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Auf dem Schlosse zu Heidelberg

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Textdaten
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Autor: Max von Schenkendorf
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Titel: Auf dem Schlosse zu Heidelberg
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 538–542
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[538]
Auf dem Schlosse zu Heidelberg.
(Im Julius 1814.)

Es zieht ein leises Klagen
Um dieses Hügels Rand;
Das klingt wie alte Sagen
Vom lieben teutschen’ Land.

5
Es spricht in solchen Tönen

Sich Geistersehnsucht aus:
Die theuern Väter sehnen
Sich nach dem alten Haus.

Wo der wilde Sturm nun sauset,

10
Hat in seiner Majestät

König Ruprecht einst gehauset,
Den der Fürsten Kraft erhöht;
Sänger kamen hergegangen
Zu dem freien Königsmahl,

15
Und die goldnen Becher klangen

In dem weiten Rittersaal.

Wo die granitnen Säulen
Noch stehn aus Karl’s Palast,
Sah man die Herrscher weilen

20
Bei kühler Brunnen Rast.

Und wo zwei Engel kosen,[1]
Der Bundespforte Wacht,
Zeigt uns von sieben Rosen
Ein Kranz, was sie gedacht.

25
Ach! es ist in Staub gesunken

All der Stolz, die Herrlichkeit!
Brüder, daß ihr letzter Funken
Nicht ersterb’ in dieser Zeit,
Laßt uns hier ein Bündniß stiften,

30
Unsre Vorzeit zu erneu’n

Aus den Grüften, aus den Schriften
Ihre Geister zu befrei’n.

[539]

Vor Allen, die gesessen
Auf Ruprechts hohem Thron,

35
War Einem zugemessen[2]

Der Erde höchster Lohn.
Wie jauchzten rings die Lande
Am Neckar jener Zeit,
Als er vom Engellande

40
Das Königskind befreit.


Viel der kecksten Ritter kamen,
Ihrem Dienste sich zu weih’n.
Dort wo noch mit ihrem Namen
Prangt ein Thor von rothem Stein,

45
Ließ sie fern die Blicke schweifen

In das weite grüne Thal;
Nach dem Fernen soll sie greifen
In des Herrschens falscher Wahl.

Da kam wie Meereswogen,

50
Wie rother Feuersbrand,

Ein bittres Weh gezogen
Zum lieben Vaterland.
Die alten Vesten bebten,
Es schwand des Glaubens Schein,

55
Und finstre Mächte strebten,

Die Fremden zogen ein.

Weit erschallt wie Kirchenglocken,
Teutschland, deine Herrlichkeit,
Und es weckt so süßes Locken

60
Immerdar des Wälschen Neid.

Wunden mag er gerne schlagen
Dir mit frevelvoller Hand,
Wie er in der Väter Tagen
Die gepriesne Pfalz verbrannt.

65
Zu lang nur hat gegolten

Die schmähliche Geduld;

[540]

Doch was wir büßen sollten,
Wie groß auch unsre Schuld, –
Rein ist sie abgewaschen

70
In warmem Friedesblut,

Und herrlich aus der Aschen
Steigt unser altes Gut.

Lange hielten drum die Wache
Jene Ritter an dem Thurm,[3]

75
Ob nicht käm’ der Tag der Rache,

Ob nicht brauße Gottes Sturm.
Jetzt erwarmen sie am Scheine
Von dem hohen Freiheitslicht,
Daß die Brust von hartem Steine

80
Schier vor Wonn’ und Liebe bricht.


So stieg nach dreißig Jahren
Elisabeth, dein Sohn,[4]
Der manches Land durchfahren,
Auf seines Vaters Thron.

85
Er that wie Ritter pflegen,

War seines Landes Schutz,
Und bot mit kühnem Degen
Dem Wälschen Schimpf und Trutz.

Nimm denn jetzt auf deinem Throne,

90
Theurer, höchster Heldenschatz,

Angethan mit goldner Krone,
Teutschland, wieder deinen Platz!
Alles will für dich erglühen
Alte Tugend ziehet ein,

95
Und die teutschen Würden blühen

An dem Neckar wie am Rhein!

Max von Schenkendorf.

