedenklicher Unsicherheit; sie ist außerdem höchst unbestimmt; endlich paßt sie nicht auf Nispel, weil Eichhorn den Schützen als „starken gesetzten Mann“ beschreibt, während Nispel nicht stark ist.
d) Etzel nennt grüne Bürgerwehruniform, grünen Hut mit grüner Farbe, Büchse, Patrontasche, Hirschfänger, mittlere Größe und vorn fast zusammenlaufenden Bart. Gleichwohl hat Etzel bei der Konfrontation nur Aehnlichkeit in Statur und Uniform gefunden und ausdrücklich erklärt, daß er über etwaige Aehnlichkeit in der Gesichtsbildung sich nicht aussprechen könne. Wenn er Nispels Bart viel schwächer, als den des von ihm beschriebenen etwa 40jährigen Manns (Nispel war 36 Jahre alt) findet, so könnte dies allerdings nicht entschieden für Nispel beweisen, da dessen Bart am 18. Sept. geständiger Maßen stärker war, als zur Zeit der Konfrontationen. Dagegen ist Etzel unbeeidigt und seine Aussage, soweit sie hierher gehört, ist verdächtig.
Am 26. Januar 1849 sagte er nämlich, ein kurzer dicker Mann mit einer Soldatenflinte, den er nicht näher beschreiben könne, sei derjenige gewesen, welcher mit Rückert in’s Haus gegangen sei und nachher mit ihm den Auerswald herausgebracht habe. Erst am 2. Febr. indentifizirt er diesen mit dem genauer beschriebenen Bürgerwehrmann, während er vorher beide als ganz verschiedene Personen beschrieben hatte (kurz, dick, Soldatenflinte, sonst nicht zu [240] beschreiben!). Von dem Uniformirten sagte er im ersten Verhör, die Umstehenden hätten Ginnheim, im zweiten, sie hätten Bornheim als seine Heimath genannt. Diesen getraute er sich wiederzuerkennen.
Offenbar ist die nachträgliche Identifikation gänzlich unglaubwürdig, und es bleiben nur zwei Aussagen übrig: die über den Uniformirten, daß die Leute auf der Haide gesagt hätten, er habe den ersten Schuß auf Auerswald gethan (was aber jedenfalls eine Verwechslung wäre), und die über den Begleiter des Rückert, welchen Etzel ganz andere, als den Nispel beschreibt. Dabei ist weiter verdächtig die offenbar falsche Behauptung, daß nur Rückert und jener Andre in’s Haus gegangen und mit Auerswald wieder herausgekommen seien. Gesetzt mithin auch, der von Etzel beschriebene Uniformirte wäre als Nispel zu nehmen, so würde doch die Bezüchtigung des Andern ihn im Mindesten nicht treffen. All das hat der Vertheidiger ganz übersehen!
e) Die Aussage des P. Ludwig ist ganz werthlos, schon weil sie gar nicht den vorliegenden Akten angehört, Ludwig in Frankfurt nicht vernommen, noch weniger mit Nispel konfrontirt worden, überdies aber der am schwersten gravirte Mitschuldige ist, und sich in der kurhessischen Untersuchung durchweg als frechen Lügner gezeigt hat.
f) Gers. Sonneberg endlich erwähnt zwar eines „Bockenheimer Scharfschützen mit Büchse und Hirschfänger“; dagegen ist, abgesehen von der großen Unbestimmtheit dieser Beschreibung, zu bemerken, daß der Zeuge gerade seine hierher gehörige Behauptung (daß der Schütze mit Andern schon ¼ Stunde vor Auerswalds Herausführung bei Schmidt auf Auslieferung gedrungen habe) im Konfrontationstermine [241] nicht wiederholte, daß er hier nur Aehnlichkeit der Uniform fand, über die Gestalt nichts anzugeben vermochte und daher sich nicht getraute, den Nispel zu rekognosziren. Seine wiederholte Behauptung, daß er nur Einen solchen Schützen auf der Haide gesehen habe, ist natürlich werthlos, da sie an sich nicht beweisend, übrigens die Anwesenheit andrer ähnlich, ja gleich Uniformirten (besonders Knölls) hinlänglich konstatirt ist.
Dieses negative Resultat des Zeugenbeweises für die Thäterschaft Nispels zu A. wird nun aber noch weiter durch den Umstand unterstützt, daß Nispel weder von den Hausbewohnern, noch von andern zu der Aufsuchung gekommenen glaubwürdigen Personen als dabei gegenwärtig gewesen erkannt worden ist, wie denn diese hiebei überall einen Mann in Schützenuniform gesehen zu haben sich nicht erinnern.
B. Mißhandlung und Tödtung Auerswalds.
Die möglichen Anschuldigungszeugen sind: Franz Jakoby (s. o. nr. 1), Gerson Sonneberg (nr. 3), Franz Birkenholz (nr. 7), Jul. Birkenholz (nr. 8), Johann Pflug (s. allgem. Geschichtserzählung S. 39), Matth. Körber (nr. 12), L. Dietrich(nr. 14), Max. Kiel (nr. 13), Joh. Schwab (nr. 2), Mich. Rettenbacher (nr. 4).
Prüft man nun diese Aussagen, so ergiebt sich Folgendes:
a) Fr. Jakoby ist von allen diesen Zeugen der einzige, der sich getraut hat, den Nispel zu rekognosziren, wenn auch mit einer Klausel hinsichtlich des Barts, die jedoch an sich seine Rekognition nicht verdächtig machen würde. [242] Wenn nun diesen Zeugen der Hauptbericht als einen besonders zuverläßigen rühmt und preist, weil er eine Menge Einzelheiten mit größter Sicherheit anzugeben gewußt habe (?), – dagegen der Vertheidiger denselben als einen eiteln, schwatzhaften, wichtigthuerischen, vorlauten, mit Aussagen überall bereiten, nicht gewissenhaften Burschen brandmarkt, – so dürfte die Wahrheit in der Mitte liegen.
Die Klassizität, welche der Hauptbericht dem Zeugen vindizirt, kommt ihm keinenfalls zu. Denn gewiß ist jedenfalls, daß er in einigen Punkten der Wahrheit nicht die Ehre gegeben hat, daß er es auch bei der Konfrontation mit Rückert sehr leicht genommen hat, daß er endlich in Hanau wesentlich anders ausgesagt hat. Bei der Konfrontation hat nun allerdings der Zeuge mit merkwürdiger Zuversicht gesprochen und nach seiner Art auf verschiedene Einzelheiten aufmerksam gemacht. Allein trotzdem wird er nicht als völlig glaubwürdiger Zeuge angenommen werden können.
1) Er will dem Vorgang mit Auerswald ganz nahe gewesen sein, und hat doch über die Betheiligung der Henr. Zobel, die so allgemein auffiel, keine Angabe zu machen gewußt; 2) er kann den zuerst Schießenden nicht beschreiben, weil „zu viele Leute herum standen“; hiernach, da die Schüsse notorisch schnell auf einander folgten, erscheint es verdächtig, wenn er von dem zweiten Schießenden alle möglichen Einzelheiten, Passepoil an den Beinkleidern, Ladhammer, Knöpfchen am Ladhammet etc. bemerkt haben will. 3) Einige dieser Beobachtungen sind erst durch die Anschauung Nispels bei der Konfrontation in dem Zeugen hervorgerufen worden, während er früher bei aller Lust zu Detailangaben nichts davon hat verlauten lassen. Gesetzt nun auch, der Widerspruch Nispels, einen [243] Hut, eine Patrontasche und einen Ladhammer bei sich gehabt zu haben, sei unglaubwürdig, so ist doch 4) gerade die Beobachtung solcher zu jeder vollen Schützenuniform in abstracto gehörigen Details kein irgend sicheres Kriterium für die Betheiligung einer bestimmten Person *); und um so weniger, da der Zeuge über Nispels Gesicht und über seine gewiß besonders zum Auffallen geeignete Fourierauszeichnung nichts zu bemerken gewußt hat. 5) Zu diesen negativen Gründen gegen die volle Zuverläßigkeit des Zeugen kommt nun aber die positive, daß er theils sich selbst, theils anderweitigen sicheren Ermittlungen widerspricht, indem er seinerseits in Hanau den Bockenheimer Schützen in einen Ginnheimer verwandelte, und diesem einen schwarzen Backenbart gab, – andrerseits bei seiner ersten kurz nach dem Vorfall gegebenen Detailschilderung dem beobachteten Schützen mit größter Sicherheit einen dunkeln Bart und graue Beinkleider mit rothem Passepoil zuschrieb, wie sie zwar in dem benachbarten Seckbach, nicht aber in Bockenheim zur Schützenuniform gehörten.
b) Gerson Sonneberg wird von dem Vertheidiger mit frivoler Willkür der Sympathie mit den Verbrechern beschuldigt. Es bedarf jedoch solcher ungerechten Bezüchte gar nicht, um den Werth seiner Aussage für den Beweis der Thäterschaft Nispels su schwächen (s. zu A). Seine Beschreibung des „Bockenheimer Schützen“ ist an sich höchst unbestimmt; rekognoszirt hat er aber den Nispel [244] nicht, und, da er bei dieser Gelegenheit nur von „Aehnlichkeit“ der Uniform sprach, seiner früheren bestimmten Aussage, daß es ein Bockenheimer Schütze gewesen sei, selbst den Stempel der Verdächtigkeit aufgedrückt. Dazu kommt aber, daß er die Unsicherheit seiner Angaben über die auf Auerswald gefallenen Schüsse selbst eingesteht, indem er nur geschlossen haben will, daß der Bockenheimer Schütze geschossen haben werde, weil er ihn (allein, – ein andres Mal sagt er: zugleich mit einem Andern) im Anschlag gesehen habe. Aber auch diese Schlußfolgerung ist ganz werthlos, weil daraus folgen würde, daß der „Schütze“ den ersten Schuß gethan hätte, während dieser vielmehr von P. Ludwig kam.
c. d) Die Aussagen von Franz und Jul. Birkenholz scheinen ein besonderes Gewicht dadurch zu erhalten, daß beide an dem von ihnen beobachteten Uniformirten eine Patrontasche mit einem Wappen bemerkt haben wollen, wovon ihnen [ohne irgend eine Motivirung] gesagt worden sei, es sei das Bockenheimer Stadtwappen. Abgesehen jedoch davon, daß keiner von beiden dieses Stadtwappen (einen Bienenkorb) selbst genau gesehen haben will, spricht Mehreres gegen die Zuverläßigkeit beider Zeugen, von denen der Vater ohnedies nicht mehr, als die Anwesenheit Nispels im Schmidtischen Garten bezeugt, welche Nispel selbst nicht in Abrede zieht.
1) sind ihre Aussagen in sich widersprechend und theilweise unwahrscheinlich. Franz Birkenholz will den Schützen zuerst vor sich in den Garten haben gehen sehen, mithin lange vor der Herausführung Auerswalds; – nachher aber erst in dem Augenblicke, wo er „mit seinem Sohne Julius den Garten verlassen habe“(gleichfalls [245] noch vor Auerswalds Herausführung). Jul. Birkenholz dagegen widerspricht sich noch derber, s. seine zweite Aussage, wo derselbe Schütze unter den Herausführern Auerswalds aus dem Hause gewesen, und doch auch wieder erst dann in den Garten gestürmt sein soll, „als sie des Auerswald schon aus der Terrasse hatten und Zeuge den Garten verließ.“ Unwahrscheinlich ist, daß er die von ihm beschriebene Stoß- oder Schlagbewegung nach dem Graben zu gesehen haben will, während er „100–150 Schritte entfernt war und viele Bewaffnete und Unbewaffnete am Grabenrand standen“ s. auch Etzel o. ad A. – 2) Sie wiedersprechen einander gegenseitig, da der Vater mit dem Sohne, dieser aber allein und erst später den Garten verlassen und eben hiebei den Schützen hereineilen gesehen haben will. 3) Sie widersprechen den ad A. aufgeführten Zeugen. 4) Jul. Birkenholz und Jakoby widersprechen dem Sonneberg, der den Schützen vor dem ersten Schuß mit dem Gewehrkolben auf Auerswalds Kopf schlagen gesehen haben will. 5) Bei der Rekognition haben beide Zeugen aus freien Stücken Momente angegeben, welche die Authentizität ihrer Beobachtungen und der darauf gegründeten Behauptungen sehr zweifelhaft machen. Franz Birkenholz gesteht, nur „unterstellt“ zu haben, daß das Wappen auf der Patrontasche das Bockenheimer Stadtwappen gewesen sei. Uebrigens sah er den Schützen nicht im Gesicht, fand die Uniform nur ähnlich, die Statur nur ungefähr so, und den Nispel schmäler, als den von ihm beschriebenen Mann. Julius Birkenholz gesteht, bei seiner ersten Vernehmung den Hut nur deshalb als schwarz beschrieben zu haben, weil er nicht gewußt habe, ob die Bockenheimer Schützen schwarze oder grüne Hüte tragen! [246] Ueberhaupt habe er vorher die Bockenheimer Bürgergarde nicht gekannt und den Schützen nur deshalb als Bockenheimer Schützen beschrieben, weil Jemand gesagt habe, das Wappen auf der Patrontasche deute auf Bockenheim. Auch er fand die Uniform nur ähnlich, die Statur nur ungefähr so; die Identität der Person getraute er sich nicht zu behaupten.
e) Pflug spricht gegen die Thäterschaft Nispels. – Er erinnert sich, unter dem Haufen um Auerswald mehrere in der Bockenheimer Schützenuniform, dagegen nur Einen solchen gesehen zu haben, der Auerswald mit dem Gewehr geschlagen und den zweiten Schuß (nach Auerswalds Kopf) abgefeuert habe. Gerade von diesem sagt er aber, derselbe habe eher eine Mütze, als einen Hut, habe einen ganz schwarzen [WS 8] Bart gehabt, und sei etwas kleiner gewesen, als Nispel, den er daher ganz positiv nicht rekognoszirte.
f) Körber hat erst einen „Bockenheimer Schützen“ an sich nur in sehr unbestimmter Weise als thätig bei Auerswalds Herausführung belastet, und noch besonders die sehr beherzigenswerthe Erklärung abgegeben, daß er den Nispel nicht gekannt und selbst seinen Namen erst aus den Hanauer Schwurgerichtsverhandlungen erfahren habe. – Jedenfalls hat er aber den Nispel auf’s Bestimmteste nicht wiedererkannt, vielmehr behauptet, der von ihm gesehene Schütze sei wenigstens um einen halben Kopf größer gewesen und habe keinen dunkelblonden, sondern einen schwarzen Bart gehabt, vgl. die obige Beschreibung des Knöll und die Aussage von Odenwalds Frau, welche den Knöll am Abend des 18. Sept. mit einem Gewehr nach Hause kommen sah und einige Tage [247] später bemerkte, daß die Frau desselben einen Beutel voll Kugeln in den Mist schüttete.
g) L. Dietrich hat an sich nur die Anwesenheit Nispels bei den Vorgängen um Auerswald behauptet, ohne ihn spezieller zu belasten. Aber auch dies hat er später zurückgenommen und zwar wohl mit um so mehr Recht, da er selbst wahrscheinlich bei diesen Vorgängen gar nicht anwesend war.
h) M. Kiel beschreibt allerdings einen Mann in einem grünen, neben aufgestülpten Hut und einer Feder drauf, einem Rock mit stehendem grünen Kragen, grünen Klappen und Aufschlägen, den sie für ein Mitglied der Bockenheimer Schutzwehr gehalten habe. Allein eben diesen schildert sie als Beschützer Auerswalds, in welcher Beziehung sie Nispels Aussagen bestätigt. Sie spricht dann allerdings noch von einem Zweiten, der dem Auerswald mit dem Gewehr einen Stoß auf die Brust gegeben habe; von diesem sagt sie jedoch nur, wenn sie nicht irre, sei er ähnlich gekleidet gewesen, wie der zuvor beschriebene. Bei der Konfrontation nahm sie die bestimmte Behauptung, daß sie mehrere Aehnlichbewaffnete gesehen habe, zurück, und wollte nicht einmal wissen, ob die Uniform des Stoßenden ähnlich mit der des Nispel (d. h. mit der Bockenheimer) ausgesehen habe. Ihr Zeugniß ist daher keinenfalls gegen Nispel zu gebrauchen.
i) Joh. Schwab belastete neben dem später als Ludwig Rekognoszirten sehr bestimmt einen Bockenheimer Schützen, den er ziemlich genau und in einigen Punkten ähnlich mit Nispel beschrieb (gesetzte Statur, starker Bart *), [248] Gesicht, Alter in den 30ger Jahren). Er fügte bei, daß er beide Personen sich wiederzuerkennen getraue, wenn sie ihm vorgestellt würden. Dies ist denn auch hinsichtlich des P. Ludwig mit einer merkwürdigen Sicherheit erfolgt, in Beziehung auf Nispel dagegen nicht; er erklärte, der von ihm beschriebene Schütze sei ihm dicker und sein Bart bedeutend stärker vorgekommen, er könne ihn in Nispel nicht wieder erkennen. In der That ist auch dieses negative Resultat der Gegenüberstellung um so natürlicher gewesen, nachdem Schwab vor den Geschworenen in Hanau versichert hatte, der von ihm beobachtete Schütze in Bockenheimer Uniform habe einen schwarzen Bart getragen. Daneben ist noch anzumerken, daß Schwab den Schuß des Bockenheimer Schützen (den zweiten) als nach der Mitte des Körpers gerichtet beschreibt, worin unfehlbar eine Verwechslung liegt.
k) Rettenbacher verwechselt sogar beide Schüsse geradezu, im Widerspruche mit allen übrigen Zeugen. Bei der Konfrontation erkannte er Nispel nicht als den von ihm beschriebenen Schützen an und fügte bei, er habe Einen oder Zwei ähnlich Uniformirte und Bewaffnete gesehen.
Auch hier schließen sich nun an das Resultat des Mißlingens des direkten Zeugenbeweises mehrere indirekt unterstützenden Momente an:
Heil erwähnt eines Gewehrkolbenstoßes auf die Brust, infolge dessen Auerswald in den Graben gestürzt sei, beschreibt aber den Stoßenden als einen großen Kerl mit einem Kittel, einer Wachstuchkappe und Flinte, der so eben erst vom Hause her nachgekommen sei. Rettenbacher schildert den Stoßenden (im gleichen Augenblick [249] und mit gleicher Wirkung) als einen Turner in blauer Bluse. Christian Koch erzählt von Schneider Finzel (einem entschiedenen Rothbart, s. Rückert), daß er mit dem Gewehrkolben auf Auerswald geschlagen und dabei das Gewehr am Lauf gehalten habe.
Spahn sagt, den zweiten Schuß habe Auerswald in den Kopf erhalten, und zwar von einem jungen Menschen in Turnerkleidung (allerdings wahrscheinlich eine Verwechslung). Reinstein beschreibt ohne Zweifel Richtung, Waffe und Urheber des ersten Schusses treffend, setzt aber bei, es hätten dann noch zwei Andre mit Ueberröcken und Turnerhüten geschossen. – Marie Magnus sah bei den beiden Schießenden nichts von Uniformen, erwähnt aber – bei aller sonstiger Eigenthümlichkeit ihrer Aussage – wenigstens der Waffe, womit der erste Schuß geschah, auf zutreffende Weise. – Ebensowenig wissen von dem Schusse eines Bockenheimer Schützen die Zeugen P. Lorey und El. Diehl, die freilich nur je von Einem Schusse berichten, wobei aber wenigstens der erstere den P. Ludwig zutreffend andeutet.
Eine Reihe von Personen ferner, die mehr oder minder bestimmt und umständlich über die Mißhandlung und Tödtung Auerswalds berichteten, hat den Nispel entschieden ganz und gar nicht zu rekognosziren vermocht.
Mit dem Bisherigen soll jedoch nicht gesagt sein, daß nicht zu B. auf Nispel ein Verdacht haften bliebe, – was zu A. nicht in demselben Grade behauptet werden kann. Denn es ist stets im Auge su behalten, daß die Zeugenauesagen zu B. bei allem Mangelhaften, das sie [250] an sich haben, doch jedenfalls durch Nispels eigene Einräumung, während der Erscheinung Auerswalds im Garten anwesend gewesen zu sein, unterstützt sind.
Zwar erscheint schon die Art und Weise verdächtig, wie Nispel ebenso offenbar als ungeschickt den Verdacht, schon vor Auerswalds Auffindung in den Schmidtischen Garten gekommen zu sein, von sich abzuwälzen sucht. Dazu kommt noch, daß er die Möglichkeit zugiebt, in dem Haufen gewesen zu sein, der Auerswald herausbrachte.
Da er jedoch wiederholt auf’s Bestimmteste versichert, er sei keinenfalls im Schmidtischen Hause gewesen, und jede verbrecherische Absicht läugnet, so fehlt jenem Zugeständniß jedenfalls der praktische Nerv, d. h. die direkte Beziehung auf Theilnahme an der Aufsuchung und gewaltsamen Bemächtigung Auerswalds.
Um so gewisser wirkt jedoch jener Verdacht, den zu A. die Zeugenaussagen zu bestärken nicht vermocht haben, zu B. herüber. Er giebt die Möglichkeit zu, schon der den Auerswald herausführenden Rotte sich angeschlossen zu haben und „einige Male in den Garten und aus demselben gegangen zu sein.“ – Zwar will er nun in dem Garten nur zum Schutze Auerswalds thätig gewesen sein; und dies scheint in den früheren Aussagen der M. Kiel Unterstützung zu finden. Allein, abgesehen davon, daß der Beschützer Auerswalds von keinem andern Zeugen ähnlich mit Nispel beschrieben wird, im Gegentheil nach allen Ermittlungen ziemlich verschieden in Aussehen, Bekleidung etc. war, hat auch M. Kiel selbst jene Aussage später indirekt zurückgenommen, und gegen die isolirte Versicherung des Angeschuldigten erhebt sich eine Reihe von Zeugenaussagen, die einen Bockenheimer Schützen – anstatt [251] der Beschützung Auerswalds – vielmehr der thätigsten Theilnahme an seiner Mißhandlung und Tödtung bezüchtigen.
Allein so sehr die eigenen Aussagen des Angeschuldigten den Argwohn zu begründen geeignet sind, daß er mit dem vollen Bewußtsein, es werde nach Auerswald und Lichnowsky gesucht, in den Schmidtischen Garten gegangen und daselbst keineswegs blos in der Absicht, den Knöll zu finden, aus und eingegangen sei, – sosehr jenes Zugeständniß des Angeschuldigten zugleich dazu dient, das Auffallende in den Aussagen der Zeugen Franz und Julius Birkenholz (s. o.) zu heben, – so sind die Zeugenaussagen doch nicht im Stande, den allgemeinen Verdacht zu der Gewißheit der Thäterschaft Nispels in Beziehung auf bestimmte Handlungen (Schlagen mit dem Kolben der Büchse – und Schuß in den Kopf) zu erheben.