  1. [540] Ruprecht III., Römischer König, erbaute 1400 den Theil des Schlosses, der jetzt noch seinen Namen trägt, und dessen vordere Wand sich noch bis heut erhalten hat; mehrere historische Merkwürdigkeiten befinden sich an derselben, als: der einfache Reichsadler, das [541] alte pfälzische Wappen, und vor allem die Verzierung über dem Haupteingang dieses Bau’s: Zwei Engel halten einen Kranz von sieben Rosen, in dessen Mitte sich ein aufrecht stehender Zirkel befindet.
  2. [541] Friedrich V., der Gemahl der Prinzessin Elisabeth von England, einer der schönsten, aber auch ehrgeizigsten und unglücklichsten Fürstinnen. Die edelsten Ritter bewarben sich um ihren Dienst; Christian von Braunschweig trug ihren Handschuh am Hut und ließ in seine Fahnen setzen: „Für Gott und Sie.“ Friedrich V. erbaute ihr zu Liebe den sogenannten englischen Bau, von dem nur noch wenige Trümmer erhalten sind.
  3. [541] Im sogenannten Stückgarten steht ein viereckiger Eingangsthurm, in dessen Trümmern sich die Bilder dieser zwei Ritter befinden; es sind eigentlich etwas unförmliche Schildwappen, die trotz ihres kolossalen Gliederbaues sich ihre dicken Spieße mit sammt dem silbernen Pfälzischen Wappen, welches sie zu bewachen hatten, von den Franzosen entwenden ließen.
  4. [541] Karl Ludwig, der Sohn Friedrichs und Elisabeths, war 33 Jahre alt, als er nach dreißigjähriger Verbannung in sein Vaterland zurückkehrte. Die Pfalz war unterdeß eine Wüste und das Heidelberger Schloß unbewohnbar worden. Dieser edle Fürst that Alles, was in seinen Kräften stand, um den äußern Wohlstand, die bürgerliche Ordnung und die Sicherheit seiner Länder wieder herzustellen. Vor seinem Ende mußte er aber noch die von Frankreich einbrechende neue Verwüstung derselben erleben. Da zeigte sich seine Gesinnung auf eine echt fürstliche und ritterliche Weise. Als Ludwig XIV. die Republik Holland anfiel, hielt der Kurfürst zur rechten, entgegengesetzten Partei. Mehrere feindliche Heerhaufen verwüsteten die Pfalz und die gesammten Rheinischen Lande. Der Kurfürst, der sich von Heidelberg nach der von ihm wieder erbauten Friedrichsburg begeben hatte, sah den Brand längs der Bergstraße und wankte nicht. „So lange ich nur dieses habe“ – sprach er, ein Stück Schwarzbrod essend, – „soll mich keine Gewalt schrecken!“ – Es ist hier der Ort, zu erwähnen, daß der sogar von den Teutschen hochgefeierte Türenne damals ein eben so arger Mordbrenner und Räuber war, als Rochefort und Baubrün, als späterhin Melac und Düras, als in unsern Tagen Davoust und Bandamme. Der gutmüthige Teutsche hat aber von jeher diejenigen seiner Feinde, welche die ärgsten sind, weil sie durch einen Schein von Großherzigkeit gleisen, hochgeprießen und dagegen seiner eigenen Helden vergessen. Als der Kurfürst das Elend der Pfalz nicht länger mit ansehen konnte, forderte er den französischen General zum Zweikampf. „Was Sie an meinem Lande verüben,“ – schrieb er ihm – „kann unmöglich auf Befehl des allerchristlichsten Königs geschehn; ich muß es als Wirkung eines persönlichen Grolls gegen mich betrachten. Es ist aber unbillig, daß meine armen Unterthanen büßen, [542] was Sie vielleicht gegen mich auf dem Herzen haben, darum mögen Sie Zeit, Ort und Waffen bestimmen, unsern Zwist abzuthun.“ – Der große Türenne stellte sich aber nicht.
    Das Leben Karl Ludwigs böte einen schönen Stoff zu einer teutschen Odyssee. Seine Geburt von so herrlichen Eltern, der Fall seines Hauses, seine Flucht als Kind, seine Wanderschaft zum Großvater nach England, die Wiedereinsetzung in seine Länder, die neue Verwüstung derselben, und gleich nach seinem Tode der Ausbruch des Krieges wegen der Orleans’schen Erbfolge, der durch die unglückliche Vermählung seiner Tochter veranlaßt war, verflochten mit den Geschichten der Reformationen und des dreißigjährigen Krieges; sein frommer Traum von der Vereinigung aller christlichen Confessionen, welchen er einen Tempel der Eintracht in Friedrichsburg erbaute, worin er neben seiner geliebten Raugräfin, Luise von Degenfeld, bestattet wurde, u. s. w., ein so vielfältig bewegtes Leben gäbe eine Fülle von Stoff für ein großes Gedicht.
    (Obige Noten von Max von Schenkendorf selbst, befinden sich in der Sammlung seiner sämmtlichen Gedichte. Berlin 1837. Seite 390 und ff.)