Zwar könnten die Angaben des Heil, Rettenbacher und Koch über Schläge mit dem Gewehrkolben durch Leute, die mit Nispel gar keine Aehnlichkeit hatten, durch die Bemerkung abgewiesen erscheinen, daß notorisch von vielen Seiten auf Auerswald hineingeschlagen worden sei. Allein es ist wohl zu bedenken, daß Heil und Rettenbacher eben von dem bestimmten Schlag oder Stoß reden, der dem Schuß unmittelbar vorangegangen sei und Auerswald in den Graben gestürzt habe, mithin von demselben, der nach Sonneberg und Schwab von dem Schützen ausgegangen sein soll. Dasselbe ist aber in noch viel auffallenderer Weise mit dem zweiten Schusse auf Auerswald der Fall. Auch hier wird von verschiedenen Zeugen derselbe Akt ganz verschiedenen Personen zugeschrieben. Nicht minder ferner differiren solche Aussagen von einander, die wenigstens darin übereinstimmen, daß sie den Thäter in [252] Schützenuniform erscheinen lassen. Die eine Person will ihn für einen Bornheimer, andre wollen ihn für einen Bockenheimer erkannt haben, von letzteren aber Mehrere in sehr leichtfertiger Weise (wie die beiden Birkenholz, Fr. Jakoby, Sonneberg und die M. Kiel *). Andre, die eine zuverläßigere Kenntniß von der Tracht der Bockenheimer Schützen vorher mitgebracht zu haben scheinen, geben dem Schützen ausdrücklich einen schwarzen Bart **) (auch Jacoby that es in Hanau) und andre Merkmale, die auf Nispel entschieden nicht passen (s. bes. Pflug, Körber, Schwab) ***). Wieder Andre, die im Allgemeinen genaue und treffende Angaben machen, wollen von irgend welcher hervorragenden Thätigkeit eines Schützen oder gar eines Bockenheimer Schützen gar nichts wissen.
Beides aber, sowohl dieses Nichtwissen, als die höchst auffallenden Abweichungen in Beziehung auf Statur, Bart, Größe, Tracht und Bewaffnung des „Grünuniformirten“ im Einzelnen, erklären sich natürlich genug aus dem notorisch tumultuarischen Charakter des ganzen Hergangs, – und das letztere Moment noch überdies daraus, daß erweislich mehrere ähnlich (resp. gleich) uniformirte Personen an Ort und Stelle gegenwärtig waren. Erwägt man nun noch überdies, daß außer Jakoby sämmtliche Zeugen den Nispel [253] entweder positiv nicht rekognoszirt oder doch seine Rekognition unentschieden gelassen haben, Jakobys Zeugniß aber an innern Mängeln leidet, die ihm einen Theil seiner Kraft benehmen, so erscheint auch zu B. der Anschuldigungsbeweis keineswegs als genügend erbracht.
Dasselbe Resultat bleibt stehen, wenn man auch den stärksten Verdachtsgrund gegen Nispel, den nachherigen Befund seiner Büchse in Erwägung nimmt.
Nachdem Hauptmann Karl Hauswald gehört hatte, daß Nispel sich flüchtig gemacht habe, gieng er sofort mit H. Reuter und Jak. Häusler in Nispels Wohnung, um die der Kompagnie gehörigen Waffen- und Uniformsstücke an sich zu nehmen. Unter Andrem (wobei aber z. B. von einem Ladhammer gar nicht die Rede wurde) übergab Nispels Ehefrau dessen Büchse, an welcher man den Hahn zweimal gespannt und ein Zündhütchen aufsitzen fand. Hauswald und Reuter trugen die Büchse zu dem Büchsenmacher Gleichauf, der sie untersuchte. Unten am Kolben war etwas Politur weg, und an derselben Stelle fanden sich Eindrücke, als ob etwas Hartes damit geklopft oder gehauen worden wäre. Gleichauf zog einen Schuß und viele Schrotkörner Nr. 0. heraus, die ohne Sachkenntniß geladen waren.
Gleichauf sagte am 9. Nov. 1848: „die Untersuchung ergab mir die Ueberzeugung, daß aus dieser Büchse in den letzten Tagen kein Schuß abgefeuert worden sei. Denn der Lauf war rein und die Schwanzschraube nicht mit Pulver geschwärzt, was außerdem der Fall gewesen sein würde.“ Nachher fügt er indessen bei: „Ich bemerke, daß es [254] jedoch nicht außer dem Bereich der Möglichkeit liegt, daß aus der fraglichen Büchse einige Tage, ehe ich sie untersuchte, wäre geschossen worden. Dann müßte sie jedoch kurze Zeit nach dem Schusse wieder gereinigt worden sein, was mir nicht der Fall gewesen zu sein schien.“
Reuter bemerkt noch insbesondere, Hauswald habe gegen Nispels Frau ausgesprochen, aus der Büchse müsse schon geschossen worden sein, worüber sie sehr ärgerlich geworden sei. Hauswald zieht dies jedoch durchaus in Abrede, will vielmehr das Gegentheil bemerkt haben.
Reuter selbst will gleichfalls den Lauf blank, also keine Spur eines Schusses gefunden haben.
Hauswald gab die Büchse, die er sofort an sich genommen hatte, nach einigen Tagen dem Schreiner Heusler zur Reparatur des Kolbens, die jedoch unterblieb. Bei letzterem holte sie am 23. Sept. Jos. Oppenheimer, dem sie vom Hauptmann zugetheilt worden war, ab, und bei besagtem Oppenheimer wurde sie durch das Justizamt Bockenheim erhoben (unlängst vor dem 9. Nov. 1848).
Am 5. Okt. 1850 wurde die Büchse dem Büchsenmacher Jakob Weber von Frankfurt und dem Förster Ludw. Hensel von der hohen Mark als Sachverständigen vorgelegt, welche auf vorgenommene Untersuchung hin sich dahin aussprachen: „Aus dieser Büchse ist schon geschossen worden. Es ist dies deutlich aus dem Roste zu ersehen, der sich in den Feldern und Zügen auf etwa 8 Zoll Länge von der Schwanzschraube an befindet. Der Rost entsteht vom Pulverschmutz. Wenn die Büchse geladen gewesen, aber nicht daraus geschossen, sondern die Ladung einige Tage später herausgezogen worden wäre, könnte der Schmutz – nun Rost – in dieser Weise nicht vorhanden sein.“ – [255] Auf Vorlage der in Auerswalds Kopf gefundenen Kugel: „Die uns vorgelegte Kugel kann aus dieser Büchse geschossen worden sein. Sie läßt sich zwar jetzt nicht mehr in die Mündung einfügen, weil sie ihre ursprüngliche runde Form verloren hat. Allein wenn man ihr Gewicht mit dem Gewicht runder, in die Büchse passender Kugeln vergleicht, so findet man, daß sie aus der Büchse geschossen worden sein kann. An der Kugel kann man nur Einen von einem Zuge herrührenden Eindruck sehen; es läßt sich also eine Vergleichung mit sämmtlichen Zügen an der Büchse nicht anstellen. Die tieferen Einschnitte an der Kugel befanden sich vor dem Schießen nicht daran. Wenn die Kugel auf Knochen aufgeschlagen wäre, könnte sie dadurch diese Einschnitte erhalten haben. Aus einem Karabiner kann die Kugel nicht geschossen worden sein, weil sie dann keine Spuren, die von den Zügen herrühren, haben könnte. Die meisten Karabiner haben nämlich keine Züge, und die wenigen, die deren haben, schießen ein größeres Kaliber. Die Kugel kann wohl mit dem Ladstock geladen worden sein, ohne daß man sich eines Ladhammers bedient hätte; in der Regel bedient man sich aber eines solchen. Weil diese Kugel ihre runde Form nicht mehr hat, lassen sich keine mittelst eines Ladhammers beigebrachten Schläge mehr an derselben wahrnehmen. – In Büchsen ladet man keine Schrote. Dies thun nur einzelne Leute ohne Sachkenntniß. – Es giebt viele Büchsen, deren Läufe braun sind. Wie die kleinen Beschädigungen an den nußbaumenen Schaft gekommen sind, läßt sich mit Bestimmtheit nicht behaupten. – Das Kaliber dieser Büchse ist das am häufigsten vorkommende.“
Auf den Antrag des Vertheidigers wurden zwei weitere [256] Sachverständige vernommen, die Büchsenschäfter Greiß und Dreher von Frankfurt.
Diese sagten aus: a) Wenn aus einer neuen Büchse mehrfach geschossen und sie sodann nicht gereinigt worden sei, so könne man dies auch noch nach Jahren an dem Rostansatze ersehen, sehr schwer dagegen, wenn nur Einmal daraus geschossen worden sei; b) Aus der Nispelschen Büchse sei bereits geschossen worden (auf Grund des 8 Zoll langen Rostansatzes im Laufe). Die Büchse scheine nach dem Schießen ausgewaschen, aber nicht trocken gereinigt worden zu sein. Dafür spreche auch der Rostansatz in dem Zündkegel und in dem Hahn. c) Ob die in Auerswalds Kopf gefundene Kugel aus einer Büchse geschossen sei, lasse sich nicht mit völliger Gewißheit sagen, doch scheinen sich an 2 Stellen Spuren von Büchsenzügen zu zeigen. d) Ob sie aus Nispels Büchse geschossen sein könne, darüber lasse sich keine Gewißheit, nicht einmal eine sichere Vermuthung aussprechen; doch sei es bei dem Kaliber der Nispelschen Büchse wahrscheinlich und die beiden Spuren an der Kugel seien den Zügen des Nispelschen Büchsenlaufs entsprechend. e) Die Ladhämmer seien in der Frankfurter Gegend gewöhnlich am Stielende mit (weißem oder schwarzem) Horn besetzt.
Zugleich wurden die Professoren der Chemie, Böttcher in Frankfurt und Fresenius in Wiesbaden, um ein Gutachten angegangen, worin sie sich dahin äußerten: a) es lasse sich noch nach vielen Jahren eine erfolgreiche Prüfung auf nichtflüchtige Pulverzersetzungsprodukte anstellen, wozu bei Pistongewehren noch weiter komme, daß bei dem Detoniren des Zündhütchens kleine Kupferblättchen in der Höhlung des Hahns zurückbleiben können; b) nach [257] sorgfältiger Prüfung in diesen beiden Richtungen seien sie überzeugt, daß aus der Nispelschen Büchse schon geschossen worden sei; zwar sei die Möglichkeit, daß die angegebenen Kennzeichen auch aus andern Ursachen herrühren können, im strengsten Sinne nicht abzuläugnen, indessen höchst unwahrscheinlich; c) jedenfalls könne aus der Nispelschen Büchse nur vor längerer Zeit geschossen worden sein; genauer lasse sich aber der Zeitpunkt nicht feststellen.
Endlich wurde noch der frühere von Rothschild’sche Förster Volk vernommen, welcher zufällig im Sept. 1848 bei der Ueberbringung der Büchse an den Büchsenmacher Gleichauf den Hauptmann Hauswald begegnet hatte. Derselbe sagte: „ich ließ mir die Büchse zeigen und äußerte, nachdem ich sie genauer besehen: aus dieser Büchse sei nicht geschossen. Diese meine Aeußerung gründete sich darauf, daß ich den Lauf der Büchse und den Platz, wo das Zündhütchen aufgesetzt war, genau untersucht hatte und beide ganz rein befand.“
Nach diesen Ermittlungen erscheint es nun
a) als erhoben, daß die in Auerswalds Kopf vorgefundene Kugel nicht aus einem Karabiner geschossen war. Da nun der erste Schuß, der in den Leib gieng, allen Umständen nach von P. Ludwig aus einem Karabiner abgefeuert wurde, so folgt, daß der zweite Schuß, der in den Kopf gieng, aus einer Büchse gethan sein muß, resp. sehr wahrscheinlich gethan ist.
b) Ob aber aus der Nispelschen Büchse –? das getrauen sich die Sachverständigen nicht zu entscheiden. Die ersteren erklären es für möglich, die zweiten für wahrscheinlich, obwohl letztere ausdrücklich sagen, es lasse sich [258] keine Gewißheit, nicht einmal eine sichere Vermuthung darüber aussprechen. Auch haben jene nur Eine, diese zwei Stellen an der Kugel als Spuren von Zügen eines (resp. des Nispelschen) Büchsenlaufs anerkannt. Eine Gewißheit über die Frage scheint aber deshalb gar nicht möglich, weil nach dem Urtheil der ersten Sachverständigen das Kaliber der Nispelschen Büchse das am häufigsten vorkommende ist.
c) Als Hauptfrage erscheint daher jedenfalls die: ob gerade aus der Nispelschen Büchse schon geschossen worden sei? Diese Frage wird von den ersten Sachverständigen schlechthin bejaht – aus den Grund des im Laufe befindlichen, vom Pulverschmutz abzuleitenden Rostansatzes.
Auch die zweiten Sachverständigen bejahen die Frage, jedoch nur sehr bedingt und so, daß ihre Erklärung theilweise sich selbst widerspricht. Sie begründen nämlich die Bejahung neben dem Rostansatze auch auf die weitere Voraussetzung einer mangelhaften Reinigung, ohne das eine oder Andre bestimmt zu sagen. Zugleich setzen sie voraus, daß mehrfach aus der Büchse geschossen worden sein müsse, da ein einmaliger Schuß keine nach Jahren noch deutlich und sicher erkennbare Spuren zurücklasse. Die Chemiker endlich erklären sich für überzeugt, daß die Frage zu bejahen sei, wiewohl die Möglichkeit einer andern Entstehung der fraglichen Kennzeichen, wenn auch sehr unwahrscheinlich, doch nicht ganz in Abrede zu stellen sei. Da nun die ersten Sachverständigen nach denselben Kriterien entschieden, so wird auch ihre Entscheidung von der Absolutheit, die sie anspricht, etwas abgeben müssen, um so mehr, da das zweite Gutachten in freilich verworrener Weise dasselbe andeutet, was auch die Chemiker annehmen. [259] Hiernach ist es nur als in sehr hohem Grade wahrscheinlich hergestellt, daß aus der Nispelschen Büchse früher schon geschossen worden sei.
Allein auch dieses Resultat erleidet einen sehr wesentlichen Abbruch infolge der eidlichen Aussagen des Büchsenmachers Gleichauf und des Försters Volk, welche beide zwar nicht in der Eigenschaft als Sachverständige vernommen, aber doch gleichwohl in der That Sachverständige sind und vor den oben angeführten Sachverständigen jedenfalls den großen Vorzug voraus haben, daß sie die Nispelsche Büchse nicht erst nach 2 Jahren, sondern wenige Tage nach der That und ehe sie in fremde Hände übergieng, beobachteten. Diese beiden haben aber eidlich angegeben, daß sie die Büchse genau untersucht und keine Spuren eines Schusses darin gefunden hätten, wenn auch Gleichauf die gegentheilige Möglichkeit zugiebt, – jedoch nur unter der ihm unwahrscheinlichen Voraussetzung, daß die Büchse kurze Zeit nach dem Schusse wieder gereinigt worden wäre.
Dabei ist wohl zu bemerken, daß beiderlei Aussagen, die von Gleichauf und Volk und die der im Jahr 1850 vernommenm Sachverständigen sich keineswegs absolut, sondern nur unter der Voraussetzung widersprechen, daß seit der Besichtigung der Büchse durch Gleichauf und Volk nicht aus derselben geschossen worden sei. Unbegreiflicher Weise ist hierüber gar keine Untersuchung angestellt worden. Da aber noch im Sept. die Büchse dem Oppenheimer zum Gebrauch als Schütze zugetheilt und erst kurz vor dem 9. Nov. durch das Justizamt Bockenheim bei diesem abverlangt wurde, so spricht die höchste Wahrscheinlichkeit dafür, daß in der Zwischenzeit erlaubter und völlig gesetzmäßiger [260] Gebrauch davon werde gemacht worden sein. Unter dieser sehr nahe liegenden Voraussetzung erklärt sich die Abweichung der später vernommenen Sachverständigen von den Aussagen des Gleichauf und Volk sehr natürlich; es wird aber jene Voraussetzung auch noch ausdrücklich durch das Gutachten der Sachverständigen Greiß und Dreher bestätigt, welche ihr Urtheil eben nur auf die Bedingung stellen, daß mehrfach aus der Büchse geschossen worden sei. Ein mehrfacher Gebrauch der Büchse von Seiten Nispels selbst ist nämlich in den Akten nicht angezeigt, aber auch an sich sehr unwahrscheinlich, da Nispel die Büchse nur 1½ Tage besaß und da es, gesetzt er habe am 18. Sept. einen verhängnißvollen Schuß daraus gethan, sein eigenes Interesse sein mußte, nicht weiter daraus zu schießen, sondern im Gegentheil jede Spur eines Schusses möglichst zu vertilgen.
d) Wenn hiernach die höchste Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß im Herbste 1848 (mehrfach) aus der Nispelschen Büchse geschossen worden sei, dagegen eine nicht minder hohe dafür, daß dies erst nach der Untersuchung der Büchse durch Gleichauf und Volk stattgehabt habe, so bleibt aus den bisher angeführten Erhebungen über den Befund der Büchse nur noch die entfernte Möglichkeit für den Verdacht über, daß Nispel selbst am 18. Sept. aus der Büchse geschossen habe.
Wenn sonach die objektiven Ermittlungen über den Befund der Nispelschen Büchse nur einen nicht eben starken Verdacht gegen den Angeschuldigten bezüglich der Erschießung Auerswalds absetzen, so fragt sich ferner, ob dieser Verdacht [261] nicht durch Nispels eigene Aussagen bestärkt werde? – Und diese Frage ist allerdings zu bejahen.
Es ist bereits erwähnt, in wie verdächtiger Weise Nispel glaubhaft zu machen sucht, daß er erst bei oder nach Auerswalds Herausführung aus dem Hause in den Schmidtischen Garten gekommen sei, wie wenig unterstützt seine Behauptung ist, daß er sich zum Vertheidiger Auerswalds aufgeworfen habe, wie sehr er sich endlich durch die Einräumung, daß er möglicher Weise mehrmals im Garten aus- und eingegangen sein könne, selbst verräth. Dazu kommen als fernere verdächtige Momente folgende: Eben wie Nispel auf der Friedberger Straße nichts von verfolgten Reitern gesehen, nichts von Schüssen gehört haben will, so will er auch im Schmidtischen Garten, obgleich er dicht bei Auerswald gewesen sei, nichts von Auerswalds flehentlichem Bitten gehört haben (wogegen er barsche Aeußerungen Auerswalds angiebt, von denen sonst Niemand etwas weiß); er will von den vor Auerswalds Leiche gefallenen drohenden Aeußerungen nur eine ganz unbestimmte Erinnerung haben. Immer will er gerade vor einem gefährlichen Moment „seinen Marsch fortgesetzt“ haben, auf dem er doch seinem eigenen Geständniß zufolge immer wieder Halt machte und sogar umkehrte, um alsbald „den Marsch von Neuem fortzusetzen.“ So will er nicht bei Auerswalds Tödtung gewesen, wohl aber zu seiner Leiche zurückgekehrt sein; – ebenso will er nicht behufs der Aufsuchung Lichnowskys wieder in den Garten gegangen, sondern abermals weiter marschirt und erst wieder kurz vor der Ermordung Lichnowskys zu der Rotte zurückgekehrt sein. An diese verdächtigen Vorschützungen schwerglaublicher Kreuz- und Querzüge schließt sich nun [262] aber sehr bezeichnend eine ganze Reihe weiterer Verläugnungen an, welche sich spezifisch auf den Gebrauch der Büchse beziehen.
Nispel behauptet, vor seinem Abzug aus Bockenheim sei seine Büchse von Andern oder doch mit Hilfe Andrer (Weber oder Derlam) mit Schroten geladen worden. Diese Behauptung ist jedoch weder von Weber, noch von Derlam bestätigt worden. Leider hat man aber versäumt, die Zeugen speziell über den Gegenstand der Ladung zu befragen, obwohl dies durch die Angabe Nispels, daß erst eine Kugel hätte geladen werden sollen, nahe genug gelegt war. Zwar scheint die Behauptung Nispels vortrefflich damit zusammenzustimmen, daß man hinterher die Büchse mit Schroten geladen fand. Allein gerade daraus entspringt ein neuer Verdachtsgrund. Denn es wird ausdrücklich bezeugt, daß die vorgefundenen Schrote ohne Sachkenntniß geladen gewesen seien, was wohl auf Nispel, nicht aber auf bessere Schützen paßt, die ihm beim Laden geholfen oder für ihn geladen haben sollen.
Daß Nispel zwar früher eine Büchse besaß, geht aus der Untersuchung hervor. Das Resultat vieler Vernehmungen ist aber, daß er im Schießen ungeübt und ungeschickt und namentlich des Ladens mindestens nur wenig kundig war. Namentlich ist vielfach bezeugt, daß offizielle Schießübungen der Bockenheimer Schützenkompagnie vor dem 18. Sept. nicht stattgefunden haben und daß Nispel nicht auf der Jagd gesehen wurde. Derlam allein giebt an, Nispel sei bei Schießübungen gewesen, sagt aber, Nispel habe dabei aus Büchsen Andrer geschossen und sich nicht selbst geladen.
Nispel begnügt sich nun aber nicht mit der Berufung [263] auf seine Ungeübtheit im Laden und Schießen oder Reinigen der Gewehre, – sondern er bringt auch ganz unglaubliche Behauptungen vor, wie die: er habe gar nicht gewußt, daß man zum Schießen Pulver brauche, wo man das Zündhütchen anbringe, wie eine Pistole aussehe, – er könne sich nicht erinnern, ob er früher Unterricht im Schießen erhalten habe, und dergl.
Nicht minder verdächtig ist, daß Nispel, dessen Büchse nach seiner Flucht mit Schroten geladen, mit einem Zündhütchen versehen und mit zweimal gespanntem Hahn gefunden wurde, nicht wissen will, ob er selbst Schrote gehabt oder ob er sie von einem Andern erhalten habe, daß er kein Pulver gehabt zu haben behauptet, daß er weder Kugeln noch Zündhütchen besessen, weder eine Kugelform noch ein Pulverhorn gehabt haben will, daß er sich nicht erinnert, ob am 18. Sept. der Hahn an seiner Büchse gespannt gewesen sei, daß er erst betheuert, außer der Büchse nichts (d. h. keinen Ladhammer, Ladmaß) erhalten zu haben, hinterher aber doch von dem Ladhammer die Möglichkeit zugiebt, ja selbst die Möglichkeit, daß er ihn an der Patrontasche mitgetragen habe.
Alle diese Aeußerungen, verbunden mit den obigen Verschweigungen und Ableugnungen, ergeben den dringenden Argwohn, daß Nispel ein großes Interesse habe, seine Thätigkeit während der Herausführung, Mißhandlung und Erschießung Auerswalds zu bemänteln, daß er bemüht sei, einen sehr schweren Verdacht von sich abzuwälzen. Es drängt sich die Vermuthung auf, daß die Büchse Nispels vor seinem Abgang aus Bockenheim in der That von irgend Jemand, der das Geschäft für die Minderkundigen übernahm, mit einer Kugel geladen und diese Kugel [264] (nach Auerswalds Kopf) abgeschossen wurde, daß sofort Nispel zu Hause die Büchse bestmöglichst, aber ungeschickt, reinigte, und sofort mit Schroten lud, ein Zündhütchen aufsetzte und den Hahn spannte, um seiner Zeit glauben machen zu können, er – als gänzlicher Ignorant im Schießen – habe den ganzen Nachmittag und Abend des 18. Sept. hindurch die Büchse ungebraucht und eben in dem Zustand, wie sie ihm von dem Ladenden hergerichtet worden sei, mit sich herumgetragen. Unter dieser Voraussetzung, die noch besonders das für sich hat, daß die Schrotladung, wie sie hinterher in der Büchse gefunden wurde, sich als ohne Sachkenntniß hineingebracht darstellte, würde auch die wiederholte Berufung Nispels darauf, daß man nur seine Büchse untersuchen möge, die man unfehlbar noch ungebraucht finden werde, als entlastendes Moment wegfallen, sofern eben anzunehmen wäre, daß Nispel fest darauf vertraut hätte, die alsbald nach seiner Zurückkunft nach Bockenheim vorgenommene Reinigung der Büchse habe jede Spur des daraus gethanen Schusses vertilgt.
Dieser Annahme steht jedoch auch wieder Mehreres entgegen: 1) daß die Büchse wenige Tage nach dem 18. Sept. von fachkundigen Personen untersucht und ungebraucht gefunden worden ist, 2) daß die Ladung derselben mit einer Kugel, die mit höchster Wahrscheinlichkeit dem Nispel selbst nicht zugetraut werden könnte, ebenso unerweislich ist, als die mit Schroten, 3) daß Derlam und Weber wenigstens die Möglichkeit zugeben, dem Nispel beim Laden geholfen zu haben, und daß – eben eine solche bloße Beihülfe vorausgesetzt, die Ladung mit Schroten an sich und die Ungeschicklichkeit derselben von Seiten Nispels als eines Unkundigen gar nicht unwahrscheinlich [265] wäre, 4) daß Nispels Winkelzüge in Beziehung auf seine Wissenschaft vom Schießen und sein Versehensein mit Pulver, Ladhammer, Patrontasche etc. am 18. Sept. auch unter Voraussetzung seiner Unschuld am Tode Auerswalds noch immer ihre Erklärung darin finden, daß Nispel durch die ihm zugegangenen Mittheilungen über den Gang des Prozesses wußte, wie sehr von verschiedenen Seiten her ein „Bockenheimer Schütze“ belastet und wie auf diesen „Bockenheimer Schützen“ namentlich auch die Hauptschuld an Auerswalds Tod geworfen werde; – da nun Nispel jedenfalls nicht läugnen konnte, während der Vorgänge mit Auerswald im und am Schmidtischen Garten gewesen zu sein, da er sich überdies (s. unten) ohne Zweifel bei den Vorgängen mit Lichnowsky schuldbewußt fühlte, so mußte ihm auch, wenn er sich an Auerswalds Tod schuldlos wußte, doch Alles daran liegen, den gefährlichen Belastungen des Einen mystischen Bockenheimer Schützen für seine Person von vornherein soviel als möglich auszuweichen, wodurch er denn dazu kommen konnte, mehr zu verläugnen, als nöthig war *). 5) Die wiederholte dringende Berufung Nispels darauf, daß man die Büchse bei [266] amtlicher Untersuchung ungebraucht finden werde, falls nicht ein Gebrauch von Seiten Anderer erhoben werden könne, würde unter der Voraussetzung, daß er wirklich Auerswald erschossen hätte, als eine Frechheit erscheinen, wie sie dem Nispel nach den amtlichen Erhebungen über seinen Charakter doch wohl nicht zuzutrauen ist *); 6) Sehr beherzigenswerth ist seine Aussage: „Alles, was sich auf Schießen bezieht, stelle ich in Abrede; dies nehme ich auf mein Gewissen, das ich noch nie befleckt habe und es auch nicht so gröblich beflecken möchte, selbst wenn ich auf dieser Erde ewig im Kerker bleiben müßte.“ Diese Aussage ist um so bedeutender, da sie das indirekte Geständniß Nispels enthält, mit der Büchse zwar nicht geschossen, aber – geschlagen zu haben **); 7) endlich darf auch zu Nispels Gunsten erwähnt werden, daß er es verschmäht, die nahe gelegene, überdieß durch Zeugnisse von J. Kramm und Mlle. Magnus unterstützte Ausrede zu gebrauchen, daß zwar aus seiner Büchse geschossen worden sei, aber nicht von ihm selbst, sondern von einem Andern; was er vielmehr ausdrücklich in Abrede stellte ***).
[267] C. Aufsuchung und gewaltsame Bemächtigung Lichnowskys.
a) Ludw. Dieterich beschrieb schon in Bockenheim den Hergang so, daß man annehmen mußte, Nispel sei schon von Anfang an bei der Herausführung Lichnowskys thätig gewesen. Ganz positiv sagte er aber am 22. Febr. 1851 in Marburg vor der Konfrontation (und dem Nispel in’s Gesicht): „Unter denen, welche den Lichnowsky in die Allée transportirten, befand sich auch Nispel.“ Dietrich kannte den Nispel schon von früher und hat ihn auf’s Vollkommenste rekognoszirt.
b) Dasselbe liegt indirekt in der von Weinmann berichteten Aussage des Escherich (Nr. 19), sofern anzunehmen ist, daß, wenn Nispel erst von entgegengesetzter Richtung herzugekommen wäre, dieses von Escherich nicht übergangen sein würde.
c) H. Weber in seinen ersten Aussagen beschuldigt den Nispel direkt, unter der Rotte gewesen zu sein, die den Fürsten aus dem Garten über das Brückchen herausführte. Neuerdings behauptete er dagegen hartnäckig, über Nispel nicht das Mindeste angeben zu können, wobei jedoch im Auge zu behalten ist, daß der Zeuge in Hanau eben wegen der höchst verdächtigen Zurücknahme aller seiner Aussagen wegen Meineids in Untersuchung gezogen worden ist.
d) P. Ludwig sagt, Nispel sei beim Suchen nach Lichnowsky im Schmidtischen Haus und Garten gewesen.
e) G. Schmunk sagt – dem Schuhmacher Kühn nacherzählend, -– Nispel sei unter der Rotte gewesen, die den Lichnowsky herausgebracht habe. Kühn läugnete, dem Schmunk diese und andere Mittheilungen gemacht zu [268] haben, obwohl dieser bei einer Konfrontation darauf beharrte. Allein in Hanau und später in Frankfurt hat Schmunk selbst Alles zurückgenommen und für von ihm selbst zuaammengeflicktes Wirthshausgespräch erklärt, wofür namentlich hinsichtlich der Erzählungen über Auerswald große Wahrscheinlichkeit spricht.
f) Matth. Körber (Nr. 12.) belastete zwar am 31. Jan. 1851 den Nispel persönlich; s. jedoch seine oben angeführte Aussage, wo er nicht einmal mehr gewiß wissen wollte, ob der „Schütze“ den Lichnowsky mit aus dem Treibhaus geführt habe, jedenfalls aber denselben ganz anders, als den Nispel, vielmehr wie den Knöll beschrieb. –
g) Ludw. Rein will sich neuerdings nicht mehr erinnern, den Nispel unter dem Haufen gesehen zu haben, der den Lichnowsky die Allée hinausführte.
h) Hartm. Schutt will neuerdings nichts mehr wissen, als daß Nispel 6–10 Minuten vor der Herausführung Lichnowskys nach dem Schmidtischen Garten zu gegangen sei.
i) G. Windecker hat die mit Schutt’s Angabe übereinstimmende Aussage neuerdings indirekt zurückgenommen.
Von den aufgeführten Zeugen fallen nun zwar vornweg hinweg: Körber, weil er gerade den Nispel nicht belastet, und Ludwig aus den schon oben angeführten Gründen. Auch unter den übrigen aber ist nicht Ein klassischer Zeuge. Dieterich und Escherich sind Mitschuldige, und die Aussage des Letzteren überdies nur aus zweiter Hand berichtet. Weber steht wegen Meineids in [269] Untersuchung. Schmunks Aussage sinkt zu dem Werthe eines bloßen Gerüchts herab. Rein will sich nicht mehr erinnern. Windecker verdreht seine frühere Aussage. Schutt verdreht sie zwar nicht, läßt sie aber möglichst ins Kleine zusammenschrumpfen.
Gleichwohl setzen diese Zeugenaussagen mehr oder minder bedeutende Indizien ab. Denn es tritt hier gegegenüber den Vorgängen mit Auerswald der wesentliche Unterschied ein, daß – den (ohnedies wegfallenden) Körber allein ausgenommen – sämmtliche Zeugen den Nispel von früher her kennen, mithin von Zweifeln über die Identität der Person hier nicht die Rede sein kann.
Die bedeutendste Aussage ist die des Dieterich, welcher den Nispel direkt und konstant beschuldigt, den Lichnowsky mit aus dem Garten geführt zu haben. Dieselbe wird aber unterstützt durch das, was Weinmann aus Escherichs Mund berichtet, – um so mehr, da beide Zeugen zur Zeit ihrer Aussage, – Dietrich als bereits seine Strafe verbüßend, Escherich als sicher, von England nicht ausgeliefert zu werden, – kein Interesse hatten, durch Belastung Nispels sich zu entlasten. (Zwar sinkt die Aussage des Dieterich an sich an Werth durch das, was er dem Mezger Greif selbst über die mangelnde Sicherheit seiner Beobachtungen vertraute. Allein unbedingt werthlos wird sie dadurch nicht, am wenigsten, wo sie mit andern Aussagen durchaus übereinstimmt.) –
Ferner durch mehrere, erst unten D. anzuführende Aussagen über die von Nispel als Theilnehmer an der Hinausführung entwickelte Thätigkeit, wobei nirgends erwähnt wird, daß Nispel erst unterwegs zu der Rotte [270] getreten sei, wogegen über sein Weggehen aus dem Haufen mehrfache Angaben vorliegen.
Ferner durch die frühere Aussage des L. Rein, der dieselbe nicht zurückgenommen hat, sondern sich nur „wegen Länge der Zeit“ nicht mehr erinnern will. Ebenso durch die frühere Aussage des Weber, welche trotz der Verwerflichkeit der Person des Zeugen von hohem Werth ist, weil er zu einer Zeit, wo noch tiefes Dunkel in den Untersuchungen herrschte, die ersten bestimmten Angaben über die Theilnehmer an den verbrecherischen Vorgängen machte und zwar Angaben, die fast durchaus mittelst anderer Kenntnißquellen bestätigt wurden.
Windeckers neuere Aussage wird gerade durch die darin liegende Verdrehung seiner früheren im höchsten Grade verdächtig, und zwar um so mehr, da Schutt, der gleichfalls sichtlich aus Furcht oder andern Motiven seine früheren Aussagen eingeschränkt hat, gleichwohl gerade bei dem, was früher Windecker übereinstimmend mit ihm angab, standhaft beharrt. Uebrigens widerspricht Windecker nicht einmal direkt; denn, wenn Jemand an einen bestimmten Ort zurückkehren soll, so muß es immer natürlich auch einen Zeitpunkt gegeben haben, wo er von dem betreffenden Orte weggieng. Schutt aber, obwohl er jetzt die direkte Genossenschaft Nispels mit den übrigen Matadoren, sowie seine Betheiligung an deren drohenden Reden fallen läßt, liefert jedenfalls eine höchst wichtige Unterstützung der Aussage des Dietrich. Neben so vielen übereinstimmenden Angaben ist aber auch die des Schmunk, wenn sie auch nicht mehr als ein Gerücht giebt, doch nicht ganz ohne Werth.
Wenn es hiernach als höchst wahrscheinlich erscheint, [271] daß Nispel noch ziemliche Zeit vor der Herausführung Lichnowskys in den Schmidtischen Garten zurückgekehrt ist und den Lichnowsky mit herausgeführt hat, so wird dieser Verdacht durch Nispels eigene Aussagen keineswegs geschwächt, sondern verstärkt. Er will sich bei der Leiche Auerswalds nur dunkel drohender Aeßerungen erinnern, deren er [s. Schutts frühere Aussage] selbst mit verdächtig ist. Er will nun, um von dem kritischen Zeitpunkte der Herausführung Lichnowskys loszukommen, abermals und nach einer nach höchster Wahrscheinlichkeit erdichteten Episode mit einem „gebildeten“ Pistolendieb nochmals „seinen Marsch fortgesetzt haben“ und erst fast unmittelbar vor der Katastrophe zu dem Haufen gestoßen sein, „um den Escherich mitzunehmen,“ – mit dem, ja vor dem auch nach Schutts neuster Aussage Nispel wieder dem Schmidtischen Garten zu gegangen war.
Wenn der Vertheidiger meint, der mangelnde Beweis hinsichtlich Nispels Betheiligung an den Vorgängen mit Auerswald komme ihm auch hier zu statten, so verhält es sich vielmehr gerade umgekehrt. Der schon dort begründete dringende Verdacht, daß Nispel wohlwissend, daß die Abgeordneten gesucht werden, in den Schmidtischen Garten gekommen und dem stillschweigenden Komplott behufs ihrer gewaltsamen Bemächtigung beigetreten sei, sowie daß er an der Mißhandlung und Tödtung Auerswalds, wenn nicht physisch, doch moralisch Theil genommen habe, – dieser nur durch die Zeugenaussagen im Stich gelassene Verdacht wird hier in Verbindung mit den zuvor angeführten Aussagen und den daraus hervorgehenden Indizien zur Gewißheit erhoben.
Der Einwurf, daß Pillot und Dr. Hodes den Nispel [272] nicht bemerkt haben, ist nicht stichhaltig. Jener war nur bei der Aufsuchung im Keller anwesend, von welcher er sich durch Drohungen vertreiben ließ, ehe nur Lichnowsky gefunden war. Es ist aber weder erforderlich, noch behauptet, daß Nispel selbst persönlich mitgesucht habe. Wenn ferner Dr. Hodes den Nispel nicht besondere in’s Auge faßte, so ist dies bei der angestrengten, ihn ganz in Anspruch nehmenden Thätigkeit, die er entwickelte, sehr natürlich; – genug daß er angiebt, Personen in solchen Uniformen unter der Rotte gesehen zu haben.
Ganz nichtig ist endlich die Berufung auf Nispels Charakter, worin es liege, nichts halb zu thun. Es steht schlimm um seinen Klienten, wenn man den Vertheidiger hier beim Wort nimmt. Jedenfalls kann man mit demselben Recht sagen, in Nispels „statiösem,“ d. h. affectirt aufgeblasenen, gemessenen, vornehmthuenden Wesen habe es gelegen, nicht selbst in den Keller hinabzusteigen, sondern diese gemeinere Parthie Andern zu überlassen und indessen selbst beim Generalstab oben zu bleiben.
Mit Bezug auf obige Ausführungen ist daher Nispel der (komplottmäßigen) gewaltsamen Bemächtigung des Fürsten Lichnowoky für überführt zu erachten.
D. Mißhandlung und Tödtung Lichnowskys.
1) Mißhandlung durch einen Schlag mit dem Gewehrkolben. Hiefür sprechen die Aussagen von F. Dieterich (Nr. 18), – Escherich (Nr. 19), – die früheren Aussagen von H. Weber (Nr. 21), – die von Jak. Häusler (Nr. 22), – G. Schmunk (Nr. 24), – Hartm. Schutt (Nr. 30), – Joh. Müller, W. Röder (Nr. 26.) [273] Auch unter diesen Zeugen ist nur Ein klassischer, – Häusler, der selbst nur ein Indizium bezeugt. Gleichwohl gilt auch hier das zuvor Bemerkte, daß die Zweifel über die Identität der Person wegfallen und deshalb auch die verdächtigen Aussagen mindestens als Anzeigen benützt werden dürfen.
Die des Dieterich ist nun allerdings sehr verdächtig. Denn abgesehen davon, daß er in seinen Verhören im Jahre 1851 einen großen Theil seiner Anschuldigungen Nispels theils modifizirt theils zurückgenommen, resp. geradezu für Unwahrheit erklärt hat, liegt ein Zeugniß des Mezgermeisters Greif vor, daß Dieterich nach der Entlassung aus der Strafanstalt ihm gesagt habe, er habe seine Aussagen über Nispel nicht beschworen und könne sie auch nicht beschwören; es seien zur fraglichen Zeit so viele Menschen auf der Haide gewesen, daß er sich auch irren könne. Will man nun auch annehmen, daß Dieterich entweder nur den wahren Grund, warum er nicht schwören durfte, auf abgeschmackte Weise bemänteln wollte, oder daß in der gedachten Aeußerung nur die verwischende Gewalt der Zeit sich ausspreche, – so sinkt jedenfalls seine Aussage natürlich zu geringem Werth herab, sofern er sie selbst nicht mehr als zuverlässig vertreten will. Gleichwohl ist sie nicht völlig werthlos, da der abgeschwächten Erinnerung immerhin entgegensteht, daß noch im Febr. 1851 Dieterich dem Nispel die betreffende Belastung trotz seines offenen Widerspruchs in’s Angesicht wiederholte und daß er gegenüber von Greif keineswegs die Thatsachen selbst in Abrede stellte, sondern nur den Zweifel aussprach, ob er sie grade dem Nispel mit Recht beigemessen habe. Es fragt sich daher, in wie [274] weit das, wessen er später nicht mehr gewiß sein will, anderweitig unterstützt wird oder nicht?
Entschieden geschieht dies nun durch die Aussage von Escherich, die selbst der Vertheidiger nicht auf eine Wirthshaustradition zu reduziren wagt. Zwar hat derselbe Recht, wenn er dieser Aussage prozessualisch den Werth eines Zeugnisses nicht zugestanden wissen will. Allein um so gewisser hat sie den Werth einer Anzeige, welche durch die Hypothesen des Vertheidigers um so weniger erschüttert wird, als gerade der dem Escherich untergelegten Absicht, dem Dan. Georg und P. Ludwig hinauszuhelfen, der von Weinmann erzählte Thatbestand geradezu widerspricht, mithin gar kein denkbarer Grund vorliegt, warum Escherich den Nispel ohne Noth hätte belasten sollen. In der That sagt aber Escherich, – abgesehen davon, daß er eine andere Stelle in der Allée angiebt, – im Wesentlichen ganz dasselbe aus, was auch Dieterich in Kassel und Marburg (Jan. und Febr. 1851) behauptet und in der Konfrontation wiederholt hat.
Eben dasselbe sagte in seinen früheren Verhören J. Weber aus, hinsichtlich dessen das oben Gesagte lediglich zu wiederholen ist. Vergebens sucht der Vertheidiger diese Aussage aus inneren Gründen anzufechten, indem er bemerkt, das Gedränge sei zu groß gewesen, als daß einer im Haufen einen Schlag mit dem Gewehr hätte führen können, – und Lichnowsky hätte auf einen solchen Schlag nicht weiter zu gehen vermocht, sondern betäubt niederstürzen müssen. Im ersteren Punkt straft der Vertheidiger sich selbst Lügen, indem er die Thäterschaft bezüglich des Schlags auf Andere überzuwälzen sucht; letzteres ist eine willkührliche Behauptung, für die am wenigsten das mangelhafte [275] Gutachten der Aerzte hätte angeführt werden sollen. (Die Gerichtsärzte schreiben übrigens ihrem Gutachten über die Reihenfolge der Verletzungen selbst nur konjekturalen Werth zu.)
Bestätigend tritt nun ferner hinzu die Aussage des klassischen Zeugen Häusler, welche ein freilich nicht ganz bestimmtes außergerichtliches Geständniß des Nispel enthält, das aber doch jedenfalls eine körperliche Verletzung, wenn nicht mehr, andeutet.
Weitere Unterstützung liegt in dem allen Umständen nach sehr vielfach verbreitet gewesenen Gerücht, daß Nispel den Lichnowsky geschlagen habe, wovon Schmunk detaillirtes Zeugniß giebt und außer ihm Schutt und J. Müller reden, die sich freilich neuerdings theils nicht mehr erinnern wollen, theils indirekt Lügen strafen.
Von besonderer Bedeutung ist endlich noch die von W. Röder erzählte und in der Konfrontation aufrecht erhaltene Umarmung Nispels durch Buchsweiler, um so mehr, da Nispel die Umarmung zugiebt und nur die 3 Küsse in Abrede stellt. Daß die Umarmung dem Nispel lästig fiel, ist ihm gern zu glauben. Aber das hindert nicht, dem Motiv jener sonderbaren, von Nispel selbst sichtlich rückhaltend und unaufrichtig dargestellten Umarmung nachzugehen und die Erklärung darin zu finden, daß der Jude auch an Andern, die auf Lichnowsky geschlagen oder geschossen hatten, seine satanische Freude durch ekelhafte Liebkosungen ausließ.
Der durch die bisher angeführten Zeugenangaben erwachsene dringende Verdacht wird aber wiederum auf’s Höchste gesteigert durch eigene Aeußerungen des Angeschuldigten. Wie hinterhältig er über Buchsweilers [276] Umarmung Auskunft giebt, ist eben erwähnt. Gerade wie bei Auerswald, so will er auch bei Lichnowsky nichts von Reden des Fürsten, nichts von Reden und Gegenreden der übrigen Begleiter gehört haben, obwohl er sich ziemlich nahe (!) bei dem Haufen befunden habe. Er will erst vom Ende der Haide her zu dem Haufen gekommen sein, kurz vor der Katastrophe, „um Escherich mitzunehmen,“ während als erwiesen anzunehmen ist, daß er schon vom Schmidtischen Garten an bei dem Haufen war, und Escherich wenigstens von Nispels Absicht, ihn mitzunehmen (wohin?), ganz und gar nichts gemerkt hat. Angenommen aber auch, die abermalige „Fortsetzung und Unterbrechung des Marsches nach der Mainkur“ wäre an sich glaublich, so wäre doch gewiß das unglaublich, daß eben nur Escherich der anziehende Magnet gewesen sein sollte. Nicht minder verdächtig ist die Erzählung Nispels von dem Geringe, während dessen ihm Jemand (?) seine Büchse habe nehmen wollen, – eine Erzählung, die offenbar den Schlag mit der Büchse nach Lichnowsky bemänteln soll.
Der Angeschuldigte hat sich aber überdies noch positiv eine Blöße in demjenigen gegeben, was er an den Schöffen Souchay über „das Schwingen seiner Büchse“ schreibt, und was er hinterher auf völlig ungeschickte Weise für sich unschädlich zu machen sucht. S. o. S. 212.
Die Aeußerung in dem Schreiben ist um so bedeutsamer, als auch Weber, wo er von dem Schlage nach Lichnowskys Kopf spricht, ausdrücklich sagt, Nispel habe die Büchse geschwungen. Dazu kommen noch die verdächtigen Aeußerungen Nispels in seinem zweiten Schreiben an Souchay: daß er sich – leider (!) – des Vorfalls fast gar nicht mehr erinnern könne, – daß Souchay [277] die Akten einsehen und ihm von den kompromittirenden Zeugenaussagen Nachricht geben möge, – „Aus diesen Aussagen allein kann ich mich dann erst entschließen, … zurückzukehren.“ –
Endlich sind noch als Indizien anzuführen die von Hauswald am Kolben von Nispels Büchse gefundenen Eindrücke, „als ob etwas Hartes damit geklopft oder gehauen worden wäre“, von denen freilich die Sachverständigen Weber und Hensel sagen, es lasse sich über ihre Entstehung nichts mit Bestimmtheit behaupten.
Was nun aber freilich die Wirkung des Schlags betrifft, so sagt der einzige Augenzeuge (Weber), Nispel müsse hart geschlagen haben, weil er den Lauf der Büchse mit beiden Händen gehalten und die Büchse geschwungen habe. Derselbe fügt aber bei, Lichnowsky habe damals noch den Hut auf dem Kopfe gehabt. Dieterich will zuletzt nicht mehr wissen, ob der Schlag getroffen habe. Nach Escherich hätte der Schlag den Lichnowsky an’s linke Ohr getroffen und verwundet. Dr. Hodes sagt, der Kolbenschlag auf den Kopf müsse dem Fürsten nicht besonders zugesetzt haben. Die von Schmunk berichtete Zerfleischung des rechten Arms muß ohnedies auf sich beruhen, weil Zeuge seine Aussage selbst als bloße Wirthshaustradition erklärt und weil sie isolirt steht. Ebensowenig liefern aber die Aussagen der Aerzte ein Ergebniß. Die Gerichtsärzte fanden drei zwar infolge heftiger Mißhandlung entstandene, jedoch (in wenigen Wochen) heilbare Verletzungen am Kopfe, die sie einem sehr stumpfen Instrumente zuschrieben, da ein eckiges oder scharfes den Knochen verletzt haben würde. Andere Aerzte dagegen, die den Fürsten im Spital sahen, erklärten die [278] die eine und zwar schwerste Verletzung am Kopf für eine Schußwunde.
Es liegen also vor: 1) drei mehr oder minder verdächtige Zeugenaussagen, 2) ein hiemit übereinstimmendes, mehrfach bezeugtes Gerücht, 3) ein durch einen klassischen Zeugen bekundetes, außergerichtliches Geständniß, und 4) die Umarmung des Buchsweiler, eine bedeutende Anzeige. Dazu kommt 5) die gänzlich mißglückte Vertheidigungsweise des Angeschuldigten, der diesmal nicht den Muth hatte, sich als Beschützer des Schlachtopfers geltend zu machen, 6) das indirekte Geständniß in dem Brief an Souchay, 7) der Zustand des Büchsenkolbens, als ihn Hauswald kurz nach Nispels Entfernung untersuchte. Diese Momente, verbunden mit dem zuvor Angeführten, müssen einem Jeden die Ueberzeugung aufdringen, daß Nispel keineswegs erst vor der Katastrophe zu der Lichnowsky umgebenden Rotte kam, sondern von Anfang an bei ihr war, und daß er namentlich keineswegs die Absicht hatte, den Escherich mitzunehmen, vielmehr seine Absicht lediglich die fortgesetzte Absicht war, den Lichnowsky feindselig – gewaltsam zu behandeln, was er eben mit dem Kolbenschlag bethätigte; mit einem Worte, die angeführten Momente lassen keinen Zweifel darüber, daß Nispel der körperlichen Mißhandlung des Fürsten Lichnowskys für überführt zu erachten war.
2) Tödtung. Daß Nispel auf den Fürsten Lichnowsky geschossen habe, wird nur von Escherich und P. Ludwig ausgesagt, d. h. von zwei Mitschuldigen, deren einer nur durch einen Dritten Mittheilung macht, und deren andrer ganz und gar als Zeuge verwerflich ist. [279] Ueberdies ist hier das schon oben über den Befund der Nispelschen Büchse Ausgeführte zu wiederholen.
Zwar ist nun ferner von Dieterich und Kern bezeugt worden, Nispel habe einige Zeit nach den auf Lichnowsky gefallenen Schüssen ausgesprochen, der Mann lebe noch, er (Nispel) wolle wieder hingehen und ihn vollends todtschießen. Indessen unterliegen diese Aussagen mehreren Bedenken. Dieterich, der noch beifügte, Nispel sei sofort mit Erasm. Christian und einem Dritten an die Stelle zurückgegangen, wo der verwundete Lichnowsky gelegen habe, ließ später die beiden Begleiter weg, wiederholte aber außerdem die Aussage, namentlich auch bei der Konfrontation. Allein durch das zuvor Angegebene verliert seine Aussage sehr an Werth, und würde nur dann auf einige Beachtung Anspruch machen können, wenn sie anderweitig gehörig unterstützt wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn Kern spricht, da er ganz andre Worte in Nispels Mund legt, nicht von derselben Aeußerung, welche Dieterich vernommen haben will, sagt auch nichts davon, daß Nispel sofort wirklich in die Pappelallée zurückgegangen sei. Ueberdies hat aber derselbe neuerdings erklärt, daß er seine Aussage, wie sie oben angegeben ist, nicht mehr, sondern nur soviel noch vertreten könne, als er in Hanau ausgesagt habe, – d. h. Nispel habe geäußert, es sei böse, wenn Lichnowsky noch lebe, indem er dann die Mörder verrathen könne. – Dazu kommt noch, daß L. Rein erzählt, der Jude Buchsweiler sei es gewesen, der dazu aufgefordert habe, den Lichnowsky vollends todt zu machen, und beisetzt, Buchsweiler, Nispel, Escherich und Andere hätten sich wieder nach der Wiese gedrückt. Diese Darstellung weicht wesentlich von der des Dieterich [280] und Kern ab, wenn man auch nicht mit dem hier sehr flüchtigen Vertheidiger darauf Gewicht legen will, daß nach Kern der Angeschuldigte blaß und zerschlagen, nach Röder und Schutt (aber zu andern Zeitpunkten!) roth und erhitzt ausgesehen haben soll. Auch Rein aber hat, als es zur Konfrontation kommen sollte, seine frühere Aussage indirekt zurückgenommen. Von irgend einem Erfolg der, sei es nun von Nispel oder Buchsweiler ausgesprochenen Absicht liegt ohnedies keine Spur vor. Ergiebt nun auch die von Kern beharrlich festgehaltene Aeußerung Nispels den Verdacht, daß Nispel nicht nur im Interesse der Tödtenden gedacht und gesprochen, sondern auch wohl thatsächlich gemeinschaftliche Sache mit ihnen gemacht habe, – so reichen doch die angegebenen Momente zum Beweise wirklicher Thätigkeit keineswegs aus.
Zu den bisher für einzelne Akte des Angeschuldigten angeführten Verdachtsgründen kommen noch einige allgemeine:
1) Aeußerungen Nispels in Hauswalds Wirthschaft am Abend des 18. Sept. – Hauswald selbst hatte früher ausgesagt, Nispel habe da wie ein Sünder ausgesehen. Dies nahm er neuerdings zurück, indem er dem Nispel kein Verbrechen vorwerfen könne und wolle. Im Uebrigen sagte er auch jetzt: Nispel habe bleich und verlegen ausgesehen und über die Bürgergardeoffiziere raisonnirt, welche die Freiheit auf dem Präsentirteller gebracht wissen wollten; dem Gärtner Süßmayer habe er auf die neckende Aeußerung, er werde wohl beim Aepfelwein in Bornheim gewesen sein, erwiedert: „Wo ich war, da habe ich gewirkt;“ – was sich offenbar auf die an jenem Abend [281] fortwährend vielbesprochene Mordgeschichte bezogen habe. Peter Hofmann, (Feldwebel) erzählt, Nispel habe die Schützen am Abend abermals Scheißkerle genannt und noch in großem Tone beigefügt: „Ihr werdet noch Alle erleben, was wir heute bezweckt haben.“ Die Aussage Hauswalds wird im Wesentlichen durchaus bestätigt durch den Gärtner Süßmayer, der beifügt, Nispel habe brutal und ruhmrednerisch gesprochen und verwirrt, verzerrt, ganz ruchlos ausgesehen, habe nirgends Ruhe gehabt. – Portefeuillefabrikant Kronberg hörte nur Süßmayers Frage, nicht aber Nispels Antwort. Uhrmacher Mecker sah den Nispel ganz zerstört in der Wirthsstube stehen und hörte am andern Tage, daß Nispel die Schützen feige oder zahme Lauszippel gescholten habe, während er seine Schuldigkeit gethan und gewirkt hätte. H. Schutt bestätigt die Aussage Hauswalds als Ohrenzeuge und fügt bei, Nispel habe gesagt, er trage die Uniform nicht bloß zur Parade, er sei keine Puppe u. dgl. – Handelsmann Beaufrère bestätigte die Nispelsche Rede: „Wo ich war etc.“ gleichfalls, jedoch nur von Hörensagen. Hauswald, Hofmann, Süßmayer und Schutt sind bei der Konfrontation auf ihren Aussagen standhaft beharrt.
2) Nispels Flucht nach Paris, welche der Vertheidiger in sehr unstichhaltiger Weise als gewöhnliche Geschäftsreise darzustellen sucht.
3) Sein Benehmen in Paris, insbesondere die Sorgfalt, womit er sich von Hause aus fortwährend Nachricht über den Gang des Prozesses geben ließ, und die von ihm selbst geschehene Aufzeichnung der auf ihn bezüglichen Momente in den Hanauer Schwurgerichtsverhandlungen, zusammengehalten mit vielen brieflichen Aeußerungen der [282] Seinigen, worin sie ihm rathen, der möglichen Auslieferung von Seiten der französischen Regierung durch die Abreise nach Amerika zuvorzukommen, da doch von seinem Wiederkommen keine Rede sein könne, – sowie mit seiner Mittheilung an den Advokaten Cöster und dessen Antwort darauf, worin ihm gerathen wurde, nicht zurückzukehren, da sein Name zu schwer kompromittirt sei. Was der Vertheidiger hierüber bemerkt, ist unstichhaltig. Pikanter wenigstens ist der von Nispel selbst gemachte, aber freilich nicht eben sehr triftige Einwand, daß er, wenn er sich einer Schuld bewußt gewesen wäre, noch auf dem Transport von Paris nach Straßburg leicht sich hätte frei machen können, da er mit einem Transportgenossen Namens Stein, der in Straßburg zu entlassen gewesen sei, den Namen getauscht und dadurch die Behörden in Nancy wirklich getäuscht habe, wie sich denn auch jener Stein urkundlich unter dem Namen Nispel einen Zahn habe ausziehen lassen.
Georg Andreas Nispel ist im Jahr 1811 zu Lich im Großherzogthum Hessen als das jüngste von 5 Kindern des Schönfärbers Jakob Nispel geboren, welcher starb, als Nispel 3 Jahre alt war. Bis zum 14. Jahr erhielt er den gewöhnlichen Unterricht in der Volksschule und trat sofort bei einem Buchbinder und Etuifabrikanten in die Lehre. Nach beendigter Lehrzeit gieng er im Jahr 1829 auf die Wanderschaft und arbeitete bald längere, bald kürzere Zeit an verschiedenen Orten (Würzburg, Nürnberg, Berlin, Schwerin, Hamburg, Koblenz), wo er sich stets das Zeugniß eines guten und tadellosen Betragens erwarb. Nach beendigter Wanderschaft verehlichte er sich [283] im Juli 1836 und erzeugte 7 Kinder, von denen vier noch am Leben sind. Vermögen hat er nicht.
Von den über seine Jugendzeit vernommenen Zeugen giebt ihm nur Einer, der 79jährige Pächter Friedr. Nehr, ein schlechtes Zeugniß, indem er ihn als einen bösen, wilden, pfiffigen, naschhaften, heimtückischen Jungen schildert, der mit seiner Mutter immer im Streit gelebt habe und einen nie geraden Blicks habe ansehen können.
Dagegen sagt Joh. Bapt. Fr. Menges II. nur, Nispel sei überall als ein wilder Junge bekannt gewesen, der auf einer Kuh zu reiten gepflegt habe; – und der Pharmaceut Aug. Nehr, sowie Ernst Wolfg. Gläßner schildern ihn übereinstimmend als einen zwar wilden, stets zu pudelnärrischen Streichen aufgelegten, dabei aber aufgeweckten, gutmüthigen, durchaus nicht zank- und streitsüchtigen Knaben.
Der Stadtvorstand in Bockenheim bezeugt: „Nispel stand vor 1848 im Rufe eines thätigen, gewandten Geschäftsmanns, und die Ausdehnung seiner Fabrik hat diese Annahme auch gerechtfertigt. Vom Jahr 1847 an nahm er lebhaften Anthei1 an allgemeinen Verhältnissen und that sich z. B. zur Theurungszeit des Brodes zur Bewirkung billigerer Preise desselben sehr hervor. Von Gemüthsart schien Nispel stets heftig, verstand es aber sich einzuhalten, bis er dann im März 1848 sich mehr gehen ließ und lauten und lebhaften Antheil an den allgemeinen Bewegungen nahm. Von da bis zu seiner Flucht erschien er immer in großer Exaltation, war viel außerhalb des Orts, und schien sich darin zu gefallen, im Größeren und Kleineren zu reformiren.“ – Nachträglich fügt er übrigens bei: daß in Bockenheim kein politischer Verein bestanden habe, daß ein Umgang des Nispel mit [284] bestimmten Personen nicht aufgefallen, im Uebrigen aber die politischen Ansichten desselben zur Kenntniß des Amts nicht gekommen seien. (Vgl. auch das den Nispel als fleißig, freisinnig und in Ansehen stehend schildernde Zeugniß des H. Schutt.) In Untersuchung hat Nispel früher nie gestanden.
Die nachträglich vernommenen (zum Theil langjährigen) Nachbarn Nispels in Bockenheim, welche der Stadtvorstand als höchst glaubwürdige, konservativgesinnte Männer bezeichnet, Zimmermann Karl Bauer, Schreiner Karl Heusler, und Mechanikus Phil. Leber, geben dem Nispel einstimmig das Zeugniß, daß er ein fleißiger und tüchtiger Geschäftsmann und ein guter und treuer Familienvater gewesen sei. Die beiden ersteren fügen noch besonders hinzu, daß sich Nispel auch seit dem März 1848 keineswegs durch Redenhalten bemerklich gemacht und sich nicht in Wirthshäusern herumgetrieben habe.
Der Vertheidiger glaubt in Nispel einen strengen Charakter gefunden zu haben, der weder gegen sich selbst, noch gegen Andre zur Nachsicht geneigt sei und viel Selbstbeherrschung besitze.
Endlich sagt der Hauptbericht: „Während der Untersuchung hatte man Gelegenheit wahrzunehmen, daß Nispel, obgleich er keine wissenschaftliche Bildung genossen, doch viel Gewandtheit besitzt, die er sich durch Umgang mit gebildeten Leuten in der Fremde erworben zu haben scheint. Sein Talent ist mehr als ein gewöhnliches, was schon daraus zu entnehmen ist, daß er einen großen Theil seiner Antworten wörtlich diktirte.“
[285] In Beziehung auf die gegen den General Auerswald verübten Verbrechen war nun nach allem Bisherigen gegen Nispel der Anschuldigungsbeweis nur insoweit als erbracht anzunehmen, daß Entbindung von der Instanz ausgesprochen werden mußte.
Anders verhielt es sich dagegen mit der Betheiligung des Angeschuldigten an dem gegen den Fürsten Lichnowsky verübten Verbrechen.
Und zwar mußte die von dem Angeschuldigten in dieser Beziehung entwickelte Thätigkeit aus folgenden Gründen unter den Begriff eines auf Tödtung [nach dem oben Angeführten Todtschlag] gerichteten Komplotts gestellt werden:
1) Infolge des Vorgangs mit Auerswald konnte und mußte Jeder, der diesen kannte, wissen, daß von einer gewissen Mehrzahl von Personen, wenn sie nicht daran gehindert würden, an dem Fürsten Lichnowsky unfehlbar das gleiche Verbrechen werde verübt werden.
Dafür, daß namentlich Nispel wissen mußte, es werde dem Fürsten Lichnowsky ein ähnliches Schicksal bereitet, wie dem Auerswald, spricht noch besondere sein Zugeständniß, darauf hinweisende Drohungen bei Auerswalds Leiche vernommen zu haben.
2) Allerdings ist konstatirt, daß unter dem den Fürsten umgebenden Haufen durch die wohlwollenden Bemühungen des Dr. Hodes Zwiespalt entstand, und daß diese Bemühungen eine Zeitlang Aussicht aus Erfolg hatten. Um so gewisser ist aber eben deshalb anzunehmen, daß diejenigen, welche der sich bildenden humanen Parthei sich mit Wort und That entgegensetzten, selbst eine Parthei bildeten und sich als solche erkannten, daß daher unter ihnen ein stillschweigender [286] Bund zur Vereitlung jener Bestrebungen, d. h., da jene Bestrebungen eben nur die Rettung des Fürsten Lichnowsky vom Tode bezweckten, – zur Tödtung desselben stattgefunden habe.
3) Wenn auch nicht erweislich ist, daß Nispel gerufen habe: „der Hund muß sterben,“ – so hat doch auch Nispel selbst nicht zu behaupten gewagt, daß er zu Gunsten des Fürsten eingeschritten sei. Daß er im Gegentheil sich ganz positiv der den Bestrebungen des Dr. Hohes entgegenwirkenden, durch den Juden Buchsweiler zu Tödtung gehetzten Parthie anschloß, beweist am deutlichsten der von ihm nach Lichnowskys Kopf geführte Schlag mit dem Gewehrkolben.
4) Die Aeußerungen Nispels in der Hauswaldischen Wirthschaft[WS 9] hätten keinen Sinn, wenn sie sich blos auf diesen Schlag beziehen sollten; sie setzen vielmehr voraus, daß Nispel seine Thätigkeit als eine planmäßige, auf das Mithandeln der Andern, im Schießen besser Geübten berechnete aufgefaßt habe.
5) Auch liegt offenbar nur eine solche in Nispels Charakter, während eine bloße, abgerissene, bübische Mißhandlung ihm nicht zuzutrauen ist.
6) Wenn die mehrangeführte Aussage des Kern nicht hinreicht, um den Schluß zu begründen, daß Nispel ein Komplott zur Tödtung Lichnowsky ausdrücklich verabredet habe, so beweist die von Kern bezeugte Aeußerung Nispels doch jedenfalls, daß er das Interesse der Tödtenden ganz zu dem seinigen gemacht hat, d. h. daß er in das von ihnen gestiftete Komplott stillschweigend eingetreten ist.
Besondere Schärfungs- oder Milderungsgründe lagen bei Nispel nicht vor. Auch konnte von [287] dem bei den beiden andern Angeschuldigten in Betracht zu ziehenden Momente der unverschuldet langen Dauer der Untersuchungshaft hier nicht die Rede sein. Nur der Umstand, daß der Angeschuldigte in Beziehung auf seinen früheren Lebenswandel einen entschieden guten Leumund für sich geltend machen konnte, mußte als strafmindernd berücksichtigt werden, während andrerseits der seinem ganzen Charakter entsprechende und durchweg bethätigte geringere Grad von Aufregung und Affekt als straferhöhend in Betracht kam. Unter diesen Umständen hielt man es für gerecht, den Angeklagten wegen Theilnahme an der im Komplott verübten Tödtung (Todtschlag) des Fürsten Lichnowsky zu vierzehnjähriger Zuchthausstrafe zu verurtheilen. *).
[288]
[136] *) Gerade bei diesem Angeschuldigten dürfte wohl die Annahme, daß überall im Affekt gehandelt worden sei, sich schwerlich rechtfertigen lassen.
[140] *) Vgl. Württ. Strafgesetzbuch Art. 323. Braunschw. §. 215.
**) Hufnagel Kom. III. S. 415. 416. N. Jahrb. f. sächs. Strafr. I. H. 4. S. 108 f.
[141] *) Vgl. Hufnagel Komm. III. S. 379–382.
[144] *) Der Verfasser würde auch das freiwillige Geständnis, den Reiz der unerwartet dargebotenen Gelegenheit, die Motive, als welche zunächst nur Neugierde und Sucht sich wichtig zu machen erscheinen, endlich die bedientenhafte Rolle, womit der Angeschuldigte sich begnügt hat, in Betracht gezogen haben.
[201] *) Daß dies sehr triftige Straferhöhungsgründe seien, kann man vollkommen anerkennen, auch ohne bei der Angeschuldigten Handeln im Komplott anzunehmen.
[202] *) Nach der von vielen angesehenen Rechtslehrern getheilten Ansicht des Verfassers über das Wesen und die Strafbarkeit der zufälligen Miturheberschaft wäre keineswegs eine geringere Strafe zu erkennen gewesen. Freilich ist aber diese nicht die allgemeine. Vielmehr wird von vielen Andern behauptet, daß die Begründung solidarischer Mitverantwortlichkeit einzig und allein auf dem Wege des Komplotts möglich sei, außer diesem Falle daher jeder als Urheber Theilnehmende nur für die Wirkung seiner eigenen Handlung verantwortlich gemacht werden könne. (s. z. B. Kleinschrod system. Entw. I. §. 181.– Grolmann §. 32. [203] 34. Schröter §. 129. Martin §. 75. 80. 81. Henke Handb. I. §. 42. n. 20. Roßhirt Lehrb. §. 34. Luden Handbuch I. §. 75 (vgl. aber §. 80). Auch die neueren Gesetzgebungen sammt und sonders theilen jene strengere Ansicht nicht, lassen vielmehr eine solidarische Mitverantwortlichkeit nur durch Komplott (das sächsische, braunschweigische und thüringische Gesetzbuch auch durch stillschweigendes Komplott) begründet werden, während sie für den Fall zufälliger Miturheberschaft entweder, wie das braunschweigische Gesetzbuch §. 41 und das thüringische Art. 33, ausdrücklich den Grundsatz aufstellen, daß jeden nur die durch seine eigene Thätigkeit verwirkte Strafe treffe, oder aber alle Bestimmungen über den fraglichen Fall vermissen lassen, wie sämmtliche übrigen. Nach dem Wortlaut einiger Gesetzbücher (wie des württembergischen und hessischen) ist es freilich möglich, auch den Fall der zufälligen Miturheberschaft unter die Bestimmungen über das Komplott zu ziehen, was aber in andrer Richtung ungerecht wäre. Dagegen ist nach der großen Mehrzahl der neuen Gesetzbücher nur ebenso zu entscheiden, wie es von dem braunschweigischen geschieht.
Nach dieser Ansicht, welche die volle Strafbarkeit des Urhebers nur eintreten läßt für den Thäter, den wahren Anstifter, den sog. Hauptgehilfen und den Komplottanten, wäre denn freilich für die Angeschuldigte eine bedeutend geringere Strafe herausgekommen, wenn man sie nicht als Komplottantin betrachtet hätte. Es dürfte aber eben der vorliegende Fall besonders schlagend die Lückenhaftigkeit unsrer neuen Gesetzgebungen in diesem Gebiete beweisen!
[243] *) Auch der Ladhammer mit dem schwarzen Knöpfchen von Horn ist dies nicht (wie der Hauptbericht meint), da in der ganzen Gegend die Ladhämmer gewöhnlich am Stielende mit (weißem oder schwarzem) Horn besetzt sind [s. Gutachten der Sachverständigen].
[247] *) Ob aber Nispels Bart „mit dem Gesichte ganz verwachsen“ war, dürfte doch die Frage sein.
[252] *) Bald soll dann der Schütze 1mal, bald 2mal, – bald vor, bald nach dem ersten Schuß mit dem Gewehrkolben geschlagen oder gestoßen, bald auf den Kopf, bald auf die Brust, bald auf den Stehenden, bald auf den Liegenden geschlagen haben u. s. f.
**) Vgl. die obige Beschreibung von Knöll und das oben angeführte Zeugniß von J. Odenwalds Frau.
***) L. Dietrich giebt den ersten Schuß von Ludwig ganz richtig an und sagt dann, den 2ten habe Kaspar Schäfer (sein eigener Schwager) gethan. Andre Erzählungen nennen Georg und Schäfer.
[265] *) Die im Hauptbericht als belastend aufgeführte Stelle aus einem Brief an Nispel, „Deine Untersuchung wird in Frankfurt geführt, und sie wissen ziemlich, was vorgefallen ist, auch daß aus Nr. 10 nicht gesch.[ossen] wurde, sondern Du seiest eines Andern angeklagt,“ – enthält keineswegs ein indirektes Geständniß. Denn am 11. Okt. konnte der Nispelschen Familie ebensogut als das bisherige Resultat der Untersuchung auch der Ausspruch des Gleichauf bekannt sein. Ja daß dies wirklich der Fall war, hätte der Hauptbericht aus der Aussage des Just. Amtm. Kraus deutlich ersehen können. Ohnedies müßte die Stelle, wenn sie ein indirektes Geständniß enthalten sollte, anders lauten, nämlich: – „sie wissen nicht, daß aus Nr. 10 etc.“ -
[266] *) Zu Schackert sagte Nispel, acht Tage nach dem Vorfall habe ihm ein schlechter Kerl gesagt, daß Er (Nispel) einen der Abgeordneten erschossen habe, was aber nicht der Fall und ein Gottesglück sei, daß aus seiner Büchse noch nie geschossen worden sei.
**) Vergl. dagegen das oben angeführte Zeugniß von J. Odenwalds Frau über Knöll.
***) S. auch die Aussage von Schackert, Nispel habe ihm gesagt, der eine dieser Männer habe ihn gedauert, der Andere aber nicht, weil dieser gegen das Volk gesprochen und die Freischärler an das Militär verrathen habe. – (Der erste ist offenbar Auerswald).
[287] *) Nachschrift: Oeffentlichen Nachrichten zufolge hat sich Nispel, der gleich der Angeklagten Henriette Zobel Appellation ergriffen hatte, in seinem Gefängnisse zu Frankfurt erhängt.